Die Liebe des Ulanen. Lieferung 3: Ein Abenteuerroman aus der Zeit des deutsch-französischen Krieges
Von Karl May und Patricia J. Winter
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Über dieses E-Book
"Die Liebe des Ulanen. Ein Original-Roman aus der Zeit des deutsch-französischen Krieges" wurde zwischen September 1883 bis Oktober 1885 in 107 Lieferungen und 1.724 Seiten in der Zeitschrift "Deutscher Wanderer" veröffentlicht. Bei der vorliegenden Bearbeitung handelt es sich um eine freie Nacherzählung. Sie überträgt den Text in aktuelles Deutsch und moderne Rechtschreibung, behält aber den ursprünglichen Aufbau in wöchentlichen Lieferungen und, wo immer möglich, die von May gewählte inhaltliche Struktur bei. -
Der Original-Text ist nachzulesen auf den Webseiten der Karl-May-Gesellschaft oder beim Projekt Gutenberg.
Karl May
Karl Friedrich May (* 25. Februar 1842 in Ernstthal; † 30. März 1912 in Radebeul; eigentlich Carl Friedrich May)[1] war ein deutscher Schriftsteller. Karl May war einer der produktivsten Autoren von Abenteuerromanen. Er ist einer der meistgelesenen Schriftsteller deutscher Sprache und laut UNESCO einer der am häufigsten übersetzten deutschen Schriftsteller. Die weltweite Auflage seiner Werke wird auf 200 Millionen geschätzt, davon 100 Millionen in Deutschland. (Wikipedia)
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Rezensionen für Die Liebe des Ulanen. Lieferung 3
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Buchvorschau
Die Liebe des Ulanen. Lieferung 3 - Karl May
Inhaltsverzeichnis
Die Liebe des Ulanen. Lieferung 3
Impressum
Die Liebe des Ulanen. Lieferung 3
Dieses Augenmaß sagte Müller, dass die Mauer des Turms wenigstens zwei Ellen dick sein müsse. Und als er behutsam von innen dagegen klopfte, hörte er aus dem hohlen Ton, dass sie in Wahrheit nicht viel über einen Fuß stark sein könne.
Es gab also tatsächlich eine Hohlwand, eine doppelte Mauer, in der sich ein Gang verbarg. Aber wozu? Welche Geheimnisse besaß dieses Schloss, dass solche Einrichtungen zum Lauschen und Beobachten unterhalten und offenbar auch genutzt wurden? Und wo vor allen Dingen war das Loch, durch das man ins Zimmer sehen konnte? Er musterte die ganze Wandfläche, er blickte sogar hinter den Spiegel; er bemerkte nichts. Die Öffnung musste gut versteckt liegen, im Grunde kamen dafür nur die Umgebung des Ofenrohrs oder die gemalte Deckenleiste in Frage.
Er suchte mit den Augen nach der Stelle, an der er das eigenartige Knirschen gehört zu haben glaubte, wählte denjenigen der beiden wackligen Stühle, der so aussah, als könne er sein Gewicht leichter tragen, stieg hinauf und klopfte vorsichtig unterhalb der Decke die Leiste ab. Richtig, an einer Stelle gab die Kante einen ganz anderen Ton. Sie fühlte sich auch glatter an; sie bestand aus Glas. Er hegte jetzt die feste Überzeugung, dass er beobachtet worden sei. Aber von wem? Die Dienerschaft hätte es nur auf Anweisung der Herrschaft getan. Die Baronin? Höchst unwahrscheinlich. Der junge Alexandre wäre vielleicht umtriebig genug gewesen, lag aber zu Bett. Dann etwa der geheimnisvolle Baron? Wenn die Wirtin recht hatte mit ihren Andeutungen und der Herr des Schlosses tatsächlich nicht ganz richtig im Kopf war, so hätte ein solches Verhalten recht gut zu ihm gepasst.
Die wahrscheinlichste Option, so musste Müller sich freilich sagen, war die des alten Capitaines. Und der Gedanke ließ ihm das Blut in den Adern gefrieren.
Das Glück aus dem Haus des Monsieur d'Arrondville, das sein Großvater auf ihn herab beschworen hatte, war ihm ein weiteres Mal treu geblieben. Wie ungeheuer wichtig, dass er diese Entdeckung bereits heute, bereits in der ersten Stunde gemacht hatte! Hätte er sich nur ein einziges Mal in Gegenwart des Lauschers entkleidet und seinen künstlichen Buckel abgelegt, wäre Müllers Geheimnis sofort verraten gewesen! Nun hatte er doppelten Grund, vorsichtig zu sein. Und die bloße Existenz dieser geheimen Gänge war Müller bereits Hinweis genug, dass er sich bei seiner Suche am richtigen Ort befand. Hier gingen ganz zweifellos Dinge vor sich, die der Aufklärung bedurften. Was sonst als streng geheime Machenschaften sollte der Grund dafür sein, dass selbst ein harmloser Schulmeister bespitzelt wurde, praktisch seitdem er die Schwelle des Schlosses überquert hatte?
Zunächst musste Müller Gewissheit erlangen darüber, wer der Lauscher war. Sodann galt es, den oder die Zugänge zu den Geheimwegen zu finden und festzustellen, ob sie sich für Müllers eigene Zwecke nutzen ließen. Sodann ... Seine Gedanken wurden unterbrochen. Ein Diener erschien und meldete, Monsieur Müller werde vom Herrn Capitaine und dem gnädigen jungen Herrn unten im Hof erwartet. Vom Capitaine? Falls der alte Mann tatsächlich der heimliche Beobachter gewesen sein sollte, war er erstaunlich rasch wieder in den Hof gelangt. Doch ein Diener, der von der Herrschaft ins Vertrauen gezogen worden war? - Leise seufzend folgte Müller dem Ruf.
Man hatte Turngeräte in den Hof geschafft, einen Bock und eine Reckstange gab es, und der Haushofmeister stand neben dem Capitaine und seinem Enkel und ließ die Herrschaften soeben einige Waffen inspizieren. Alexandre schien sich von seinem Schreck bereits wieder erholt zu haben und wirkte zwar noch blass, aber mitnichten krank. Er kam seinem Erzieher entgegen und sagte:
»Monsieur Müller, ich wollte schlafen, aber es geht nicht. Großpapa sagte, dass Sie die Probe machen sollen, und da muss ich dabei sein.«
Der Capitaine nickte Müller kurz zu und deutete nachlässig mit der Hand auf den Bock.
»Sie sehen dort die Turnapparate. Zeigen Sie uns, was Sie leisten.«
»Sehr wohl, gnädiger Herr!«
Müller überlegte, ob er die Jacke ablegen solle, wagte es aber nicht. Er war nicht sicher, wie fest der Buckel bei den Turnübungen sitzen und ob nicht womöglich die Befestigung durchs Hemd scheinen würde. Der Capitaine schien außerordentlich scharf und misstrauisch zu beobachten. Also tat er seinen Sprung über den Bock in voller Bekleidung, und trat auch im Frack ans Reck, das ihm immer das liebste Turngerät gewesen war. Er wollte nicht übertreiben, denn einem simplen Schulmeister war die