Unterwegs: Gefundenes und Empfundenes
Von Sigrid Hussong
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Über dieses E-Book
Nach einigen Jahren fügte ich manchen Gedichten auch Fotos bei. Diese sind unter zweierlei Gesichtspunkten zu betrachten: Zum einen können sie den Gegenstand oder die Stimmung des gleichnamigen Gedichtes darstellen. Zum anderen aber zeigen sie vielleicht etwas, was lediglich der Auslöser zu einem später entstandenen Gedicht war.
Warum nur zu einigen Gedichten Bilder? Dafür gibt es vielerlei Gründe: Manchmal lassen sich Worte nicht durch ein Foto ausdrücken oder aber meine Kamera bot mir dazu nicht die Möglichkeit. Gelegentlich erlebte oder erblickte ich auch etwas, was erst zu einem späteren Zeitpunkt in einem Gedicht verarbeitet wurde – mein Weg hatte mich dann schon weitergeführt.
Die Fotos sind eine schmückende Beigabe; das Wesentliche sind die Gedichte.
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Buchvorschau
Unterwegs - Sigrid Hussong
Hölle
Schweiz, Sommer 2007
Beginn
Aufstieg durch die Ruhe des Waldes –
Alleinsein, Schritt für Schritt,
Gedankenwirbel!
Meine Bank in Aussicht,
gleißende Sonne, blühende Bergwiesen,
Zirpen der Grillen und große Ameisen.
Über allem aber das Rauschen der Lärchen im Wind,
Tränen – die Seele findet Ruhe.
Saas–Fee
Handy im Safe,
ungeschminkt,
Ehemann auf langer Tagestour,
Kinder in einem anderen Land,
Sonne – Bank – Buch – Natur,
Glücksgefühl – vielleicht nicht lange,
aber umso intensiver!
Bänke
Wanderung geplant und sogar begonnen:
Belohnung:
Erste Bank!
Zu Beginn akklimatisieren und nicht überanstrengen:
Zweite Bank!
Wunderbare Aussicht genießen:
Dritte Bank!
Keine Kondition und vom Laufen müde:
Vierte Bank!
Berghüttenbewirtschafter müssen unterstützt werden:
Ausnahme: gepolsterte Holzbank inklusive Kaffee und Kuchen!
Noch keine Zeile gelesen:
Sechste Bank!
In meinem Alter muss man viel trinken:
Siebte Bank!
Eichhörnchen springen von Wipfel zu Wipfel:
Achte Bank!
Schicki-Micki-Einladung nach dem Urlaub →
ausgeschnittenes Sommerkleid und Goldkette →
Braun sieht gut dazu aus:
Neunte Bank (Sonnenbank Natur)!
Ohne Grund:
Zehnte Bank!
Lebendes
Ich fließe über:
pinkfarben, goldgelb, Prachtnelken,
wilde Orchideen – ein Blumenmeer,
in dem ich ertrinken möchte.
Winzige Schmetterlinge: samtbraun mit Rändern in Orange
und alle Schattierungen von Blau:
nachtblau, azur mit hellen Umgebungen.
Es berührt mich bis ins Innerste:
Vier junge Murmeltiere balgen sich auf Gesteinsbrocken.
Die Steigung wird für mich zum Spiel:
Das Tierchen blickt mich an
und Gras streichelt mich.
Was ist schon Bingo im Hotel?
Gelenk
Stehen, gehen, wandern –
mit einer Selbstverständlichkeit,
die eigentlich erstaunen müsste.
Einbruch:
Unbeweglichkeit, Starre, Schmerz.
Strafe für Gedankenlosigkeit?
Typisch Gott!
Frau und Mann
Traute Zweisamkeit,
Hand in Hand zusammen wandern.
Sie: Blumenpracht und Gemse.
Er: Bedachtsamkeit an Gesteinsplatten.
Sie: Sonnenwärme auf der Haut.
Er: Besteht die Möglichkeit, die angegebene benötigte
Gehzeit zu unterbieten?
Sie: Frisch gebackener Aprikosenkuchen mit Rahm
in uriger Berghütte.
Er: 1 Bällchen Eis kostet 3 SFr.!
Inmitten des Lärchenwaldes liebt er sie
und beide sind glücklich.
Kaulquappen
Es wimmelt von ihnen im Bergteich.
Klares, frisches, eiskaltes Wasser von glitzerndem Grün.
Gelbe Schwertlilien umgeben den Tümpel
und wiegen sich sanft im Wind.
Die Tiere haben schon kleine Vorder- und Hinterbeine,
ihr dicker Ruderschwanz lenkt sie.
Bald werden unzählige Fröschlein das Ufer bevölkern.
Drei ungelenke Jugendliche in der Pubertät
mit langen, weiten Badeshorts,
die ihre dürren Beine verdecken,
springen angeberisch wagemutig in das Gewässer.
Sie fangen die Kaulquappen und
treten sie genüsslich tot.
Es gibt genug Frösche in der Welt.
Märliweg
Die Menschen eilen im Wald an ihm vorbei.
Sie lesen die Sagen der alten Zeit
und nicken bedeutungsvoll mit dem Kopf.
Jede kunstvoll verzierte Tafel und
alle dazugehörigen Schnitzereien werden bewundert.
Doch den Godwergeli, der unter dem Stein hervorlugt,
bemerkt niemand.
Er zwinkert vergnügt,
wartet eine hoffnungsvolle Weile
und verschwindet enttäuscht!
Bergkapelle
Gleißende Sonne durchbricht das Glas,
die weiße Taube breitet ihre Flügel aus.
Gewaltiges Holzkreuz,
Jesus mit Leidensmiene.
Der Engel zwinkert,
das Schäfchen tollt im Bilde.
Schmale, harte Sitzbänke
und breites Gesäß.
Kleine Kerzen werden entzündet
und ich bete für sie.
Invasion
Käfer –
flitzende Beine,
in vielen Schattierungen:
grünschillernd
und blauglitzernd.
Zu zweit,
zu dritt,
zu viert aufeinander.
Sie tragen
und
paaren sich.
Ungemein gefräßig;
Blättergerippe überall –
das Grün leidet.
Speisen
Öffnen der Küchentür:
Vorspeise – Suppe;
Bedienung grüßt,
Gast knurrt hungrig.
Salat:
Bedienung lächelt,
Gast runzelt die Stirn.
Hauptspeise: Fleisch, Soße und Kartoffeln;
Bedienung schleppt heiße Teller,
Gast isst.
Nachspeise: Eisbombe;
Bedienung schwitzt,
Gast genießt.
Schließen der Küchentür.
Höhenrausch
Den Gipfel nach Mühen erstiegen:
Die Beine spüren die schweren Bergschuhe nicht mehr,
die Füße ignorieren die Blasen.
Die Gurte des Rucksacks schneiden nicht mehr in die Schultern,
Rückenschmerz, was ist das?
Das lange Haar klebt kaum noch im Nacken
und die Zunge verlangt kein Wasser mehr.
Ich schließe die Augen
und die Sonne wärmt und liebkost mein Gesicht.
Ich öffne die Augen
und blicke überwältigt umher:
Gewaltige Berge, schneebedeckte Gipfel,
das Rauschen des Wassers von ferne,
ansonsten absolute Ruhe.
Es berührt mich bis ins Innerste –
meine Seele erhebt sich
und Tränen benetzen die Wangen.
Stein
Eine Kapelle in den Fels gehauen,
rohe Kraft und Gewalt.
Kirchenfensterengel drohen mit düsterer Miene
und erschlagen das Gewürm mit Eisenketten.
Der Erzengel Michael
mit seinem übergroßen Schwert
überwältigt die Auswüchse der Hölle.
Jesus leidet wie immer am Kreuz.
Auf einer kleinen Holztafel
verborgen in einer dunklen Ecke
ein Gebet der Mutter Teresa:
Frieden, Frieden, Frieden.
Hühner
Sie gackern und plustern sich auf.
Das kleine Mädchen
mit den blonden Locken
drückt sich in eine Ecke.
Sie scharren und gockeln laut.
Das Kind zittert am ganzen Leibe.
Sie picken es mit ihren spitzen Schnäbeln
und kreischen triumphierend.
Dem Engelchen kullern Tränen über die Wangen:
„Bald habe ich Geburtstag,
dann gehe ich in den Wienerwald!"
Bergwiese
Ziegen mit bimmelnden Glocken,
schwarz-weiß, braun und meliert.
Sie knoddeln und stinken.
Eine gefangene Gemse
und zottlige Böcke blöken.
Ein dürres, schon geschorenes Schaf
drückt sich in eine Sandkuhle.
Acht rosa, fette Ferkel
suhlen sich am plätschernden Bergbach.
Ihre schorfige Nackenhaut schuppt sich –
Sonnenbrand.
Allein mit seiner Katze
schnitzt der einsame Senner an seinem Schild:
„Wir kennen alle,
aber uns selbst kaum."
Steinsitz
Die Frau hat den Gipfel