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Willst du Stress?
Willst du Stress?
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eBook211 Seiten2 Stunden

Willst du Stress?

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Über dieses E-Book

Lea, 14, ist kein einfaches Mädchen. Sie liebt den starken Auftritt, wird schnell aggressiv, teilt aus, schlägt zu – und das nicht zu knapp. Für Lea steht fest: Wer Schwäche zeigt, ist ein Verlierer. Sie will stark sein. Stärker als ihre Mutter, die in Selbstmitleid zerfließt, stärker als Kyra, vor der alle Angst haben. Lea will Respekt – und verschafft ihn sich. Notfalls mit Gewalt.

Werner Färbers "Willst du Stress?" ist zuerst in einer Kurzform erschienen, und jetzt in einer Neufassung und in voller Länge als Roman. Aktuell, einfühlsam und spannend bis zur letzten Seite.
SpracheDeutsch
HerausgeberARAVAIPA
Erscheinungsdatum7. Nov. 2016
ISBN9783038642060
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    Buchvorschau

    Willst du Stress? - Werner Färber

    Stress

    Lea wird durch das Klingeln an der Wohnungstür aus dem Schlaf gerissen. Eigentlich sollte sie in der Schule sein. Die Ferien sind vorüber. Bereits seit einer Woche. Sie hat sich jedoch noch keinen einzigen Tag aufraffen können hinzugehen. Um alle Geräusche auszublenden, vergräbt sie den Kopf unter dem Kissen. Es klingelt wieder. Weshalb macht ihre Mutter nicht auf?

    Typisch. Wenn sie mal gebraucht wird, ist sie nicht da. Nur mit T-Shirt und Unterhose bekleidet, geht Lea zur Tür und blickt durch den Spion. Sie hat die Frau im Treppenhaus noch nie zuvor gesehen. Lea kehrt zurück in ihr Zimmer. Kaum hat sie sich wieder in ihre Bettdecke gekuschelt, hört sie, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wird. Kurz darauf klopft es an Leas Tür. Obwohl Lea nichts sagt, geht die Tür auf.

    „Guten Morgen, Schatz, flötet ihre Mutter. „Frau Neumeyer ist hier. Kommst du bitte mal?

    Schatz? Was ist denn nun kaputt? Lea kann sich nicht erinnern, wann sie von ihrer Mutter das letzte Mal geschatzt wurde.

    „Was? Wer?"

    „Frau Neumeyer. Die Frau vom Jugendamt. Ich hab dir davon erzählt."

    Hat sie nicht. Lea ist ganz sicher. Ihre Mutter und sie haben seit Tagen kaum ein Wort gewechselt. „Und was will die?"

    „Mit dir reden."

    „Ich aber nicht mit ihr."

    „Lea, bitte. So kann es doch nicht weitergehen."

    „Lass mich in Frieden, ja!"

    „Entschuldigung, macht die Frau auf dem Flur auf sich aufmerksam, tritt näher. Einen Schritt. Bis an Leas Türschwelle. „Ich will und kann niemanden zwingen, mit mir zu reden, Lea. Aber vielleicht können wir es zwei, drei Minuten unter vier Augen versuchen?

    „Warum sollte ich?"

    „Weil du ein intelligentes Mädchen bist?" Freundlich lächelnd schiebt die Frau sich an ihrer Mutter vorbei ins Zimmer.

    „Ich geh dann mal." Um kein störendes Geräusch zu machen, schließt Leas Mutter die Tür im Zeitlupentempo, benötigt wegen des schlecht einrastenden Schlosses mehrere Versuche, bis die Tür endlich schließt. Lea verdreht die Augen, hockt sich aufs Bett, lässt sich rückwärts fallen und starrt schweigend zur Decke.

    Frau Neumeyer zieht einen Stuhl heran und setzt sich zu ihr. „Du musst nicht mit mir reden. Nur wenn du willst." Dann schweigt sie ebenfalls.

    Irgendwann hält es Lea nicht mehr aus. Sie stützt sich auf die Ellbogen, mustert ausführlich die Fremde, die sich in ihrem neuen Zimmer umsieht. „Was soll das werden, wenn’s fertig ist?"

    „Ich vermute, dir geht’s nicht gut."

    „Hat das meine Mutter gesagt?"

    „Nein. Ich bin hier, um mit dir zu reden. Erzähl einfach, was los ist. Ich hör zu."

    Lea hat keinen Schimmer, was das soll. Sie zuckt mit den Schultern. Während die Frau weiterhin völlig entspannt ihre Sachen betrachtet, versucht Lea schlau aus dieser Fremden zu werden. Eigentlich scheint sie ganz locker drauf zu schein. Jung ist sie auch. Höchstens Mitte zwanzig. Aber das war die Polizistin, die sie nach der Anzeige wegen der gebrochenen Hand einer Mitschülerin befragt hat, auch. Am Ende drehte ihr diese uniformierte Kuh jedes Wort einzeln im Mund herum.

    Die Wut, die Lea damals in sich spürte, wurde dadurch ganz bestimmt nicht kleiner. Sie richtet sich auf, schiebt sich ans Kopfende ihres Betts und lehnt sich mit dem Rücken gegen die Wand. „Sind Sie wegen der Geschichte am Müllcontainer hier?"

    Sie antwortet nicht sofort, schaut Lea ein paar Sekunden in die Augen, tippt sich dann spiegelbildlich an der Stelle an die Nase, an der Leas Piercing glitzert. „Gefällt mir. Ihr Blick wandert auf ihre Hände, die in kleiner Geste das von Lea angeschnittene Thema aufzugreifen scheinen. „Ich habe die betreffende Akte gelesen.

    „Na, super." Lea kann sich nicht vorstellen, dass da etwas drinsteht, was der Wirklichkeit nahekommt.

    „Viel mehr würde mich allerdings deine Sichtweise interessieren."

    Nach kurzem Zögern fängt Lea tatsächlich an, von genau jener angeblich so verständnisvollen Polizistin zu erzählen. In einer wahren Schimpftirade lässt sie sich über die heuchlerische Beamtin aus und ist überrascht, dass diese Frau Dingensmeier ihr einfach nur zuhört. Aber die soll bloß nicht glauben, dass sie damit Leas Vertrauen gewinnen kann. Die ist bestimmt auch nur so eine verdammte Schnüfflerin. Soll sie sich doch um ihren eigenen Scheiß kümmern!

    Frau Neumeyer hakt nicht nach und stellt Leas Version der ganzen Geschichte nicht ein einziges Mal infrage. Als Lea fertig ist, wirkt die Frau noch immer völlig entspannt. Sie hockt da und wartet, ob noch etwas kommt, lächelt. Nicht so verlogen freundlich, wie es Lea in jüngster Zeit viel zu häufig wahrgenommen hat. Dieses Lächeln wirkt tatsächlich mal echt.

    Kurz bevor Lea das Schweigen nicht mehr aushält, fragt Frau Neumeyer leise: „Und kurz darauf seid ihr dann umgezogen?"

    Wie schlau ist das denn? Als ob sie das nicht auch längst aus irgendwelchen Akten wüsste. Trotzdem antwortet Lea kaum hörbar „Ja." Sie senkt den Blick.

    Nach weiteren endlos scheinenden Sekunden des Schweigens steht Frau Neumeyer überraschend auf. „Ich hoffe, das hat dir jetzt ein bisschen gut getan. Wenn du möchtest, können wir das gerne wiederholen. Sie bedankt sich für das Gespräch und geht zur Tür. „Tust du mir einen Gefallen?

    Lea schaut sie fragend an.

    „Magst du es morgen mal mit Schule versuchen? Eine sofortige Zusage scheint sie nicht zu erwarten. Stattdessen hinterlässt sie eine Visitenkarte auf Leas Schreibtisch. „Und vielleicht möchtest du unser Gespräch fortsetzen. Ich würde mich freuen. Tschüss.

    Lea ist so geplättet, dass sie vergisst, Frau Neumeyers Abschiedsgruß zu erwidern. Sie lauscht nach draußen auf den Flur. Ihre Mutter, die garantiert versucht hat, durch die geschlossene Tür alles zu verfolgen, fängt die Frau vom Jugendamt sofort ab und möchte wissen, was sie mit Lea besprochen hat. Doch die Besucherin verabschiedet sich nur ebenso freundlich von ihr, wie sie sich einen Moment zuvor von Lea verabschiedet hat und verlässt die Wohnung. Ohne Auskunft gegeben zu haben.

    Einen Moment später kommt Leas Mutter ins Zimmer. Ohne zu klopfen.

    „Verschwinde! Lea wirft den nächstbesten Gegenstand Richtung Tür. Obwohl das Buch ihre Mutter meterweit verfehlt, hält diese eingeschüchtert die Hände vors Gesicht. „Was fällt dir ein, so eine Schnüfflerin auf mich anzusetzen?

    Ihre Mutter nimmt die Arme wieder herunter und verschränkt sie vor der Brust. „Schnüfflerin? Diese Frau kommt von der Jugendhilfe. Im Übrigen wurde sie mir von deiner alten Klassenlehrerin empfohlen."

    „Sag mal, spinnst du? Wegen der wurde ich an der Schule doch erst richtig gedisst!"

    Ihre Mutter winkt ab. „Ach! Schuld sind immer die andern."

    „Das sagt genau die Richtige!", stößt Lea mit vergiftetem Lachen hervor.

    Ihre Mutter zieht sich lamentierend zurück. Kurz darauf hört Lea aus dem Schlafzimmer ihr jämmerliches Schluchzen. Ja, flennen, das beherrscht sie gut! Spielt das Opfer! Wie immer. Um dann hinter Leas Rücken Leute ins Haus zu bestellen und ihnen weiß der Teufel was zu erzählen. Dinge, die nur die Familie was angehen. Vor allem das macht Lea so fassungslos. Ständig beklagt sich ihre Mutter darüber, dass sich die Nachbarn das Maul über Leas Verhalten zerreißen könnten und dann quatscht sie ausgerechnet mit den Leuten, von denen Lea schon lange keine Unterstützung mehr zu erwarten braucht. Sie hat die Schnauze gestrichen voll.

    Schon allein, um nicht mit ihrer Mutter zusammen zu sein, geht Lea am Folgetag tatsächlich zur Schule. Es muss ja nicht gleich zur ersten Stunde sein.

    Als sie sich um Viertel nach zehn im Sekretariat nach ihrer Klasse erkundigt, reibt ihr die Frau hinter dem Tresen erst einmal unter die Nase, dass das neue Schuljahr bereits über eine Woche alt ist. „Dir ist klar, dass ich für die Fehltage eine Entschuldigung brauche?"

    Lea zuckt gleichgültig mit den Schultern. „Kein Problem." So einen Wisch hat sie schnell geschrieben und den unleserlichen Kringel ihrer Mutter schmiert sie jederzeit mit links und verbundenen Augen aufs Papier.

    Spätestens nach diesem Sekretariatsbesuch weiß Lea wieder, weshalb sie sich bisher nicht hat aufraffen können, am neuen Wohnort zur Schule zu gehen. Weil sich auch hier nichts ändern wird. Weil sie den Quark, den ihre Mutter ständig von sich gibt, schon so oft gehört hat, dass sie ihn auswendig mitsprechen kann. Immer dieselben Sprüche: „Muss es denn so weitergehen? Oder: „Du bist schulpflichtig! Die schicken uns die Polizei ins Haus. Oder: „Warum muss ich mich immer für dich schämen? Oder seit Neuestem: „Weshalb bin ich denn mit dir umgezogen? Alles Wiederholungsschleifen ihrer Mutter. Und dieser überstürzte Umzug hat sicher nicht stattgefunden, weil Lea ihn gewollt hätte! Nach der ganzen vorherigen Kacke auch noch umziehen? Schwachsinnsidee! Was soll dieses plötzliche Gerede von wegen Neuanfang? Von wegen letzte Chance, etwas zu ändern? Hirnriss. Hätte gestern Abend nicht zufällig auch noch ihr Vater angerufen, wäre Lea heute vermutlich wieder nicht zur Schule gegangen. Nach wochenlanger Funkstille hat er ihr endlich mitgeteilt, dass sie ihn demnächst mal besuchen könne. Ganz sicher. Allerdings nur, wenn sie ihm verspricht, zur Schule zu gehen. Ob er auch mit dieser Frau Neumeyer geredet hat? Hinter Leas Rücken? Ebenso wie ihre Mutter? Egal. Wo sie schon mal hier ist, kann sie auch in ihre Klasse gehen, um sich die Schwachmaten mal anzusehen.

    Lea betritt das Klassenzimmer der 9a. Die dritte Stunde hat längst begonnen. Fast alle Schülerinnen und Schüler sehen zur Tür. Den meisten scheint die kleine Ablenkung willkommen zu sein. Nur der Lehrerin nicht. Die wirkt erst mal überrascht und verschränkt ablehnend die Arme vor der Brust. Die Empörung darüber, dass jemand in ihren Unterricht platzt, ohne zuvor angeklopft zu haben, ist ihr ins Gesicht geschrieben. Lea kennt solche Blicke. Sie hält sie aus. Selbst wenn wie in diesem Moment dreiundzwanzig Augenpaare gleichzeitig auf sie gerichtet sind. Sie schaut sich in aller Ruhe im Zimmer um.

    Dass ihr Styling aus dem Rahmen fällt, ist ihr klar. Ihre Mutter hasst es, wenn sie so aus dem Haus geht. Ein Grund mehr, sich so und nicht anders anzuziehen.

    „Merkst du denn nicht, dass sich die Leute dadurch provoziert fühlen? Jetzt stecken die Nachbarn auch hier schon wieder die Köpfe zusammen, um hinter dir her zu tuscheln, hat ihre Mutter heute Morgen geklagt. „Warum muss du denn immer so aufreizend und provozierend herumlaufen?

    Lea hat sich in aller Ruhe ihre Lippen nachgezogen, bis sie mit dem Ergebnis zufrieden war, und gefragt: „Soll ich doch lieber zu Hause bleiben?" Das wollte ihre Mutter erst recht nicht.

    In der Klasse herrscht weiterhin erwartungsvolles Schweigen. Vor allem die Jungs wissen nicht, wo sie zuerst hinsehen sollen. Oder wo sie besser nicht hinsehen sollten, damit sie sich keinen Rüffel einfangen, weil sie so geglotzt haben. Um ihre langen Beine perfekt zur Geltung zu bringen, trägt Lea einen knappen Mini und Stiefel mit megahohen Absätzen. Dazu das hautenge schwarze T-Shirt mit dem silberfarbenen Schriftzug Bitch auf der Brust. Die Haare färbt sich Lea schon seit zwei Jahren schwarz. Die korallenroten Kreolen kommen darunter besonders gut zur Geltung. Leas neueste Errungenschaft ist der Stecker im linken Nasenflügel. Das Grün des Steins passt exakt zu ihren Augen. Das Geld und die Unterschrift fürs Stechen hat sie von ihrem Vater bekommen. Damit hatte er sich von der ersten wochenlangen Funkstille nach seinem Auszug freigekauft. Zum Ärger ihrer Mutter.

    Auch in ihr Make-up hat Lea an diesem Tag etwas mehr Zeit investiert. Der Lippenstift passt zu den Ohrringen, ihr Lidschatten dagegen ist sehr dezent. Sie weiß, dass sie sich auf das Grün ihrer Augen verlassen kann.

    Nachdem sie die Aufmerksamkeit etwas länger ausgekostet hat als nötig, kickt sie mit dem Absatz die Tür hinter sich ins Schloss und schreitet durch die Sitzreihen zum einzigen freien Platz. Dass dieser sich am Fenster befindet, betrachtet Lea als einen winzigen Hoffnungsschimmer am Horizont. In einer geschmeidigen Bewegung lässt sie ihre Umhängetasche aus schwarzem Leder von der Schulter auf den Tisch gleiten, um schließlich mit demonstrativer Gelassenheit auf den Stuhl zu sinken.

    Die Lehrerin, die sich von Leas Inszenierung offenbar ganz bewusst nicht beeindrucken lassen möchte, hat sie während der ganzen Zeit beobachtet. „And who are you?", spricht sie Lea nun auf Englisch an.

    Lea zögert. „Sorry?", erwidert sie, als ihr klar wird, dass sie in die Englischstunde geplatzt ist und die Lehrerin erwartet, dass sie sich auf Englisch vorstellt. Kann sie haben. Ein paar aus der Klasse können sich ein Grinsen nicht verkneifen. Nur die Lehrerin scheint Leas Auftritt alles andere als amüsant zu finden.

    „Würdest du uns freundlicherweise verraten, wer du bist und was dich zu uns führt?", fragt sie nun doch auf Deutsch.

    Lea tut überrascht. Sie sieht sich in ihrer vermeintlichen neuen Klasse um. „Das ist hier doch die 9a? Ein paar nicken. „Dann bin ich hier richtig.

    „Richtig wofür?"

    Lea schaut die Lehrerin mit gespielter Verwunderung an. „Die Sekretärin hat mich in die 9a geschickt. Raum 117. Sie sind Frau Nowak?"

    „Ja. Die Lehrerin scheint noch immer nicht zu wissen, wie sie mit der ungewöhnlichen Situation umgehen soll. „Da du offenbar über einen gewissen Informationsvorsprung verfügst, versucht sie es nun ironisch, „hast du vielleicht auch die Güte uns zu verraten, weshalb dich Frau Struwe zu uns geschickt hat?"

    Lea schüttelt den Kopf und hebt die Hände. Frau Nowak scheint eine besonders lange Leitung zu haben. „Weil dies hier ab sofort meine neue Klasse ist, vielleicht?"

    Frau Nowak atmet tief durch. „Deinen Namen dürfen wir aber schon erfahren?"

    „Klar. Sie zuckt mit den Schultern. „Lea.

    „Lea. Möchtest du deiner neuen Klasse eventuell auch noch einen Nachnamen verraten?"

    „Mertens? Oder wie wär’s mit Sander? Lea wendet sich an die Schülerinnen und Schüler, die ihr am nächsten sitzen. „Was gefällt euch besser? Ehe die Lehrerin nachfragen kann, was das bedeuten soll, liefert Lea die Erklärung: „Wissen Sie, so eine Trennung kommt in den allerbesten Familien vor. Die Anwälte meiner Eltern verdienen sich gerade dumm und dusselig, indem sie sich darüber streiten, ob ich zukünftig wie mein Vater oder wie meine Mutter heißen werde."

    „O, das tut mir leid", antwortet Frau Nowak hilflos.

    „Schon okay. Warum machen Sie nicht einfach da weiter, wo Sie aufgehört haben?"

    Die Lehrerin ringt um Fassung. „Danke, sehr gnädig. Sie bekommt sich jedoch schnell wieder in den Griff. „Welcome to the 9a, Lea, kehrt sie ins Englische zurück.

    „If you say so", grummelt Lea kaum hörbar.

    Von den weiteren englischsprachigen Ausführungen gelangweilt, zieht sie ihren College-Block aus der Tasche, um den einen oder anderen Moment dieser ersten Stunde in der neuen Klasse in Form flüchtiger Skizzen festzuhalten. Irgendwann lässt sie auch das bleiben und starrt für den Rest der Zeit angeödet aus dem Fenster.

    „Kommst du bitte kurz zu mir nach vorn, Lea?, ruft Frau Nowak ihr nach dem Pausengong zu. „Ich würde gerne unter vier Augen mit dir reden.

    Lea tut einfach so, als hätte sie die Lehrerin nicht gehört, und schwimmt im Strom der anderen aus dem Klassenzimmer. Auf der Suche nach einer ruhigen Ecke entscheidet sie sich für den entlegensten Winkel des Schulhofs. Während sich von den Jungen nicht einer heranwagt, schlendern fünf Mädchen aus ihrer neuen Klasse wie zufällig in dieselbe Ecke.

    „Hey, Bitch!", ruft ihr die Vorderste auf den letzten Metern entgegen und löst bei ihrer Gefolgschaft albernes Gekicher aus.

    Lea zeigt keine Reaktion, mustert nur wortlos das Grüppchen.

    Während ihre vier Begleiterinnen Distanz halten, bleibt die Wortführerin erst einen Schritt vor Lea stehen. „Jemand gestorben, Bitch?" Das soll offenbar eine lustige Anspielung auf Leas schwarzes Outfit an.

    Obwohl ihr das fremde Mädchen bedrohlich nahe gekommen ist, weicht Lea keinen Zentimeter zurück. Stumm betrachtet sie zunächst das T-Shirt der aufdringlichen Mitschülerin, dann die Klamotten der

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