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Eine Kindheit als Erlebnis: 1944 - 1959
Eine Kindheit als Erlebnis: 1944 - 1959
Eine Kindheit als Erlebnis: 1944 - 1959
eBook207 Seiten2 Stunden

Eine Kindheit als Erlebnis: 1944 - 1959

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Über dieses E-Book

Traute, die in einer Zeit Kind war, die man heute „die schwere Zeit“ nennt, also in der Nachkriesgszeit, hat ihre Kindheit sehr sensibel wahrgenommen.

Gelebt hat sie mit ihren Eltern und ihren Geschwistern auf einem Gut im Kreis Plön und auf einem Gut im damaligen Kreis Eckernförde. Es folgte eine kurze Zeit auf einem Bauernhof im damaligen Kreis Süderdithmarschen und bis zu ihrer Jugend in einem Reetdachhaus mit einem großen Grundstück, einem Wald gegenüber in einem kleinen Dorf im damaligen Kreis Eckernförde.
Die Autorin erzählt in einzelnen Geschichten aus dieser Kindheit. Aus der sensiblen Sicht und Empfindung eines Kindes erzählt die Autorin diese Erinnerungssplitter: Geschichten eines skurrilen Alltags voller Sensibilität, Spannung, Traurigkeit, Mut, Sehnsucht und Liebe ...
Sie sind auch Zeugnisse einer ganz besonderen Zeit von 1944 – 1959, in der die Kindheit anders als heute erlebt wurde.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum23. Juni 2015
ISBN9783739254340
Eine Kindheit als Erlebnis: 1944 - 1959
Autor

Annemarie Rubinke

Annemarie Rubinke wurde 1944 auf dem Gut Ascheberg geboren und wuchs in Schleswig-Holstein auf. Die verschiedenen Orte lagen im Kreis Plön, im damaligen Kreis Süderdithmarschen und im damaligen Kreis Eckernförde. Es war eine Kindheit auf dem Lande. Im Wagner-Verlag ist bereits ihr Roman "Ein Casanova geht auf Reisen – Eine Entdeckung auf dem Jacobsweg –" erschienen.

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    Buchvorschau

    Eine Kindheit als Erlebnis - Annemarie Rubinke

    1 Die Raupen

    Immer wieder kriechen die Raupen nach oben. Sie wollen raus aus dem kleinen Kindereimer. Die kleinen Kinderhände stoßen sie zurück, jedoch kriechen immer wieder neue Raupen hoch. Grüne Raupen sind es, noch klein, nackt und ohne Haare.

    Auch Traute steht mit ihrem kleinen bunten Eimer aus Blech im Kohlfeld. Diesen Eimer hat sie zu ihrem vierten Geburtstag vor einigen Monaten bekommen und sie wollte ihn eigentlich nicht schmutzig machen. Sehr stolz war sie, so einen bunten Eimer zu besitzen. Sie sah ihn sich an, schöne bunte Bilder waren auf ihm zu sehen. Da spielten zwei Kinder mit einem Ball und ein Hund sprang um sie herum und bellte.

    Nun war dieser schöne Eimer schon fast voll mit Raupen.

    Traute hatte Mühe, die Raupen zurückzuschieben. Mit ihren vier Jahren war dies nicht einfach, sie musste den Eimer in der Hand und im Auge behalten und gleichzeitig musste sie mit der anderen Hand den Kohl nach Raupen absuchen. Dies war nicht schwer, die Pflanzen waren voller Raupen, doch durfte keine übersehen werden.

    So krochen auch Raupen über ihre Hand hinüber auf den Arm. Es kitzelte. Traute hatte aber keine Angst.

    »Die beißen nicht und die stechen auch nicht«, hatte der Vater den Kindern gesagt.

    Nur wenn ein Eimer voll war, durften die Kinder ihn abliefern und bekamen dann zehn Pfennige.

    Trautes Vater war der Verwalter auf dem Gut, es wurde dort Kohl angepflanzt. Zu Hause erzählte er ihr und ihrer Schwester Erika etwas über den Kohlweißling.

    »Nicht nur ihr, nein, auch der Kohlweißling isst gerne Kohl. Und wenn er auch ein schöner Schmetterling ist, ihr kennt ihn, es ist der, der neulich zum Fenster hereingeflogen kam, wollen wir ihn doch nicht im Kohl haben. Er legt nämlich seine Eier auf den Kohl, daraus schlüpfen diese Raupen und sie fressen uns den Kohl weg.«

    »Wir können den Schmetterling doch fangen und ihn woanders hinbringen«, schlug Traute ihrem Vater vor.

    »Das wird nicht gehen, es gibt so viele davon, aber seine Kinder, die Raupen, die könnt ihr sammeln.«

    Und so bot der Vater auf dem Gut und im Dorf an, dass die Kinder Raupen sammeln dürfen und sich damit Geld verdienen können. Es wohnten sehr viele Kinder in der Nähe und alle kamen. Das Kohlfeld war angefüllt mit kleinen Kindern, einige schauten nur ganz kurz aus dem Feld heraus, weil die Kohlpflanzen groß, hoch und kräftig waren. Allen Kindern machte es viel Spaß.

    Mit den vollen Eimern gingen die Kinder zu einem Platz. Sie hatten die Raupen immer wieder zurückgeschoben in den Eimer. Traute hatte ihre Hand auf den Eimer gehalten, es war ja nur ein sehr kleiner Eimer, und so gelang es ihr, die Raupen zurückzuhalten, es kitzelte aber an ihrer Hand. Voller Stolz zeigten die Kinder dann ihre Beute. Auf dem Platz stand eine große rostige Tonne, aus der Dampf aufstieg. Heißes Wasser war darin und in diese Tonne wurden die Raupen geschüttet.

    Traute übergab dem Mann ihren Eimer, der Vater stand in der Ferne und sah dem Treiben zu. Dann durfte Traute zusammen mit den anderen Kindern zu der Frau gehen und sich ihren Verdienst abholen.

    Eine Holzkiste stand auf dem Tisch und aus dieser gab die freundlich lächelnde Frau Traute ihren stolzen Verdienst: zehn Pfennige.

    Die werde ich in meine Spardose legen, freute sich Traute.

    2 Die Bucheckern

    Sie sitzen um den großen runden Küchentisch. Sechs kleine Kinder. Sie reden, lachen, schmatzen und sind so stolz.

    Gestern noch hatte Traute zur Mutter gesagt:

    »Kannst du uns nicht noch mal den Kuchen backen, du weißt schon, den mit den komischen Ecken oben drauf. Den mögen wir so gerne.«

    »Ja«, hatte die Mutter geantwortet, »das mach ich gerne, aber ich habe keine Zeit zum Pulen und auch nicht zum Sammeln. Frag doch die anderen Kinder, ob sie helfen zu pulen, dann können sie auch mitessen.«

    Das ließ Traute sich nicht zweimal sagen. Sie wusste, wo die großen Buchen stehen und ihre Bucheckern abwerfen. Der Waldboden war bedeckt von ihnen und sie gaben knirschende Geräusche von sich, wenn Traute auf sie trat.

    Sie rannte auf den Hof.

    »Wir müssen Bucheckern sammeln, ganz viele müssen wir sammeln und dann müssen wir sie auspulen und dann backt meine Mutter uns einen Kuchen«, rief sie den Kindern zu.

    Die Kinder waren begeistert, holten ihre kleinen Eimer und rannten los. Sie sammelten viele kleine Eimer voll, bis sie dann in der Küche von Trautes Eltern am Tisch saßen, um die Buch­eckern auszupulen. Traute war fünf Jahre alt, die anderen Kinder waren jünger. Die kleinen Finger mühten sich, es war sehr schwer, die harte Schale mit den scharfen Kanten vom Kern zu lösen. Die Wangen der Kinder glühten bereits und die Mutter rührte einen Kuchenteig an.

    »So, nun dürft ihr die Bucheckern darüberstreuen«, sagte sie zu den Kindern, als sie den Teig auf ein Backblech verteilt hatte. Dann streute sie noch etwas Zucker auf die Bucheckern.

    Die Kinder hockten alle mit großen Augen vor dem Elektroherd, sahen durch die Scheibe den Kuchen aufgehen, sahen, wie die Bucheckern braun wurden, und zappelten voller Ungeduld hin und her.

    Sie schmatzten, sie tranken Saft und fragten die Mutter:

    »Können wir morgen noch mal so einen Kuchen essen? Draußen liegen noch so viele Bucheckern.«

    3 Der Trägerrock

    Im Türrahmen stand Traute, fünf Jahre war sie alt und sie traute sich nicht, auf den Hof zu gehen. Einen neuen Trägerrock hatte sie an, aus einem festen dunkelblauen Stoff. Die Mutter hatte ihn gerade genäht, dazu einen roten Pullover gestrickt und Traute mit den neuen Sachen nach draußen geschickt.

    Traute schämte sich. Sie wusste, dass der Rock einmal eine Männerjacke gewesen war und diese dem Mann gehört hatte, mit dem ihre Mutter früher verheiratet gewesen war und der im Krieg gefallen war. Daran war er gestorben und seine Jacke war übrig geblieben. Traute verstand es nicht. Gefallen, das Wort hatte sie so oft gehört und nicht gewusst, warum das so schlimm war. Sie war auch schon so oft hingefallen und nie war sie daran gestorben.

    Alle Kinder sehen, dass es eigentlich eine Männerjacke ist, dachte Traute und wagte sich keinen Schritt voran. Sie sah nicht, dass ihr Rock so schön glockig war, so, wie sie es eigentlich so gerne leiden mochte. Sie sah auch nicht, dass auf ihrem roten Pullover schöne rote Herzknöpfe waren. Sie schämte sich so und nahm es ihrer Mutter sehr übel, dass sie einen Rock aus einer Männerjacke für sie genäht hatte. So stand sie wohl den ganzen Nachmittag in der Tür. Viele Kinder spielten hinter dem Haus, viele Mütter saßen auf den Bänken und sahen den Kindern zu.

    Dann entdeckte eines der Kinder, dass das Vogelnest in der Hecke ausgeraubt worden war, und auf die Frage ihrer Mutter, wer es denn gewesen sei, sagte eines der Kinder:

    »Die da«, und zeigte mit der Hand auf Traute, die schüchtern im Türrahmen stand. Die Mutter stand auf und gab Traute eine Ohrfeige.

    Das war zu viel für Traute.

    Mama muss doch wissen, dass ich nie einer Vogelmutter ihre Jungen wegnehmen würde, dachte sie.

    Erst näht sie mir einen Rock aus einer Männerjacke und nun denkt sie, dass ich ein Vogelnest ausnehme, und dann gibt sie mir noch vor allen Kindern eine Ohrfeige.

    Sie nahm sich vor, nie wieder mit ihrer Mutter zu sprechen.

    Traute konnte diese Verletzungen nicht verkraften und schmollte. Tagelang schmollte sie, sie schenkte der Mutter keinen Blick und auf gar keinen Fall jemals wieder ein Wort.

    Sie wurde einsam, bis dann endlich der Vater eingriff.

    Er kam eines Abends an Trautes Bett, setzte sich auf die Bettkante und Traute bekam Angst, dass er mit ihr schimpfen würde.

    Nein, er tat es nicht.

    »Du musst jetzt aber endlich wieder mit Mama sprechen«, bat er sie mit sanfter Stimme.

    Diese Bitte konnte Traute nicht abschlagen, auf sie hatte sie so lange gewartet.

    4 Die neue Schwester

    Da standen sie nun im Laufgitter, Traute und Erika, und sie wussten nicht, warum.

    Es war ganz still im Haus. Von Zeit zu Zeit kam der Vater zu ihnen und sprach ein wenig mit leiser Stimme. Dann ging er wieder in das Nebenzimmer, das das Elternschlafzimmer war. Die Mutter hatten sie schon lange nicht mehr gesehen. Sie hatten aber auch nicht nach ihr gefragt.

    Den Vater hatte Traute gefragt, warum sie in diesem Laufgitter stehen muss.

    »Ich bin doch schon fünf Jahre alt und ich laufe ganz bestimmt nicht weg«, hatte sie dem Vater mit weinerlicher Stimme zugerufen, als er wieder nach nebenan in das Elternschlafzimmer ging.

    »Ich erzähle es euch später, warum ihr im Laufgitter bleiben müsst. Ich weiß aber noch nicht, wann. Ich bringe euch Spielzeug, dann habt ihr zu tun.« Der Vater sprach dies zu Traute und Erika mit seiner sanftesten Stimme und verschwand.

    Die beiden Mädchen warteten, wurden endlich müde und schliefen ein.

    Spät in der Nacht kam der Vater erneut zu ihnen, weckte sie sanft und sagte:

    »Ihr habt jetzt eine neue Schwester, Mama sagt, sie soll Lotti heißen. Ich bringe euch jetzt ins Bett.«

    Traute und Erika wankten im Halbschlaf in ein Bett. Die Mutter kam zu ihnen, legte ihnen ein ganz kleines Mädchen in einem rosa Anzug dazu und sagte:

    »Das ist eure kleine Schwester Lotti.«

    Traute, Erika und Lotti schliefen selig ein.

    5 Der Hahn

    Und wieder stand Traute am Waldesrand und hatte Angst weiterzugehen. Schon so oft war sie angegriffen worden von dem Hahn.

    Sie hatte einen so weiten Schulweg, gerade war sie eingeschult worden. Der Weg führte auch durch einen Wald und wenn sie diesen hinter sich gelassen hatte, sah sie auf der linken Seite bereits das kleine alte Haus liegen. Umgeben war es von einem verwilderten Garten, die darin wohnenden Menschen sah sie nie. Viele Hühner liefen auf dem Hof, im Garten und auch auf der Landstraße herum. Inmitten dieser geflügelten Schar stand der Hahn. Ein großes, stattliches Exemplar war es.

    Sobald er Traute entdeckte, lief er auf sie zu, sprang an ihr hoch und hackte einige Male in ihre Beine. Die Beine waren nackt, der Rock war nur kurz und die Füße steckten in Söckchen. Traute nahm ihre Brottasche, schlug damit nach dem Hahn und dieser griff sie erneut an. Er riss an ihrem Rock, Traute schrie, doch niemand kam aus dem Haus, um ihr zu helfen. Endlich konnte sie sich losreißen und rannte, so schnell sie konnte. Schon so oft hatte sich dies wiederholt, so oft war sie zunächst zurückgelaufen in den Wald, wenn sie den Hahn auf der Straße stehen sah. Und so oft war sie deshalb zu spät in der Schule angekommen, hatte schüchtern hinter der Tür gestanden und sich nicht getraut anzuklopfen. Oft stand sie dort noch, wenn die Tür aufging und die Kinder zur ersten Pause hinausstürmten.

    Als die Buschwindröschen blühten, kam Traute auch oft zu spät in die Schule. Sie hatte sich verspielt, war durch den blühenden weißen Teppich gelaufen, konnte sich davon nicht trennen und pflückte Blumen.

    Sie hatte ihrer Mutter zu Hause erzählt von dem Hahn und ihrer Angst. Diese hatte ihr jedoch nicht geglaubt, dass ein Hahn ein Kind angreift.

    Eines Tages bekam Traute einen Brief in die Hand gedrückt vom Lehrer, einen blauen Brief.

    »Du kommst zu oft zu spät in die Schule«, hatte er barsch zu ihr gesagt, »den Brief gibst du deiner Mutter.«

    Traute gab den Brief nicht ihrer Mutter.

    Wenn Mama mir nicht glauben will, dass ein Hahn mich beißt, gebe ich ihr auch

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