Der Imperialismus der EU 2
Von Tibor Zenker
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Über dieses E-Book
Tibor Zenker, geboren 1976 in Wien, Autor und Journalist. Artikel, politische Essays und wissenschaftliche Beiträge u.a. in: "Neue Volksstimme" (Wien), "offen-siv" (Hannover"), "rotcrowd" (Graz), "schulheft" (Innsbruck), "Trotz alledem" (Berlin), "Uhudla" (Wien), "Unitat" (Wien) sowie für das Internet-Nachrichtenportal "kominform.at" (Wien). Buchveröffentlichungen: "Stamokap heute" (2005), "Der Imperialismus der EU" (2006), "Was ist Faschismus?" (2006).
Es handelt sich um eine aktualisierte Auflage! (14. Februar 2016)
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Buchvorschau
Der Imperialismus der EU 2 - Tibor Zenker
Tibor Zenker
Der Imperialismus der EU 2
Neue Texte zur EU-Kritik
Copyright © 2015 Der Drehbuchverlag, Wien, und Tibor Zenker
2. Auflage, 14. Februar 2016
Alle Rechte vorbehalten
eBook: Der Imperialismus der EU 2 - Neue Texte zur EU-Kritik
ISBN: 978-3-99041-807-9
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung
Die EU heute und linke Gegenbewegungen
Für eine Volksabstimmung über den EU-„Reformvertrag"
50 Jahre Römische Verträge: Alles Gute, Europa?
60 Jahre Marshallplan: Amerikanisierung und Antisozialismus
Österreich und die EU
Das eigene Land und seine Feinde
Die Antinationalen – rechte Positionen in Antifa-Verkleidung
Antiimperialismus in Grönland
Druschba heißt Freundschaft – auch beim Song Contest
Lars ist tot – kein Platz für niemand
USA – Hegemonialmacht auf tönernen Füßen
Die Metaphysik des Pokerspiels – Zur Wirtschaftskrise
Antimonopolistische Demokratie und Sozialismus
Welche Partei ist links der Sozialdemokratie nötig?
Vorbemerkung
Mit dem zweiten Band von „Der Imperialismus der EU liegen hiermit „neue Texte zur EU-Kritik vor
. Nachdem im ersten Band zum Teil sehr grundlegende Fragen erörtert wurden, behandelt dieser Band nun auch einige spezifischere Fragen sowie exemplarische Fälle aus der Geschichte und Gegenwart, die wiederum allgemeine Tendenzen, Probleme und Ansätze sichtbar machen.
Die ersten beiden Texte des vorliegenden Bandes fassen die Kritik der EU, am „Reformvertrag sowie antiimperialistische Gegenstrategien nochmals systematisch zusammen. Die nachfolgenden zwei Texte entstanden anlässlich runder historischer Jahrestage. Hervorzuheben ist dabei in weiterer Folge die Frage der nationalen Selbstbestimmung. Diese Frage führt direkt zu einer Auseinandersetzung mit einer jüngeren Variante „linker
Imperialismusapologien.
Das Beispiel Grönland zeigt, inwiefern durchaus ein Bruch mit dem EU-Imperialismus möglich ist und welche Perspektiven sich ergeben. Ein weiterer Text widmet sich einem „neuen" Thema, nämlich dem zentralen innerimperialistischen Widerpart des europäischen Imperialismus, dem US-Imperialismus, dessen Positionen, Strategien, Probleme und Entwicklungstendenzen auch aus europäischer Sicht von besonderem Interesse sind. Kein Vorbeikommen gibt es in dieser – und manch anderer – Hinsicht freilich auch am Thema Wirtschaftskrise.
Abschließend geht es um strategische Fragen. Einerseits um die antimonopolistische Strategie, die nicht nur den Imperialismus als vorherrschendes System überwinden, sondern auch zum Sozialismus führen soll. Andererseits um die Frage des politischen Subjekts einer antiimperialistischen und antimonopolistischen, vor allem aber einer sozialistisch-revolutionären Entwicklung, das die arbeitende Klasse als historisches Subjekt befähigen soll, Imperialismus und Kapitalismus zu Erscheinungen der Vergangenheit zu machen.
Tibor Zenker
Wien, im November 2009
Die EU heute und linke Gegenbewegungen
Referat im Rahmen der Buchpräsentation „Der Imperialismus der EU", Wien, 13. April 2007
1. Entwicklungsetappen der EU
Im März 2007 beging die EU groß ihren 50. Geburtstag, auch wenn sich die meisten Menschen in Europa durch diese Selbstbefeierung nur peripher tangiert fühlten. Historischer Anlass dieses etwas gezwungen inszenierten Jubiläums war die Unterzeichung der Römischen Verträge im März 1957, womit damals die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EAG/Euratom) gegründet wurden. Dies, so die Argumentation der feierlaunigen Eurokraten, sei die Geburtsstunde der EU. Die dritte Säule, auf welche die kapitalistische westeuropäische Integration baute, war bereits 1951 mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) geschaffen worden.
Im Jahr 1967 wurden EWG, EAG und EGKS zu den Europäischen Gemeinschaften (EG) zusammengefasst, diese Struktur war die unmittelbare Vorläuferorganisation der heutigen EU. Seit der Bildung der EG gibt es die Kommission, ein „Parlament", dessen Abgeordnete jedoch erst seit 1979 direkt gewählt werden, sowie den Ministerrat als eigentliches Entscheidungsgremium.
Die Gründungsmitglieder der EGKS, EAG, EWG und EG waren Deutschland, Frankreich, Italien, die Niederlande, Belgien und Luxemburg. Diese sechs blieben bis 1973 unter sich, mit der ersten Erweiterung in diesem Jahr traten Großbritannien, Irland und Dänemark den EG bei. In den 1980er Jahren wurden drei Staaten mit jüngerer faschistischer Vergangenheit aufgenommen, nämlich 1981 Griechenland, 1986 Spanien und Portugal. Mit 1. Januar 1996 wechselten die EFTA-Länder Finnland, Schweden und Österreich, die ihre Beitrittsansuchen noch an die EG gestellt hatten, bereits in die EU. 2004 kam es zur größten Erweiterungsrunde, der EU traten acht ehemals sozialistische Staaten bzw. Teile solcher Staaten bei, nämlich die Tschechische Republik, die Slowakei, Ungarn, Polen, Slowenien und die drei baltischen Länder, ebenfalls aufgenommen wurden Zypern und Malta. Die bislang letzten Neumitglieder sind mit 1. Januar 2007 Bulgarien und Rumänien. Damit hat die EU heute 27 Mitgliedsstaaten. Das bedeutet, dass etwa die Hälfte aller europäischen Staaten außerhalb der EU verbleibt.
Die Umwandlung der EG in die EU erfolgte 1992 mit dem Vertrag von Maastricht, wobei die Tätigkeitsfelder der neuen Struktur um die Bereiche Militär, Polizei und Justiz erweitert wurden. Mit diesem Jahr wurden auch die Einführung der gemeinsamen Währung Euro sowie damit verbunden die Schaffung der Europäischen Zentralbank (EZB) beschlossen. Als Ergänzung zum Vertrag von Maastricht ist der Vertrag von Amsterdam aus dem Jahr 1997 zu sehen. Dieser bedeutete die Etablierung der so genannten „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik" (GASP), die Integration der Westeuropäischen (Militär-)Union (WEU) in die EU sowie die Schaffung der EADS, also des EU-Rüstungskonzerns.
Somit können drei Etappen der Entwicklung der EU beobachtet werden. Von 1951 bis 1967 ging es vornehmlich um die Bündelung ökonomischer Potenzen im Sinne des „Wiederaufbaus", das heißt um die Konsolidierung des westeuropäischen Kapitalismus, wobei dies auch als Defensive gegenüber den sozialistischen Staaten in Europa zu sehen war. Von 1967 bis 1992 ging es vermehrt um die politische Zusammenarbeit, verbunden mit einer Offensive gegenüber dem Sozialismus in Europa. Diese Offensive war 1989/90 mit maßgeblicher Hilfe des Revisionismus im Inneren der sozialistischen Staaten und in deren kommunistischen Parteien erfolgreich. Seither, oder genauer gesagt seit 1992, befinden wir uns in der dritten Entwicklungsetappe der EU, in der es um die Schaffung eines weitgehend einheitlichen imperialistischen Blocks in Europa geht sowie um die Militarisierung desselben.
2. Zur gegenwärtigen Verfasstheit der EU
Aufgrund ihrer Geschichte kann über die EU gesagt werden, dass sie im Wesentlichen vier Aufgabenfelder zu bewältigen hat: 1. die Koordinierung der inneren monopolkapitalistischen Ausbeutung, 2. die Koordinierung der imperialistischen Ausbeutung nach außen, d.h. „kollektiver Imperialismus" bei 3. gleichzeitiger Abgrenzung zu Konkurrenzimperialismen (vor allem zu den USA), sowie 4. die Koordinierung des Kampfes gegen den Sozialismus sowie allgemeine Emanzipationsbestrebungen der Völker.
Somit ist festzuhalten, dass die EU bislang ein imperialistisches Bündnis ist – mehr nicht. Kann sie jedoch mehr sein? Kann die EU, wie Bürgerliche und revisionistische „Linke behaupten, der Ausgangspunkt für die Überwindung des Nationalstaates unter kapitalistischen Verhältnissen sein, kann die EU vom Staatenbündnis zum wirklichen Bundesstaat werden? Die Antwort ist ein klares Nein. Zu einer solchen Ansicht zu kommen, würde bedeuten, die Leninsche Imperialismustheorie zugunsten eines neokautskyanischen Konzepts zu opfern, nämlich im Sinne einer zivilisatorischen Globalisierungsthese. Die Behauptung, wir würden im Postimperialismus leben, ist entschieden zurückzuweisen, und alle diese Ansätze, mögen sie „Ultraimperialismus
, „organisierter Kapitalismus oder heute „Empire
heißen, sind nicht nur falsch, sondern auch in bemerkenswerter Weise unsinnig.
Wenn es aber so ist, dass wir im Imperialismus leben, dann kann die EU nichts anderes sein und auch nichts anderes werden als ein imperialistisches Bündnis. Der Grund liegt auf der Hand: die einzelnen nationalen Imperialismen haben unterschiedliche Interessen, sie stehen in Konkurrenz zueinander. Diese imperialistische Konkurrenz ist nicht aufzuheben, sondern sie kann im Sinne gemeinsamer Ziele für bestimmte Zeiträume zurücktreten. Somit unterliegt das imperialistische Bündnis EU aus Sicht der Mitgliedsstaaten, insbesondere der Großmächte darunter, dem Kriterium der Zweckmäßigkeit: ohne solche Zweckmäßigkeit auch keine EU.
Das bedeutet auch, dass aufgrund dieses Kriteriums die EU auch „von unten nicht in etwas anderes zu transformieren ist, also in eine „Sozialunion
, ein „solidarisches Europa oder sonstige Sozialutopien der EU-Linkspartei. Würde es tatsächlich einen Prozess geben, wo in Aussicht stünde, die EU könne „von unten
verändert werden, so würde sie einfach „von oben aufgelöst. Die Wirklichkeit zeigt aber ohnedies genau das Gegenteil: nicht die revisionistische „Linke
verändert die EU, sondern dies Mitglieder der EU-Linkspartei passen sich der EU an. Nicht die EU ist für reformistische Ziele zu instrumentalisieren, sondern die EU-Linkspartei wird ironischerweise selbst zum Instrument der EU im Kampf gegen den Marxismus und Sozialismus unfunktioniert. – Doch dies sei nur am Rande erwähnt.
Wodurch ist nun die gegenwärtige Verfasstheit der EU und wodurch sind ihre Entwicklungsbedingungen und -möglichkeiten bestimmt? Durch die Hauptwidersprüche des Imperialismus, die nun ihrer Anwendung auf die EU zu betrachten sind. – Zuvor wurden die vier Hauptfunktionen der EU erwähnt – und diese sind natürlich ganz genau der Gegenpart zu den Hauptwidersprüchen des Imperialismus überhaupt. Das bedeutet Folgendes.
Erstens soll die EU, wie weiter oben angeführt, die optimale Ausbeutung nach innen gewährleisten. Dies ist nicht nur die Antwort auf den kapitalistischen Grundwiderspruch zwischen Kapital und Arbeit, sondern, nachdem wir ja von Monopolprofiten sprechen, auf Differenzierungen innerhalb der Bourgeoisie, auf die Ausbeutung aller nicht-monopolistischer Schichten durch das Monopolkapital. Das bedeutet, die EU muss weiterhin Maßnahmen setzen, um diese innere Ausbeutung bestmöglich zu gestalten (d.h. gefordert ist Profitmaximierung, was auf dem gesellschaftlichen Gegenpol Verelendung bedeuten muss; das bezieht sich nicht nur auf das Verhältnis Kapital-Proletariat, sondern durchaus auch auf das Verhältnis Großkonzerne-KMUs). Die EU wird jedoch nicht Herr dieser Gegensätze, sondern sie verschärft sie unweigerlich. Sie kann nicht anders.
Zweitens soll die EU bestmöglich dem kollektiven Imperialismus dienen, der Ausbeutung nach außen, der Ausbeutung der abhängigen Länder der „Dritten Welt durch die imperialistischen Staaten. Es ist dies die Antwort – aber natürlich ebenso die sich selbst ständig reproduzierende Ursache – auf den so genannten „Nord-Süd-Konflikt
, d.h. auf den Gegensatz zwischen den imperialistischen Zentren und der abhängigen Peripherie in Asien, Afrika und Lateinamerika, im Falle der EU auch der osteuropäischen Semiperipherie. Auch dieser Widerspruch ist natürlich ein sich verschärfender.
Drittens ist die EU ein Mittel der innerimperialistischen Konkurrenz, im Falle der EU ein Mittel der Konkurrenz insbesondere zu den USA, aber auch zu Japan. Dieses Mittel ist die EU zunächst ungeachtet durchaus verschiedener Transatlantik-Strategien der Mitgliedstaaten. Auch wenn z.B. Großbritannien fast schon als institutionalisierter Juniorpartner der USA erscheint, so gibt es dennoch klare ökonomische Gegensätze. Offensichtlicher ist der Gegensatz zu den USA freilich im Falle Deutschlands und Frankreichs. Diese unterschiedlichen Strategien bzw. die Tatsache, dass es solche gibt, zeigen bloß, dass die innerimperialistische Konkurrenz eben auch vor der EU nicht halt macht und nicht halt machen kann. Dieser Widerspruch treibt sich global selbst auf die Spitze, denn früher oder später werden Deutschland und Frankreich die Hegemonialposition der USA offen in Frage stellen. Im Zuge dessen werden auch die latenten Bruchlinien innerhalb der EU offen zutage treten.
Viertens ist die EU ein Mittel im Kampf gegen revolutionäre oder emanzipatorische Bewegungen innerhalb und außerhalb Europas. Solche entstehen immer wieder als Reaktionen auf den ersten und zweiten Punkt, nämlich auf die innere monopolistische Ausbeutung und die imperialistische Ausbeutung nach außen. Es entstehen also innerhalb der EU unweigerlich antimonopolistische Bestrebungen, deren fortschrittlichster Teil marxistisch-revolutionärer Natur sind, es entstehen in den abhängigen Ländern unweigerlich antiimperialistische Bestrebungen unterschiedlicher Art. Solche Bewegungen müssen zunächst ruhig gestellt werden, wenn dies nicht geht, so müssen härtere Mittel her.
Somit ergeben sich aus allen vier Punkten drei unmittelbare Zielsetzungen, welche die EU nun erfüllen muss. Einerseits muss die stabile ökonomische Entwicklung vorangetrieben werden – diese ist nämlich Voraussetzung jedes erfolgreichen Imperialismus (eine Problemstellung, mit der die USA in den kommenden Jahren überaus beschäftigt sein werden bzw. bereits sind). Zweitens müssen politische Entscheidungen tendenziell vereinfacht, letztlich monopolisiert werden, das bedeutet Entdemokratisierung und Schaffung handlungsfähiger EU-Institutionen, die niemandem mehr verpflichtet sind (EZB, EADS). Drittens, und das ist gegenwärtig das wichtigste Ziel, muss die EU einen handlungsfähigen Gewaltapparat haben, insbesondere ein einsatzfähiges Militär. Wozu? Um alle oben genannten Aufgaben im Zweifelsfall mit Gewalt erfüllen zu können, nämlich zunächst die innere Repression und die äußere Aggression, letztlich aber muss die EU (eventuell ein deutsch-französisches „Kerneuropa") im Kampf um die imperialistische Hegemonie gegen die USA und deren Verbündete reüssieren können – und dieser Kampf wird letztlich ein militärischer sein, wenn er nicht zuvor verhindert wird.
Wir sehen also, die EU hat bezüglich ihrer Weiterentwicklung klare Ziele und Aufgaben, diese sind aber weder innerimperialistisch noch gesamtgesellschaftlich noch global reibungslos, d.h. widerspruchslos umzusetzen. Es gibt Brüche und