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Ein Jahr mit Thomas Bernhard: Das versiegelte Tagebuch 1972
Ein Jahr mit Thomas Bernhard: Das versiegelte Tagebuch 1972
Ein Jahr mit Thomas Bernhard: Das versiegelte Tagebuch 1972
eBook835 Seiten11 Stunden

Ein Jahr mit Thomas Bernhard: Das versiegelte Tagebuch 1972

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Über dieses E-Book

Erstmals erscheinen in ungekürzter Form und mit Originaldokumenten jene Aufzeichnungen, die Karl Ignaz Hennetmair Tag für Tag von all dem machte, was er mit Thomas Bernhard sprach und erlebte.

1972 beschloß der Realitätenhändler Karl Ignaz Hennetmair, ein Freund und Nachbar von Thomas Bernhard, über die Vorfälle und Gespräche dieses Jahres ein Tagebuch zu führen, und schuf damit ein Dokument von unschätzbarem Wert für alle Bernhard-Verehrer. Auch seine Feinde wären weiland gut bedient gewesen, denn die Mitschrift zeigt so manche dunkle Seite des Meisters, aber wo gibt es sie denn heute noch, die Bernhard-Hasser?
Der Dichter hat naturgemäß seine Schwierigkeiten mit der Außenwelt, zunächst nimmt sie ihn nicht wahr, doch mit wachsendem Ruhm beginnt sie ihn zu bedrängen, tritt ihm näher, als ihm lieb ist, und manchmal hat sie die Neigung, ihn - der nur seine Literatur im Kopf hat - schlicht und einfach für dumm zu verkaufen. Um all dem zu begegnen, hatte Bernhard Hennetmair. Der vermittelte ihm nicht nur seine Realitäten, seine Häuser und Wälder, und verschaffte ihm die notwendigen, möglichst günstigen Verträge, sondern stellte sich auch zwischen den Dichter und die Realität im Sinne des zu bewältigenden Alltags. Er kümmerte sich um den kaputten Fernseher ebenso wie um den Seelenmüll, fungierte als Deponie und Wiederaufbereitungsanlage. Stets hielt er Bernhard unerwünschte Besucher vom Leib und empfing ihn selbst im Kreise seiner Familie als Gast. Da wurde dann geplaudert, gescherzt und die halbe Welt ausgerichtet. Und später zog sich Hennetmair in sein Kämmerlein zurück und notierte. Und wir - neugierig, wie wir sind - lesen
SpracheDeutsch
HerausgeberResidenz Verlag
Erscheinungsdatum5. Feb. 2014
ISBN9783701744701
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    Buchvorschau

    Ein Jahr mit Thomas Bernhard - Karl Ignaz Hennetmair

    verbunden.

    Das versiegelte Tagebuch 1972

    1. Jänner 1972

    Nachdem ich heute mit Thomas den Artikel von Andreas Müller in der „Münchner Abendzeitung [„Mein Körper, mein Kopf und sonst nichts] besprochen habe und Müller es sogar erwähnenswert findet, daß Thomas auf der Nase große Poren hat, habe ich mich entschlossen, ab heute über alle Begegnungen mit Thomas Bernhard Aufzeichnungen zu machen und die Gespräche so weit wie möglich aufzuschreiben.

    Thomas hat mich gestern, am letzten Tag des Jahres, dreimal besucht, und ich habe ihn zum Essen eingeladen. Um 10 Uhr marschierten wir zum Spaziergang Ohlsdorf – Forsthaus – Grotte – Hildprechting – Weinberg von ihm in Nathal ab, mit der Absicht, um 11 Uhr 30 bei mir in Weinberg zum Essen einzutreffen. Da wir bis zum Haus Eybl sehr rasch ausgegriffen hatten, waren wir schon um 11 Uhr 15 bei mir in Weinberg und gingen bei mir vorbei nach Nathal, weil dort mein Auto stand und Thomas und ich unsere Autos nach dem Essen bei uns haben wollten.

    Obwohl Thomas um 4 Uhr von der Silvesterfeier beim Pabst in Laakirchen heimkam, war er so frisch wie selten. Thomas hatte mit den Ehegatten O’Donell und Architekt Hufnagl Silvester verbracht. Ich ging um 3 Uhr 15 zu Bett und wußte, daß Thomas noch nicht zu Hause war, da ich ihn sonst von meinem Zimmer aus nach Nathal einbiegen gesehen hätte. Er hätte sicher gehupt und wäre noch einen Sprung heraufgekommen oder ich zu ihm hinunter. Da es mich ärgerte, daß er so spät heimkommt, wegen dem für 10 Uhr ausgemachten Spaziergang, ließ ich, als ich mich niederlegte, das Licht im Zimmer brennen, damit er glaubt, ich sei noch auf, was ihn ärgern sollte. Tatsächlich sagte mir Thomas nachher, um 4 Uhr sei ich noch auf gewesen, er habe gehupt, aber ich hätte mich nicht gerührt. Als ich ihm sagte, daß ich ihn täuschte, sagte er vorwurfsvoll: Du bist ganz schön blöd.

    Thomas beim Anblick des leeren Ohlsdorf um 10 Uhr 30 des Neujahrstages: Alle Türen sind geschlossen, die Fenster zu, sie „suhlen" noch, die Straßen sind leer, und so, wie sie das neue Jahr beginnen, so suhlen sie das ganze Jahr. Da und dort wird heuer wieder ein scheußliches Haus hingebaut werden, die Leute sind geschmacklos und widerlich.

    MEIN KÖRPER, MEIN KOPF UND SONST NICHTS

    … Ein Interview mit Bernhard im üblichen Sinn ist nicht möglich. Er hat kein Telefon, beantwortet kaum Briefe, läßt sich ungern fotografieren, spricht selten vor Menschen … Agi, Marie Agnes Baronin von Handl …, sagt am Telefon: „Gut, mach’ ich."…

    Wir kommen unangemeldet. Agi: „Zuerst wird er wahrscheinlich nur blödeln. Er blödelt immer. Bernhards knallgelber VW sticht gleich ins Auge, ein Fremdkörper. Das Gehöft, fast quadratisch, wie eine Festung, wirkt renoviert: sauber, von außen beinahe steril. Der Kuhstall ist leer. Agi schlägt mit der Faust an die Tür. „Thomas! schreit sie. Nichts rührt sich. „Thomas, so mach doch auf! Endlich hört man Schritte schleifen. Sie: „Ich hab’ wen dabei. Er: „Aber du weißt doch, ich will das nicht. Durch einen dunklen, kargen Vorraum, vorbei an der sparsam möblierten Wohnstube, in der deplaziert ein Bügelbrett steht, kommt man ins „Besucherzimmer. Drei harte, hohe Lehnsessel, ein Kamin ohne Feuer, an der Wand ein naiv-buntes Ölbild, Holzspäne, ein paar Bücher. Es ist eiskalt, nicht geheizt. Rauchen verboten. Es dämmert. Bernhard läßt es finster. Er sieht krank aus. Schütteres Haar. Die Nase porös. Schmale, mißtrauische Augen. Er beginnt gleich zu reden, macht sich über Agi lustig, redet in einem fort, verhöhnt sie, spöttelt ironisch. Eine beißende Ironie, quälend. Agi tut so, als merke sie nichts. Ein echtes Gespräch ist nicht möglich. Ein Blatt Papier, einen Bleistift hervorholen, mitschreiben: daran ist nicht zu denken. Bernhard, permanent lächelnd, ein böses, hilfloses Lächeln, igelt sich ein. Aggression (was Agi „blödeln nannte) ist sein Selbstschutz. Agi erwähnt ihre Söhne. Bernhard: „Man müßte drastische Maßnahmen ergreifen, damit nicht so viele Kinder auf die Welt kommen. Da jammern alle, es gibt zu viele, und dann unterstützt man das noch. Zuerst kriegen die Leute Kinder, und dann reden sie immer davon, was ihnen die Kinder für Sorgen machen. Man müßte allen Leuten, die Kinder kriegen, die Ohren abschneiden.

    (Andreas Müller, „Münchner Abendzeitung", 28. 12. 1971)

    Wir sprachen über einen Artikel der „Münchner Abendzeitung vom 28. 12. Von Agi hat er inzwischen schon einen zweiten Brief bekommen. Sie hat nichts begriffen, will es nicht begreifen, will es nicht verstehen, sieht nichts ein usw. Aber sie ist erledigt bei mir, sagt Thomas. Im Café Brandl sei sie gestern vor seinem Tisch sehr zögernd stehengeblieben, und sehr schüchtern und blöd fragte sie: Darf ich noch? Dann blieb sie lange abwartend stehen, ganz blöd, dann sagte ich halt: Na, entweder oder. Dann setzte sie sich zu mir und meinte, ich solle das vergessen. Man kann doch nicht sagen, man soll etwas vergessen, das gibt es nicht. Was geschehen ist, ist geschehen, aber vergessen kann man ja überhaupt nichts, auch wenn man so sagt, es ist doch nicht möglich, einfach etwas zu vergessen. So was gibt es eben nicht. Beim Gehen sagte Agi: Wann sehen wir uns wieder? Ich sagte: Vielleicht, wenn das Korn wogt. Agi ist die geborene Baronesse Maria Agnes von Handl vom Schloß Almegg. Thomas kann sich nicht erinnern, vom „Ohrenabschneiden gesprochen zu haben. Vielleicht habe er so etwas Ähnliches gesagt. Wir hielten es beide für möglich, daß der Reporter Andreas Müller „Ohren" daraus gemacht hat, genauso wie er aus der geschiedenen Agi eine Witwe gemacht hat.

    Beim Truthahnessen: Meine Gattin, mein Sohn Karl mit Frau und dem sechs Monate alten Baby, meine Tochter Elfriede mit Bräutigam „Stutz, Tochter Reinhild und Sohn Wolfi anwesend, drohe ich meinem Nachwuchs mit „Ohrenabschneiden. Die Stimmung ist gut und der Appetit nach dem Spaziergang auch. Um 12 Uhr 15 setzen wir uns nach oben zum Fernsehen: Neujahrskonzert. Die Tänze stören, sagt Thomas, die lenken nur ab vom schönen Konzert, nur das Orchester soll gezeigt werden, die Tänze sind Kitsch, Mist. Ich werde doch noch das Ballett schreiben. Der Mann, der das macht, Aurel von Milloss, ist spitze, er schätzt meine Bücher, ihm gefällt meine Art. Da weiß ich, für wen ich schreibe, ich kann mich auf ihn einstellen und er auf mich. Weißt du, nur so kommt etwas Gutes zustande. Er, Aurel von Milloss, hat mich ersucht, das Ballett für seine Oper zu schreiben.

    Thomas lobt Kaffee und Linzertorte. Er fühlt sich bestens, sonst würde er nicht auch noch das Neujahrsspringen mit ansehen. Beim zweiten Durchgang wünscht Thomas dem führenden Kasaya einen Seitenwind oder eine Windböe, damit Mörk gewinnen kann. Um 15 Uhr erhebt sich Thomas und sagt, jetzt muß ich aber fahren, ich komme eh schon zu spät. Für 15 Uhr hab ich’s mit O’Donell und Hufnagl im Brandl ausgemacht. Wir sprachen auch noch von der Uraufführung bei den Salzburger Festspielen, aber es waren fast nur Wiederholungen, und über frühere diesbezügliche Gespräche berichte ich noch.

    Naja, und das Wichtigste: für Sonntag den 2. 1., also morgen, erwartet er am Nachmittag Ilse Aichinger mit Gatten Eich und Sohn. Den Sohn hat er in Zürich nach seiner Boris-Aufführung zum Mißvergnügen von Buckwitz zum Essen mitgenommen, damit so junge Leute gleich sehen, wie scheußlich so was ist. Sie stellen sich das meistens anders vor. Außerdem tue ich mit so was immer gern jemandem etwas zufleiß, und weil der Bursche so nett war, habe ich seine Mutter Ilse Aichinger mit ihm zu mir geladen. Sie haben ein Telegramm geschickt: „Dürfen wir am 2. oder 3. nachmittags kommen? Ich habe zurücktelegrafiert: „Am 2. Weil ja am 3. der Schmied kommt (Dr. Wieland Schmied).

    Ja, usw., aber jetzt habe ich genug, es fällt mir immer mehr ein zu berichten, aber für heute mache ich Schluß.

    2. Jänner 1972

    Thomas kommt um 20 Uhr 15. Wir sitzen beim Fernsehen, es läuft „Stars in der Manege". Er sagt, das ist nicht interessant, denn wenn etwas schiefgeht, sieht man es nicht, weil sie es rausschneiden. Ich konnte erst jetzt kommen, die Aichinger war bis jetzt bei mir. Ich habe einen Schwips, mindestens zehn Liter Most haben wir getrunken. Es war herrlich, sehr nett, wunderbar, ha ha ha ha, er sang und spottete dem laufenden Programm nach. Von zwei Uhr an, sagt Thomas, habe ich auf Aichinger gewartet, um 16 Uhr sind sie erst gekommen. Unglücklicherweise haben Aichingers vor dem Wegfahren selbst Besuch bekommen. Dann entschloß man sich, Eich, der Gatte, bleibt beim Besuch zu Hause, und Ilse Aichinger fährt. Da Ilse Aichinger nicht chauffieren kann, mußte ein Taxi genommen werden. Ihre Mutter, der Sohn und drei Mädchen sind auch mitgekommen. Ein Mädchen, eine Türkin, eine Frau als Taxifahrerin. Es war wunderbar lustig, dreimal mußte ich Most vom Keller holen. Drei Liter gehen gut hinein, es müssen zehn Liter Most gewesen sein, die wir getrunken haben. Die Wirkung davon hat sich auch schon vor der Abfahrt gezeigt. Es war wunderbar.

    Ich: Da habt ihr sicher weder über ihre noch über deine Arbeit (gemeint war natürlich die schriftstellerische Tätigkeit, die durchwegs nicht gemeint ist, wenn wir von Arbeit reden) gesprochen. Aber keine Spur, überhaupt nicht. Bis zu den Nachrichten um 22 Uhr 30 bleibe ich noch, vielleicht ist wieder jemand gestorben, sagte Thomas. Dabei schaute mich Thomas vielsagend an. Das sagt er öfter, und er weiß, daß wir beide jedesmal das gleiche denken.

    Wir saßen vor Jahren gemeinsam vor dem Apparat, als die Meldung kam, daß Doderer gestorben sei. Wie elektrisiert sprang Thomas vom Sessel, klatschte in die Hände und rief erfreut: Der Doderer ist gestorben. Auf meine Frage, warum ihn das so freue, sagte er: Doderer war doch in Österreich das Renommierpferd, und solange der lebte, konnte kein anderer was werden, es konnte keiner hochkommen. Jetzt ist die Bahn frei, jetzt komme ich. Aber so wie den Doderer werden sie mich nicht bekommen. So einen Doderer werde ich ihnen nicht spielen, denn wenn man sich zu allen offiziellen Anlässen sehen läßt, wird man verschlissen, abgelenkt und irritiert. Es verdreht einem den Kopf, man bleibt auf seinem Ruhm sitzen und kann nichts mehr schaffen beziehungsweise nichts Großes, Gutes mehr schreiben. Man wird ja auch nicht mehr so kritisiert, eher für jeden Blödsinn gefeiert und umheuchelt. Das ist ja der Ruin der Leute. Sie nützen das aus und produzieren nichts Gutes mehr. Sie lassen sich blenden und verblöden.

    Als Thomas und ich einige Wochen später Dr. Wieland Schmied besuchten, den ich als wahren, echten und einzigen Freund Thomas Bernhards ansehe, erzählte ich diesem absichtlich den Freudensprung von Thomas. Trotz aller Freundschaft mit Schmied wurde Thomas rot im Gesicht, er schwächte ab, und es war ihm peinlich.

    Übrigens, Dr. Wieland Schmied hat sich für morgen aus Hannover angesagt. Thomas sagt mehrmals: Wieland sitzt schon im Zug. Ich sage: Er schläft schon. Ja, mit einem Schnarcher im Abteil, sagt er.

    Wir vereinbaren, daß Thomas morgen um 7 Uhr 30 zu mir kommt und daß wir Schmied gemeinsam um 8 Uhr in Wels am Bahnhof abholen.

    Ich habe mir da etwas Schönes angefangen. Um 22 Uhr 30 hat mich Thomas verlassen, jetzt ist es 1 Uhr, und ich wüßte noch so viel von den zweieinhalb Stunden zu berichten. Aber wenn ich nichts aufzeichne, geht später jede Bernhardforschung ins Leere. Außerdem bin ich sicher, daß man mir glauben wird, denn ein paar von meinen Kindern werden mich und Bernhard überleben und werden jedes Wort von mir bestätigen. Außerdem ist Bernhard ein so dankbares „Objekt, da braucht man nichts erfinden. Es ist eher so, daß ich gar nicht alles schildern kann, denn wenn man, wie am 1. Jänner, fünf Stunden ununterbrochen mit Bernhard spricht, dann kann man nicht einmal das Interessanteste vollständig bringen. Am 1. sprachen wir darüber, daß das achte Jahr unserer Bekanntschaft beginnt. Wir rührten darin herum, was in diesen acht Jahren alles geschehen ist, daß in diesen acht Jahren, soweit er nicht verreist war, kaum ein Tag verging, wo wir nicht beisammen waren. Ja, es gab Tage, da kam er vormittags, nachmittags und abends zu mir. Heute tut es mir leid, daß ich nicht wenigstens schlagwortartige Aufzeichnungen gemacht habe. Obwohl er mir schon vor ca. vier bis fünf Jahren einmal gesagt hat: Du weißt gar nicht, wie berühmt ich bin. Daraufhin sagte ich: Das weiß ich sehr wohl. Er sagte aber: Nein, in Österreich schreiben sie nichts von mir, aber in Deutschland, da gelte ich was. Ich sagte nur: Ich weiß, daß man in deutschen Zeitungen über dich als vom größten lebenden Schriftsteller im deutschen Sprachraum schreibt. Aber soll ich deswegen jetzt „Sie zu dir sagen? Das brächte ich höchstens in bezug auf die Mehrzahl fertig, denn du alleine bist schon eine ganze Bagage.

    Ich werde also versuchen, soweit ich Zeit habe und wenn es mir gerade einfällt, auch über die vergangenen sieben Jahre zu berichten.

    3. Jänner 1972

    Um 7 Uhr 30 kommt Thomas. Ich fahre in seinem gelben VW mit nach Wels, Dr. Wieland Schmied abzuholen. Der Zug ist pünktlich, die Begrüßung herzlich. Wir fahren zu mir nach Weinberg und laden das Gepäck ab. Dr. Schmied wird bei mir wohnen. Er wollte drei Tage bei Thomas verbringen, aber dieser wollte ihn in ein Hotel bringen, da er ihn bei sich zu Hause nicht zu lange ertragen kann. Schmied will lange aufbleiben, mindestens bis 23 Uhr in Gesellschaft, dann hat er sich meistens „warmgesprochen" und schreibt anschließend bis 4 Uhr früh Briefe. Warmgesprochen im Sinne von warmgerittenem Pferd, das dann am besten läuft. So war es auch vom 3. auf den 4.

    4. Jänner 1972

    Als Thomas und ich ihn um 22 Uhr verließen, schrieb er bis 4 Uhr und kam um 10 Uhr hoch. Er ging zu Fuß zu Thomas nach Nathal. Als ich um 14 Uhr dort eintraf, fuhr Thomas noch eine Fuhre Schotter mit dem Traktor weg, und dann erst machten sie sich gemeinsam zum Mittagessen auf.

    Um 18 Uhr trafen wir uns wieder bei mir, um beim Tapezierer Steinmaurer in Vorchdorf wegen schwarz abfärbender Rauhlederbezüge auf den Sesseln zu reklamieren. Anschließend gab es Abendessen bei mir.

    Da Dr. Schmied in der Nacht wieder schreiben will, geht Thomas schon um 21 Uhr nach Hause. Um 21 Uhr 30 will auch ich Schmied verlassen, aber ich komme nicht weg. Um 22 Uhr versuche ich es energisch, aber Dr. Schmied bittet noch um ein paar Minuten. Um 23 Uhr sehe ich, er ist in Hochform, und es wird schließlich 24 Uhr, bis ich ihn verlasse. Schmied arbeitet bis 4 Uhr 30.

    5. Jänner 1972

    Um 10 Uhr kommt Thomas. Da Schmied schläft, fährt er alleine nach Gmunden. Für 12 Uhr ist bei mir das gemeinsame Mittagessen mit Schmied und Thomas vereinbart. Um 11 Uhr 30 kommt Schmied vom Lager. Natürlich hat er keinen Appetit auf ein Mittagessen in einer halben Stunde. Wir fahren nach Pinsdorf zu meinem Sohn, eine Heizung ansehen, und lassen die Post zurück: Wenn Thomas um 12 Uhr kommt, lassen wir ihn schön grüßen, und er soll mit dem Essen ja nicht auf uns warten. Er würde sonst sehr böse werden, denn er haßt Unpünktlichkeit. Aber wenn er inzwischen essen kann, wird er uns leichter verzeihen. Nach dem Essen plaudern wir noch bis 14 Uhr über Deutschland, dessen Kunst und Literatur. Die Deutschen leben nur von den Juden und den Österreichern, sagt Thomas. Anschließend mit Schmied nach Lederau usw.

    Um 18 Uhr erwartet uns Thomas in Nathal. In Gmunden sahen wir Glöckler und viele Leute. Thomas glaubt trotzdem, in Gmunden schnell zu einem Abendessen zu kommen. Da alles überfüllt ist, fahren Dr. Schmied und Thomas in die Reindlmühl ins Gasthaus. Dort findet ein Glöcklerball statt, es gibt sofort Speisen, beide unterhalten sich mit den Einheimischen so gut, daß sie Attnang nur knapp vor der Abfahrt des Zuges um 23 Uhr 05 erreichen.

    Dr. Schmied fährt nach Venedig zu Hundertwasser. Hundertwasser ist seit über zehn Jahren auf Bernhard böse. Bernhard mißfiel damals, daß Hundertwasser mitten im Winter mit einem Kaftan bekleidet in St. Veit im Pongau den Dr. Schmied besuchte, welcher seinerseits bei Thomas auf Besuch war. Alle drei verbrachten gemeinsam einige Tage, und es kam dort das Buch zustande, das Dr. Wieland Schmied über Hundertwasser veröffentlichte und damit praktisch den Erfolg Hundertwassers einleitete. Beim Verlassen eines Kaffeehauses in Bischofshofen hielt Thomas den Kaftan für Hundertwasser hoch, dieser beeilte sich aber nicht, in den entgegengehaltenen Mantel hineinzuschlüpfen, sondern sprach unbekümmert mit Dr. Schmied weiter. Thomas blieb bei seiner Haltung, und als Hundertwasser Thomas endlich den Kaftan abnehmen wollte, ließ Thomas den hochgehaltenen Kaftan zu Boden fallen und ging wortlos. Seither haben sie sich nicht mehr gesehen.

    6. Jänner 1972

    Heute genau vor sieben Jahren am Dreikönigstag hat Thomas um 14 Uhr in Begleitung seiner Tante (Frau Stavianicek) den Kaufvertrag für den Vierkanthof in Nathal unterschrieben. Zu diesem Jubiläum habe ich Thomas bisher immer zu Mittag eingeladen. Da wir dieses Festessen mit Rehbraten gestern mit Dr. Schmied schon vorweggenommen haben, erwarte ich Thomas abends. Er kommt um 18 Uhr und bleibt bis 22 Uhr. Er kam ohne Auto und lehnt es ab, daß ich ihn im Wagen nach Hause bringe. Er habe wie in den letzten Tagen viel zu wenig Bewegung gehabt. Morgen werde er aus diesem Grund auf der Krucka – dies ist der Hausname der von ihm am 29. März 1971 zugekauften Liegenschaft Grasberg 98 – arbeiten. Die Information, welche ich mit Thomas aufgenommen habe, lege ich in Fotokopie bei. Das Original ist in meinem Besitz, denn als ich merkte, daß der Anwalt mit diesem Original Freude hätte, habe ich diesem die Durchschrift überreicht, um den Hauptvertrag verfassen zu können.

    Die „Information beziehungsweise der Vorvertrag über den Kauf der Liegenschaft Grasberg 98, die sogenannte „Krucka, abgeschlossen zwischen Josef Schmid, Fuhrwerker, und Thomas Bernhard, Landwirt und moderner Literaturklassiker.

    7. Jänner 1972

    Um 16 Uhr betritt Thomas mein Haus: Jetzt habe ich einen neuen Fuß geschenkt bekommen. Ich komme gerade vom Spital. Ich habe so ein Glück, daß das Knie nicht erwischt wurde, und es hätte überhaupt der ganze Fuß ab sein können. Bitte sei so lieb und ruf mir den Peter an (seinen Bruder Dr. Peter Fabjan, Arzt in Wels), er soll mir sofort die dritte Tetanus geben. Es ist über ein Jahr oder länger her, daß ich mir den rostigen Nagel eingetreten habe. Damals hat er mir zwei Injektionen gespritzt, die dritte soll er mitbringen.

    Um ihn zu „testen", wie weit es fehlt, frage ich, ob er nicht eine Kleinigkeit essen möchte, da ich weiß, daß er auf der Krucka höchstens eine Erbsensuppe gegessen hat. Er lehnt dankend ab und bittet um Tee. Der ist sofort da, aber ehe er die Schale leer trinken konnte, bekam er Schmerzen, immer stärker werdend, sodaß er plötzlich aufstand und sagte: Jetzt ist es höchste Zeit, jetzt kann ich noch mit dem Auto hinüberfahren, etwas später wird es nicht mehr gehen. Inzwischen hat er mir geschildert, wie er genäht wurde und wie sich der Unfall zugetragen hatte.

    Ich fahre gleich zur Post, telefoniere mit Peter und fahre zu Thomas. Als er öffnet, sagt er: Gerade vor einigen Minuten habe ich schon geglaubt, du bist es, aber es war ein Streifenwagen der Gendarmerie. Sie wollten mich sofort zum Spital bringen, die Tetanusspritze müsse mir sofort gegeben werden. Kommt Peter? Ja, um 20 Uhr, sage ich. Na ja, das habe ich den Gendarmen gesagt und bin nicht mitgefahren. Peter weiß, was ich bekommen habe, vom Pferd, Rind oder Schaf. Ich weiß es nicht, daher soll Peter mir die „Dritte" geben.

    Um 20 Uhr kommt Peter, die Injektion wird gegeben. Das linke Bein kann Thomas inzwischen nicht mehr abbiegen. Peter fährt nach Gmunden, um mit dem Oberarzt, welcher die Wunde nähte, selbst zu sprechen. Der sagte ihm, daß Thomas sehr genau beim Nähen zugeschaut habe und daß er sehr tapfer gewesen sei.

    Um 22 Uhr verlassen Peter und ich Thomas. Er trägt mir noch auf, morgen eine Flasche Milch, „Die Zeit, die „Süddeutsche, die „Salzburger Nachrichten und „Die Presse mitzubringen.

    8. Jänner 1972

    Um 9 Uhr komme ich mit Milch und Zeitungen zu Thomas. Er kann nur mühsam gehen und legt sich sofort wieder hin. Er gibt mir ein schmales Büchlein über Grillparzer und den Brief vom Residenz Verlag, den ihm Schaffler mit dem Buch geschickt hat. Der Brief trägt das Datum 5. 1. 1972, und ich sage: Den hast du vor dem Unfall noch von der Post geholt? Ja, aber das ist es nicht. Natürlich passe ich nicht zu Grillparzer, und er hat auch nichts mit mir gemeinsam. Eigentlich sollte man mir diesen Preis ja nicht geben, denn ich bin ja das Gegenteil von dem, was Grillparzer war. Aber schau dir den Brief vom Burgtheater an, was Klingenberg mir schreibt. Ich sehe auf das Datum, 5. 1. 1972, besichtige den Briefumschlag, und da steht als Absender die Adresse des Burgtheaters und darunter ganz groß DER DIREKTOR. Ich sage: Aha, die rechnen schon mit schnellem Direktorenwechsel. Diese Kuverts können von jedem Direktor verwendet werden. Er sagt: Na lies nur, lies nur, was der von mir schon wieder will. Ich wollte den Brief nur flüchtig überfliegen, wie ich es sonst meistens mache, da mir Thomas die Essenz des Inhaltes seiner Briefe meistens selbst viel besser erzählt. Ich lese also genau: Klingenberg schreibt, er veranstalte im Burgtheater anläßlich des 100. Todestages Grillparzers eine „ganz kleine Feier. Er erwarte sich von Bernhard eine kleine Rede in der Dauer von drei bis fünf Minuten. Er, Klingenberg, könnte sich vorstellen, daß nicht so sehr der Dichter Grillparzer, sondern sein Leiden für Österreich in den Vordergrund trete. Am Brief fällt mir noch auf, daß er nicht von Klingenberg selbst, sondern von einer Sekretärin gezeichnet ist und daß sich noch ein Nachsatz auf der zweiten Seite befindet. Ich sage sofort, daß doch so etwas nicht in Frage komme. Er hat bisher noch nie über einen Dichter gesprochen, auch bei Verleihungen nicht. Zum Beispiel beim Büchner-Preis nicht über Büchner, obwohl man ihm ein Buch über sämtliche Reden der Büchner-Preisträger zugeschickt hat und jeder über Büchner sprach. Aber über Büchner oder Grillparzer zu sprechen wäre doch nur eine Aussage unter vielen und würde nichts bedeuten, weil ja jeder jeden anders sieht. Außerdem haben wir schon zu Beginn, als Hans Rochelt bei Thomas vorsichtig anfragte, ob er den Grillparzer-Preis annehmen würde, beschlossen, diesmal keine Rede zu halten. (Er verspricht mir dann immer, das zu halten.) Nur unter diesem Gesichtspunkt hat er an Rochelt geschrieben: „Ich habe 15 Jahre Ignorieren überlebt, mich wird der Grillparzer-Preis auch nicht stören.

    Nachdem es bei der Verleihung des Staatspreises dieses „Mißverständnis", wie Thomas es nennt, gab, der Unterrichtsminister [Theodor Piffl-Percevic] verließ den Saal, graust Thomas schon vor Verleihungen. Er hat übrigens diese Rede damals zwischen dem Frühstück um 9 Uhr und der Ehrung um 11 Uhr flüchtig zu Papier gebracht und hat sie dann noch seiner Tante Hede Stavianicek vorgelesen. Diese hat ihm abgeraten, aber er blieb beim Text.

    Mit diesem zerknitterten Entwurf kam er am nächsten Tag zu mir, um diese Rede auf ein besseres Papier abzuschreiben, damit er sie zur Veröffentlichung im Ganzen wegschicken könne. Sonst würden einzelne Sätze gebracht, die ein anderes Bild gäben. Außerdem wollte er wissen, was ich dazu sage. Nachdem ich monatelang gehetzt hatte, gerade er, der gehört wird, müsse auf die wunden Stellen u. a. m. hinweisen, war ich von der Rede begeistert. Ich habe zu den Aussagen der Rede im einzelnen Stellung genommen und ihm erklärt, daß der Unterrichtsminister nicht aufnahmefähig genug war. Wenn er die Rede begriffen hätte, dann wäre er sicher nicht davongelaufen. Aber gerade seine Reaktion hat ja diese Rede nur bestätigt.

    Ich erinnere mich an die Wochen vor der Verleihung des Büchner-Preises. Täglich besuchte mich Thomas in Ohlsdorf beim Steindlrohbau, wo ich als Hilfsmaurer arbeitete. Sein Eineinhalb- bis Zweistundenspaziergang führte dort vorbei. Obwohl ich dauernd mit Mörtel- oder Ziegeltragen beschäftigt war, blieb er stundenlang, um zu sprechen und seine Probleme auszubreiten. Irgend etwas steckte in ihm, irgend etwas bedrückte und beschäftigte ihn. Und eines Tages war es soweit. Ich war wieder am Rohbau, schon von weitem schwenkte Thomas einen Zettel. Ich ging ihm entgegen. Jetzt hab ich’s, sagte er, du mußt mir das sofort vorlesen. Das ist die Rede, die ich beim Büchner-Preis nach der Laudatio halten werde. Ich weiß natürlich, daß sie gut ist, ich werde auch nichts mehr ändern, aber wenn ich es selbst laut lese, gewinne ich nicht den notwendigen Eindruck. Ich höre da nicht, wie es wirkt. Sonst hat mir meine Reden immer die Hede vorgelesen, manchmal auch der Peter, aber der ist so …, der versteht mich nicht. Er wird heute wahrscheinlich noch kommen, aber ich möchte, daß du mir das vorliest, bitte lies. Es waren zehn bis zwölf Maschinschriftzeilen.

    Daß die Rede kurz sein wird, das hatten wir schon längst besprochen. Ich sagte ihm, die langen Reden seiner Vorgänger kenne ich – er gab sie mir ja zum Lesen –, alle Anwesenden werden froh sein, wenn seine Rede kurz ist. Man kann auch in wenigen Sätzen viel sagen, und wenn eine Rede gut und kräftig ist, soll sie nicht zu lang sein, sonst stehen das die Zuhörer nicht durch. Seine Reden verlangen stärkste, andauernde Aufmerksamkeit, sonst gibt es wieder ein „Mißverständnis".

    Ich überflog die Zeilen, damit ich nicht sofort über die Interpunktionen stolpere, und las dann. Thomas führte fast einen Freudentanz auf und sagte: So wollte ich die Rede. Die ist gut. Weißt du, ohne Rede geht es ja nicht, aber das ist kurz und das genügt, bitte lies noch mal. Nachdem ich wieder geendet hatte, sagte er, je näher der Tag der Verleihung rücke, umso weniger könne er sich konzentrieren. Gestern ist es ihm plötzlich beim Spaziergang eingefallen. Deswegen ist er auch bei mir zu Hause schnell beim Vorbeigehen auf einen Sprung zu meiner Frau gegangen, damit er sich Notizen machen könne, denn bis nach Hause hätte er es schon wieder vergessen gehabt.

    Zurückkommend auf den Brief von Klingenberg sagt Thomas schließlich: Nun hätte ich ja sogar eine Ausrede, wegen meiner Fußverletzung. Aber ich werde natürlich auf keinen Fall dort eine Rede halten.

    Gegen Mittag wird sich Thomas ein Milchsupperl kochen, ich verlasse ihn, um ihn um 16 Uhr wieder zu besuchen. Bis 22 Uhr bleibe ich bei ihm. Vier seiner großen Küchenmesser hatte ich frisch geschliffen vom Nachbar Strasser mitgebracht, und zum Abendbrot benützen wir die Messer ausgiebig.

    9. Jänner 1972

    Für irgendwann am Vormittag habe ich Thomas meinen Besuch versprochen. Da ich seit 8 Uhr an diesem Bericht hier schreibe und schon sehe, daß ich noch länger damit brauchen werde, fahre ich um 10 Uhr zu Thomas. Zuerst wollte ich Thomas sagen, er solle sich nichts kochen, ich brächte ihm um 12 Uhr eine Suppe. Da er es aber auch aushalten wird, daß ich ihn zum Essen zu mir fahre, sagt er zu, und wir vereinbaren, daß ich ihn um 12 Uhr abhole. Inzwischen will ich noch schreiben. Beim Weggehen sage ich ihm noch, daß heute auch meine Tochter Elfriede mit Stiegler zum Essen da ist. Da sagt er, mit seinem Leid wolle er sich nicht zeigen, ich solle entschuldigen. Er hat nichts gegen meine Tochter, aber er will überhaupt nicht, daß er so gesehen wird. Er hinkt tatsächlich sehr stark. Ich sage: „Gut, ich bringe dir um 12 Uhr 30 eine Suppe."

    Pünktlich bringe ich ihm die Suppe, Schnitzel und Salat. Ich gebe es ihm bei der Haustür, damit ich nicht picken bleibe, denn ich hab noch viel zu schreiben. Ich sage noch schnell: „Irgendwann besuche ich dich heute noch, genau will ich mich nicht festlegen. Ich weiß nicht, wann ich mit der Arbeit fertig bin." Nun bin ich es, und ich werde nach einem kleinen Nachmittagsschläfchen wieder zu Thomas fahren.

    Um 16 Uhr 30 bin ich bei Thomas. Seine Stimmung ist schlecht. Ich frage ihn, ob nicht Besuch da war. Er sagt, wer soll denn kommen? Na ja, an Samstagen oder Sonntagen siehst du mindestens den O’Donell, der könnte doch nachsehen, was los ist. Der wird nicht kommen, sagt Thomas, der traut sich doch nicht zu kommen, wenn ich ihn nicht ausdrücklich einlade. Es wird überhaupt niemand zu mir kommen, niemand traut sich das. Ich bin froh, das paßt mir so.

    Stimmung weiter sehr schlecht.

    Endlich knipst er um 17 Uhr das Radio wegen der Nachrichten an. Nachher kommt kein richtiges Gespräch in Gang. Ich denke dauernd nach, wie ich möglichst bald, ohne daß ihm besonders auffällt, daß es wegen der schlechten Stimmung ist, verschwinden kann. Er klagt, daß ich ihm nicht einmal die „Kronen Zeitung" gebracht habe. Gegen 18 Uhr 30 sage ich ihm, daß ich ihn morgen, Montag, um 9 Uhr 30 mit dem Wagen meines Sohnes ins Spital zur Verbanderneuerung bringe, da ich meinen eigenen um 7 Uhr schon in die Werkstatt zur Überprüfung gebe. Dann stehe ich auf, sage: So, jetzt putze ich den Fisch, pfüat di God. Er sagt noch: Laß das Tor offen, ich will es selbst schließen, um etwas Luft zu schöpfen, und humpelt mir nach zum Tor.

    10. Jänner 1972

    9 Uhr 30 bei Thomas. Da er weiß, daß ich pünktlich komme, klopfe ich normal. Ich höre ihn gehen, er öffnet nicht. Da ich ihn weiterhin zeitweise höre, fällt mir auf, daß er so nicht reagiert. Ich klopfe im vereinbarten Rhythmus, er öffnet sofort und ist freundlich. Ich übergebe ihm einen Brief. Diesen habe ich schon um 8 Uhr dem Briefträger abgenommen. Seit mehreren Jahren bin ich berechtigt, seine gesamte Post vom Postamt oder Briefträger in Empfang zu nehmen. Sei es, weil er verreist ist, oder nur deswegen, weil ich die Post schon um 8 Uhr 30 bekomme und er so die Post schon früher in Händen hat, da ansonsten der Briefträger die Post erst um 11 Uhr bei ihm einwirft, wo er längst aus dem Haus ist.

    Thomas öffnet den Brief, und da er sieht, daß er länger zu lesen hat, bittet er mich, mich zu setzen. Dann erzählt er mir, der Brief sei von einer Journalistin, der Schwester der Schauspielerin Kuzmany. Sie schreibt ihm, ob er sich noch erinnern könne, daß er vor 15 Jahren, 1955, bei ihr eingeladen gewesen sei, und daß er eine große Menge Brötchen verzehrt habe. Natürlich, sagt er, kann ich mich daran erinnern. Du siehst, ich habe damals schon genausoviel gefressen wie jetzt bei dir immer. Sie schreibt weiter, daß ich ja nun eine Berühmtheit sei und daß sie sehr stolz darauf sei, daß ich ihr vor 10 Jahren auf einer Terrasse in Salzburg ein halbes Stündchen zum Plaudern geschenkt habe. Seither habe ich sie nie getroffen, nur wenn ich von ihrer Schwester, der Schauspielerin, etwas höre, denke ich auch an sie. Na ja und jetzt schreibt sie mir halt. Fahren wir!

    Nachdem ich Thomas im Spital in Gmunden abgesetzt habe, hole ich sieben Zeitungen für ihn. „Die Zeit, die „Süddeutsche, „Oberösterreichische Nachrichten, „Salzburger Nachrichten, „Kurier, „Frankfurter Allgemeine und „Die Presse".

    Die Wunde heilt gut. Kommenden Montag, den 17. Jänner, können die Nähte entfernt werden. Er wollte schon am 15. 1. nach Wien fahren, sagt er. Ich frage: Warum, ist denn am 15. 1., dem Geburtstag Grillparzers, auch eine Veranstaltung? Er sagt: Nein, ich weiß ja gar nicht, daß Grillparzer am 15. 1. geboren ist. Ich sage, als Preisträger müsse er das aber wissen. Er fragt mich, ob ich weiß, wann Stifter geboren ist. Ich sage, das könnte ich nur auf einige Jahrzehnte hin erraten, weil ich weiß, wann Stifter den Kefermarkter Altar restaurieren ließ, und da muß er ja schon einige Zeit gelebt haben. Er sagt: Wenn Stifter mit Grillparzer in Briefverkehr stand, kann das nicht so sein, daß man es nur auf Jahrzehnte schätzen kann. Thomas erhofft sich nämlich schon von Jahr zu Jahr den Stifter-Preis. Dieser wäre ihm der liebste, denn er paßt zu Stifter.

    Um 10 Uhr 30 setze ich Thomas wieder bei ihm zu Hause ab. Dann fahre ich zu Redakteur Kastner von der „Salzkammergutzeitung" mit einem Artikel über den Unfall von Thomas:

    Ohlsdorf – THOMAS BERNHARD bei Waldarbeit verunglückt.

    Thomas Bernhard, „Bauer zu Nathal begab sich am 7. 1. 1972 früh zu seiner Liegenschaft Grasberg 98, um den Wald „auszuputzen. Um 14 Uhr 30 schnellte ein fallender Baum zurück und traf Thomas Bernhard in den Rücken. Dabei schlug es ihm die laufende Kettensäge aus der Hand und fügte ihm oberhalb des linken Knies eine klaffende Wunde zu. Auch im Gesicht erlitt er eine Verletzung. Da Bernhard, wie meistens, die Arbeit alleine ausführte, mußte er sich selbst zu seinem Auto schleppen. Er fuhr ins Krankenhaus Gmunden, wo seine Wunden genäht und versorgt wurden. Die weitere Behandlung hat sein Bruder, Arzt in Wels, übernommen.

    Diese Meldung hatte ich am Samstag bei der „Salzkammergutzeitung einem Arbeiter, der am freien Samstag seine Geige im Maschinenraum reparierte, übergeben mit der Bitte, er solle sie Herrn Kastner geben. Es darf aber nichts hinzugefügt werden und soll nur unter der Rubrik „Aus den Gemeinden unter Ohlsdorf erscheinen.

    Als ich Kastner in seiner Redaktion aufsuchte, sagte er mir gleich: Ein bißchen haben wir schon geändert. Das sind wir unserem Publikum schuldig. So wie Sie glauben, können wir das nicht bringen. Er telefonierte um den Bürstenabzug, ein Blick darauf brachte mich sofort in Wut. Staatspreisträger Thomas Bernhard, der erfolgreiche Dichter usw. begann der Artikel. Entrüstet wies ich den Artikel zurück und sagte, da lese ich gar nicht mehr weiter. Das ist genau das, was Bernhard nicht will. Ich wagte nur deswegen, Ihnen den Artikel zu geben, da ich weiß, was Bernhard nicht will, und deswegen habe ich Dichter usw. weggelassen. Das ist ja keine Kunst, er hat ja jetzt schon sieben Preise, da könnte man das so fortsetzen und im Zusammenhang mit dem Unfall ganze Seiten füllen. Am 21., wenn er den Grillparzer-Preis verliehen bekommt, können Sie groß berichten, was Sie wollen. So, wann denn? 11 Uhr, wo? In der alten Universität. So, ja da sollten wir ja einen Mann dort haben.

    Schließlich sage ich: Wenn der Artikel nicht so kommt, ziehe ich ihn zurück. Ich distanziere mich vollkommen, denn ich riskiere, daß ich es mir mit Bernhard für mindestens zwei Jahre vertue, wenn ich einen Artikel verschulde, über den er sich ärgert. Ich frage Kastner noch, ob er nicht den Artikel der „Münchner Abendzeitung" vom 28. 12. 1971 kennt. Ich zeige durchs Fenster auf die OKA [Oberösterreichische Kraftwerke AG] und sage: Hier sitzt der Bruder von der Agi, der Baron Handl, der kann Ihnen sagen, wie sich ein Reporter mit seiner Schwester bei ihm eingeschlichen hat. Über das können Sie schreiben, soviel Sie wollen. Ich bringe Ihnen in nächster Zeit Unterlagen und den Artikel des Reporters. Da können Sie wochenlang darüber schreiben, das kann Ihnen niemand verwehren. Da können Sie dem Verlangen Ihres Publikums nachkommen, aber bitte reißen Sie mich mit diesem Artikel nicht hinein, bringen Sie ihn nicht, oder so, wie er ist.

    Kastner verspricht es mir und gibt Grüße an Bernhard auf. Er weiß, daß ich seit Jahren mit Thomas befreundet bin, und hat vor einigen Jahren, als sich Thomas mit ihm und seinen Angestellten wegen eines Artikels verkrachte, zu mir gesagt: Wenn Sie einmal etwas haben, wenn Sie über Bernhard einmal etwas bringen wollen, so werde ich das sofort bringen in meiner Zeitung.

    Er sagte mir dann aber auch noch, daß er eine Glosse darüber schreiben werde, daß ich auf diesen Artikel in dieser Form bestanden habe, damit die Leser wissen, wie der Artikel zustande kam. Ich sage: Das können Sie, und verabschiede mich herzlich.

    Abends um 18 Uhr komme ich zu Thomas und erzähle ihm von meinem Kampf mit dem Redakteur Kastner. Ich begründe meinen Schritt damit, daß, da die Gendarmerie und das Krankenhaus eingeschaltet wurden, leicht ein unmöglicher Artikel über seinen Unfall in die Zeitung kommen könnte, und da hätte ich lieber gleich selbst vom seinerzeitigen Angebot des Herrn Kastner Gebrauch gemacht.

    Inzwischen hat der eingeschaltete Fernseher zu stinken begonnen, und Thomas sagt: Jetzt wird der Apparat gleich explodieren, und mich wird’s zerreißen. Dann kannst du gleich zum Kastner fahren, er soll den Artikel noch ergänzen. Er kann schreiben, was er will, er (Thomas) kann es nimmer lesen, weil er tot ist. Oder ich bekomme eine Fettembolie, das wäre sehr gut, wenn in der Zeitung steht: Thomas Bernhard an Fettembolie gestorben, dann können alle über mich schreiben, was sie wollen. Die Wunde heilt nämlich sehr gut, eine Wunde beginnt schon nach vier bis sechs Stunden wieder zu heilen. Die Heilung erfolgt ohne Komplikationen, alles ist schön, nur eine Fettembolie könnte noch eintreten. Dann geht’s so. Er streckte die Zunge heraus, ließ den Kopf zur Seite fallen und drehte die Augen nach oben. Er zeigte mir das noch einmal und sagte lachend, schau, so schnell geht das. Ich sagte, ich weiß, daß dir das nicht bestimmt ist, die Handleserin Jakob in Linz hat mir gesagt, daß du machen kannst, was du willst, alles geht zu deinen Gunsten aus.

    Ich hatte Frau Jakob gefragt, ob es gut sei, wenn er dauernd besonders die, von denen er lebt, beleidigt usw. Da sagte sie mir, der Mann hat einen sechsten Sinn, er kann machen, was er will. Er kann gar nicht so arg sein, es wird alles zu seinem Besten ausgehen.

    Ich blieb noch bei Thomas, bis die Sendung mit Pen-Club-Präsident Böll, der über den sowjetischen Schriftsteller Bokovsky [Wladimir Bukovskij, Autor des Buches „Opposition. Eine neue Geisteskrankheit in der Sowjetunion", Hanser, München 1971] befragt wurde, aus war. Böll mag er auch nicht, in einigen Phasen fand er ihn scheußlich.

    Das Wort scheußlich hat Thomas früher viel häufiger gebraucht, oft mehrmals in der Stunde. Meine Mutter war schon sehr ungehalten zu mir, daß er diesen Ausdruck so oft gebrauchte. Da fragte ich Thomas einmal, ob er eigentlich schon einmal darüber nachgedacht habe, woher der Ausdruck „scheußlich eigentlich stamme, da er dieses Wort ja so oft gebraucht. Als er nicht antwortete, sagte ich: Na ja, es kann nur von „scheißen kommen. In den folgenden Wochen hat er das Wort immer weniger oder nur mehr halb ausgesprochen verwendet, und schließlich habe ich das Wort monatelang nicht mehr gehört. Derzeit verwendet er es nur selten, aber immer treffend.

    11. Jänner 1972

    Von Wien kommend besuchte ich heute Thomas um 18 Uhr mit meiner Gattin. Sieben Zeitungen habe ich ihm mitgebracht. Thomas zeigte mir sofort einen Brief und das Drehbuch von Ferry Radax zu seinem Roman Frost. In dem Brief schrieb Radax, daß er am Dienstag, das wäre heute abend, in Wolfsegg den Italiener aufführen wird. Die Gräfin ist verständigt usw. Nachmittags ist aber dann ein Telegramm gekommen, daß alles auf kommenden Dienstag verschoben ist, Verständigung folgt noch. Thomas sagte noch, daß das Drehbuch sehr gut sei. Radax hat sich da sehr angestrengt, er weiß es auch.

    Thomas legt keinen besonderen Wert darauf, in Wolfsegg dabei zu sein, es ist ihm gleichgültig, ob er mit Radax sprechen kann usw. Deswegen vor allem, weil das Drehbuch gut ist, mehr will er nicht. Ich kenne aber Radax und will diesem eine Enttäuschung ersparen. Deswegen frage ich Thomas, ob es ihm was ausmachen würde, wenn ich mich bei Radax für die Grüße bedanke und ihm schreibe, daß der Montag günstiger wäre. Thomas ist einverstanden.

    Um 18 Uhr 30 verlassen meine Gattin und ich Thomas schon wieder. Ich sage ihm: Heute bin ich schon müde, und er hat jetzt Zeitungen. 1/4 Butter lasse ich ihm noch da. Für morgen lädt er mich zum Essen beim Pabst ein, um 11 Uhr 30 soll ich bei ihm sein.

    Thomas zeigt mir noch eine Karte von Wieland Schmied, die ihm dieser aus Chioggia geschickt hat. Darauf ist ein blauer Stempel mit einem Boot, es soll angeblich die Jacht von Hundertwasser sein. Über dem Boot sind große Regentropfen gezeichnet, und darunter steht „Regentag" und in zwei weiteren Sprachen wahrscheinlich auch Regentag. Hundertwasser hat in Kurrentschrift unterschrieben.

    Als ich nach Hause komme, habe ich in meiner Post ebenfalls eine Ansichtskarte von Dr. Wieland Schmied aus Chioggia, ebenfalls mit der Unterschrift von Hundertwasser, aber im Gegensatz zu der Karte von Thomas befindet sich auf meiner Karte ein ovaler Farbklecks 5 × 7 cm im Durchmesser, und auf diesem Farbklecks aus blauer Stempelfarbe sind die Grußworte des Dr. Schmied darübergeschrieben. Der Stempel mit der Jacht von Hundertwasser ist natürlich auch drauf.

    12. Jänner 1972

    Um 11 Uhr 30 bin ich bei Thomas in Nathal, wir fahren nach Laakirchen zum Gasthaus Pabst zum Mittagessen. Es gibt Suppe mit Leberknödel, Schweinsbraten mit Sauerkraut. Bei der Abfahrt in Nathal lud ich Thomas anschließend an Pabst zum Kaffee bei mir ein. Thomas will bei Pabst nach dem Schweinsbraten noch Palatschinken bestellen, ich lehne ab. Er sagt, er möchte zwei, esse sie aber nur, wenn ich auch zwei esse. Ich sage, ich kann unmöglich, iß alleine. Nein, dann nicht, sagt er, alleine auf keinen Fall. Da sage ich: Gut, ich will dir den Gusto nicht verderben, ich halte mit. Er bestellt, ich wende ein, mir nur eine, er besteht auf zwei, ich soll auch einmal so richtig überessen sein, wie er manchmal bei mir zu Hause. Schließlich muß er selbst eine halbe Palatschinke stehenlassen. Durch das lange Liegen bringt er nicht so viel wie sonst hinunter. Er sagt: Das war noch nie, daß mir so etwas passiert, plötzlich kann ich nicht mehr.

    Ansonsten drehte sich unser Gespräch um nichts als Belangloses, und da ist immer viel Humor und Witz enthalten. Es war richtig unterhaltend, wir beide haben uns in nichts von den übrigen Gästen unterschieden. Es waren Arbeiter und Angestellte, die neben uns Mittag machten.

    Als ich am Heimweg bei mir anhielt, sagte Thomas: Es geht nicht, ich kann nicht mehr auf einen Kaffee zu dir, mir tut der Fuß schon weh, ich bin froh, wenn ich wieder liegen kann. In seinem Hof angekommen, schenkte er noch einen Schnaps ein und legte sich gleich nieder. Da ich anschließend nach Gmunden fuhr, versprach ich ihm Zeitungen für 17 Uhr. Pünktlich brachte ich ihm wieder sieben Zeitungen und ging um 18 Uhr weg zur Turnstunde. Thomas lud ich für den nächsten Tag zum Essen ein. Um 11 Uhr 30 würde ich ihn abholen und da bereits sämtliche Zeitungen mitbringen.

    13. Jänner 1972

    Die Ereignisse mit Thomas überstürzen sich. Ich komme mit meinem Schreiben in Zeitnot und kann unmöglich Rücksicht auf Fehler nehmen. Wenn ich an die Vorkommnisse denke, die ich niederschreibe, nimmt mich das so in Anspruch, daß ich die ärgsten Fehler nicht merke und sogar statt Thomas manchmal Thomes tippe.

    Um 11 Uhr 30 bin ich wie verabredet bei Thomas in Nathal. Alle Zeitungen bringe ich mit, auch die „Salzkammergutzeitung mit meinem Artikel über den Unfall. Ich berichte Thomas, daß ich soeben bei Redakteur Kastner von der „Salzkammergutzeitung war und mich bedankt habe, daß er den Artikel, ohne was zu ändern, gebracht hat. Ich sage Thomas, daß Kastner erklärt habe, daß er noch nie so einen Artikel gegen besseres Wissen gebracht habe. Damit meinte er, daß sich außer dem Namen Thomas Bernhard auch ein Hinweis auf seine Stellung und Tätigkeit gehört hätte. Ich überreiche Redakteur Kastner den Artikel über Thomas Bernhard in der „Münchner Abendzeitung" vom 28. 12. 1971. Ich rate Kastner, den Artikel zuerst zu lesen, dann wird er verstehen, warum ich nur diesen trockenen, sachlichen Artikel riskieren konnte. Er könne ruhig darüber eine Glosse schreiben, er solle auch den Artikel der Abendzeitung bringen oder ausschlachten. Wenn er noch weitere Informationen wolle, stünde ich ihm gerne zur Verfügung. An den Rand der Abendzeitung habe ich noch Notizen über die jahrzehntelange Bekanntschaft des Thomas mit der Adelsfamilie Handl-Pachta aus Almegg hinzugefügt.

    Kastner will ein Bild von Bernhard. Ich sage ihm: Bilder sind rar, er läßt sich nicht fotografieren. Ich habe in meiner Wohnung und bei seiner Arbeit Aufnahmen gemacht.

    Schließlich sagt Redakteur Kastner noch, zum Grillparzer-Preis wolle er Bernhard was widmen. Ich sage, in Zukunft könne er über Bernhard schreiben, was er wolle, er brauche keine Bedenken haben oder Rücksicht nehmen. Thomas ist es inzwischen von anderen Zeitungen her längst gewohnt, er reagiert auf so etwas nicht mehr.

    Das alles sage ich Thomas. Als ich geendet habe, fällt mir ein, daß ich in seiner Kaufsache bei Dr. Meingast war und daß er in einer Sache auf die Befreiung von der Grunderwerbssteuer warte. In einer anderen Kaufsache liegen die Pläne am 17. 1. 1972 beim Gemeindeamt zur Einsicht auf. Er solle kontrollieren, ob die Flächen richtig eingezeichnet sind. Er solle das nicht versäumen, denn es läuft vom 17. 1. an eine 14-tägige Frist ab, in welcher man Einspruch erheben kann. Nachher kann auch ein Irrtum nicht mehr berichtigt werden.

    Dieser mein Bericht dauerte 30 Minuten, es war 12 Uhr. Thomas sagte: Was ist, sonst nichts? Ich: Nein. Er: Schade, es wäre so lustig gewesen, wenn du noch eine Stunde bis eineinhalb weitererzählt hättest. Ich sage: Es ist schon Zeit, daß wir zu mir zum Essen fahren. Er sagt: Du mußt unbedingt diesen Brief von Peymann lesen. Ich lese:

    Lieber Herr Bernhard,

    damit Sie sich auch freuen können: Bruno Ganz macht in Salzburg mit. Vielleicht sehen wir uns Anfang Februar bei der Bauprobe.

    Herzliche Grüße Claus Peymann

    Ich reiche den Brief zurück. Thomas sagt: Wenn ich den Brief ansehe, denke ich mir, der Depp schreibt nur zwei Zeilen. Wahrscheinlich denken dasselbe die Leute auch von mir, denn ich schreibe meistens auch nur zwei Zeilen. Sicherlich ist es so. Ich sage darauf: Peymann hat von dir solche Zweizeilenbriefe schon mehrmals bekommen, und er denkt mit Recht, daß du Gleiches wünschst und erwartest. Er paßt sich ganz dir an. Wenn du kurz bist, ist er es auch. Ich würde das genauso machen und ich mache es auch so, in ähnlichen Fällen. Peymann ist sicher der Meinung, daß er es dir nur mit so einem kurzen Brief rechtmachen kann. Außerdem ist das nicht blöd, so kurz zu schreiben, ich schreibe seit Jahren kurz, wie Telegramme, das wirkt am besten. Du schreibst sicher auch nur deswegen so kurz, weil es auf einen vernünftigen Menschen gut wirkt.

    Gegen 12 Uhr 30 sitzen wir bei mir zu Hause beim Mittagessen. Es gibt Grammelknödel mit Sauerkraut, vorher Rahmsuppe – weil Bernhard sie gern ißt – mit gebackenen Weißbrotschnitten. Beim Mocca schwärmt Thomas von Bruno Ganz. Er sagt: Wenn jetzt noch was schiefgeht, dann kann es nur mehr das Stück sein. (Gemeint ist Der Ignorant und der Wahnsinnige, das bei den Salzburger Festspielen am 29. Juli 1972 uraufgeführt werden soll und in dem Bruno Ganz nun die Hauptrolle spielen wird.) Thomas sagt, daß Ganz nun die Rolle spiele, bedeute ihm mehr als der Grillparzer-Preis. Denn durch Ganz zeigt sich, daß die Jugend auf seiner Seite ist, und das ist wichtig, denn dann sind es alle Alten (Schriftsteller) auch, weil sie Angst vor der Jugend haben. Das ist wieder eine richtige Ohrfeige für die Alten (gemeint sind immer Schriftsteller). Eine Ohrfeige nach der anderen bekommen die jetzt. Zuerst der Grillparzer-Preis und jetzt noch der Ganz. Außerdem bin ich so froh über diese Nachricht, denn stell dir vor, wenn mich jemand fragt, wer spielt in Salzburg, dann hätte ich es bisher gar nicht sagen können. Wenn ich nun sage, der Ganz, werden sie es mir sowieso kaum glauben, denn der ist so gut – kannst du dich noch erinnern? Wir haben vor einigen Jahren zusammen das Fernsehstück Die Schlacht bei Lobositz gesehen. In diesem Stück hat Bruno Ganz einen Soldaten gespielt, da war er großartig. Ich sage: Wie soll ich mich an einen Fernsehfilm nicht erinnern können, der so gut war, daß pro Jahr kaum ein so gutes Stück gesendet wird? Aber kannst du dich nicht erinnern, daß ich dir damals sagte, daß ich diesen Film einige Monate vorher im deutschen Programm angesehen hätte und ihn mit dir zum zweitenmal sah? Thomas: Ja richtig, jetzt kann ich mich daran erinnern, ja, ja, es war so.

    Thomas Bernhard, Firmpate von Hennetmairs Sohn Wolfgang, vorne links Reinhild Hennetmair, 1. Mai 1967.

    Familie Karl Ignaz Hennetmair (nicht im Bild): der älteste Sohn Walter, „Omi" Christine, Frau Zäzilia, Sohn Wolfgang, Firmpate Thomas Bernhard.

    Um ca. 14 Uhr fahre ich Thomas nach Nathal, und er erzählt mir noch von den Schwierigkeiten, die Bruno Ganz mit seiner Kommune hat, wenn er in Salzburg das spielen wird usw. Thomas erzählt mir auch, daß gestern, Mittwoch, kurz nachdem ich zur Turnstunde weg bin, Graf O’Donell mit der „Presse zu ihm gekommen sei, da er von Frau Hufnagl aus Wien in Linz telefonisch vom Unfall verständigt worden war. Der hat geschaut, als er „Die Presse schon am Tisch liegen sah. Er glaubte, ich hätte nichts zu lesen.

    Wir vereinbarten noch, daß ich ihn um 19 Uhr wieder zu mir abhole, um im zweiten Programm die Kür der Herren im Eiskunstlauf anzuschauen. Peter soll um diese Zeit kommen, um den Verband abzunehmen, er will selbst sehen, wie die Wunde aussieht.

    Ich bin also um 19 Uhr bei Thomas in Nathal. Peter ist noch nicht da, er soll jeden Moment kommen, dann können wir gleich fahren. Um 19 Uhr 30 schalten wir den Fernseher wegen der Nachrichten ein. Zu der Sendung „Kultur, welche seit dem 1. 1. 1972 den Nachrichten angehängt ist, äußert sich Thomas von Mal zu Mal vernichtender. Er erwartet, daß diese unmögliche „Kultur in Kürze abgesetzt wird. Es sei nicht möglich, täglich über richtige Kultur, die diesen Titel verdient, was zu bringen. Diese Sendung sei einfach lächerlich.

    Da sein Fernseher nach einer halben Stunde zu stinken beginnt und das Bild zusammenbricht, schalten wir um 20 Uhr ab. Da Peter noch immer nicht da ist, zieht Thomas über Peter und besonders über Peters Vater her. Thomas erzählt, wie er als Achtzehnjähriger von seinem Ziehvater nur der „Alte genannt wurde, daß er ihm sagte, er werde nicht einmal als Maurer taugen. Man sprach immer nur davon, daß aus dem „Alten nichts werden würde usw. Von seiner Hilflosenrente von 110 Schilling monatlich hat ihm sein Ziehvater 80 Schilling für die Heizung berechnet und ihm nur 30 Schilling ausgefolgt. Wenn Thomas den Kühlschrank öffnete, sagte sein Ziehvater: Der frißt mich arm, usw. Außerdem hat er ihn, als seine leibliche Mutter starb, ganz vergessen und ihn nicht verständigt, sodaß er vom Tod seiner Mutter zwei Tage später in der Zeitung las. Diesen Zeitungsausschnitt hat mir Thomas schon früher einmal gezeigt. Ich kann mich erinnern, daß da auch drinnensteht, daß seine Mutter die Tochter des Schriftstellers Freumbichler ist.

    Thomas erzählt weiter, daß sich sein Stiefvater und ehemaliger Vormund bis heute auch nicht um seine eigene, zweiundneunzigjährige Mutter in Wien kümmert. Er will mir das Haus schildern, aber ich kenne es, da ich Peter vor mehreren Jahren in meinem Auto zu einem kurzen Besuch dorthin fuhr.

    Dann kommen wir auf seinen Verleger zu sprechen. Thomas sagt, der Verleger sei für ihn nichts anderes als ein Wäschelieferant; wenn ein Wäschelieferant zwei Briefe schreibt, braucht er auch nicht zurückschreiben, aber der Wäschelieferant muß eben weiter Wäsche liefern, so wie es eben seine Pflicht ist. Er hat nun zwei Briefe vom Verlag [Suhrkamp] nicht beantwortet. Sie sind gar nicht zu beantworten, weil sie so … geschrieben sind, daß er nicht antworten kann. Aber trotzdem müßte doch der Verleger längst zum Grillparzer-Preis gratulieren. Wenn später einmal sein Nachlaß gesichtet und geordnet wird, wird man feststellen, daß keine Briefe mit Gratulationen vorhanden sind, nicht einmal vom eigenen Verlag. Außerdem hat er heute die dritte Auflage seiner Prosa vom Verlag zugeschickt bekommen. Er mußte feststellen, daß sie die Seite neu gemacht haben, wo dritte Auflage steht, daß sie aber nicht gleichzeitig auch die Aufstellung über seine bisher erschienenen Werke geändert haben, sondern es steht unter bisher erschienen nur der Frost, wie damals bei der ersten Auflage. Sowas sollte in einem Verlag nicht passieren. Er würde da alle rausschmeißen, usw.

    Thomas hat heute einen dritten Brief der Akademie der Wissenschaften, die ihm am 21. den Grillparzer-Preis überreicht, erhalten – den er nicht beantworten wird, sagt er mir. Er hat nur das erste Schreiben, ob er den Preis annehmen wird, mit ja beantwortet. Nun sind inzwischen noch drei Briefe gekommen, aber ich halte es nicht für notwendig, darauf zu antworten, sagt Thomas weiter. Andere Schriftsteller würden das auskosten und seitenlang zurückschreiben, wie begeistert sie von Grillparzer sind. Sie würden nach Ähnlichkeiten suchen und alles mögliche behaupten, sie würden heucheln und zerfließen vor Wonne, usw. Denn die Akademie schreibt ja auch, wie glücklich sie sind, ich hasse diese gegenseitige Beweihräucherung. Ich werde den Preis so entgegennehmen, wie ich im Hotel die geputzten Schuhe vom Gang ins Zimmer hereinnehme, und dann, dann werde ich natürlich schon freudig mit den „frischgeputzten Schuhen" in Wien auf die Straße gehen, aber mehr gibt es nicht. Nicht daß ich den Preis nicht schätze, aber ich werde deswegen nicht überschnappen, nicht anders als frischgeputzte Schuhe werde ich den Preis entgegennehmen.

    Dazu muß ich erklärend sagen, daß Thomas eine unwahrscheinliche Vorliebe für Schuhe hat und seine zirka 30 Paar neue Schuhe ständig genauso putzt und pflegt wie jene, welche er benützt. Wenn er mit schmutzigen Stiefeln oder Schuhen heimkommt, so werden diese meistens sofort gereinigt, oder zumindest benützt er die erstbeste Gelegenheit dazu. Daß er auf ordentlich gepflegtes Schuhwerk Wert legt, werden alle bestätigen, die ihn kennen. Ich möchte sogar fast behaupten, daß Thomas in bezug auf Schuhe einen Fimmel hat, wie man hier sagt, und ich glaube, daß das Wort „Fimmel eine Verballhornung des Wortes „Phobie sein könnte. Daher ist es in den Augen von Thomas keine Abwertung, wenn er den Preis mit Schuhen vergleicht. Es bedeutet schon viel, wenn er den Preis wie Schuhe schätzt.

    Im Vierkanthof Obernathal 2 gleichermaßen geschätzt: Schuhe und Handwerkszeug.

    Dann erklärt mir Thomas, daß er an der Uraufführung bei den Salzburger Festspielen nicht teilnehmen werde. Das Theater in Salzburg sei viel zu klein, als daß er unerkannt bleiben könnte. Wenn er nicht klatscht, schauen ihn die Leute an, wenn er den Schauspielern klatschen würde, käme er sich vor, als wenn er sich selber klatschte. Außerdem müßte er nach der Vorstellung mit den Schauspielern feiern: Jeder fragt dann, wie gut war ich, auf das soll ich dann antworten, das ist so gräßlich. Was soll man darauf sagen? Ich weiß, daß jeder hören will, er war der Beste, aber in so einem Rahmen kann man ja nicht jedem sagen, er war der Beste. Man kann aber auch nicht sagen, der oder der war besser, usw. Ich werde mir die Generalprobe ansehen, und während der Uraufführung werde ich wo sitzen und ein Achterl Wein trinken. Ich werde natürlich niemandem sagen, daß ich nicht teilnehmen werde. Erst kurz vor der Uraufführung sage ich es, damit es die Darsteller wissen und dann nicht durch die Abwesenheit des Autors irritiert sind. Für die ist es besser, wenn ich nicht anwesend bin. Ich sagte ihm, ich werde ihn nach der Vorstellung aufsuchen und berichten.

    Ich könnte mir gut vorstellen, daß bei Thomas auch noch eine andere Spekulation eine Rolle spielt: Das Publikum weiß nichts von seiner Abwesenheit, ruft nach ihm, ruft immer länger, bis er endlich kommt, und so könnte sich der Applaus und das Rufen sehr lange hinziehen, wenn der Autor nicht erscheint. Viel länger, als wenn er da wäre.

    Zu meinem heutigen Besuch bei Redakteur Kastner muß ich noch folgendes nachtragen: Kastner fragte mich, warum Bernhard nicht verheiratet sei und ob er keine Frauen habe. Darauf sagte ich, daß ich seit Jahren in dieser Hinsicht nicht das Geringste wahrgenommen hätte. Ich kann daher nur annehmen, sagte ich, daß Bernhard sich den Grundsatz zu eigen gemacht hat, an den sich auch sehr viele Priester halten, nämlich sich nur mit einer sehr gut verheirateten Frau einzulassen, sodaß er keinerlei Risiko dabei eingeht. Das sei jedoch nur eine Vermutung von mir, denn wie schon gesagt, bemerkt hätte ich nichts. Das erzählte ich auch Thomas. Er lächelte dabei so, als ob ich nicht danebengetippt hätte. Dann sagte ich noch zu Thomas, daß ich auf diese Frage nicht gefaßt gewesen sei, und gleich nach dem Besuch bei Kastner ist es mir eingefallen, daß ich ihm noch hätte sagen sollen, daß Bernhard aber auf gar keinen Fall Homosexueller sei, denn sonst würde er die vielen Studenten, die ihn verehren, nicht vor den geschlossenen Toren schmachten lassen. Einige haben sogar bei Nachbarn übernachtet, um am nächsten Tag Bernhard doch noch zu treffen. Aber er empfängt keinen. Wäre er homosexuell, würde er sie einlassen. Ich sagte Thomas noch: Hoffentlich werde ich bald wieder so gefragt, dann wird es mir sicher einfallen, das zu sagen. Thomas sagte darauf: Es ist ganz natürlich, da ich nicht verheiratet bin, denken die Leute als erstes, ich sei homosexuell. Das ist das Naheliegendste.

    Um 21 Uhr wußten wir, daß Peter nicht mehr kommen würde. Ich dachte daran, daß ich wieder sehr viel Interessantes aufzuschreiben habe und daß mir, nachdem ich über einen Tag berichtet habe, immer noch was Interessantes einfällt, was ich eigentlich auch noch hätte schreiben sollen. Daher notiere ich seine Wünsche an Besorgungen für den nächsten Tag und fahre heim. Einen Brief an Dr. Hilde Spiel-Flesch und einen an Frau Ilse Leitenberger gibt er mir noch zur Post mit.

    14. Jänner 1972

    Um 10 Uhr bin ich bei Thomas in Nathal, mit sieben Zeitungen, seiner Post, zwei Knackwürsten und einer Flasche Milch. Ich verlasse ihn bald und sage: So, jetzt hast du eh Zeitungen zu lesen, ich komme am Nachmittag wieder. Wir sprechen noch über Peter, ob er heute kommen wird und daß es eigentlich wichtig wäre, seinen Rat als Arzt zu hören, ob Gehbewegungen noch schaden könnten. Thomas sagte, solche Früchte wachsen nicht auf dem Familienbaum, nur saure Äpfel.

    Nachmittags um 16 Uhr bin ich neuerlich bei Thomas. Er lacht übers ganze Gesicht und gibt mir die Einladung zur Grillparzer-Gedenkfeier der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Ich hab das gestern schon bekommen, sagt Thomas, aber ich habe mich so geärgert darüber, daß ich es dir gestern gar nicht zeigen konnte. Ich lese die Einladung durch und sage, es sei eine riesige Unverschämtheit, in Anwesenheit des Präsidenten der Akademie die Überreichung des Preises den Vizepräsidenten vornehmen zu lassen und im Programm bekanntzugeben, wer die erste Violine und zweite Violine spielt, das Wiener Streichquartett vollzählig namentlich anzuführen, aber seinen Namen, den Namen des Preisträgers, wegzulassen. Natürlich, sagt Thomas, das ist es ja, und überschlägt sich in Beschimpfungen. Ich lache hellauf, als er mich endlich zu Wort kommen läßt, und sage, daß die Akademie ihm doch keinen größeren Gefallen erweisen hätte können, als ihn selbst so dokumentarisch zu bestätigen. Er könne doch unmöglich überrascht sein von dieser Unverschämtheit, im Gegenteil muß er doch jederzeit mit so etwas rechnen, sonst wären seine Ansichten über solche Institutionen ja falsch. Aber es zeigt sich hier wieder deutlich, wie recht er hat. Ich bin direkt glücklich, sage ich, daß das passiert ist, denn es gibt immer noch Bekannte von mir, die deine Ansichten nicht begreifen wollen. Die kann ich damit überzeugen.

    Ich ersuche Thomas, daß er mir die Einladung über Nacht mitgibt, ich möchte mir von der Raiffeisenkasse Ohlsdorf, die samstags ab 7 Uhr früh offen hat, eine Fotokopie anfertigen lassen. Damit ich später die Einladung nicht vergesse, trage ich sie gleich zu meinem Auto in den Hof.

    Thomas liest mir aus der Zeitung („Oberösterreichische Nachrichten vom 14. Jänner 1972) einen Artikel über Rauris vor. Handke und Johnson nehmen teil, 10.000 Schilling werden als Förderpreis an einen, dessen Namen ich nicht behalte [Bodo Hell], vergeben. Thomas erläutert und sagt: Erinnerst du dich noch, wie ich mit Gimmelsberger bei dir war, wie mir Erwin Gimmelsberger eine Liste mit Namen gezeigt hat und mich nach Rauris eingeladen hat? Ich habe ihn auf seiner Liste fast alle Namen ausstreichen lassen und habe ihm gesagt, welche Namen da in Frage kommen. Eigentlich verdanken die es mir, wenn daraus etwas geworden ist. Stell dir vor, lauter so unmögliche Heimatschriftsteller wie Springenschmid hatte er aufgeschrieben. Da könnten sie heuer nicht von „weltweit und „international" reden, wenn er das so aufgezäumt hätte. Heuer bin ich ja auch wieder nach Rauris eingeladen. Da möchten sie mich herzeigen, als lebenden Leichnam vom Vorjahr. Sie werden sicher überall hingeschrieben haben, Thomas Bernhard nimmt auch teil. Der Johnson, der ist eh so arrogant. Der wird sich anschaun, wenn die Einheimischen in Lederhosen daherkommen. Der hat für so etwas kein Verständnis, der wird schön enttäuscht sein. Außerdem ist es lächerlich, 10.000

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