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Tarot der Idioten: Crowley und Gurdjieff im Café de la Paix
Tarot der Idioten: Crowley und Gurdjieff im Café de la Paix
Tarot der Idioten: Crowley und Gurdjieff im Café de la Paix
eBook326 Seiten3 Stunden

Tarot der Idioten: Crowley und Gurdjieff im Café de la Paix

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Über dieses E-Book

Crowley und Gurdjieff im Café de la Paix
Zwei berüchtigte Magier und eine Lady im Gespräch
Ein semifiktiver Okkult- und Renaissance-Roman

Paris, 18. Dezember 1924
Im Café de la Paix trifft der berüchtigte Magier Aleister Crowley (»Horror-Crowley«) den ebenso berüchtigten Guru Georg Iwanowitsch Gurdjieff (»Monsieur Bonbon«), der dort seine Pariser »Sprechstunden« abhält. Die beiden Okkultisten beginnen ein Gespräch über den Tarot (Tarock), das sieben Tage lang, bis zu Heiligabend 1924, fortgesetzt wird. Crowley begeistert sich für die esoterische Bedeutung der 22 Tarot-Trümpfe (Arkana). Gurdjieff hält dem als Pendant seine 22 »Idioten« aus der »Stufenleiter der Vernunft« entgegen. Zur Veranschaulichung werden die wunderschönen Renaissance-Tarotkarten von Visconti-Sforza aus dem 15. Jahrhundert verwendet, welche von der Künstlerin Lady Frieda Harris (»Lady Bulldogge«) zum Leben erweckt werden. So entsteht im Café de la Paix der »Tarot der Idioten« als Gemeinschaftswerk von Gurdjieff, Crowley und Harris: ein kryptisches Tarotspiel, das ausschließlich der »harmonischen Entwicklung des Menschen« dient.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum5. Apr. 2012
ISBN9783844868111
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    Buchvorschau

    Tarot der Idioten - Zoltán Szabó

    Erster Tag

    Paris, Café de la Paix, 18. Dezember 1924

    Am späten Vormittag betrat Aleister Crowley das Pariser Grand Café de la Paix, blieb neben dem Eingang stehen und sah sich im großen Saal suchend um. Sein Schüler Orage hatte ihm erzählt, daß Georg Iwanowitsch Gurdjieff hier täglich anzutreffen wäre, das Café de la Paix sei Gurdjieffs Stammlokal. Crowley wollte Gurdjieff unbedingt kennenlernen, denn er hielt ihn für einen großen Magier, für den zweitgrößten Magier auf Erden überhaupt, für den zweitgrößten gleich nach sich selbst.

    Der Raum war voller Gäste und Lärm. Ein Kellner mit abgehetztem Gesichtsausdruck eilte an Crowley vorbei, beladen mit einem Tablett, das er geschickt auf einer Hand balancierte, während er durch die engen Gassen zwischen den Tischen dahinflitzte. Aleister sprach den Mann trotzdem an und fragte ihn, ob Monsieur Gurdjieff hier wäre. Der Kellner blieb stehen, sein Gesicht nahm einen fröhlichen Ausdruck an, und er antwortete freundlich, wobei er mit der freien Hand in eine hintere Ecke des Saals zeigte:

    »Ouä, ouä, Monsieur. Monsieur Gurdjieff oder Monsieur Bonbon, wie wir ihn nennen, sitzt wie immer dort hinten.«

    Crowley bedankte sich, legte dem Kellner eine Münze auf das Tablett und steuerte auf den Ecktisch neben einem goldumrandeten korinthischen Stützpfeiler des Grand Café de la Paix zu. Am kleinen, runden Tisch mit der Marmorplatte saß ein Mann mit einem prächtigen Schnurrbart, Ende Fünfzig etwa. Er saß auf dem grünen Velours des Kaffeehausstuhls nach orientalischer Sitte, ein Bein akrobatisch unter das andere geschlagen, und preßte gerade eine Zitrone in seine bescheidene Tasse schwarzen Kaffees. Auf dem Stuhl neben ihm lagen eine vornehme Kopfbedeckung aus Karakulpelz und ein Spazierstock mit goldenem Knauf. Dennoch dürfte der Mann nicht gerade begütert gewesen sein, denn seine Kleidung war ziemlich abgetragen. Vor ihm auf dem Tisch lag ein einfaches, liniertes Schulheft, in der Hand hatte er einen Bleistift, an dem er gleichzeitig mit dem Zitronenpressen scheinbar gedankenverloren leckte. Dabei murmelte er auch noch Worte einer unbekannten Sprache. Die tiefstehende Wintersonne warf lustige Muster auf den großen, langen, kahlgeschorenen Schädel des beeindruckenden Mannes. Er schien überhaupt keine Notiz von seiner Umgebung und dem frohen Trubel um sich herum zu nehmen. Doch plötzlich, als Aleister etwa sieben Meter von ihm entfernt war, blickte er auf und fixierte den sich Nähernden mit seinen dunklen Augen. Crowley ging unbeirrt weiter und blieb neben dem Tisch stehen.

    »Gestatten Sie, Monsieur Gurdjieff, daß ich mich Ihnen vorstelle: Mein Name ist Aleister Crowley, ich werde auch das »Große Tier 666« genannt, doch Sie können mich gerne auch »Kleiner Sonnenschein« nennen. Tun Sie, was Sie wollen – sage ich immer. Ich bin Gelehrter in Magick, mit Verlaub. Einer meiner Schüler, Orage, hat mir gesteckt, daß Monsieur hier gut anzutreffen wären, und nun bin ich da. Ich würde Sie nur zu gerne ein wenig kennenlernen.«

    »Warum nicht, Monsieur Crowley, zu Diensten«, sagte Georg Iwanowitsch, nachdem er die ausgequetschte Zitronenschale auf die Untertasse und den Bleistift auf das aufgeschlagene Schulheft gelegt hatte und aufstand. »Ich habe schon einiges von Ihnen gehört, von Orage, der auch mein Schüler ist.«

    »Auch das mit dem Kamel? Da war ich in der Sahara, unten Sand und Erde (Körper), oben Luft (Denken), die Sonne brannte wie Feuer (Seele) herab, nur das Wasser (Fühlen) war rar. Dann ist mir halt das Kamel fast ausgetrocknet. Ich mußte es nach Paris bringen …« sprudelte Aleister los.

    Gurdjieff griff in seine rechte Jackentasche, holte eine Handvoll Süßigkeiten hervor und bot sie auf der offenen Handfläche Crowley an: »Darf ich Ihnen zur Begrüßung etwas zum Naschen anbieten?«

    »Warum nicht, Monsieur Bonbon, gerne«, sprach Crowley und nahm ein kleines Marzipanschwein, ein Stück Schokolade und ein Pfefferminz von Gurdjieffs Hand. »In der Abtei Thelema auf Sizilien pflegte ich meinen Gästen weitaus Schlimmeres zur Begrüßung anzubieten«, fuhr Horror-Crowley fort, steckte die Süßigkeiten auf einmal in den Mund und kaute genüßlich.

    »Jetzt sollten wir noch kurz wie Hunde umeinander herumschnüffeln, so richtig schnüffeln wie Hunde«, sagte Gurdjieff und ging um den Tisch herum. Auch Crowley umrundete einmal den runden Tisch und schnüffelte dabei hörbar. Einige Gäste in der Nähe warfen konsternierte Blicke zu ihnen herüber. »Nehmen Sie doch bitte an meinem Tisch Platz, Kleiner Sonnenschein, das hier ist mein Büro«, forderte Georg Iwanowitsch anschließend Aleister auf, und die beiden Magier setzten sich.

    »Ich würde Sie sehr gerne zu einem Getränk einladen, werter Meister«, sagte Aleister, »bitte nur keine falsche Bescheidenheit Ihrerseits, ausnahmsweise habe ich genug Geld in der Tasche«, und winkte dem Kellner. Der kam auch sogleich, und Gurdjieff bestellte sich eine Flasche Armagnac (»wenn wir schon prassen, so prassen wir Porto inbegriffen«, meinte er), während Crowley für sich nur Kaffee orderte. »Heute lieber keinen Alkohol für mich«, fügte er erklärend hinzu, »ich gehe lieber mal kurz auf die Toilette und drücke mir einen, wir sind ja schließlich unter uns.«

    »Nur zu, Monsieur, tun Sie, was Sie wollen, so lautet ja Ihr Gesetz, nur keine Hemmungen meinethalben«, sagte da Georg Iwanowitsch, steckte sich eine Gauloises an, lehnte sich auf dem Stuhl zurück und ordnete seine Beine erneut im orientalischen Schneidersitz.

    Aleister kam eine kurze Zeit später mit rosarot glühenden Wangen und leuchtenden Augen und in bester Laune an den Tisch zurück. Vergnügt pfiff er eine sizilianische Volksweise leise vor sich hin. Er setzte sich und räkelte sich genußvoll und schaute seinen Kollegen mit offenen Augen an. Dann sah er auf der Marmorplatte des Tisches einen Stapel Spielkarten liegen, der vorher noch nicht dort war. Die Karten waren groß, obenauf sichtbar lag eine Karte, auf der ein Jahrmarktsgaukler in roter Kleidung vor goldenem Hintergrund abgebildet war. Der Gaukler auf dem Bild saß hinter einem kleinen Tisch und führte anscheinend gerade einen Hutzauber aus.

    »Ah, Tarot-Karten!« rief Crowley erfreut aus, und seine Augen strahlten. »Wie ich sie liebe! Und obenauf ist gleich der Magier, unser Freund.«

    »Ja, Tarock-Trümpfe, Tarocchi-Trionfi, Tarot-Triumphe des italienischen Renaissance-Kartenspiels der edlen Familie Visconti-Sforza aus Mailand, ursprünglich aus dem 15. Jahrhundert, eine Privatanfertigung, sehr schöne Karten«, sprach der Orientale. »Aber ein Magier ist der da auf dem Bild nicht unbedingt, vielleicht ein Zauberer, ein Gaukler, der für wenig Geld die Leute mit seinen Tricks belustigt. Das ist der Pagat, der Bagatella.«

    »Darf ich?« fragte Aleister und hob die oberste Karte ab. Darunter kam eine zweite Karte zum Vorschein, ganz in Gold gehalten. Auf dieser Karte sah man eine Frau in der Tracht der Karmeliterinnen und mit der päpstlichen Tiara auf dem Kopf. »Die Hohepriesterin«, stellte er lächelnd fest.

    »Ich würde sie eher die Päpstin nennen, es ist möglicherweise die Päpstin Johanna, vielleicht eine Ahne der Bianca Maria Visconti-Sforza«, erwiderte Gurdjieff.

    »Ach, die gute alte Johanna, die sich als Frau unbemerkt und unerkannt zum Papst wählen ließ. Nach ihr und ihrethalben hat der Vatikan die Geschlechtsprüfung für werdende Päpste eingeführt, die da im besten Küchenlatein lautet: Habemus Eier«, schmunzelte Aleister Crowley mit glänzenden Augen, er freute sich offensichtlich, wieder einmal über Sex reden zu können. »Aber Monsieur Georg Iwanowitsch, Sie nehmen ja mit den Visconti-Sforza-Trionfi den Tarot-Trümpfen, den Großen Arcana, jeglichen okkulten Tiefgang. Auch ich beschäftige mich schon lange mit den Tarot-Karten, bin sogar dabei, eigene Karten zu entwerfen. Mir fehlt nur noch ein Maler, der die Bilder kongenial gestalten kann. Symbolisch und expressionistisch sollen sie werden. Bei mir sind alle Trümpfe höchst okkult und voll der tiefgründigen, esoterischen Symbolik. Archetypen sind das, tiefenpsychologisch, astrologisch, alchimistisch und kabbalistisch. Aber diese Renaissance-Karten hier? Geschichten aus der Geschichte stellen sie dar, Familienphotos von Visconti-Sforzas Sippe sind das, wenn Sie so wollen. Wo bleibt da das Okkulte, wo die Magick? Diese Karten hier haben nicht einmal Namen oder Nummern. Wollen Sie vielleicht meinen Entwurf sehen? Die Namen der Trümpfe, man nennt diese auch Atutti und Atouts, ich nenne sie die »Trümpfe oder Atu des Thoth«, lauten wie folgt:«

    »Alles Idioten«, versetzte Gurdjieff trocken und lapidar.

    »Monsieur belieben?« Crowley sah sein Gegenüber leicht indigniert an.

    »Mein lieber Meister Aleister«, sprach Georg Iwanowitsch weiter, »die Namen spielen in Wahrheit überhaupt keine Rolle. Sie können die Trümpfe nennen, wie immer Sie wollen. Tun Sie, was Sie wollen. So lautet doch Ihr Gesetz, und dieses Gesetz gilt auch hier. Was wirklich zählt, ist die Zahl. Alles ist Zahl, und der Rest ist auch Zahl. Freilich brauchen wir Bilder, und wir brauchen auch Namen für die Bilder, damit die Imagination, die Phantasmen, also die Vorstellungsbilder, funktionieren können. Aber nur für die Leute, für die »Eingeweichten«, die eben nicht über die Imagination hinausgelangen können. Doch wie Sie vorhin so treffend bemerkt haben, sind wir beide hier unter uns, unter Eingeweihten. Und wir brauchen nur die Zahlen und die Intuition. Sie könnten genausogut Karten mit nur Zahlen darauf nehmen, dazu brauchten Sie nicht einmal einen Maler. Allerdings wären diese Karten langweilig, und außer Ihnen, mir und einigen wenigen anderen würde kein Mensch sie verstehen. Außerdem sind Bilder oft schön, und was schön ist, könnte auch gut wahr sein. Also nehmen wir doch Karten mit Bildern, nur nehmen wir die Bilder nicht allzu ernst. Also ist es auch ziemlich gleich, wie immer die Karten heißen mögen, ob Crowleys Trümpfe, ob Gurdjieffs Idioten. Einundzwanzig davon sind spezielle Idioten und einer ist der Idiot schlechthin. Wollen Sie sie sehen? Leider fehlt mir ebenfalls noch ein Maler, sodaß ich Ihnen lediglich die zweiundzwanzig Namen nennen kann. Hier sind sie:«

    »Jede Minute wird ein Blödmann geboren«, murmelte Aleister.

    »Stimmt«, erwiderte Georg Iwanowitsch. »Der Idiot ist ein Depp, ein Dummkopf, ein Schwachkopf, ein Trottel. Ein Verrückter. Aber der Idiot (griechisch »idios« bedeutet »eigen«) ist auch ein Privatmann von eigener Art, ein Original, ein Eigener, ein Eigner seiner selbst, ein eigenwilliger Denker, ein eigentümlicher Mensch. Das Spektrum des Idioten reicht vom Dorfdeppen zum Hofnarren, vom Wahnsinnigen, Psycho- und Soziopathen bis hin zum Staatsorakel von Tibet.

    Ein Idiot kann auch sein eigener Herr sein, und das ist nicht mehr dumm, sondern sehr klug.

    Es gibt einundzwanzig Abstufungen der Vernunft von der des gewöhnlichen Menschen zu der Unseres Unendlichen, das heißt Gottes. Niemand kann die Absolute Vernunft Gottes erreichen, und nur die Söhne Gottes wie Jesus Christus können die zwei Abstufungen der Vernunft haben, die die neunzehnte und die zwanzigste sind. Daher muß es das Ziel jedes Wesens sein, das nach Vollendung strebt, die achtzehnte Abstufung zu erreichen. Sie müssen verstehen, daß die Menschen, die Sie kennen, überhaupt keine Vernunft haben. Sie leben in ihren Träumen und haben keine Verbindung mit der Wirklichkeit. Wer auch immer irgendeine Verbindung mit der Wirklichkeit hat, wird ein Idiot genannt. Das Wort Idiot hat zwei Bedeutungen: Die wahre Bedeutung, die ihm von den Weisen aus alter Zeit gegeben wurde, war, »man selbst zu sein«. Ein Mensch, der er selbst ist, sieht wie ein Wahnsinniger aus und benimmt sich wie ein solcher für jene, die in der Welt der Illusionen leben: Wenn sie daher einen Menschen einen Idioten nennen, meinen sie damit, daß er nicht ihre Illusionen teilt.

    Jeder, der an sich selbst zu arbeiten beschließt, ist ein Idiot in beiden Bedeutungen. Die Weisen wissen, daß er nach der Wirklichkeit sucht. Die Törichten denken, er habe den Verstand verloren. Von uns wird hier erwartet, daß wir nach der Wirklichkeit suchen, deshalb sollten wir alle Idioten sein: Keiner jedoch kann Sie zu einem Idioten machen. Sie müssen sich selbst dazu entscheiden. Das ist der Grund, warum jeder, der uns hier besucht und mit uns in Verbindung bleiben will, die Erlaubnis hat, sich seinen eigenen Idiotismus auszusuchen. Dann werden wir übrigen von Herzen wünschen, daß er tatsächlich zu jenem Idioten wird. Hierfür wurde von den Weisen aus alter Zeit Alkohol verwendet; nicht um sich zu betrinken, sondern um die Kraft des Wünschens zu stärken.

    Die Wissenschaft der Idioten ist sehr alt, sie wurde in geheimen Klöstern in Tibet aufbewahrt. Ungarische oder magyarische Magier brachten sie mit der Völkerwanderung aus Asien nach Europa. Die Ungarn sind ein turanisches Volk von »hungrigen Magiern«, wie ihr Name zeigt: Hungar = Hunger. Magyar = Magier. Hungrige Magier. In der Renaissance gingen ein paar magyarische Magier von Hunger getrieben nach Italien und nahmen die Lehre der Idioten mit sich. So ging diese Wissenschaft der »Stufen der Vernunft« in die dort gerade im Entstehen begriffenen Tarot-Trümpfe ein.

    »Mein lieber Georg Iwanowitsch, Monsieur, Sie haben doch auch ein Drama geschrieben, den »Kampf der Magier«. Hat dieses Stück etwas mit dem Tarot-Magier zu tun?« wechselte Crowley das Thema.

    »Ja und nein also jein«, antwortete Gurdjieff. »Der »Kampf der Magier« ist ein Ballett, ein Bewegungsstück. Es geht darum, gleichzeitig mehrere, ja zum Teil sich widersprechende Bewegungen auszuführen. Das schult die Aufmerksamkeit, fördert die Bewußtwerdung und das Gewahrwerden beziehungsweise Gewahr-Sein oder Selbst-Erinnern. Dies ist ein Grundpfeiler meiner Lehre und zugleich das elementare Handwerkzeug des Magiers.« Plötzlich fing Gurdjieff an, den Kopf rhythmisch nach links und rechts zu verdrehen, winkte mit einer Hand dem Kellner und zündete sich mit der anderen eine Zigarette an. Dazu klopfte er mit den angewinkelten Beinen einen Dreivierteltakt.

    »Heilige Magick lechts und rinks und uben und onten und horne und vinten«, rief Crowley aus, »jetzt brauche ich noch einen Schuß!« und verschwand Richtung Toilette.

    Als Aleister, das Tier, mit einem leicht melancholischen Gesichtsausdruck zurückkam und sich setzte, schob ihm Georg Iwanowitsch, der Exot, ein Wasserglas voll des Armagnacs hin und sagte leise:

    Ach, tut mir das Herz so weh,

    wenn ich im Glas den Bodensee.

    »Aleister, Meister, lasset uns zu Unserem Gemeinsamen Vater beten, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.«

    »Ach was«, versetzte der Magick-Mann mit trübem Blick, »Gott ist doch nur ein gasförmiges Wirbeltier mit Linksdrall, und der heilige Geist ist eine Taube. Möglicherweise handelt es sich um Sodomie.«

    »Mitnichten«, widersprach der Guru, »Gott ist der Einzigartige Idiot, den Sie, Monsieur, das Universum nennen, der 21. Tarot-Trumpf. Gott ist das Universum, und wir sind seine Träume.«

    »Nicht die Eins, der Magier?« Crowley blickte leicht unwillig auf. »Die Zahl Eins, die unteilbare, mein ein und alles?«

    »Nicht nur, mein liebes Großes Tier 666«, hub Guru Gurdjieff zu reden an. »Eins kann auch der Sohn sein, der Menschensohn, ein Egoist und Einfacher Idiot. Alles ist eins, und wer sagt das, und wer spricht da? Advaita, Vedanta und tat tvam asi, Sie wissen schon. Zwei ist der Diabolos, der Zweifel in die Welt sät, der Selbstgefällige Idiot, und Drei ist der Heilige Geist, Ihre Taube, ein Erz-Idiot. Schon sind wir bei der Jungfrau und bei der Mutter und beim Hoffnungslosen Idioten angekommen – mit der Vier. Et cetera – Sie kennen das ja alles, Monsieur. Lassen Sie uns von Zahlen reden, denn alles ist Zahl, und der Rest ist auch Zahl. Sie heißen doch 666 oder Beelzebub?

    Bei richtigem Wissen muß das Studium des Menschen parallel zum Studium der Welt verlaufen, und das Studium der Welt muß parallel zum Studium des Menschen verlaufen. Die Gesetze sind überall die gleichen, sowohl in der Welt als auch im Menschen. Wenn wir die Prinzipien irgendeines Gesetzes erkannt haben, müssen wir nach seiner Äußerung in Welt und Mensch gleichzeitig Ausschau halten. Ferner werden einige Gesetze leichter in der Welt, andere wieder leichter im Menschen beobachtet. Darum ist es in manchen Fällen besser, mit der Welt zu beginnen und dann zum Menschen überzugehen, und in anderen Fällen ist es besser, mit dem Menschen zu beginnen und dann auf die Welt überzugehen.

    Dieses parallele Studium von Welt und Mensch zeigt die grundsätzliche Einheit von allem auf und hilft, in den Erscheinungen verschiedener Ordnungen Analogien zu finden.

    Die Anzahl der Grundgesetze, die alle Vorgänge in Welt und Mensch regieren, ist sehr klein. Verschiedene zahlenmäßige Verbindungen einiger Grundkräfte erschaffen all die scheinbare Mannigfaltigkeit der Erscheinungen.

    Um die Mechanik des Universums zu verstehen, ist es notwendig, die komplexen Erscheinungen auf diese Grundkräfte zurückzuführen.

    Das erste Grundgesetz des Weltalls ist das »Gesetz der drei Kräfte oder drei Prinzipien«, oder, wie es oft genannt wird, das »Gesetz der Drei«. Diesem Gesetz zufolge ist jedes Vorkommnis, jede Erscheinung in allen Welten ohne Ausnahme das Ergebnis einer gleichzeitigen Wirkung dreier Kräfte – der positiven, der negativen und der neutralisierenden.

    Das nächste Grundgesetz des Weltalls ist das »Gesetz der Sieben« oder das »Gesetz der Oktaven«.

    Der Tarot hat 21 + 1 Trümpfe. Die Null (00) oder 22 (im Tarot gilt: 22 = 00), der Narr oder Idiot oder Sküs (Scusi), spielt eine besondere Rolle. Die Null ist eigentlich keine Zahl, man kann mit ihr

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