Liebe geht durch die Ohren: Geschichten aus 40 Jahren mit Gott in Indien
Von Heiko Krimmer
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Über dieses E-Book
In 40 Jahren haben die Mitarbeiter von "Kinderheim Nethanja Narsapur / Christliche Mission Indien" schon einige außergewöhnliche Begebenheiten erlebt. In dieser bunten Geschichtensammlung erzählen Inder und Deutsche, was Gott im Leben Vieler verändern kann, wenn Wenige bereit sind, Gott völlig zu vertrauen.
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Buchvorschau
Liebe geht durch die Ohren - Heiko Krimmer
Vorwort
»Kinderheim Nethanja Narsapur« – unter diesem Namen wurde der Verein im Dezember 1972 beim Amtsgericht Böblingen eingetragen und begann im Januar 1973 mit seiner Arbeit. Schon längere Zeit hatte Pfarrer Karl Ramsayer (damals noch CVJM-Sekretär in Sindelfingen) über Jawa Komanapalli, einen indischen Studenten, Verbindung nach Indien und unterstützte mit einigen Freunden indische Straßenkinder. Es war ein kleines Heim für fünf Buben, das Vater Komanapalli dort in Narsapur errichtet hatte.
»Nethanja« – das heißt »Gott hat gegeben« –, diesen Namen wählten sie für die Arbeit. Und Gott hat gegeben. Aus dem kleinen Pflänzlein ist in 40 Jahren ein großer Baum geworden:
• Mehr als 800 Kinder werden in 12 Kinderheimen versorgt.
• 1500 besuchen unsere großen Schulen, Hunderte weiterer Kinder besuchen Schulen und Ausbildungseinrichtungen.
• Es gibt Krankenhäuser und -stationen, Fachkliniken für Lepra-, Tbc- und Aids-Patienten.
• »Nethanja Narsapur« bietet Hilfen für Slumbewohner, Kastenlose und Frauen.
• Nicht zuletzt existiert die stetig wachsende Nethanja-Kirche mit über 1 000 Gemeinden und mehr als 150 000 getauften Christen. Bei der jährlichen Mitarbeiterkonferenz versammeln sich inzwischen mehr als 3000 Mitarbeiter, Pastoren und Älteste der Gemeinden.
»Nethanja« – das heißt »Gott hat gegeben«. Mit Dankbarkeit und Staunen blicken wir in diesem Jahr auf eine 40-jährige Segensgeschichte Gottes zurück. Er hat gesegnet und in Indien und in Deutschland viele Menschen in diesem Dienst gebraucht.
In diesem Büchlein kommen viele Christen aus Indien und Deutschland zu Wort. Sie erzählen ihre persönliche Segensgeschichte, auch durch schwere Strecken hindurch. Wer hinter Jesus hergeht und sich von ihm gebrauchen lässt, der geht den Jesus-Weg durch Leiden, Verfolgung und Anfechtung – aber den Weg, der Frucht bringt.
Ich bitte darum, dass die verschiedenen Berichte und Geschichten auf offene Herzen treffen. Sie sollen uns anzünden zum Lob, zur eigenen neuen Hingabe an Jesus und zur brüderlichen Hilfe für unsere Geschwister in Indien. Jesus hat Kraft und Macht. Er zeigt das den indischen Geschwistern. Er will sich auch bei uns als der wunderbare Helfer erweisen, wo wir ihm vertrauen.
Im Juni 2013
Heiko Krimmer
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Liebe geht durch die Ohren
Dr. Heiko Krimmer
Simon ist blind geboren. Er wuchs in einer Hindu-Familie auf. Doch beide Eltern starben früh und er musste die Verantwortung für seine zwei jüngeren Geschwister übernehmen. Er lernte Körbe und Matten flechten und so konnten die drei überleben. Als die Geschwister selbstständig waren, stellte sich Simon die Frage nach seiner Zukunft. Schon Jahre zuvor war Simon Christ geworden. Pastor Williams war immer wieder in sein Dorf gekommen und hatte von Jesus gepredigt. Das hatte Simons Herz erreicht. Seine Brüder und die Verwandtschaft sagten sich von ihm los. So stand er ganz allein da.
Simon hatte eine wunderschöne klare und hell klingende Stimme. Er beschloss, seine Stimme für Jesus einzusetzen. Er ging in die umliegenden Dörfer. Dort sang er seine Jesus-Lieder und viele Menschen hörten ihm zu. Pastor David von der Nethanja-Kirche in Kondalaagraharam wurde auf ihn aufmerksam. Er brachte Simon an die Nethanja-Bibelschule in Vizag. Bischof Singh lernte ihn kennen und stimmte zu, dass Simon am Unterricht teilnehmen konnte. Ein Jahr lang lernte Simon an der Bibelschule und dann wurde er Helfer bei einem Pfarrer. Später übernahm er sogar eine eigene kleine christliche Gemeinde. Er wurde weithin bekannt als der »singende Jesus-Mann«.
Simon war jetzt 40 Jahre alt. Er ging ganz in seinem Dienst auf. Doch war er manches Mal sehr bedrückt. Er war eben ganz allein. Er sehnte sich nach Ergänzung, nach einer Frau und Familie. Aber wer heiratet schon einen Blinden?
Jeden Monat kam Simon in die Muttergemeinde nach Kondalaagraharam. Er berichtete dort Bischof Jeevan von der Nethanja-Kirche, über seinen Dienst, bekam auch sein Gehalt und konnte sich mit den anderen Pastoren austauschen. An diesem Tag fand morgens und am Abend ein Gottesdienst statt. Dabei sang auch ein Chor. Die Solosängerin Priyanka hatte eine ganz besondere Stimme und die ganze Gemeinde hörte ihr immer wieder begeistert zu. Auch Priyanka war von Geburt an blind und sie arbeitete in Kondala im Kinderheim mit. Simon liebte diese Stimme. Als er erfuhr, dass das die blinde Priyanka war, keimte in ihm die Hoffnung auf eine Verbindung. Er selbst wurde auch einige Male aufgefordert, ein Lied zu singen, und so lernte Priyanka Simon kennen beziehungsweise hören.
Bischof Jeevan wunderte sich. Simon kam immer öfter zum Gottesdienst in Kondala. Und immer – kaum hatte der Gottesdienst begonnen – rief Simon laut dreimal »Halleluja«. Die Mitarbeiter lächelten, als sie Bischof Jeevan »aufklärten«: »Simon kommt wegen Priyanka. Er ist verliebt in sie. Und mit seinen Halleluja-Rufen weiß sie, dass er da ist.« Jeevan sprach mit Simon und der bestätigte seine Zuneigung zu Priyanka. »Würden Sie mein Brautwerber sein?«, bat er Bischof Jeevan. Der brachte die beiden zusammen. Und tatsächlich entwickelte sich eine feste Bindung.
Nach einem Jahr heirateten Priyanka und Simon. Die Nethanja-Kirche richtete das Hochzeitsfest aus. »Wir lieben uns mit ganzen Ohren«, pflegte Simon zu sagen. Jetzt sangen sie gemeinsam in den Gottesdiensten und gewannen so viele Menschen für Jesus. Heute haben sie zwei Kinder, ein Mädchen und einen Jungen, beide gesund und sehend. Sie erleichtern das Leben ihrer Eltern und sind ihre Augen.
(Siehe Abbildung 4)
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Brich dem Hungrigen dein Brot: Wie alles begann
Karl und Irmgard Ramsayer
In die Zeit meines Reisedienstes beim CVJM fiel ein besonderes Ereignis, das weithin unser Leben und unsere Zukunft entscheidend mitgeprägt hat. Wir wohnten ja nahezu 15 Jahre in Sindelfingen in einem Haus, das vom Jungmännerwerk für Flüchtlingsfamilien gebaut worden war. Hier hatten wir die Verantwortung und Betreuung von neun Familien übernommen. Es waren Leute verschiedener sozialer Herkunft. Zwei kinderreiche Familien mit je sieben bzw. neun Kindern, dazwischen ein altes Arztehepaar aus Siebenbürgen, die übrigen Männer aus unterschiedlichsten Berufen. Es war uns ein besonderes Anliegen, dass der Friede im Haus erhalten blieb, und Gott schenkte es!
In diesen Jahren schlossen wir uns sehr bald dem dortigen CVJM-Familienkreis an. Hier lernten wir bei einer Weihnachtsfeier 1963 einen jungen Inder namens Jawaharlal Komanapalli kennen. Im Gespräch ergab es sich, dass er unsere Einladung zum Christfest gerne annahm. Noch war er unser Gast, konnte aber bald in einem freien Gästezimmer im Oberstock unseres Hauses einziehen. Vor seinem Ingenieurstudium fand er Arbeit bei den Firmen Daimler-Benz und IBM in Sindelfingen, später auch während seiner Semesterferien. Er war für uns wie ein eigener Sohn und wir wurden für ihn Papa und Mama. Nach geraumer Zeit schrieb sein Vater aus Indien: Die Not der Kinder ist so groß! Könnte man ihnen vielleicht von Deutschland aus helfen? Wir spürten, da kommt einiges auf uns zu. So besprachen wir dieses Anliegen mit den Geschwistern vom Sindelfinger CVJM. Nach fast einem Jahr, wir hatten viel darüber gebetet, bekamen wir plötzlich die Freiheit, nach Indien eine Zusage zu geben. Mit fünf Buben hat Vater Kripanandam Komanapalli die Arbeit in seiner Heimatstadt Narsapur mit unserer Hilfe begonnen. Da ich durch meinen Evangelisationsdienst in viele Gemeinden Deutschlands kam, fanden wir sehr schnell die nötigen Pateneltern. Und bald konnten wir weitere 50 Buben aufnehmen und mit monatlichen 25 DM mit Nahrung und Kleidung versorgen. Jetzt gehörte Indien zu unseren täglichen Gesprächen.
Nachdem die Kindermissionsarbeit für Indien entschieden war, waren wir froh, dass Jawa die Verbindung mit seinen Eltern in Narsapur herstellen konnte.
Jetzt wurden uns immer öfter Listen mit Namen der ärmsten Buben, deren Herkunft und dazu Fotos zugesandt.
Während der Lehrjahre in Sindelfingen war es unserem Jawa auch möglich, mich immer wieder bei meinen Evangelisationsdiensten zu begleiten und zum Abschluss des Abends die Gemeinde mit Gruß- und Dankesworten aus seiner Heimat zu erfreuen. Auch seine Frau Vijaya konnte uns in den ersten Jahren ihres Hierseins auf mancherlei Weise unterstützen.
So schenkte uns Gott mit vielen Begegnungen jährlich neue Freunde, die unsere Arbeit mit Gebet und finanzieller Hilfe mitgetragen haben.
Unsere erste Reise nach Indien
Ende 1972 begann, zusammen mit Jawa, die uns unvergessliche Reise in seine Heimat, für ihn zum ersten Mal wieder nach zehn Jahren Fremde. Als wir frühmorgens in Bombay zwischenlandeten, schlugen wir im Flughafen zuerst unser Losungsbüchlein auf. Wie waren wir überrascht von der Losung des Tages, das erste Wort auf indischem Boden: »Brich dem Hungrigen dein Brot, und die im Elend ohne Obdach sind, führe ins Haus« (Jesaja 58,7). Dazu der Lehrtext: »Es wird ein unbarmherziges Gericht über den ergehen, der nicht Barmherzigkeit getan hat« (Jakobus 2,13). Diese klare Botschaft begleitet uns bis heute in unserer gesamten Missionsarbeit.
Bald merkten wir, wir sind in einer anderen Welt! Wie große Menschenmassen, welcher Lärm und Verkehr bei Tag und Nacht, welche Armut auch in den Städten – und daneben dieser Prunk der Reichen! Ja, es war für uns ein echter Kulturschock, besonders die ersten Übernachtungen auf Bahnhöfen und in Hotels mit hautnaher Begegnung mit sehr fragwürdigen, aber auch so liebenswürdigen Menschen mitten in ihrem Elend. Umso wohltuender und befreiender war danach die erste Begegnung mit der lieben Familie Komanapalli in Narsapur und das Kennenlernen unserer fröhlichen, neugierigen Schar der Heimkinder. Jetzt waren wir daheim bei Glaubensgeschwistern!
Die Komanapalli-Brüder
Im Lauf der Jahre wurde es den fünf Brüdern von Jawa, Paul, Jeevan, Pratap, Josef und Singh, ebenfalls möglich, nach Deutschland zu kommen, hier zu studieren oder Berufserfahrung