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EKO Stahl für die DDR - Stahl für die Welt: Kombinatsdirektor und Stahlmanager - Eine Autobiographie
EKO Stahl für die DDR - Stahl für die Welt: Kombinatsdirektor und Stahlmanager - Eine Autobiographie
EKO Stahl für die DDR - Stahl für die Welt: Kombinatsdirektor und Stahlmanager - Eine Autobiographie
eBook418 Seiten5 Stunden

EKO Stahl für die DDR - Stahl für die Welt: Kombinatsdirektor und Stahlmanager - Eine Autobiographie

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Über dieses E-Book

Karl Döring, geboren 1937, studierte ab 1955 Eisenhüttenkunde an der Hochschule für Stahl und Legierungen in Moskau. Nach dem Studium arbeitete er im Stahlwerk Riesa, weitere wissenschaftliche Qualifikationen und leitende Tätigkeiten wechselten. 1979 bis 1985 war er stellv. Minister für Erzbergbau, Metallurgie und Kali, von 1985 bis 1990 schließlich Direktor des Stammbetriebs Eisenhüttenkombinat Ost (EKO) sowie Generaldirektor des VEB Bandstahlkombinates »Hermann Matern« Eisenhüttenstadt, das mit sechs Kombinatsbetrieben und rund 20.000 Beschäftigten zu den größten schwarzmetallurgischen Unternehmen der DDR gehörte.
Nach 1990 stand der Kampf um die Erhaltung des Standortes, nun als Vorstandsvorsitzender der EKO Stahl AG Eisenhüttenstadt, im Fokus, und nachdem dieser einen erfolgreichen Verlauf genommen hatte, amtierte Karl Döring zum Ende seiner beruflichen Laufbahn ab 1995 als technischer Direktor der EKO-Stahl-GmbH. Im Jahre 2000 verleiht ihm seine Moskauer Alma mater den Professorentitel.
»EKO - Stahl für die DDR, Stahl für die Welt«: Eine außergewöhnliche Autobiographie eines Lebens auf der Überholspur - erfolgreich, streitbar, wissbegierig und doch den Grundüberzeugungen treu geblieben.
SpracheDeutsch
HerausgeberEdition Berolina
Erscheinungsdatum3. Sept. 2015
ISBN9783958415133
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    Buchvorschau

    EKO Stahl für die DDR - Stahl für die Welt - Karl Döring

    www.buchredaktion.de

    Prolog

    »Der Betrieb Leipziger Baumwollweberei wird auf Grund des Volksentscheides vom 30.06.1946 zu Gunsten der Landesverwaltung entschädigungslos enteignet. Mit dem 30.06.46 24.00 Uhr erlöschen alle Ansprüche der ehemaligen Besitzer. Zum 1.07.46 wird Herr Alfred Döring als vorläufiger Leiter des Unternehmens eingesetzt. Seinen Anordnungen ist unbedingt Folge zu leisten.«

    Dieser Bescheid des Amtes für Betriebsneuordnung des sächsischen Landkreises Rochlitz hing am 1. Juli 1946 am schwarzen Brett der Baumwollweberei AG in Wolkenburg¹.

    Mein Vater – von Stund an Leiter einer volkseigenen Weberei – hatte das Webereifach von der Pike auf gelernt. Nach der Volksschule durchlief er bei der Baumwollweberei Backofen & Söhne in Mittweida eine Lehrlingsausbildung.

    In jener Firma hatte bereits seine Mutter, meine Großmutter Lina, zwanzig Jahre lang als Fabrikarbeiterin am Webstuhl gestanden. Sie war eine gütige Frau. Wenn wir sie in den Ferien besuchten und es Krach zwischen mir und meinem Bruder Günter gab, traf uns Omas Richterspruch: »Seid still, der eine ist einen Dreier wert, der andere drei Pfennig.«

    Auch Urgroßmutter Anna, die über neunzig Jahre alt wurde, hatte ihr halbes Leben, stolze 43 Jahre, in der Weberei verbracht.

    Meine Urgroßmutter Anna Händel (oben) und meine Großmutter Lina Döring (unten) während der Zeit des Ersten Weltkrieges im Websaal der Firma Backofen & Söhne

    Ich habe die Tradition meiner Vorfahren als Leineweber und Tuchmacher im sächsischen Raum von Mittweida-Hainichen rund zweihundertfünfzig Jahre zurückverfolgen können. Der Großvater meines Urgroßvaters Friedrich Gottlob – so entnehme ich es der Ahnentafel zum »Ariernachweis« meiner Eltern – hatte als Tuchmacher seine Ware eigenhändig nach Leipzig zur Messe gekarrt und dort verkauft.

    Mir klingt das laute Knattern der Webstühle bis heute in den Ohren. Es ist Teil meiner Kinder- und Jugendjahre. Nach Beendigung der achten Klasse verdiente ich bei einem Ferieneinsatz in der Weberei mein erstes eigenes Geld. Im Warenlager sortierte ich Tuchballen, katalogisierte Stoffmuster und lernte, die unterschiedlichen Gewebearten voneinander zu unterscheiden. Manchmal nahm mich der Meister mit in die Websäle.

    Nach seiner Ausbildung begann mein Vater 1925 in der Möbelstoffweberei Ürtel, Rebling & Jähnig in Chemnitz – dem, wie es genannt wurde, »sächsischen Manchester«. Zur gleichen Zeit qualifizierte er sich an der Fachschule für Textiltechnik in einem Abendlehrgang von vier Semestern zum Textiltechniker. Später wechselte er zur Möbelstoffweberei Hohenstein Ernstthal, einem Zweigwerk der Firma Halpert & Co. Vom ersten Tag seiner Lehre an war er gewerkschaftlich organisiert und Mitglied der Sozialistischen Arbeiterjugend. 1926 trat er der SPD bei.

    Auch meine Mutter arbeitete bis zu ihrer Eheschließung am 16. Juni 1934 in einer Weberei – bei der Firma Schwarzkopf im kleinen Dorf Altmittweida. Nach der Heirat bezogen meine Eltern eine Wohnung in Hohenstein Ernstthal, wo am 20. Mai 1936 mein Bruder Günter das Licht der Welt erblickte und ein knappes Jahr später, am 11. Mai 1937, ich.

    Als mein Vater 1943 in die Großenhainer Webstuhlfabrik zum Kriegsdienst verpflichtet wurde, wurden dort längst keine Webstühle mehr gebaut. Sie war wie die meisten Industriestätten Deutschlands in einen Rüstungsbetrieb umgewandelt worden.

    Meinem Vater bereitete die Arbeit als technischer Zeichner im Konstruktionsbüro wenig Freude. Dennoch hatte es ihn ungleich besser getroffen als die meisten Männer in seinem Alter, die an der Front im Schützengraben hockten und als Kanonenfutter für die aggressive deutsche Großmachtpolitik herhalten mussten.

    Ich kam im Jahr unseres Umzugs nach Großenhain zur Schule und erinnere mich noch gut an den Lehrer in SA-Uniform. Seine erste Amtshandlung bestand Tag für Tag darin, den Rohrstock aus dem Schrank zu holen und neben sich auf das Pult zu legen. Dass er denselben auch gebrauchen müsse, um uns zu Härte zu erziehen, stand für ihn außer Frage.

    Zur Unterkunft war uns eine Wohnung im ehemaligen Stadtgut zugewiesen worden. Der Hof war seit vielen Jahren nicht mehr bewirtschaftet worden. Immerhin waren die Gebäude – Stallungen, Scheune und das eher bescheidene Gutshaus, das vormals der Verwalter bewohnt hatte – einigermaßen erhalten.

    Eines Tages setzte große Geschäftigkeit ein: Auf dem Gutsgelände wurde ein Lager für sowjetische Kriegsgefangene eingerichtet. Die »Russen« mussten – bis auf den Sonntag – zwölf Stunden täglich in der ehemaligen Webstuhlfabrik für die Steigerung der Kriegsproduktion sorgen. Das Wachpersonal bestand aus nicht fronttauglichen Wehrmachtsangehörigen. Sie scheuchten uns Kinder auch nicht vom neu errichteten Stacheldrahtzaun weg, wenn die Kriegsgefangenen auf der anderen Seite des Zaunes Kontakt zu uns suchten. Manch kleines Spielzeug, in unbeobachteten Minuten in der Fabrik hergestellt, landete in unseren Händen.

    Unsere Wohnung lag Wand an Wand mit den Wirtschaftsgebäuden, in denen die Kriegsgefangenen untergebracht waren. So kam es, dass Günter und ich, wenn wir abends in den Betten lagen, gelegentlich den schwermütigen Gesang der Kriegsgefangenen vernahmen – mein erster Kontakt mit der russischen Kultur.

    Als schließlich ein italienisches Internierungslager auf dem Stadtgut hinzukam – im Gegensatz zum russischen ohne Stacheldrahtzaun –, lief sonntags schon einmal der ganze Hof zusammen, um beim russisch-italienischen Wechselgesang Not und Leid ein wenig zu vergessen.

    Im Jahr 1944 wurde mein Vater schließlich doch noch zur Wehrmacht eingezogen und geriet kurz darauf in amerikanische Gefangenschaft.

    Nachdem Großenhain am 22. April 1945 kampflos von der Roten Armee eingenommen worden war, richteten die Sowjets auf dem Gutsgelände eine Nachschubeinheit ein. Wie zuvor bei den Kriegsgefangenen waren wir Hofkinder auch bei den »aktiven« Rotarmisten gern gesehen. Unsere Berührungsängste waren schnell überwunden. Ich durfte zum ersten Mal auf einem Pferd sitzen. Es blieb das einzige Mal in meinem Leben. Die Russen hingegen, die Sowjetunion und später die Russische Föderation sollten mich ein Leben lang begleiten …

    Als mein Vater am 30. Mai 1946 nach Großenhain heimkehrte, warteten bereits seine Genossen in der Industrieverwaltung Sachsen auf ihn. Sie glaubten, mit ihm den Richtigen gefunden zu haben, um die Wolkenburger Weberei nach der Enteignung wieder auf die Beine zu stellen. Ähnlich wie der Betrieb in Großenhain war die Fabrik an der Zwickauer Mulde in den Jahren des Krieges in einen Rüstungsbetrieb umgewandelt worden. Das Unternehmen war im Jahr 1943 dem Reichsluftfahrtministerium unterstellt und der Opta Radio AG die Genehmigung erteilt worden, ihre Rüstungsproduktion für Funk- und Radargeräte sowie Radiosonden nach Wolkenburg zu verlagern.

    Die Webstühle wurden in aller Eile in umliegende Scheunen – unter anderem in die nahegelegene Schäferei Kaufungen – ausgelagert. Lediglich ein paar Dutzend Beschäftigte hielten bis zum Kriegsende die Gewebeproduktion aufrecht, während etwa vierhundert Zwangsarbeiter – vorwiegend Frauen aus den Konzentrationslagern Ravensbrück, Auschwitz und Bergen-Belsen – für die Rüstungsproduktion nach Wolkenburg geholt wurden. Sie kampierten in einem der etwa einhundert Außenlager des KZ Flossenbürg, das sich in unserem Ort befand. Als am 13. April 1945 amerikanische Truppen Wolkenburg besetzten, waren die KZ-Häftlinge zuvor bereits in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abtransportiert worden.

    »Der Junker und der Schlotbaron, sie stifteten den Weltbrand an. Den Junker jagte man davon, jetzt kommt der Andre auch noch dran! – Stimmt mit Ja!«, hieß es auf einem Handzettel zum Volksentscheid am 30. Juni 1946 in Sachsen. Die Wähler sollten die Frage beantworten: »Stimmen Sie dem Gesetz über die Übergabe von Betrieben von Kriegs- und Naziverbrechern in das Eigentum des Volkes zu?« Knapp 3,7 Millionen Bürgerinnen und Bürger, also über 93 Prozent der Stimmberechtigten, beteiligten sich an dem Volksentscheid, mehr als 77 Prozent von ihnen sprachen sich für das Gesetz aus. Daraufhin veranlassten die anderen Landesverwaltungen der sowjetischen Besatzungszone ebenfalls Enteignungen.

    Fünf Monate später sollten auch in Hessen die Bürger über die Verfassung und separat über den Artikel 41 abstimmen, in dem es darum ging, Betriebe des Bergbaus, der Eisen- und Stahlerzeugung, der Energiewirtschaft und des Schienen- und Oberleitungstransportes in Gemeineigentum sowie Großbanken und Versicherungen in Staatsbesitz zu überführen. Diese separate Abstimmung erfolgte in der Hoffnung, dass sich dafür keine Mehrheit finden würde. Doch auch in Hessen stimmten 72 Prozent der Bevölkerung mit Ja. Diese Mehrheitsentscheidung wurde allerdings, wie in Westdeutschland nicht anders zu erwarten, nie umgesetzt.

    Mit der Enteignung der Leipziger Baumwollweberei in Wolkenburg wurde die Aktiengesellschaft in einen volkseigenen Betrieb umgewandelt und der neu gegründeten Industrievereinigung Webereien in Mittweida unterstellt. Der bisherige Betriebsleiter Carl Schlesinger und der Technische Leiter sowie Mitaktionär Dr. Ernst Lipowski wurden fristlos entlassen und durften den Betrieb nicht mehr betreten.

    Der Anfang des Wiederaufbaus war schwer. An das Amt für Betriebsneuordnung Rochlitz schrieb mein Vater in seinem ersten Bericht am 13. Juli 1946: »Bei der technischen Leitung, die viele Jahre bei ein und derselben Person lag, kam es lediglich darauf an, einen möglichst hohen Gewinn herauszuwirtschaften. […] Für Reparaturen, gar Neuanschaffungen, hat die Leitung nie etwas übrig gehabt. Heute da Ordnung zu schaffen, ist ein beinahe aussichtsloses Beginnen. Im Verein mit der gesamten Belegschaft werde ich aber alle Kräfte anstrengen und vereinen, um das Werk wieder in Ordnung zu bringen, wenigstens zu versuchen, mit modern eingerichteten Werken Schritt zu halten. Ich hoffe dabei vor allen Dingen auf die Zuteilung nicht nur von Garnen, sondern auch auf die von Baumaterialien und die dazu nötige Unterstützung der betreffenden amtlichen Stellen.«

    Trotz der schwierigen Startbedingungen stellte sich mein Vater mit all seinem Elan, seinem fachlichen Können und der ihm kraft seines Amtes verliehenen politischen Autorität der Aufgabe, eine privatkapitalistische Aktiengesellschaft in einen volkseigenen Betrieb umzuwandeln und diesen so schnell wie möglich zur erforderlichen Leistungskraft zu führen.

    Wir hatten eine Wohnung in einem Haus auf dem Betriebsgelände bezogen, in dem sich auch Lagerräume und Büros befanden. Einen Teil des Gartens, der zum Anwesen gehörte, durften meine Eltern bewirtschaften. Wir bauten Gemüse und Kartoffeln an, hielten ein paar Hühner und Kaninchen. Ein wahrer Luxus in dieser Zeit des Mangels! Die Haus- und Gartenarbeit sowie die Betreuung des Kleinviehs unterlag dem strengen Regime unserer Mutter. Wir Kinder hatten unsere festen Pflichten. Hasenfutter zu holen gehörte ebenso dazu wie die Wäsche zu gießen, wenn sie zum Bleichen auf dem Rasen ausgebreitet lag.

    Zum Spielen hatten wir unser eigenes Reich. An den in unseren Kinderaugen riesigen Wiesen- und Gartenteil des Fabrikgeländes grenzte ein Waldstück mit einem Bach. Hier trafen wir unsere Schulkameraden.

    Als Zugezogene hatten wir es bei der örtlichen Kinderschar anfangs schwer, anerkannt und in eine Clique aufgenommen zu werden. Es sollte ein paar Monate dauern, bis Günter und ich die Namen »Große Schlange« und »Kleine Schlange« verliehen bekamen. Fortan gehörten wir dazu und durften bei den beliebten Indianerspielen mitmischen.

    Mein Vater Alfred Döring auf einer Belegschaftsversammlung in der Baumwollweberei Wolkenburg, 1951

    Meine Schulklasse 1947 mit Schulleiter Herbert Hartmann (Mitte links) und Klassenleiter Günter Hain (re.); Ich stehe links außen, meine Mitbewohnerin aus unserem Haus, Gudrun Jacobi, sitzt in der mittleren Reihe ganz rechts. Der spätere Ortschronist von Wolkenburg, Rolf Kirchner, hockt in der unteren Reihe (3. v. l.)

    Um die Beschäftigten der Weberei für seine Vision zu gewinnen, ging mein Vater auf die Arbeiter zu. »Vom kapitalistischen Ausbeuterbetrieb zu einer volkseigenen Produktionsstätte« lautete der Titel eines Vortrages, den er im öffentlichen Parteilehrjahr hielt. Darin erinnerte er an den Klassenkampf der Textilarbeiter in vergangenen Zeiten: den Augsburger Gesellenstreik 1784/85, die Maschinenstürmerbewegung in England, die Hungerrevolte 1826 in Solingen und schließlich an den Weberaufstand 1844 in Schlesien, den Gerhard Hauptmann in seinem Sozialdrama Die Weber und Heinrich Heine in seinem Gedicht Die schlesischen Weber verewigten.

    Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,

    Wir weben emsig Tag und Nacht —

    Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,

    Wir weben hinein den dreifachen Fluch,

    Wir weben, wir weben!

    Mein Vater vergaß nicht zu erwähnen, dass in der sächsischen Gewerbeordnung von 1864 eine Kinderarbeitszeit von täglich bis zu zehn Stunden als regelkonform galt. Im Gegenzug skizzierte er das humane Ziel des Aufbaus eines volkseigenen Betriebes. Unter seiner Leitung wurden in den folgenden sieben Jahren ein Kindergarten gebaut, ein Speisesaal geschaffen – den der Ort zudem für kulturelle Veranstaltungen nutzte –, ein Ledigenheim eingerichtet und eine Betriebsberufsschule gegründet. Er setzte sich für eine Sanitätsstube, eine Betriebsbibliothek, ein Kulturensemble sowie für Frauenruheräume ein. Das Zeugnis, das mein Vater erhielt, als er 1952 aus dem Betrieb ausschied, um einer Berufung als Werkdirektor der Vereinigten Vogtländischen Baumwollwebereien Plauen zu folgen, würdigt sein Engagement: »Durch Demontage des artfremden Betriebes (Rüstungsproduktion) waren die Websäle leer. Seine Aufgabe, mit Hilfe seiner Mitarbeiter den Betrieb aufzubauen und zu großen Produktionsleistungen zu führen, hat er vorbildlich erfüllt. Es war keine leichte Arbeit, diesen Betrieb in dieser schweren Zeit des Mangels an Allem wieder auf die Höhe zu bringen.«

    Statt der einstmals 75 standen nunmehr 476 Webstühle in den Werkhallen. Arbeiteten in der Weberei 1946 etwa 95 Mitarbeiter, waren es wenige Jahre später bereits knapp 500. Ein neuer Betrieb war in den alten Gemäuern entstanden, in dem bereits 1947 gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt wurde – für Männer wie für Frauen. Das war der Beginn des sozialistischen Experiments auf deutschem Boden. Nie hätte ich geahnt, dass ich ein halbes Jahrhundert später miterleben sollte, wie das Rad der Geschichte zurückgedreht wird.

    1 Alle Angaben zur Wolkenburger Weberei stammen mit seiner Zustimmung aus Band I (»Zwei Jahrhunderte Textilindustrie in Wolkenburg«) der unveröffentlichten Chronik Wolkenburg–Kaufungen des Ortschronisten Rolf Kirchner, einem meiner Klassenkameraden aus der Grundschule, sowie aus dem persönlichen Archiv meines Vaters.

    Dem Morgenrot entgegen – zum Studium ins Bruderland

    Der Zug stand bereit. Auf dem Bahnsteig des Berliner Ostbahnhofs wartete an diesem Augusttag im Jahr 1955 eine Schar junger Menschen auf den Beginn ihrer Reise nach Moskau.

    Vierhundert Schüler waren ein Jahr zuvor republikweit ausgewählt worden, ihr Abitur an der Sonderstudienanstalt der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät (ABF) Halle zu machen. Die »ABF II mit verstärktem Russischunterricht« war 1954 eigens dazu eingerichtet worden, junge Menschen aus der DDR auf ein Studium im sozialistischen Ausland vorzubereiten. Die zweihundert besten Absolventen wurden anschließend zum fünfjährigen Studium delegiert, zumeist in die Sowjetunion. Und ich mit meinen achtzehn Jahren war einer von ihnen!

    Eigentlich hatte ich Geologie studieren wollen, doch ein Studienberater legte mir nahe, mich für Metallurgie zu entscheiden. Mir schien, wohl etwas naiv, es handle sich um ähnliche Fachbereiche, und so nahm ich diesen Rat an – was ich nie bereuen sollte!

    Nun ging es in die ­UdSSR­, den Staat, der der DDR in »ewiger und unverbrüchlicher Freundschaft« verbunden war. So hatten wir es wieder und wieder von unseren führenden Politikern gehört – und keiner von uns zweifelte daran.

    Nach achtundvierzig Stunden Zugfahrt erreichten wir den Weißrussischen Bahnhof in Moskau. Ich staunte nicht schlecht: Hatte ich doch in meinem jungen Leben bislang keine Stadt kennengelernt, die nicht vom Krieg gezeichnet war. In meiner Heimatstadt Plauen begleiteten mich die schlimmen Zerstörungen tagtäglich auf dem Schulweg. Das bei Klassenfahrten besuchte Dresden und Leipzig boten ein noch schlimmeres Bild. Und beim Verlassen des Ostbahnhofes im Sonderzug gen Moskau waren links und rechts der Bahnstrecke mehr Ruinen als intakte Häuser zu sehen gewesen. Was für einen Anblick bot dagegen Moskau, das dank seiner heldenhaften Verteidiger unversehrt geblieben war. Straßen von nie gesehener Breite und Pracht, Hochhäuser, die überwältigende Metro und weitläufige Parks. Das Bild der Stadt erschien mir als Zukunftsfanal: Das also bot der Sozialismus den Menschen! Und mir verhieß der erste Eindruck hochinteressante Studienjahre.

    Auf dem Bahnsteig nahmen uns die Komsomolvertreter unserer zukünftigen Alma Mater, der Staatlichen Hochschule für Stahl und Legierungen, in Empfang. Die Hochschule entsprach in ihren Grundstrukturen in etwa der Freiberger Bergakademie. Wir, das waren Rolf Goldner und ich, die in diesem Studienjahr als DDR-Bürger in den Genuss einer Ausbildung an der renommierten Bildungseinrichtung kommen sollten.

    Die Begrüßungsszene am Bahnhof rief mir meine Jahre als Jungpionier in Wolkenburg in Erinnerung. In der achten Klasse wurde ich Vorsitzender des Freundschaftsrates der Pionierorganisation an unserer Dorfschule. Ich überlegte, wie wir unsere Pionierkasse auffüllen konnten. Oberhalb des Ortes, hoch über dem Muldental und den Wolken nahe, hatte in früher Zeit tatsächlich eine Burg gethront. Das eindrucksvolle Gemäuer, später zu einem Schloss der Adelsfamilie von Einsiedel umgebaut, beherbergte inzwischen eine Gewerkschaftsschule. Alle drei Wochen kamen neue Kursteilnehmer an und mussten, vom Bahnhof kommend, die steile Straße hinauf. Das brachte mich auf eine Idee. Wir warteten mit blauem Halstuch und einer Kolonne von Handwagen auf die Ankömmlinge. Die Überraschung der Kursteilnehmer war mindestens so groß wie ihre Freude darüber, ihre Koffer nicht allein nach oben schleppen zu müssen. Jeder zahlte einen kleinen Obolus. Dadurch füllte sich unsere Pionierkasse zwar nicht üppig, aber stetig.

    Wegen solcher Aktionen wurde ich mit einer Reise in ein Ferienlager nach Klingenthal-Aschberg ausgezeichnet.

    Ich freute mich riesig, stand jedoch vor einem Dilemma: Die Ferienfreizeit erstreckte sich über den Palmsonntag, jenen Tag, an dem die Konfirmanden vor versammelter Kirchengemeinde ihre Bibelfestigkeit unter Beweis stellen sollten, um die Zulassung zur Konfirmation zu erhalten. Es war zu jener Zeit völlig normal, aktiver Pionier zu sein und zugleich den Konfirmandenunterricht zu besuchen. Der Pastor, zu dem ich sonst ein gutes Verhältnis hatte, erklärte in barschem Ton: »So nicht, mein Junge. Du musst dich am Sonntag vor der Kirchengemeinde zeigen. Sonst konfirmiere ich dich nicht!«

    Mit knapp vierzehn Jahren musste ich meine erste weltanschauliche Entscheidung treffen und entschied mich für das Pionierlager. Der Pastor konfirmierte mich dennoch.

    Vom Bahnhof in Moskau begleiteten uns die Komsomolzen zum Studentenwohnheim. Einen weltanschaulichen Konflikt musste ich bei dieser Reise nicht ausfechten.

    Ich teilte mir ein acht Quadratmeter großes Zimmerchen mit Wolodja, der sein erstes Studienjahr bereits hinter sich hatte. Er sprach kein Wort Deutsch, ich, trotz etlicher Jahre Russischunterricht in der Schule und dem Vorbereitungsjahr an der ABF, nur dürftig Russisch. Verständigten wir uns anfangs mit Händen und Füßen, klappte der Austausch jedoch von Tag zu Tag besser.

    Zutritt zum Wohnheim hatten nur die Bewohner, die beim Kommen und Gehen ihren Ausweis vorlegten. Besucher waren anzumelden. Die spartanische Einrichtung der kleinen Zimmer machte eine beeindruckende Infrastruktur wett. Es gab eine Bibliothek mit großzügigem Lesesaal, eine Mensa, die von frühmorgens bis spätabends geöffnet hatte, einen gigantischen Sportsaal und ein Kino – ausschließlich für die Studenten des Wohnheims. In einer großen Kleiderkammer wurden – je nach Saison – die Sachen verstaut, die man gerade nicht brauchte. Hinter dem Eingangsportal befand sich eine Garderobe, was den Vorteil mit sich brachte, dass man von der Straße kommend nie in Oberbekleidung auf sein Zimmer gehen musste. Duschen gab es nicht. Dafür ging man einmal in der Woche mit einem Bündel frischer Wäsche unter dem Arm ins nahe gelegene öffentliche Badehaus. Vor diesem Hintergrund bot das Zimmer ausreichend Platz.

    Per Dekret der sowjetischen Regierung vom April 1930 war die 1918 gegründete Moskauer Bergakademie in sechs einzelne Hochschulen aufgespalten worden: Neben denen für Bergbau sowie für Buntmetalle und Gold, den Instituten für Erdöl, Torfwirtschaft und geologische Erkundungen entstand so das Stahlinstitut. Durch die Reform sollte erreicht werden, dass möglichst viele Kader für die Industrialisierung auf dem Montansektor in der Sowjetunion ausgebildet werden konnten.

    1955 besuchten etwa achttausend Studenten die Hochschule für Stahl und Legierungen – eine Eliteeinrichtung in Sachen Materialwissenschaften und metallurgischer Verfahrenstechnik. Hier unterrichteten Größen wie Professor Wladimir Iwanowitsch Javoiskij, bei dem ich später promovierte. Er war in der Branche durch seine Theorie der Prozesse der Stahlerzeugung weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Die Ausgabe aus dem Jahr 1967 mit seiner persönlichen Widmung hat heute einen Ehrenplatz in meinem Bücherschrank.

    Professor Anatolij Nikolajewitsch Pochwisnew, Leiter des Lehrstuhls für Hochofentechnik und Mitverfasser des Werkes Der Hochofenbetrieb, galt ebenfalls als internationale Koryphäe. Unter anderem dozierte er ein Jahr lang an der Bergakademie Freiberg und war dort Ehrensenator.

    Professor Livschitz vom Lehrstuhl für Metallografie hatte sich als anerkannte Kapazität mit Arbeiten über den Magnetismus in vielen Ländern einen Namen gemacht. Alles in allem handelte es sich bei dem Moskauer Institut, wie mir im Laufe der Jahre immer wieder bewusst wurde, um eine erstklassige Ausbildungsstätte.

    Noch am letzten Augusttag rief uns der Rektor der Hochschule, Professor Kidin, zum Begrüßungsgespräch. Er bat alle neu eingetroffenen ausländischen Studenten gruppenweise in sein Dienstzimmer und teilte jedem Einzelnen mit, in welcher Art und Weise sich sein Studium gestalten würde. Abhängig von den Sprachkenntnissen sollten wir, wie mein Studienkamerad Rolf Goldner und ich, gemeinsam mit den einheimischen Kommilitonen oder, wie andere ausländische Neuankömmlinge, vor allem aus China und Vietnam, in gesonderten Gruppen unterrichtet werden. Dazu erhielten Rolf und ich die Auflage, täglich zwei Stunden Russisch zusätzlich zu absolvieren, um in den Vorlesungen und Seminaren nicht den Anschluss zu verlieren.

    So sah ich meine Russischlehrerin Tatjana Dmitriewna Taranitschewa im ersten Studienjahr weit öfter als alle anderen Lehrkräfte. Ihr verdanke ich nicht allein meine ständig sich verbessernden Sprachkenntnisse. Bald stellte sich zwischen uns eine Vertrautheit ein, die es mir erlaubte, auch in persönlichen Fragen ihren Rat einzuholen. Sie machte mich mit dem Pulsschlag der Metropole Moskau vertraut, weihte mich in die Gepflogenheiten, Sitten und Gebräuche des Landes ein und begeisterte mich für die russische Kultur, insbesondere für die Musik. Dank ihr lernte ich die großen russischen Komponisten kennen. Sie führte mich an das Repertoire des Bolschoi-Theaters und des Tschaikowsky-Konservatoriums heran. Vor den Aufführungen und Konzerten machte sie mich mit dem Leben der jeweiligen Komponisten vertraut. Und sie gab mir hilfreiche Tipps, wie ich an die begehrten Karten herankam. Bald schon war ich ein großer Tschaikowsky-Fan. 1958 schwänzte ich sogar Vorlesungen, um beim ersten internationalen Tschaikow­sky-Wettbewerb tagelang zu hören, wie ein und dasselbe Werk von den Wettbewerbsteilnehmern unterschiedlich interpretiert wurde. Künftig fand er alle vier Jahre statt und war jahrzehntelang der bedeutendste Musikwettstreit weltweit.

    In der Oberschule hatte ich zwar den umfangreichen Lehrstoff zur sowjetischen Literatur absolviert, aber kaum etwas über russische Schriftsteller und Dichter erfahren. Meine sowjetischen Kommilitonen hingegen konnten Heine und Schiller frei zitieren, was mich beschämte. Mit Tatjana Dmitriewnas Hilfe erschloss ich mir Puschkin und Lermontow, fand Zugang zu Tschechow und begeisterte mich für die Gedichte Majakowskis und Jessenins. In ihrer Begleitung besuchte ich die weltberühmte Tretjakow-Galerie mit ihrer exzellenten Sammlung russischer Meister – eine bessere Führung hätte ich mir nicht vorstellen können. Und immer wieder empfahl sie dringend den Besuch von Museen, die sich mit der Geschichte des Landes beschäftigten. Es war eine erstaunliche Anzahl. So erfuhr ich an der Technischen Hochschule, inmitten von Eisenerz und Stahlschmelze, eine kulturelle Bildung, von der man nur träumen konnte.

    Nach meinem Moskauer Studium blieb ich mit Tatjana Dmitriewna in regem Briefkontakt. Einen ihrer Briefe habe ich über fünfzig Jahre aufgehoben. So, wie wir es während unseres früheren Russischunterrichts handhabten, berichtete sie darin begeistert von einem ihrer Konzertbesuche im Moskauer Konservatorium: »Unlängst war ich im Konservatorium zum Konzert des französischen Dirigenten André Cluytens – das hat mich bewegt, ein Kunstgenuss. Eine derartige Darbietung der Symphonie fantastique von Berlioz habe ich noch nie gehört. Genauso meisterlich war die Interpretation von Ravel. Cluytens gelang es, besonders die emotionale Seite der Musik Ravels erlebbar zu machen, die häufig unter den schönen Äußerlichkeiten derselben versteckt bleibt. Und das gibt der Aufführung eine besondere Bedeutung.«

    Beide Werke hörte ich oft in meinem Leben und erinnerte mich dabei stets an meine Russischlehrerin.

    Von uns DDR-Studenten wurde viel erwartet. Meine Vorgänger – die ersten waren am Stahlinstitut 1951 immatrikuliert worden – hatten die Messlatte sehr hoch gehängt. Die sowjetischen Professoren setzten voraus, dass wir hochmotiviert waren und Bestleistungen erbrachten. Gemäß der von Lenin ausgegebenen Parole bedeutete das: Lernen, lernen, nochmals lernen. Bloß nicht enttäuschen! Immerhin hatten wir gute Ausgangsbedingungen. Zu Hause hatten wir zwölf Schuljahre absolviert, während die sowjetischen Kommilitonen schon nach der zehnten Klasse zum Studium wechselten. Trotz der anfänglich bescheidenen Russischkenntnisse konnten wir mit fundiertem Wissen in den Grundlagenfächern punkten. Das beeindruckte die Professoren.

    Anfangs hatte ich Schwierigkeiten mit der Aussprache der Dozenten. Deshalb setzte ich mich in die erste Reihe, um ihnen auf den Mund schauen zu können. Zudem wurde ich dort nicht durch die Unruhe in den hinteren Reihen abgelenkt. Letztlich verbrachte ich mein gesamtes Studium in den vorderen Sitzreihen, zumal sich herausstellte, dass die Studenten hier am wenigsten beobachtet wurden.

    Die Professoren in den Grundlagenfächern waren interessante Persönlichkeiten mit teils ausgeprägten Eigenheiten. Professor Kassatkin etwa, der Elektrotechnik las, hatte die Angewohnheit, zu Beginn der Vorlesung durch die Reihen zu gehen und einem Studenten von hinten die Hand auf die Schulter zu legen: »Womit können Sie uns denn heute erfreuen?«, begann er seine Befragung zur vorausgegangenen Vorlesung. Dieser Rundgang war bei allen gefürchtet, denn so völlig aus dem Stegreif examiniert zu werden, war bei Weitem nicht jedermanns Sache.

    Professor Genijew, der Festigkeitslehre unterrichtete, hatte noch als Offizier unter dem Zaren gedient. Er war nicht nur von Technik besessen, sondern auch ein Pferdenarr. Seine Vorliebe sprach sich von Studienjahrgang zu Studienjahrgang herum. Statt sich zu melden, war es üblich, während der Vorlesung Fragen auf einen Zettel zu schreiben, nach vorn durchreichen und auf das Katheder des Dozenten legen zu lassen. Der Lehrende konnte die Bemerkungen auf den Zetteln umgehend aufgreifen, erst am Ende der Vorlesung oder gar nicht beantworten. Bei Professor Genijew notierten die Studenten häufig Fragen nach seinem Ross. Unser »Pferdeprofessor« sprang in der Regel sofort auf die Fragen an und schilderte, wie sensibel die Tiere sind und wie genau sie ihren Herrn und Reiter kennen. Die Vorlesung war damit natürlich gelaufen.

    Diese Geschichten waren besonders für die Mädchen im Vorlesungssaal eine willkommene Abwechslung zum kopflastigen Fachgebiet. Sie wussten bald um die Schwäche unseres Professors, der nicht nur Pferde liebte, sondern auch viel für das schöne Geschlecht übrig hatte. Dass es sich lohnte, sich für die Prüfung ein wenig sexy herauszuputzen, um damit Eindruck zu schinden, wenn das Wissen nicht so sattelfest saß, hatten bald alle realisiert.

    Chemie las Frau Professor Schaskolskaja. Ihr Markenzeichen war ihre leise Stimme, die ihr immer Ruhe im Auditorium und die volle Aufmerksamkeit der Studenten bescherte.

    Anfänglich sahen wir die Lehrkräfte nicht nur bei den Vorlesungen, in den Laboren und bei den Seminaren, sondern ebenso in der Mensa für Lehrkräfte. Hier durften die ausländischen Studenten auf Anraten der Hochschulleitung essen gehen. Diese Mensa war zwar kaum attraktiver als die Studentenmensa, aber sie hatte einen Vorteil: Wir brauchten nicht lange anzustehen, wenn zur Mittagszeit alle zum Essen strömten. Bald verzichteten wir jedoch auf das Privileg, denn wir spürten, dass es unangemessen war, sich zum Essen von unseren Kommilitonen abzusondern.

    Ohnehin war der Zusammenhalt in unserer Studiengruppe zunächst nicht groß. Die Hälfte unserer Gruppe waren Moskauer, die nicht im Internat wohnten und nach den Vorlesungen schnell nach Hause verschwanden. Dafür entwickelte ich zu meinem Mitbewohner Wolodja eine enge

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