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Einhand zu zweit: Sie sind verheiratet. Sie segeln um die Welt. Jeder in seinem Boot ...
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eBook322 Seiten4 Stunden

Einhand zu zweit: Sie sind verheiratet. Sie segeln um die Welt. Jeder in seinem Boot ...

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Über dieses E-Book

Auf den bekannten Blauwasserpfaden tummeln sich etliche besondere Menschen: Einhandsegler, Pärchen, Zweckgemeinschaften, Familien. Eine derart skurrile Konstellation wie bei Susanne Huber-Curphey dürfte jedoch einmalig sein! Als Einhandseglerin zu ihrem Traumtörn gestartet, lernt sie unterwegs ihre große Liebe und späteren Mann kennen, ebenfalls Einhandsegler. Nach einem kurzen gemeinsamen Intermezzo für das Liebespaar auf einem Boot stellen sie fest, dass sie doch lieber auf dem jeweils eigenen Boot weitersegeln wollen, wenngleich gemeinsam – in Sichtweite quasi. So segeln sie um die Welt: Jeder für sich und doch gemeinsam. Von Neuseeland bis Alaska, von Südseetraum bis Havarie (nach der sie ihren Mann und sein Boot mehrere Hundert Meilen in Schlepp nimmt) – in diesem Buch steckt Abenteuerlust, Liebe und die Geschichte der skurrilsten Seglerkonstellation aller Zeiten.
SpracheDeutsch
HerausgeberDelius Klasing
Erscheinungsdatum20. Nov. 2013
ISBN9783768883832
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    Buchvorschau

    Einhand zu zweit - Susanne Huber-Curphy

    Wir stellen uns vor

    Von 2007 bis 2011 sind wir um die Welt gesegelt. Das ist nichts Besonderes, viele Paare machen das. Doch unsere Geschichte ist etwas anders. Mein Ehemann Tony und ich segeln jeder allein, aber auf parallelen Kursen. Wir halten das so mit wenigen Unterbrechungen, seit wir uns 1996 als Einhandsegler in Whangarei in Neuseeland kennengelernt haben. Und wir machen es gern.

    Damals segelten wir auf der üblichen Passatroute in Ost-West-Richtung um die Erde. Auf der hier beschriebenen Reise segeln wir in West-Ost-Richtung um die Welt, in den hohen südlichen Breiten mit einem großen Bogen bis in den Norden von Alaska und via Panama nach Europa. Auf See sehen wir uns nie, denn meist sind wir Hunderte Seemeilen voneinander entfernt, während wir, wann immer möglich, Funkkontakt über Kurzwelle halten.

    Das Segeln und das Leben an Bord sind unsere Hauptmotivation für dieses Seezigeunerleben auf unseren einfach ausgestatteten Booten. Es ist viel mehr als nur ein Hobby, es ist unser Lebensstil, ja unser Lebensinhalt. Wir reisen nicht als Touristen mit dem Schwerpunkt auf Sightseeing. Wichtig ist jedem von uns der Alltag auf einem eigenen Boot, an dem wir alles selbst warten und reparieren, das ist eine Vollzeitaufgabe. In den Häfen liegen neben uns fast immer moderne Yachten mit hohem Niveau an technischer Ausrüstung und mit maximalem Komfort auf einer Route nach festem Zeitplan. Der Besuch von exotischen Ländern und die Landausflüge sind für diese Segler meistens der Hauptgrund der Reise, wobei sie die in Kauf zu nehmenden langen Seestrecken oft als Hindernis empfinden: Freies Wasser für viele Wochen gilt als möglichst zu vermeidendes Übel. Mein Mann und ich haben viele Brücken zu einer Gesellschaft mit doppeltem Sicherheitsnetz abgebrochen und ein einfaches, in mancher Hinsicht sogar primitives Leben gewählt.

    Unsere Boote

    Meine SO LONG: eine Slup mit klassischen und eleganten Linien. Ein Langkieler mit kurzer Wasserlinie bei geringer Breite. Mit außergewöhnlich hohem Ballastanteil zeigt sie ein sehr gutes Seeverhalten. Entworfen vom amerikanischen Bootskonstrukteur Philip Rhodes für Offshore-Regatten wie beispielsweise das Newport Bermuda Race. SO LONG ist sein erstes in den USA in Serie gebautes GFK-Boot. In 48 Jahren hatte sie vor mir nur zwei Voreigner, mit denen sie bereits um die Welt gesegelt ist. Ausrüstung und Zubehör sind im Sinne von Seefestigkeit und Stärke, nicht von Leichtbau und Geschwindigkeit gewählt. Ich bin mit den Segeleigenschaften sehr zufrieden.

    Tonys GALENAIA: Bevor mein Mann GALENAIA entdeckte, hatte sie 25 Jahre lang in einer Werft in England geschlafen und ganz sicher von großen Reisen geträumt. Tony hat dem Boot und sich selbst diesen Traum erfüllt. GALENAIA mit ihren eigenwilligen Linien ist ein Einzelbau aus Sperrholz. Nach unseren Arbeiten verwandelte sie sich vom hässlichen Entlein in einen robusten Hochseeschwan. Der hölzerne Mast und ein Großteil des Riggs aus verzinktem Stahldraht sind noch heute im Originalzustand. Die Weltumsegelung auf der Ostroute hat dieses relativ kleine Boot außergewöhnlich gut gemeistert.

    Unsere Route

    Hunderte Yachten aller Nationalitäten segeln jedes Jahr auf der Barfußroute um die Welt. Das Band zieht sich auf fast identischen Kursen in der Nähe des Äquators über die Weltmeere. Wann immer wir jedoch in den vergangenen zwölf Jahren von dieser Segler-Autobahn abwichen, wurden wir mit wunderbaren Ländern und einmaligen Erlebnissen belohnt. Ich will niemandem von einer »normalen« Weltumsegelung abraten, aber die besonderen Ziele liegen abseits dieser Hauptroute. Oft braucht man gar nicht weit weg, manchmal wird daraus ein Abenteuer, das mit ernst zu nehmenden Herausforderungen verbunden ist. Eine Reise von mehr als 40 000 Seemeilen in vier Jahren.

    Unsere Route ging im Jahre 2007 von Brasilien über den Südatlantik nach Südafrika, später im selben Jahr durch den südlichen Indischen Ozean nach Australien – meine längste Seepassage mit 49 Tagen auf See, Tony brauchte 58 Tage.

    Im Jahre 2008 liefen wir von Westaustralien nonstop südlich von Tasmanien aus in die tropische Südsee. Hier hatte Tony eine Havarie. SO LONG schleppte GALENAIA acht Tage lang unter Segeln in der Tasmansee nach Neuseeland, doch davon später. Dann verbrachten wir eine Wintersaison auf den Fidschi-Inseln und kehrten im Frühling wieder zurück nach Nelson auf der Südinsel von Neuseeland.

    Dort entschlossen wir uns im Jahre 2009, den gewaltigen Bogen diagonal über den weiten Pazifik in nur einem halben Jahr zu spannen, also über 100 Breitengrade von 40° Süd bis 60° Nord zu segeln. Von Neuseeland ging es über den Südlichen Ozean zuerst nach Französisch-Polynesien. Dann ohne Stopp vorbei an Hawaii und mit Nordkurs zur Kodiak-Insel vor Alaska.

    Nach einem Winter in Sitka in Alaska ging es im Jahr 2010 wieder nach Süden. Auf der Inside Passage entlang der Westküste von Alaska und Kanada, östlich an Vancouver Island vorbei. Dann in wenigen langen Segelstrecken an der Westküste der USA entlang und nach Panama.

    Nach der Kanalpassage segelten wir im Jahre 2011 nonstop von Panama zu den Bermudas, dann weiter zu den Azoren. Dort trennten sich zum ersten Mal die parallelen Kurse von SO LONG und GALENAIA. Tony steuerte die Südküste von England an, und ich segelte nonstop nach Griechenland.

    Meine Blauwasserbriefe

    Im Jahre 2007 installierte ich auf SO LONG ein gebrauchtes Pactor-Modem. Schon 1993 hatte ich in den USA meine General-Class-Amateurfunkprüfung abgelegt und seitdem auch immer ein Funkgerät an Bord, aber alle Kontakte waren auf Sprechfunk angewiesen gewesen. Mit dem Modem konnte ich nun auch auf hoher See E-Mails senden und empfangen. Natürlich lief das nicht so einfach wie ein Internetzugang an Land, denn noch immer brauchte ich die richtigen Funkfrequenzen, Sendezeiten und die passenden Funkstationen. Trotzdem klappte es meistens, und das System ist für Amateurfunker kostenlos.

    So habe ich nach dem Auslaufen aus dem Hafen von Nelson begonnen, meine sogenannten Blauwasserbriefe zu schreiben. Sie waren in erster Linie für mich selbst gedacht, denn in den vergangenen Jahren hatte ich festgestellt, dass die Erlebnisse während der vielen Wochen allein auf See nach dem Landfall immer viel zu schnell in Vergessenheit gerieten. Verdrängt von den Erfordernissen im Hafen. Denn dort muss viel erledigt werden: Bootspflege, Reparaturen, Einkäufe, Behördengänge. Dazu kommt natürlich, dass die Zeit im Hafen für Tony und mich auch immer sehr intensiv ist, denn wir wollen unser Eheleben nachholen und gleichzeitig schon im Voraus die Freude unserer Nähe bunkern. Weil wir auch immer eine nächste, oft ungewöhnliche Route planten, blieb für ein Reflektieren der Erlebnisse auf See kaum Zeit

    Honey

    Während unseres Aufenthalts in Portugal im Jahre 2000 war der kleine Wildfang an Bord von SO LONG gekommen und entwickelte sich im Laufe der Jahre zum wunderbaren Bordhund namens Honey. Die Kleine war in einer primitiven Hütte direkt am Meer in der Lagune von Faro an der Algarve eingesperrt gewesen, wo zwei Fischer ihre Netze lagerten. Fast die gesamte Zeit war sie dort allein, und nur wenn die Fischer auf Fangtour gingen, ließen sie die Hündin raus, und sie stöberte für wenige Stunden frei und gut gelaunt am Strand entlang. Wir beobachteten die strubbelige, blonde Stromerin bei ihren Versuchen, Vögel zu jagen, wobei sie immer wieder tief im schwarzen Uferschlamm versank. Stets hielt sie große Distanz zu Menschen. Wenn die Fischer zurückkamen und sie mit Futter wieder in die Hütte lockten, bekam sie kein Wort der Zuneigung. Streicheleinheiten kannte sie überhaupt nicht.

    Während wir intensiv an SO LONG arbeiteten, versuchte ich oft, die Süße zu rufen, aber trotz ihres offensichtlich großen Interesses blieb sie sehr scheu. So blieb die Situation wochenlang, doch irgendwann kam sie näher und näher, schaute uns mit lustig verschmitzten Augen an und wartete auf unsere Aufmerksamkeit. Gern lief sie mit mir über das Gras, und während der Spiele auf Distanz war eines Tages das Eis plötzlich gebrochen, der struppige Wildfang ließ mich herankommen und rollte sich auf den Rücken. Da bemerkte ich, dass es sich um ein Mädchen handelte. Auf dem kleinen Bauch tummelten sich die Flöhe, und ich streichelte den Hund zum ersten Mal. Nun sah ich die ehrlichen, hübschen Augen in der ungewöhnlichen Bernsteinfarbe erst richtig und dachte wegen dieser honigfarbenen Augen sofort an den Namen Honey. Tony war wie ich euphorisch, und brav blieb Honey in unserer Nähe. Wenn die Fischer vom Meer zurückkamen, mussten wir die Kleine natürlich heimschicken, und sie trottete traurig davon. Tag für Tag ging sie unwilliger nach Hause.

    Tony und ich hatten natürlich nicht geplant, einen Hund an Bord zu nehmen, denn so ein Tier hätte unsere Reisen sehr eingeschränkt, wir wollten doch nach Neuseeland und Australien, und dort herrschen bekanntlich strikte Quarantänevorschriften. Außerdem glaubte ich, dass nur wenige Tiere an Bord glücklich sind. Heute weiß ich: Ein Boot kann für den richtigen Hund ein wunderbares Zuhause sein.

    Kurz vor Weihnachten wurde das Wetter kalt und regnerisch, und eines Tages verpassten wir alle drei die Heimkehr der Fischer. Mit schlechtem Gewissen baute Tony unter dem an Land aufgebockten Boot eine trockene Kuschelecke für Honey, und es dauerte nicht lange, bevor sie zu uns an Bord kam. In dieser Not mussten wir sie natürlich auch füttern, das hatten wir bisher vermieden. Bald ergab sich eine eigenartige Situation: Auf dem täglichen Weg zur Hütte marschierten die beiden Fischer immer in unserer Nähe vorbei und sahen natürlich, dass Honey nun bei uns lebte. Wir grüßten freundlich, konnten aber wegen unserer mangelhaften Portugiesischkenntnisse keine Unterhaltung führen. Tony und ich änderten schließlich unsere Meinung, wollten Honey behalten und beschlossen, deshalb nicht nach Neuseeland, sondern nach Patagonien zu segeln.

    Also mussten wir die Angelegenheit mit den Fischern klären, immerhin waren sie die Eigentümer von Honey. Zu dritt marschierten wir zur Hütte, um den Hundekauf in Zeichensprache und mit unseren wenigen Brocken Portugiesisch zu besprechen. Nach einigem Palaver wurde klar, dass einer der Fischer einen unglaublich hohen Preis für Honey verlangte. Wir versuchten zu handeln, aber der Mann blieb stur. War dies sein Ernst? Oder wollte er uns für dumm verkaufen? Vielleicht war es nur ein Scherz, wer weiß? Bestürzt und enttäuscht brachen wir den Handel ab, und unverrichteter Dinge marschierten Tony und Honey und ich wieder zurück zu SO LONG. Würde man uns vielleicht später als Hundediebe von der Polizei suchen lassen, würde man uns bedrohen oder gar das Boot ausrauben?

    Aber in den kommenden Wochen entspannte sich die Lage. Wie selbstverständlich lebte Honey bei uns, und die Fischer grüßten weiterhin mit freundlichem Winken. Gebürstet und gegen Flöhe behandelt, war Honey eine Schönheit geworden und viel ausgeglichener und weniger nervös. Wir übten normale Hundeerziehung, »sitz« und das An-der-Leine-Gehen, was für die noch immer schreckhafte Honey nicht einfach war. Aber nie war ein hartes Wort notwendig, denn sie schenkte uns ihre volle Aufmerksamkeit und Zuneigung. Sobald wir auch nur die Stimme erhoben, reagierte Honey verschüchtert, obwohl sie sonst einen starken und sonnigen Charakter zeigte. Sie gierte nach Nähe und Ansprache und zeigte in all den späteren Jahren immer ein tiefes Verlangen nach körperlichem Kontakt. Der Mangel an Streicheleinheiten in den ersten Lebensmonaten hat sie für immer geprägt.

    Wir stellten unsere Pläne auf Honey um, wählten die zukünftigen Ankerplätze und sogar die Länder nach den Vorteilen aus Hundesicht und nahmen Unannehmlichkeiten gern in Kauf. Endlich wieder im Wasser, verlief das Bordleben auf SO LONG für Honey ganz natürlich. Sie gehört zur Rasse der Wasserhunde, und das Umfeld an Bord schien ideal für sie zu sein. Schnell lernte sie, das Pipi an Deck zu verrichten, und bewegte sich bald mit großer Sicherheit. Wir brauchten für sie nicht, wie geplant, menschliche Duftmarken setzen, für das große Geschäft wählte sich Honey die höchste und im Seegang unruhigste Stelle auf dem Kajütaufbau. Das in Segeltuch verzurrte Beiboot gab ihr einen guten Tritt, später klebte ich einen rutschfesten Decksbelag auf. Vor dieser ersten Seestrecke hatte ich ein selbst geknüpftes Netz an der Reling befestigt, aber in all den Jahren sah ich selbst bei rauem Wetter kein einziges Mal, dass Honey gegen das Netz fiel. Ab und zu benutzt sie es jedoch, um sich wohlig zu schubbern. Es gab in ihrem Leben auf SO LONG viele wunderbare Zeiten, aber auch hartes Wetter und wochenlange Seepassagen. Nie wirkte meine Crewpartnerin unzufrieden, und immer wieder stelle ich fest, dass sie sich an Bord ähnlich wie ich wirklich zu Hause fühlt. So bin ich eigentlich keine Einhandseglerin, denn seit vielen Jahren begleitet sie mich. Nach mittlerweile knapp 90 000 Seemeilen und einer Weltumsegelung ist Honey bestimmt einer der erfahrensten See-Hunde der Welt und gehört außerdem zur Gemeinschaft der Kaphoorniers.

    Einhandsegeln

    In den Jahren auf den Weltmeeren haben Tony und ich nur sehr wenige Frauen getroffen, die allein an Bord unterwegs waren. Keine einzige segelte mit ihrem ebenfalls solo segelnden Partner über die Ozeane auf parallelem Kurs. Ich glaube, so verrückt sind nur wir.

    Warum will ein Ehepaar nicht auch an Bord alles gemeinsam erleben? Warum müssen wir uns jeder auf dem eigenen Boot abquälen und oft mit erfinderischen Notlösungen das ein und andere Problem bewältigen? Warum begeben wir uns immer wieder in Gefahren, nur weil jeder sein Boot allein handhaben will? Warum nehmen wir das Risiko eines medizinischen Notfalls, der ohne die Hilfe eines Partners ein Todesurteil werden könnte, so gelassen hin? Warum akzeptieren wir nicht zuletzt auch Schlafmangel und Übermüdung, teils bis zur Erschöpfung? Warum können wir bei all dem nicht auf der sonnigen, warmen Passatwindroute bleiben? Das sind die Fragen von Seglern, die wir unterwegs treffen, das sind die Fragen von Freunden und Fremden, und das sind auch die Fragen, die ich mir manchmal selbst stelle.

    Die Antwort ist entweder unmöglich zu finden oder ganz einfach: Es ist die Faszination, allein auf hoher See, Tausende Seemeilen vom Land entfernt, sein Boot unter allen Bedingungen zu beherrschen, die eigenen Grenzen auszuloten, die Emotionen zu meistern. Und es ist das Spiel mit dem Abenteuer, es geht um die Freiheit und auch die Herausforderung, gemischt mit der Faszination des Segelns.

    Viele Einhandsegler fühlen sich einsam, und fast ausschließlich handelt es sich um Männer. Mit nur wenigen Ausnahmen sind sie allein unterwegs, weil ihre Partnerin keine Lust zum Hochseesegeln hat, weil sie vielleicht in ihr Land- und Berufsleben zu sehr eingebunden ist, weil sie ihren Freundeskreis oder ihre Hobbys nicht aufgeben will, weil ein Sicherheitsinstinkt oder die Angst vor Blauwasser überwiegt, oder weil sie das oft unbequeme und beengte Leben an Bord nicht hinnehmen will. Manchmal segeln diese Männer auch allein, weil die Partnerin das Segeln zwar liebt, aber mit dem an Bord plötzlich zum Macho gewordenen Mann nicht klarkommt. Nicht wenige Skipper erteilen an Bord nämlich plötzlich Befehle, die als laute Kommandos über den Ankerplatz schallen. Das Bedürfnis nach der unangetasteten Autorität des Kapitäns scheint in der Seele vieler Männer zu ruhen, da braucht es schon ein sehr tolerantes Paar, um auch an Bord die sonst selbstverständliche Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit in einem Duo zu erhalten. Außerdem: Viele Paare segeln zwar gemeinsam, aber das typische Rollenbild herrscht vor. Kochen, einkaufen und putzen sind die Aufgaben der Frau – ein harter Job an Bord, besonders in den Tropen. Die Verantwortung und glorreiche Dominanz nicht nur über den Ölpeilstab trägt der Skipper. Häufig sind diese Männer eigentlich verkorkste Einzelgänger – ich bewundere manche Seglerin (nicht selten mit Kindern an Bord) sehr …

    Leider habe ich nur wenige Frauen getroffen, die mit dem Bordleben wirklich zufrieden waren und es nicht nur aus Liebe zu ihrem Mann durchstehen. Das ist sehr schade, denn ich bin der festen Überzeugung, dass Frauen die besseren Seglerinnen sind, dass sie ausgeglichener sind und dazu Stresssituationen überlegter meistern können. Der Unterhalt eines eigenen Bootes ist immer eine technische Herausforderung, die Knowhow, handwerkliches Geschick und oft auch eine gute Portion Geduld erfordert. Eigentlich kann ich nicht verstehen, warum nicht viel mehr segelbegeisterte, völlig emanzipierte und technisch interessierte Frauen mit ihrem eigenen Boot dem Horizont entgegensegeln. Glücklicherweise gibt es jedoch auch diese wenigen »echten« Einhandseglerinnen, die wie ihre männlichen Pendants auf den Ozeanen unterwegs sind: ausgeglichen und im Einklang mit sich selbst und dem weiten freien Meer. Vielleicht haben sie irgendwo an Land eine/n gute/n Partner/in, vielleicht kommt diese/r manchmal zu Besuch, und vielleicht schaffen die beiden es, ihre Liebe am Leben zu erhalten. Man begegnet solchen Einhandseglern/-seglerinnen selten. Wenn man sie in einem Hafen oder auch an völlig abgelegenen Ankerbuchten trifft, dann sind es gelassene Charaktere, man hört keine lauten Worte und keine übertriebenen Geschichten. Im Hafen aber sind alle Einhandsegler, die »lauten« und auch die »echten«, mehr oder weniger einsam. Es braucht einen guten Platz mit Gleichgesinnten, um dieses Gefühl nicht aufkommen zu lassen. Und es braucht ein gutes Boot, an dem alles selbst unterhalten, gerichtet und gewartet wird. Das eigene Boot ist Teil des Seglers, eine überlebenswichtige Bindung zwischen Mensch und Materie. So denken Tony und ich, und ich glaube nicht, dass wir in ein Schema passen. Wir sind beide Individualisten, und wir haben ungewöhnliche Anschauungen. Es ist schon ein unglaublicher Zufall, dass wir uns getroffen haben, und obwohl es im Detail mit uns nicht immer einfach ist, passen wir überraschend gut zusammen.

    Auf See fühle ich mich niemals einsam. Da gibt es zu viel zu tun, zu erleben und zu genießen. Im Hafen dagegen kann ich mich durchaus allein fühlen. Es gibt viele Tage, die ich nach meinem Landfall allein zubringe, denn logischerweise ist Tonys kleineres Boot auch deutlich langsamer. Dann packt mich immer eine plötzliche Stimmungsänderung: Die ausgeglichene Seglerin wird zur wartenden Strohwitwe. Ohne Tony fehlt mir das halbe Leben. Dennoch bin ich überzeugt, dass wir die für uns ideale Lösung gefunden haben. Zwei Boote, zwei Einhandsegler, eine Route und eine feste Partnerschaft!

    Boot ist nicht gleich Boot

    Weder Tony noch ich passen in das übliche Bild vom Weltumsegler. Oft stören wir uns an den Ansichten moderner Segler und haben Vorbehalte gegen deren neumodische Boote. Uns geht es um erprobte Maßstäbe zu Bootsbau und Stabilität, aber auch um den Begriff der Seemannschaft generell. Wie kann ein in Leichtbauweise und insgesamt klapprig gebautes Boot die manchmal enormen Naturgewalten überstehen? Wie kann das elektronische Spielzeug an Bord dem rauen Salzwasseralltag standhalten? Wie kann man sich für sein Boot ähnlich wie in einem modernen Auto eine elektronische Knopfdruck-Mentalität wünschen? Wir sind der Ansicht, dass man die Natur respektieren und sich entsprechend ausrüsten muss. Vielleicht überleben manche der Weltumsegler nur, weil sie auf kaum mehr als sieben Windstärken getroffen sind?

    Die Mängelliste vieler moderner Yachten ist lang, und ebenso lang ist die Liste der Probleme. Notwendig werden Werftbesuche, um Rumpf-, Kiel- und vor allem Ruderschäden zu beheben. Man braucht gute Segelmacher für die komplizierten und leicht zu beschädigenden Latten- und Rollsegel, Mechaniker für die gebrochenen Beschläge und die oft überlasteten empfindlichen Motoren und Pumpen. Eine Vielzahl Elektronikexperten verdienen sich eine goldene Nase, und ständig leiden Skipper mit solchen Booten unter der Qual, teure Ersatzteile bestellen, sie mit erheblichen Problemen durch den Zoll am Ende der Welt ins Land bringen und dann in den Hafen transportieren zu müssen.

    Im Zweifelsfall gilt bei uns: Weniger ist mehr. Das heißt also: nichts an Bord zu nehmen, was nicht zwingend notwendig ist, und jedes elektronische Teil als Spielzeug/Sonderausrüstung zu betrachten. Der Bordkasse kommt das unglaublich zugute.

    Unsere Wurzeln

    Ich will meine Vorfahren nicht als Stubenhocker bezeichnen, aber sie waren sesshaft und bürgerlich. Abenteuer, die in die Ferne führten, waren nicht erwünscht, Seefahrer gab es in meiner bayerischen Familie deshalb noch nie. Unkonventionelle Frauen mit einem Faible für Reisen, Abenteuer und Italien jedoch schon: meine Großtanten Thea und Kete Huber, die Schwestern meines Großvaters. Nur wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg brachen die beiden aus der Enge ihrer Ingolstädter Heimat aus. Damals war es mehr als unüblich, dass junge Frauen einfach durchbrennen und heimlich verschwinden, sich nach Süden aufmachen und ihr bürgerliches Leben hinter sich lassen. Schon wie sie ihre Namen abgeändert hatten, ließ auf freies Denken schließen: Die biedermeierliche Theodora verwandelte sich in die flotte »Thea«, und die pfiffige Katharina bestand darauf, ihren Namen in eine moderne »Kete« abzuwandeln. Die beiden landeten eines Tages in Ravenna, die eine heiratete einen Italiener, und die andere blieb alleinstehend und unkonventionell.

    Auch meine Mutter war eine starke Frau, brach mit vielen Selbstverständlichkeiten und hatte große Pläne. Sie entdeckte den Wassersport, sie erweckte die Segellust in sich, meinem Vater und uns Kindern und war bei jedem Segelabenteuer immer die treibende Kraft. Meine Eltern tauften alle unsere Boote auf den Namen NEHAJ, denn an Bord sollten wir uns sicher und geborgen fühlen. Der Name kommt von der kleinen Burg Nehaj in Senj an der Adriaküste in Kroatien, unserem damaligen Sommerrevier. Das massive Bauwerk sollte den Bauern der Umgebung Schutz bieten, und der Name wird als »Sei nicht besorgt« oder »Fürchte dich nicht« oder »Fühle dich hier sicher« übersetzt.

    Um zwischen Ammersee und Meer mobil zu werden, verstärkte mein

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