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Die Schattenseiten des Gesundheitsmanagements in Fukushima: Der Reaktorunfall am Kernkraftwerk Fukushima Daiichi
Die Schattenseiten des Gesundheitsmanagements in Fukushima: Der Reaktorunfall am Kernkraftwerk Fukushima Daiichi
Die Schattenseiten des Gesundheitsmanagements in Fukushima: Der Reaktorunfall am Kernkraftwerk Fukushima Daiichi
eBook256 Seiten2 Stunden

Die Schattenseiten des Gesundheitsmanagements in Fukushima: Der Reaktorunfall am Kernkraftwerk Fukushima Daiichi

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Über dieses E-Book

Ein schweres Erdbeben verursachte am 11. März 2011 große Schäden am Kernkraftwerk Fukushima Daiichi. Es kam zu einem vollständigen Stromausfall. Die Kühlung der Reaktoren und Brennstäbe fiel dadurch aus. E eine unkontrollierte Kernschmelze war nicht mehr zu verhindern. Der anschließende Tsunami, der die Anlage überflutete, verschlimmerte die Situation noch. Der Super-GAU dauert bis heute an.
Über die gesundheitlichen Folgen und ihre systematische Vertuschung durch die japanische Regierung und Tepco gibt dieses Buch authentischen Einblick und mahnt den Kampf zur weltweiten Stilllegung aller Atomkraftwerke entschlossen weiterzuführen.
SpracheDeutsch
HerausgeberVerlag Neuer Weg
Erscheinungsdatum27. März 2017
ISBN9783880214507
Die Schattenseiten des Gesundheitsmanagements in Fukushima: Der Reaktorunfall am Kernkraftwerk Fukushima Daiichi

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    Buchvorschau

    Die Schattenseiten des Gesundheitsmanagements in Fukushima - Kosuke Hino

    1. Beginn meiner Recherchen

    Beweggrund

    Am Nachmittag des 22. 4. 2012, einem Sonntag, ging ich in Tokio-Shibuya zu einem Vortrag eines Bekannten, Herr Masanobu Nishino. Er ist Generalsekretär der Organisation »Kansai Occupational Safety and Health Center«. Sein Thema: Arbeiter, die radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren. Herr Nishino unterstützt seit 30 Jahren ehemalige AKW-Arbeiter, die unter gesundheitlichen Problemen leiden. Laufend führt er Gerichtsprozesse gegen Stromkonzerne und kämpft dafür, dass die Opfer entschädigt werden. Deshalb ist er auf dem Gebiet der Radioaktivität ein sehr kompetenter Ansprechpartner.

    In seinem Vortrag verglich er die erhaltene Strahlendosis der Arbeiter des AKW Fukushima Daiichi mit den Aktenbefunden der Arbeiter, für die er Prozesse führte. Er stellte fest, dass die Arbeiter am AKW Fukushima Daiichi extrem hoher radioaktiver Belastung ausgesetzt waren. Und er erklärte, dass die Höhe dieser Strahlendosis oft verheimlicht wurde. Ein Satz weckte mein Interesse ganz besonders:

    »Der Gebrauch des vom NIRS³ (Nationales Institut der Radiologischen Wissenschaften) bereitgestellten Online-Berechnungssystems zur Ermittlung der Strahlendosis wurde unmittelbar vor der Veröffentlichung gestoppt.«

    Nach dem Vortrag fragte ich ihn nach den Hintergründen.

    Wie Herr Nishino mir erläuterte, hatte das NIRS am 13. 5. 2011, zwei Monate nach der Reaktorkatastrophe, auf seiner Website bekannt gegeben, dass ein Onlinesystem erstellt werden sollte. Mit dem könne jeder errechnen, welcher Strahlendosis er ausgesetzt war, indem er einfach seine Aufenthaltsorte eingab. Dieses Berechnungssystem sollte am 20. 5. 2011 veröffentlicht werden. Genau an diesem Tag jedoch wurde es unter dem Vorwand technischer Probleme verschoben. Noch im Dezember gab das NIRS auf seiner Website bekannt, dass das Berechnungssystem nicht mehr veröffentlicht werde und stattdessen vom Gesundheitsmanagement der Präfektur Fukushima genutzt werden sollte. Die vorherigen Bekanntmachungen vom 13. 5. 2011 und 20. 5. 2011 wurden von der Website des NIRS gelöscht.

    Herr Nishino bedauerte dies und sagte: »Es ist wirklich schade. Auch wenn das System wegen der hohen Nachfrage überlastet gewesen wäre, hätte jeder ohne große Mühe seine eigene Strahlendosis grob errechnen können. Es wäre nützlich gewesen. Es ist zu vermuten, dass von irgendwoher Druck ausgeübt wurde. Die Veröffentlichung dieses Online-Berechnungssystems wird wohl irgendjemandem nicht ins Konzept gepasst haben.«

    Warum gab es diesen Druck? Und für wen wäre die Veröffentlichung zum Problem geworden? Ich wollte es unbedingt herausfinden. Das war der Ausgangspunkt meiner Recherchen.

    Anspruch auf Veröffentlichung der Informationen

    Der investigative Journalismus richtet sich nicht danach, was die Behörden oder Institutionen bekannt geben. Vielmehr befragt er Insider, sammelt Beweise und erstellt damit eigenständig Berichte. Und auch Vertuschungen und Unregelmäßigkeiten werden aufgedeckt.

    Zuerst sammelte ich die bereits vorhandenen einschlägigen Berichte.

    Nach dem 13. 5. 2011 berichteten Zeitungen und Fernsehsender, dass das Online-Berechnungssystem zur Ermittlung der externen Strahlendosis bald veröffentlicht werden sollte. Allerdings sprachen sie weder über dessen Verschiebung noch über dessen Abbruch.

    Zur selben Zeit, im Mai 2011, nahm das Gesundheitsmanagement der Präfektur Fukushima seine Arbeit auf. Das NIRS nahm daran teil, um auf Grundlage der Aufzeichnung von Aufenthaltsorten während der ersten vier Monate nach der Reaktorkatastrophe die äußere Exposition⁴ der Präfektureinwohner zu ermitteln. Das bedeutete also: Das NIRS hatte zwar auf die Veröffentlichung des Online-Berechnungssystems auf seiner eigenen Website verzichtet; aber die Aufgabe des Gesundheitsmanagements, die Strahlendosis von Einwohnern zu ermitteln, wurde dann doch von ihm übernommen.

    Um mehr darüber zu erfahren, machte ich bei den Behörden mein »Recht auf Informationen« geltend. Das ist ein wichtiges Prinzip des Journalismus, da Behörden oft absichtlich einige Informationen zurückhalten. Ich versuchte, bei möglichst vielen relevanten Institutionen Anspruch auf die gewünschten Informationen zu erheben.

    Das NIRS ist eine Selbstverwaltungskörperschaft, die 1957 nach dem »Daigo-Fukuryū-Maru«-Vorfall gegründet wurde. (Bei diesem Vorfall wurde das Fischerboot Daigo-Fukuryū-Maru durch einen US-amerikanischen Atomtest verstrahlt.) Das NIRS, mit der Zentrale und dem Forschungszentrum in der Präfektur Chiba, gehört zum MEXT⁵ (Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie). Es forscht über Radioaktivität und Strahlenmedizin. Die Selbstverwaltungskörperschaften werden hauptsächlich vom Staat subventioniert. Das Informationsfreiheitsgesetz, das 2001 in Kraft trat, gilt deshalb auch für diese Institutionen.

    Am 2. 5. 2012 stellte ich beim NIRS den Antrag, mir alle Dokumente zu übergeben über das Online-Berechnungssystem zur Ermittlung der externen Strahlendosis. Ebenso erhob ich gegenüber der Präfektur und der Medizinischen Hochschule Fukushima den Anspruch, mir alle Fakten mitzuteilen über die gesamten Umstände bezüglich des Online-Berechnungssystems und dessen Nicht-Veröffentlichung.

    »Das schürt nur Angst«

    Entsprechend einer Vorschrift beim NIRS (im Zusammenhang mit dem Informationsfreiheitsgesetz) muss das NIRS innerhalb von 30 Tagen die Bekanntgabe oder die Nicht-Bekanntgabe der verlangten Informationen schriftlich mitteilen. Das kann allerdings durchaus verschoben werden. So teilte mir das NIRS am 31. 5. 2011 mit, die Bekanntgabe der von mir gewünschten Informationen verschiebe sich um einen Monat.

    Einen Monat nur mit Warten zu verbringen, konnte ich mir nicht leisten. Deshalb meldete ich mich, unmittelbar nach Erhalt dieses Bescheids, bei der Presseabteilung des NIRS an, um die verantwortliche Person für die Entwicklung des Online-Berechnungssystems zu interviewen.

    Am 1. 6. 2011 besuchte ich abends das NIRS in der Stadt Chiba. Masami Torikoshi, Leiter des Zentrums für Forschung, Entwicklung und Kooperation, gab mir ein Interview. Er hatte damals das Dosisberechnungssystem als leitender Mitarbeiter mitentwickelt. Davon erfuhr ich schon vor dem Interview. Die Presseabteilung gab mir ein »Resümee«, das die Ereignisse vom Entwurf bis hin zum Abbruch des Internetsystems chronologisch auflistete.

    In diesem Resümee hieß es: Makoto Akashi, der Exekutivdirektor des NIRS, habe am 26. 4. 2011 Tetsurō Fukuyama, den Stellvertreter des Staatskabinettssekretariats, über den Plan eines Dosisberechnungssystems informiert. Der Stellvertreter hatte keine Einwände gegen den Plan, sodass er weiterentwickelt wurde. Am 13. 5. 2011 habe ein Vertreter des NIRS bei der Vorbereitungssitzung (der 1. geheimen Vorbereitungssitzung) des Gesundheitsmanagements der Präfektur Fukushima über dieses Onlinesystem informiert. Das Komitee sei der Meinung gewesen, mit diesem System könne Angst unter den Einwohnern geschürt werden. Noch am selben Tag machte das NIRS auf seiner Website seine Absicht bekannt, dieses Onlinesystem nicht zu veröffentlichen.

    Diese Vorbereitungssitzung fand in der Medizinischen Hochschule statt. Es nahmen Vertreter der Präfektur Fukushima teil, der Medizinischen Hochschule der Präfektur Fukushima, des MEXT und des Ministeriums für Gesundheit und Arbeit sowie die Forscher des NIRS und der RERF⁶ (Stiftung zur Erforschung der Strahlenauswirkungen).

    Ich fragte Herrn Torikoshi, wer geäußert habe, dass das Onlinesystem unter den Einwohnern Angst schüren könnte. Herr Torikoshi zögerte etwas und gestand schließlich: »Mir wurde gesagt, dieses Onlinesystem würde bei den Einwohnern Unruhe stiften und somit Probleme verursachen. Die lokalen Behörden haben diesbezüglich eine andere Wahrnehmung als wir.« Nun wurde mir der Sachverhalt klarer.

    Später erfuhr ich, dass Ende März 2011, direkt nach der Katastrophe, vom Amtssitz des Premierministers und dem MEXT angeordnet worden war, die Strahlendosis der Einwohner einzuschätzen. Seitdem beschäftige sich das NIRS damit, eine konkrete Berechnungsmethode zu schaffen, denn es hatte Erfahrung mit dem Nuklearunfall in der JCO-Uranverarbeitungsanlage in Tōkai.

    Es ist unmöglich, bei jedem einzelnen Einwohner die Strahlendosis zu messen. Selbst in der Umgebung eines AKW tragen Einwohner nur selten einen Personendosimeter mit sich. Aber man kann eine ungefähre Dosis ermitteln mithilfe der Ortsdosisleistung, die bei den amtlichen Messstationen (Monitoring Posts) gemessen wird, und der Aufzeichnungen betroffener Einwohnern über deren Aufenthaltsorte nach der Reaktorkatastrophe.

    Während der Nuklearunfall von JCO in Tōkai 200 Bewohner im Umkreis von 350 Metern um den Unfallort betraf, waren bei der Reaktorkatastrophe des AKW Fukushima Daiichi mindestens circa 200 000 Menschen betroffen, da sich die Radioaktivität in einem wesentlich größeren Umkreis niederschlug. Es war unerlässlich, möglichst schnell die Angaben der genauen Aufenthaltsorte zu sammeln, bevor bei den Einwohnern die Erinnerungen verblassten. Zu diesem Zweck schien mir die Nutzung des Online-Berechnungssystems sehr nützlich.

    Bei der Vorbereitungssitzung vom 13. 5. 2011 wurden die Pläne für das Online-Berechnungssystem gestoppt. Doch: Keine Zeitungen berichteten darüber am nächsten Tag. Bei der 1. Sitzung des Beratungskomitees für das Gesundheitsmanagement, die am 27. 5. 2011 stattfand, hatten sie das getan. Selbst im Internet tauchten keine Informationen auf. Dies erschien mir sehr verdächtig.

    Ich rief die Gesundheitsabteilung der Präfektur an, die gleichzeitig die Verwaltung des Beratungskomitees ist. Am Telefon meldete sich Herr Kotani, einer der leitenden Mitarbeiter der Abteilung, der also alles wissen musste. Als ich ihn aber auf die Sitzung vom 13. 5. 2011 ansprach, sagte er verwirrt, nicht seine Abteilung habe diese Sitzung organisiert, und deshalb wisse er darüber nicht Bescheid. Dann legte er plötzlich auf.

    »Dem NIRS wurde eine Tracht Prügel verabreicht«

    Am 13. 6. 2012 erhielt ich von der Präfektur und von der Medizinischen Hochschule Fukushima die angeforderten Dokumente. Aus einer Notiz in diesen Dokumenten ging hervor, dass die Sitzung vom 13. 5. 2011 weder offiziell noch angekündigt war.

    Im Protokoll hieß es: Ein führender Mitarbeiter des NIRS habe damals über das Online-Berechnungssystem informiert und bekannt gegeben, dass für die Einwohner der Stadt Tamura in Kürze eine öffentliche Info-Veranstaltung über dieses System stattfinden würde. Einer der Teilnehmer, der der Ärztekammer der Präfektur angehört, kommentierte das mit der Aussage: »Mir ist dabei mulmig zumute. Vor Ort ist man sehr nervös.« Ein leitender Mitarbeiter der Präfekturverwaltung ergänzte: »Halten Sie sich bitte mit solchen Info-Veranstaltungen jetzt noch zurück. Das schürt nur Angst unter den Einwohnern.«

    Zwei Wochen später trafen auch vom NIRS Unterlagen ein. Sie enthielten ein Sitzungsprotokoll, das vermutlich von einem Beamten des MEXT erstellt wurde. Laut diesem Protokoll wurde bei der damaligen Sitzung das Online-Berechnungssystem stark kritisiert. Ein Gegenargument folgte dem anderen, etwa so: »Es ist noch zu früh«, sagte ein Präfekturmitarbeiter, »Das NIRS soll stattdessen mit der Präfektur kooperieren und in unserem Gesundheitsmanagement mitwirken.« Ein anderer meinte: »Es ist unverständlich, warum Sie das gerade zu diesem Zeitpunkt machen.«

    Ich interviewte Teilnehmer der Sitzung, die einstimmig aussagten, dass die Protokolle die Tatsachen widerspiegeln würden.

    Einige sagten überdies: »Der leitende Mitarbeiter der Präfektur und leitende Mitglieder der Ärztekammer waren sogar aggressiver, als es in den Protokollen dargestellt wird. Dem NIRS wurde damit eine Tracht Prügel verabreicht.«

    Merkwürdige Reaktionen seitens der Präfektur

    Auf Anordnung des Kanzleramtes investierte der Staat etwa 10 000 000 Yen (circa 80 000 Euro⁷) in dieses Online-Berechnungssystem zur Ermittlung der äußeren Strahlendosis. Aber wegen der Gegenargumente der Präfektur Fukushima, vorgebracht auf einer geheimen Sitzung, fiel die Weiterentwicklung dieses Systems letztendlich ins Wasser.

    Anstelle des Online-Berechnungssystems benutzte man nun eine analoge Methode: An zwei Millionen Einwohner wurden Fragebögen verschickt. Auf ihnen sollten die Aufenthaltsorte der ersten vier Monate nach der Reaktorkatastrophe dokumentiert werden. Auch zwei Jahre nach dem Unfall ist die Quote der Rücksendungen mit 23,4 Prozent äußerst niedrig (Stand: Ende März 2013).

    Selbst wenn das Online-Berechnungssystem technische Probleme gehabt hätte, man hätte immer Lösungen dafür finden können. Die Nichtveröffentlichung des Systems nahm meines Erachtens einen großen Einfluss auf den Verlauf der Gesundheitsuntersuchungen der Einwohner der Präfektur Fukushima. In Anbetracht der Wichtigkeit dieser Gesundheitsuntersuchungen entschloss ich mich, auf jeden Fall über diese komplexen Ereignisse zu berichten.

    Genau um diese Zeit schrieb ein Kollege einen Artikel für die Morgenausgabe der Tageszeitung Mainichi Shimbun vom 14. 6. 2012. Die Schlagzeile lautete: »Die Untersuchungen der inneren Strahlendosis wurden abgebrochen. Die Präfektur Fukushima: ›Dies schürt nur Angst‹.«

    Professor Shinji Tokonami von der Universität Hirosaki hatte unmittelbar nach dem Unfall angeregt, die Schilddrüsen zu untersuchen, unter anderem bei den Einwohnern von Namie. Der Artikel berichtete nun, wie Professor Shinji Tokonami von der Medizinalbehörde der Präfektur zur Zurückhaltung aufgefordert worden sei, unter dem Vorwand: »Das schürt Angst unter den Einwohnern.« Der Abteilungsleiter der Medizinalbehörde, Yoshinori Baba, widersprach dieser Zeitungsmeldung. Doch aus dem Bericht des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Ermittlung der Reaktorkatastrophe, der unmittelbar nach der Veröffentlichung des Zeitungsartikels dem Parlament übergeben wurde, geht ebenfalls hervor: Die Präfektur Fukushima forderte den Abbruch dieser Schilddrüsenuntersuchungen.

    Ich interessierte mich sehr für diesen Artikel. Denn Herr Baba hatte an der Sitzung vom 13. 5. 2011 teilgenommen. Er hatte dabei gegen das Online-Berechnungssystem des NIRS argumentiert. Aus – wie er sagt – demselben Grund, nämlich: Dass er keine Angst schüren wolle.

    Damit ich einen Bericht über die Sitzung vom 13. 5. 2011 schreiben konnte, versuchte ich, alle Teilnehmer dieser Sitzung zu treffen. Hokuto Hoshi, Vorstandsmitglied der Ärztekammer der Präfektur Fukushima, gab mir ein Interview. Und er gestand, dass er sich in der Sitzung ebenfalls gegen das Online-Berechnungssystem geäußert habe. Er rechtfertigte sich: »Im Nachhinein betrachtet, hätte es gewisse Wirkung zeigen können, um die Rücksendequote zu erhöhen. Wir hätten das untereinander ausdiskutieren sollen.«

    Ich besuchte die Präfekturbehörde, um Herrn Baba zu interviewen. Der lehnte jedoch ab. Er meinte, er habe schon schlechte Erfahrungen mit der Tageszeitung Mainichi Shimbun gemacht. So gab ich den Fragenkatalog am Empfang ab. Später antwortete Herr Baba mir am Telefon. Er sei nie gegen das Online-Berechnungssystem als solches gewesen; gab aber zu, sich gegen die Info-Veranstaltung über das Internetsystem geäußert zu haben, die das NIRS in Tamura veranstalten wollte.

    Auf der Titelseite der Morgenausgabe der Mainichi Shimbun vom 20. 7. 2012 erschien mein Artikel mit der Schlagzeile: »Einwände durch Präfektur Fukushima: Online-Berechnungssystem geht nicht an den Start. ›Das könnte Angst schüren‹.«

    Dazu publizierte ich einen Kommentar von Toshihide Tsuda, einem Professor der Universität Okayama. Er führt seit Langem epidemiologische⁸ Untersuchungen über Erkrankungen durch, die durch Umweltschäden verursacht sind, und vertritt dabei den Standpunkt der betroffenen Bevölkerung.

    Herr Tsuda kommentierte: »Die Reaktorkatastrophe betrifft ein riesiges Gebiet und eine große Zahl von Menschen. Das Online-Berechnungssystem wäre nützlich gewesen. Wenn solch eine effektive Untersuchung unter dem Vorwand, das würde nur Angst schüren, durch die Behörden verhindert wird, würde das eher zu einer Unzufriedenheit und zu Misstrauen führen.«

    Bei meinen Recherchen bis dahin erfuhr ich nicht nur etwas über den Prozess, wie das Online-Berechnungssystem gestoppt wurde. Sondern ich entdeckte noch größere Probleme, die nun zum Vorschein kamen.

    ³National Institute of Radiological Sciences

    ⁴Summe aller Umgebungseinflüsse durch Strahlen

    ⁵Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology

    ⁶Radiation Effects Research Foundation

    ⁷Umrechnungskurs zum genannten Zeitpunkt

    ⁸Zusammenhang zwischen Erkrankungen und bestimmten Ursachen

    2. Was hat es mit dem »Gesundheitsmanagement der Präfektur Fukushima« auf sich?

    Die Präfektur nimmt das Gesundheitsmanagement der Einwohner in die Hand

    Durch meine bisherigen Recherchen begann ich langsam, die Entstehungsgeschichte des Gesundheitsmanagements der Präfektur Fukushima zu verstehen.

    Ende März 2011 forderte die Regierung das MEXT und weitere Organisationen auf, die Strahlendosis und den Gesundheitszustand der Einwohner der Präfektur Fukushima zu ermitteln. Parallel

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