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Geist und Leben 4/2015: Zeitschrift für christliche Spiritualität
Geist und Leben 4/2015: Zeitschrift für christliche Spiritualität
Geist und Leben 4/2015: Zeitschrift für christliche Spiritualität
eBook217 Seiten2 Stunden

Geist und Leben 4/2015: Zeitschrift für christliche Spiritualität

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Über dieses E-Book

Nicht nur der Abschluss des "Jahres der Orden" gibt Anlass für Artikel von Autor(inn)en aus unterschiedlichen monastischen Familien: So macht sich Edith Kürpick FMJ "Gedanken zur Keuschheit", Mirjam Schambeck sf schreibt über "Ordensleben zwischen Sesshaftigkeit und Ausschauhalten" und Frère Richard reflektiert 75 Jahre nach deren Gründung über die Gemeinschaft von Taizé und einen Ausspruch ihres Gründers Roger Schutz. Ein Vierteljahrhundert nach seinem Tod begibt sich Ursula Baatz auf die Spuren des Jesuiten und Zen-Lehrers Hugo M. Enomiya-Lassalle und Dominik Terstriep SJ lädt zur Wieder(entdeckung) des Mystikers Ägid van Broeckhoven SJ ein. Dass Orden längst auch virtuell tätig sind, zeigt die Umschau von Thomas Neulinger SJ zu "Ignatianischer Spiritualität im Web".
Merkmale anglikanischer Spiritualität stellt Annegret Lingenberg anhand einer Biographie des "Book of Common Prayer" vor. Alexander Jaklitsch erzählt in der Jungen Theologie Witze und zeigt, wie Humor zur postmodernen Mystagogie werden kann.
Im Gedenken an dessen Ermordung vor 70 Jahren untersucht Gunter Prüller-Jagenteufel "Die Brautbriefe Dietrich Bonhoeffers". Vom Abschiednehmen handelt auch das Buch "Gott braucht dich nicht" der jungen Autorin Esther Maria Magnis, das Joachim Negel ausführlich vorstellt.
Josef Thorer SJ berichtet über das 2. Symposium Kontemplation, das im Mai diesen Jahres in Wien stattgefunden hat. Christoph Böhr stellt einen Essay des italienischen Philosophen Giorgio Agamben vor.
Zum nahenden Weihnachtsfest erhellt Josef Pichler die historischen Hintergründe der lukanischen Geburtserzählung. In der Lektüre bringen wir diesmal eine erstmals von Thomas Fries ins Deutsche übersetzte Predigt des seliggesprochenen Erzbischofs Oscar Romero von Weihnachten 1979.
SpracheDeutsch
HerausgeberEchter Verlag
Erscheinungsdatum1. Okt. 2015
ISBN9783429062286
Geist und Leben 4/2015: Zeitschrift für christliche Spiritualität

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    Buchvorschau

    Geist und Leben 4/2015 - Echter Verlag

    Inhalt

    Heft 4 | Oktober–Dezember 2015

    Jahrgang 88 | Nr. 477

    Notiz

    Mitten im Leben

    Bernhard Körner

    Nachfolge

    Heimliches Feuer unter der Asche. Gedanken zur Keuschheit

    Edith Kürpick FMJ

    Von Siedlern und Suchern. Ordensleben zwischen Sesshaftigkeit und Ausschauhalten

    Mirjam Schambeck sf

    Gott alles in allem. Der Mystiker Ägid van Broeckhoven

    Dominik Terstriep SJ

    Nachfolge | Kirche

    Anglikanische Spiritualität. Annäherung anhand einer Biographie des „Book of Common Prayer"

    Annegret Lingenberg

    Kein Geheimnis von Taizé

    Frère Richard

    Nachfolge | Junge Theologie

    Heiterer Aufbruch des Geistes. Humor als postmoderne Mystagogie

    Alexander Jaklitsch

    Reflexion

    Die Brautbriefe Dietrich Bonhoeffers. Zeugnis einer Spiritualität in Liebe und Abschied

    Gunter Prüller-Jagenteufel

    Friede als Weihnachtsgabe. Die Geburtserzählung im Lukasevangelium

    Josef Pichler

    Nicht nur Meditationsschemel. Das Erbe des Jesuiten und Zen-Lehrers Hugo M. Enomiya-Lassalle

    Ursula Baatz

    Bild und Bildlosigkeit. 2. Symposium Kontemplation

    Josef Thorer SJ

    Lektüre

    Versehrender Segen. Zu Esther Maria Magnis’ Buch „Gott braucht dich nicht"

    Joachim Negel

    „Endlich ist die Stunde da". Predigt zur Weihnachtsvigil am 24. Dezember 1979

    Oscar Romero

    Ende der Zeiten - Zeit des Endes. Giorgio Agamben über das „Mysterium iniquitatis"

    Christoph Böhr

    Ignatianische Spiritualität im Web. Eine Umschau

    Thomas Neulinger SJ

    Buchbesprechungen

    Impressum

    GEIST & LEBEN – Zeitschrift für christliche Spiritualität. Begründet 1926 als Zeitschrift für Aszese und Mystik

    Erscheinungsweise: vierteljährlich

    ISSN 0016–5921

    Herausgeber:

    Deutsche Provinz der Jesuiten

    Redaktion:

    Christoph Benke (Chefredakteur)

    Anna Albinus (Lektorats-/Redaktionsassistenz; Satz)

    Redaktionsbeirat:

    Bernhard Bürgler SJ/Wien, Margareta Gruber OSF/Vallendar, Stefan Kiechle SJ/München, Bernhard Körner/Graz, Simon Peng-Keller/Zürich, Klaus Vechtel SJ/Frankfurt, Saskia Wendel/Köln

    Redaktionsanschrift:

    Pramergasse 9, A–1090 Wien

    Tel. +43–(0)1–310 38 43–111/112,

    redaktion@geistundleben.de

    Artikelangebote an die Redaktion sind willkommen. Informationen zur Abfassung von Beiträgen unter www.geistundleben.de. Alles Übrige, inkl. Bestellungen, geht an den Verlag. Nachdruck nur mit besonderer Erlaubnis. Werden Texte zugesandt, die bereits andernorts, insbesondere im Internet, veröffentlicht wurden, ist dies unaufgefordert mitzuteilen. Redaktionelle Kürzungen und Änderungen vorbehalten. Der Inhalt der Beiträge stimmt nicht in jedem Fall mit der Meinung der Schriftleitung überein.

    Für Abonnent(inn)en steht GuL im Online-Archiv als elektronische Ressource kostenfrei zur Verfügung. Registrierung auf www.geistundleben.de.

    Verlag: Echter Verlag GmbH,

    Dominikanerplatz 8, D–97070 Würzburg

    Tel. +49 (0)931–660 68–0, Fax +49 (0)931–660 68–23

    info@echter.de, www.echter-verlag.de

    Visuelle Konzeption: Atelier Renate Stockreiter

    Druck und Bindung: Friedrich Pustet, Regensburg

    Bezugspreis: Einzelheft € 11,80 (D) / € 12,20 (A)

    Jahresabonnement € 39,00 (D) / € 40,10 (A)

    Studierendenabonnement € 25,80 (D) / € 26,50 (A)

    jeweils zzgl. Versandkosten

    Digitales Abonnement und weitere Angebote unter www.geistundleben.de

    Vertrieb: Zu beziehen durch alle Buchhandlungen oder direkt beim Verlag. Abonnementskündigungen sind nur zum Ende des jeweiligen Jahrgangs möglich.

    Auslieferung: Brockhaus Kommissionsgeschäft GmbH, Kreidlerstraße 9, D–70806 Kornwestheim

    Auslieferung für die Schweiz: AVA Verlagsauslieferung AG, Centralweg 16, CH–8910 Affoltern am Alibs

    Auslieferung für Österreich: Buchzentrale GmbH, Kapitelplatz 6, A–5010 Salzburg

    Diesem Heft liegen folgende Prospekte bei:

    topos taschenbücher Verzeichnis 2015/2016, Verlag Topos plus; Zeitschrift für katholische Theologie, Echter Verlag. Wir bitten um Beachtung.

    Notiz

    N

    Bernhard Körner | Graz

    geb. 1949, Priester, Professor für Dogmatik an der Universität Graz, Beiratsmitglied von GEIST & LEBEN

    bernhard.koerner@uni-graz.at

    Mitten im Leben

    „Gott ist mitten in unserem Leben jenseitig." Ein bekanntes Wort aus Widerstand und Ergebung und eine gute Gelegenheit, sich siebzig Jahre nach seiner Hinrichtung an Dietrich Bonhoeffer (1906–1945) zu erinnern. Die Gedanken gehen nicht nur zurück zu einem Theologen, der seine große Zeit wohl noch vor sich gehabt hätte. Sie treffen auch auf einen, dessen gläubig theologisches Denken durch das Feuer eines unmenschlichen Regimes und eines mörderischen Krieges geläutert worden ist. Wer solches Grauen wach und wohl auch mit Angst erlebt, dem kommen keine leichtfertig hingesagten frommen Phrasen über die Lippen. Und so mag damals Gott – so die Vermutung eines Nachgeborenen – mit einer Formulierung Karl Barths gesprochen, als der „ganz andere" erfahren worden sein.

    Aber die Erfahrung und die Formulierung Bonhoeffers sind paradoxer und facettenreicher. Gott ist nicht nur der ganz andere, der anscheinend Ferne, er ist auch eine Wirklichkeit mitten in Bonhoeffers Leben – mitten in Krieg und Terror, mitten im Widerstand, im Gefängnis, unter dem Galgen. Gott ist da. Gegenwärtig durch Jesus Christus. Und zugleich ist er unfassbar. Jenseitig. Er entzieht sich dem erkennenden und verstehenden Zugriff. Mitten im Leben ist Gott keine Wirklichkeit dieses Lebens, sondern – „mitten in unserem Leben jenseitig".

    Dieser Jenseitigkeit Gottes mitten im Leben gilt es – auch 70 Jahre später – theologisch gerecht zu werden und geistlich standzuhalten. Und da lohnt es sich, ein frühes Werk von Hans Urs von Balthasar in Erinnerung zu rufen. In seinem 1956 erschienenen (und jüngst neu aufgelegten) Buch Die Gottesfrage des heutigen Menschen hat er die neuzeitliche Entwicklung nachgezeichnet, die zu einer immer ausgeprägteren Erfahrung der Jenseitigkeit Gottes geführt hat. Sie ist für Balthasar nicht in erster Linie Folge der Ablehnung Gottes (das auch), sondern Ergebnis der inneren Logik der abendländischen Geistesgeschichte, die nicht zuletzt durch das Christentum geprägt worden sei. Am Ende der Entwicklung stehe als einzige Absolutheit die „zu Gott hin offenbleibende Frage, unter die sich alle übrigen Normen und Sätze einer natürlichen Religion subsumieren lassen müssen. Die Beziehung zu Gott ist nicht zuerst in einer definitiven Erkenntnis fassbar, sondern in der Frage nach ihm. Für die katholische Kirche mit ihrem Anspruch und ihren dezidierten Aussagen zu Glaube und Moral werde das zunehmend zur Herausforderung. Aber sie könne nicht anders, sie müsse der Einsicht entsprechen, dass Jesus Christus als der Gottmensch die genaue Verwirklichung dessen ist, „was auf Grund der Menschheitsfrage von Gottes freier Gnade und Barmherzigkeit abschließend erwartet werden durfte.

    Also auch bei Balthasar: Gottes unfassbare Nähe und seine ebenso unfassbare Jenseitigkeit. Vielleicht sind damit die beiden Koordinaten benannt, die auch für eine heutige Gotteserfahrung gelten, Orientierung geben können, zu schaffen machen und ernst genommen werden müssen. Denn beides ist möglich: Man sucht nach der Nähe Gottes und verliert sich in der Erfahrung des Unfassbaren. Und umgekehrt: Man steht im Bann der Größe Gottes und übersieht seine unfassbare Nähe. Aber beides muss zur Geltung kommen – um Gottes und des Menschen willen.

    Dass die Erfahrung der (vermeintlichen) Ferne und das Schweigen Gottes eine Jahrtausende alte Probe des Glaubens darstellt, ist biblische und christliche Erfahrung: „Mein Gott, mein Gott, warum hast Du mich verlassen …" (Ps 22) Aber auch die Nähe Gottes will und muss ertragen werden. Im Blick auf die Ablehnung Jesu in seiner Heimatstadt (Mk 6,2–6) formuliert das Schott Messbuch lakonisch und präzise: „An den fernen Gott glauben ist leichter als dem nahen Gott zu begegnen." Eine paradoxe, aber eine alles andere als lebensfremde Einsicht. Deshalb braucht es den sorgsamen Blick auf sich selbst und die Unterscheidung der Geister.

    Und Gottes Nähe und seine Größe sind beides auch – Gnade. Was die Nähe Gottes betrifft, ist man gerne bereit, das zuzugestehen. Aber auch seine Größe, die man als Ferne missverstehen kann, ist Gnade. Denn nur der göttliche Gott ist wirklich – Gott. Nur der Gott, der nicht in das Koordinatensystem menschlicher Vorstellungen und Plausibilitäten gezwängt worden ist. So verführerisch das sein mag, am Ende hält ein zu anthropomorph gedachter Gott den Ungereimtheiten der Natur und der Geschichte nicht stand. Deshalb kann es immer noch als eine wertvolle Orientierungshilfe gelten: „Gott ist mitten in unserem Leben jenseitig."

    Nachfolge

    N

    Edith Kürpick FMJ | Köln

    geb. 1967, Priorin der Monastischen Gemeinschaft der Schwestern von Jerusalem in Köln

    schwestern.jerusalem@t-online.de

    Heimliches Feuer unter der Asche

    Gedanken zur Keuschheit

    Leg deine Schuhe ab,

    denn der Ort, wo du stehst,

    ist heiliger Boden. (Ex 3,5)

    Kein Zweifel, Mose war in die Wüste gegangen. Eine Urmetapher der Einsamkeit, Bedürftigkeit, der trostlosen Öde und bedrängenden Leere. Wer schon einmal in der Wüste war, weiß, dass dort längst nicht jeder Dornbusch brennt, dass das dürre, dornige Gestrüpp unserer Ängste und Schatten so manches Mal den Blick hin zu den weiten, schönen Horizonten verstellt. Mose war mit seiner Herde in die Wüste gegangen, genauer gesagt, noch „über die Steppe hinaus (Ex 3,1), „in das Innere der Wüste (ad interiora deserti), wie die Vulgata übersetzt. Wer beim Dornengestrüpp nicht hängenbleibt, sondern sich weiter, tiefer vorwagt, riskiert es, in brennender Sehnsucht dem Anderen, dem Ganz-Anderen zu begegnen. Die Bibel weiß: Die Wüste setzt den Menschen einem Geheimnis aus. Es täuscht sich, wer sie nur für ein Stück verbrannte Erde hielte. Sie ist brennender, „heiliger Boden". Wer sich ihm nähern will, muss seine Schuhe ablegen. Und wenn die Geschichte vom brennenden Dornbusch eine Urmetapher der Keuschheit wäre?

    Keuschheit?

    Die Keuschheit ist kein schwieriges Thema. Sie ist überhaupt kein Thema. Sieht man von einschlägigen theologischen Wörterbüchern oder frommen Traktaten, von Ordensregeln oder dem Codex des kanonischen Rechts einmal ab, hat sie sich längst aus unserer Alltagssprache und Begriffswelt verabschiedet. Wenn Papst Franziskus die Hirten der Kirche dazu drängt, den Geruch der ihnen anvertrauten Schafe anzunehmen¹, wird es kaum jemandem in den Sinn kommen, damit auch die Keuschheit zu verbinden. Zu sehr haftet ihr der Geruch des hoffnungslos Antiquierten, ja Lebensfeindlichen an. Wer möchte schon gern danach riechen?

    In der Regel reduziert auf die Dimension des Geschlechtlichen und auf Fragen der Sexualmoral, steht sie unter dem Generalverdacht, eine negative Tugend zu sein: Leib und Lust zu verachten, sexuelle Energien einzubetonieren, vermeintliche Geschlechtslosigkeit zu spiritualisieren. Kontrolle und Tabu statt frei liebender Leidenschaft. Anlass höchstens zu genüsslichem Spott, meistens nur noch zu einem müden, aber vieldeutigen Lächeln. Selbst in kirchlichen, gut unterrichteten Kreisen herrscht nicht selten Konfusion darüber, was überhaupt gemeint sein könnte. Keuschheit – Jungfräulichkeit – Ehelosigkeit – Zölibat: Die Palette ist breit, die Begriffe scheinen, je nach Kontext, beliebig austauschbar.

    Ausdrückliche Lebensformen, wie sie manche Getaufte, z.B. Ordenschristen, durch die Ehelosigkeit und Priester der lateinischen Kirche durch den Zölibat versprechen und leben, sind in ihrer dauernden geschlechtlichen Enthaltsamkeit als Form klar umrissen. Jungfräulichkeit (die sich nicht auf sexuelles Unberührtsein reduzieren lässt), mag in diese Lebensform einmünden, erschöpft sich aber nicht darin. Im jüdisch-christlichen Kontext ist damit die Gott-offene, auf ihn sehnsüchtig wartende, ihm schon vertrauend und hoffend anvertraute Herzensausrichtung des Menschen und des Gottesvolkes gemeint: „Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, spricht Gott durch seinen Propheten, „… ich baue dich wieder auf, du sollst neu gebaut werden, Jungfrau Israel (Jer 31,3f.). Und am anderen Ende der Bibel kann Paulus den Korinthern schreiben: „Ich habe euch einem einzigen Mann anverlobt, um euch als reine Jungfrau zu Christus zu führen (2 Kor 11,2). So ist schon biblisch die Jungfräulichkeit eng mit einer Brautmystik verbunden: Der Schöpfer ist der Gemahl, der Erbauer ist der Bräutigam, die Jungfrau die schon erwählte Braut (vgl. Jes 62,5). Aber ob Mann oder Frau – ein jungfräulicher Mensch ist, wer sich ganz und gar, mit Haut und Haar, liebend darauf einlässt; neutestamentlich gesprochen, wer dem Lamm folgt, wohin es auch geht (vgl. Offb 14,4). Jungfräulich sind nicht die Unberührbaren, sondern die von Gott Berührten; die durch ihn zur inneren Einheit Gekommenen und dadurch auch zur Selbsthingabe Fähigen. So findet sich die Jungfräulichkeit in allen Lebensständen. Und in allen Lebensständen findet sie sich … auch nicht. Um die Wahrheit und Tiefe der Gottesbeziehung geht es letztlich, so tief, dass der Hl. Gregor von Nazianz es wagte, mit eben diesem Wort die reine Hingabe und liebende Aufmerksamkeit der drei göttlichen Personen zueinander tastend zu benennen: „Die Heilige Trinität ist … die erste Jungfrau². Gott erweist sich in sich selbst als jungfräulich liebend. Was aber bedeutet dann noch die Keuschheit? Wird sie zu einem bloßen Synonym, oder hat sie ihre eigene kraftvolle Aussage? Wofür steht sie? Wofür brennt sie? Wie die Ehelosigkeit und der Zölibat kann sie sich in einer frei gewählten, dauerhaften Lebensform geschlechtlicher Enthaltsamkeit ausdrücken. Wie die Jungfräulichkeit atmet sie die Weite einer lebendigen, integren, suchenden Gottesbeziehung. Aber von all diesen Möglichkeiten, in der Welt und vor Gott zu sein, ist letztlich nur die Keuschheit eine Weise, sich dieser Welt zu stellen und allem Wirklichen – den Dingen, den Ereignissen, den Menschen, sich selbst und schließlich Gott – zu begegnen. Sie ist weder moralisches System noch an theologischen Schreibtischen entworfenes Gedankenkonstrukt – genauso wenig wie es der brennende Dornbusch in der Wüste war. Nur leiblich begegnen wir der Wirklichkeit. Selbst leiblich verwurzelt, tritt die Keuschheit in Beziehung zum leiblichen Ausdruck aller Wirklichkeit.

    Begegnung und Berührung

    Wir leben in einer Epoche, die wohl wie keine andere zuvor dem Leib zu huldigen wusste, besser gesagt (weil ja die deutsche Sprache diese wichtige Unterscheidung erlaubt), dem Körper, dieser einfachen und doch so komplexen biologischen Verfasstheit des Menschen. Auf höchstem Niveau wird schon seit Jahrzehnten ein wahrer Körperkult zelebriert, der, von kosmetischer Makellosigkeit über perfekte Wellness auf Abruf und Diät-Programme in Endlosschleife bis hin zu sportlicher Fitness klar suggeriert: Design ist wichtig, alles ist machbar und möglich, ein Klick genügt. Dieser überhöhten (und dadurch paradoxerweise niedrigen und oft verwilderten) Idee der Körperlichkeit des Menschen setzt der christliche Glaube, anders als man meinen könnte, anders auch, als man ihm immer noch unterstellt, eine ganzheitliche Sicht entgegen: Der Mensch ist geistbegabte, leib-seelische Person. Das Wort Gottes hat einen menschlichen Leib angenommen und diesem noch einmal eine unendliche Würde geschenkt. Gott selbst ist Fleisch geworden und hat der Welt eine neue Ordnung zugemutet: Nämlich in einer Weise zu lieben, deren Maß er selber ist.

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