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Cocktails, Kongo, Kakerlaken: Diplomatenfamilie auf Posten in Zentral-Afrika
Cocktails, Kongo, Kakerlaken: Diplomatenfamilie auf Posten in Zentral-Afrika
Cocktails, Kongo, Kakerlaken: Diplomatenfamilie auf Posten in Zentral-Afrika
eBook710 Seiten9 Stunden

Cocktails, Kongo, Kakerlaken: Diplomatenfamilie auf Posten in Zentral-Afrika

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Über dieses E-Book

Fast drei Jahre lebt die Familie Adt in Bangui, der Hauptstadt der Zentralafrikanischen Republik. Harro Adt ist dort Botschafter der Bundesrepublik Deutschland. Die beiden heranwachsenden Kinder Katrin und Florian müssen ihren Weg in französisch-sprachigen Schulen finden. In langen Briefen berichtet die Autorin ihrer Mutter in Deutschland vom oft schwierigen, abenteuerlichen und ungewöhnlichen Leben als Frau des Botschafters in einem der ärmsten Länder der Welt. Sie hat wieder einmal ihren Beruf als Apothekerin aufgeben müssen; muss nun eine vernachlässigte Botschaftsresidenz wieder bewohnbar machen; Cocktails und Festessen für oft hunderte von Gästen unter einfachsten Bedingungen ausrichten; Hausdiener, Gärtner und Nachtwächter anleiten und betreuen – und auch vielseitige und ungewöhnliche Repräsentationspflichten erfüllen, die sie auch im Cocktailkleid in der Transall-Militärmaschine in den Busch führen können. Auf abenteuerlichen Fahrten im Geländewagen lernt die Familie afrikanische Dörfer ihres Gastlandes, Missionsstationen, Pygmäen, Urwald, Savanne und wilde Tiere kennen. Mit einem Schiffsverband voll afrikanischer Passagiere – Menschen, Tiere und Fische – fährt die Autorin mit ihrem Sohn Florian 1200 km auf den Flüssen Oubangui und Kongo von Bangui nach Brazzaville. Sie erleben als einzige weiße Passagiere afrikanisches Leben am Fluss und auf dem Schiff in seiner ganzen Lebendigkeit.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum22. Dez. 2014
ISBN9783738684926
Cocktails, Kongo, Kakerlaken: Diplomatenfamilie auf Posten in Zentral-Afrika
Autor

Dietlind Adt

Nach ihrem Pharmaziestudium in Freiburg/Breisgau und Arbeit als Apothekerin begleitete Dietlind Adt ihren Mann – Diplomat im Auswärtigen Amt – mehr als drei Jahrzehnte lang auf Auslandsposten. Mit ihren beiden Kindern lebte die Familie in Kabul, Kalkutta, Genf, Bangui (Zentralafrika), Paris, Bamako (Mali) und Brüssel. Die Autorin lebt und arbeitet heute als Apothekerin in der Nähe von Göttingen.

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    Buchvorschau

    Cocktails, Kongo, Kakerlaken - Dietlind Adt

    Republik.

    Fast drei Jahre mit der Familie in Zentralafrika - die Vorgeschichte

    Aufbruch ins Ungewisse

    Vor mir liegt ein Aktenordner mit Briefen aus dem Nachlass meiner Mutter: Lange Berichte, mit Schreibmaschine geschrieben, mit meiner Unterschrift und zusätzlichen Zeilen in meiner Handschrift. Briefe aus den Jahren 1984 (Januar) bis 1986 (Juni) – lang her. Briefe aus Bangui.

    Aus Bangui, Zentralafrikanische Republik.

    Erinnerung: Irgendwann im Spätherbst 1983 teilte man Harro – meinem Mann – im Auswärtigen Amt in Bonn mit, dass man beabsichtige, ihn auf einen neuen Auslandsposten zu berufen: Bangui, Zentralafrikanische Republik (ZAR). Dienstantritt Anfang Januar 1984. Diesmal als Botschafter – damals jüngster Botschafter der Bundesrepublik Deutschland! Sein – unser – vierter Auslandsposten: nach Kabul (Afghanistan), Kalkutta (Indien) und Genf (Schweiz). Später kamen noch weitere Auslandsposten in Paris, Bamako (Mali), Brüssel und für Harro Pretoria bzw. Kapstadt (Südafrika) dazu.

    Ich hatte Harro während meines Pharmazie-Studiums in Freiburg/Breisgau kennen gelernt, wo er sein Jurastudium abschloss. Wir heirateten im Dezember 1969. Harro war nach abgeschlossenem Jura-Studium jetzt Rechtsreferendar, während ich noch im 4. Semester meines Pharmazie-Studiums war, das ich 1971 mit dem Staatsexamen abschloss, um anschließend in einer Freiburger Apotheke als Apothekerin zu arbeiten. Am 1. April 1972 begann Harro seine Diplomatenlaufbahn im Auswärtigen Amt in Bonn (er gehörte zur 27. Crew der Ausbildung zum Diplomaten). Wir zogen im April 1972 von Freiburg nach Bonn, wo schon Anfang Mai 1972 unsere Tochter Katrin geboren wurde; unseren Sohn Florian brachte ich Mitte Juni 1974 in Kalkutta zur Welt. Auf allen Auslandsposten kam immer die ganze Familie mit.

    Nun stand uns also im Januar 1984 wieder ein großer Umzug bevor – der siebte in den bisher etwas mehr als elf Jahren der Zugehörigkeit zum Auswärtigen Amt seit April 1972. Diplomatenschicksal!

    Als Heimatbasis, in die wir zwischen den Auslandseinsätzen und in den Heimaturlauben gerne zurückkehrten, hatten wir uns eine Wohnung im ehemaligen „Alten Gericht auf der Burg in Adelebsen bei Göttingen eingerichtet. Seit 1980 arbeitete Harro nach seinem Auslandsposten in Genf wieder im Auswärtigen Amt in Bonn und kam an den Wochenenden zu seiner Familie nach Adelebsen. Die Kinder gingen in dieser Zeit in Adelebsen zur Schule und waren inzwischen auch stolze Besitzer von „Conny, ihrem eigenen Shetlandpony. Ich arbeitete als Apothekerin in einer Apotheke am Ort. Nun würden wir uns also wieder von unserem gemütlichen Heim, der schönen ländlichen Umgebung und lieben Menschen trennen müssen und uns unter ganz anderen Bedingungen in der Hitze Afrikas, 4 Grad nördlich des Äquators für etwa drei Jahre einrichten. Die Kinder – Katrin: 11 Jahre alt, 5. Klasse, „Orientierungsstufe" in Adelebsen; Florian: 9 Jahre alt, 3. Klasse, Grundschule Adelebsen – würden dort in eine französische Schule gehen; der Schulwechsel war mitten im Schuljahr nach den Weihnachtsferien.

    Wir bekamen eine Vorahnung von dem, was uns in der Zentralafrikanischen Republik erwartete durch ein Merkblatt, das wir vom Auswärtigen Amt erhielten:

    Auszüge aus dem Bericht des AA über die

    Lebensbedingungen in der Zentralafrikanischen Republik und der Hauptstadt Bangui.

    Stand: 1. September 1982

    Klimatische Verhältnisse

    Bangui liegt etwa 4 Grad nördlich des Äquators. Das Klima ist tropisch. Die Regenzeit fällt in die Monate Mai bis November; in der Zeit von Dezember bis April herrscht Trockenzeit, die auch vereinzelt Niederschläge aufweist. In der Regenzeit herrschen die zwar nicht lange anhaltenden, aber sehr heftigen tropischen Gewitter vor. Die Temperaturen schwanken in der Regenzeit zwischen 24 und 31 Grad und bewegen sich in der Trockenzeit zwischen 26 und 37 Grad Celsius. Die nächtliche Abkühlung ist gering; es ist keine Seltenheit, wenn abends um 22 Uhr noch bis zu 30 Grad gemessen werden. Diese tropischen Temperaturen erzeugen in Verbindung mit der extrem hohen Luftfeuchtigkeit ein für Europäer ungesundes und erschlaffendes Klima. Kinder leiden darunter weniger.

    Mobiliar, Kleidung (besonders Leder) und Bücher etc. sind erheblichen Schäden ausgesetzt (Schimmel, Rost, Kakerlaken), sofern die Räume nicht klimatisiert sind. Termiten und Kakerlaken gibt es in Scharen, außerdem verschiedenste Arten von Ameisen.

    Allgemeine Lebenshaltung, gesellschaftliches Leben und Erholung

    Eine deutsche Kolonie gibt es nicht. Es leben z. Zt. neben den Botschaftsbediensteten etwa 60 Deutsche im Lande, die jedoch überwiegend vertragsgebunden und daher befristet hier sind.

    Es gibt in Bangui Sportclubs, bei denen eine Mitgliedschaft möglich ist: Bangui-Tennis-Club, Bangui-Rock-Club, Club Hippique (Reitclub), Golf-Club.

    Von der Möglichkeit, im Fluss zu baden, bzw. Wasserski zu laufen, wird in nur geringem Umfang Gebrauch gemacht, da der Oubangui immer wieder Bilharziose-Erreger führt und außerdem Ausschläge verursachen kann.

    Weitere Sportarten, bzw. Erholungsmöglichkeiten bieten sich nicht an. Es gibt außer den etwa 100 km entfernten Wasserfällen von Boali und den in M’Baiki, rd. 130 km südwestlich von Bangui lebenden Pygmäenstämmen keine Ausflugsziele in der näheren und weiteren Umgebung.

    Hotels außerhalb der Hauptstadt gibt es praktisch nicht. In der Provinz haben nur wenige Orte unregelmäßig einige Stunden am Abend elektrischen Strom. Es besteht keinerlei Verlass darauf, dass außerhalb Banguis eine Tankstelle, soweit überhaupt vorhanden, Benzin zum Verkauf anbieten kann.

    Die wenigen Möglichkeiten der Erholung und Unterhaltung und die fehlenden Ausflugsmöglichkeiten stellen zweifellos eine seelische Belastung dar; sie wird jedoch erst nach mehreren Monaten des Aufenthaltes spürbar. Bücher und Tonkassetten sollten daher in ausreichender Menge mitgebracht werden, auch wenn sie unter dem Klima leiden werden. Am besten helfen „Hobbies" über die Eintönigkeit des hiesigen Lebens hinweg.

    Lebensmittel, meist französische (es gibt nur ganz wenige zentralafrikanische) Produkte, sind sehr teuer. Sie werden überwiegend per Luftfracht eingeflogen. Auch Frischgemüse wird weitgehend aus Frankreich, teilweise aus Kamerun und Südafrika eingeflogen. Als einheimische Früchte gibt es vor allem Bananen, Pampelmusen, Ananas, Guaven, Avocados, grüne Apfelsinen, Zitronen und Mangos.

    Konserven werden in befriedigender Auswahl zu hohen Preisen angeboten. Bei importierten Lebensmitteln sollte mindestens vom vierfachen des deutschen Preises ausgegangen werden.

    Es empfiehlt sich immer, Obst und Gemüse in einer Lösung von Kaliumpermanganat oder Halozone (in der Kaiser-Apotheke in Bonn erhältlich) zu waschen, um einen gewissen Schutz gegen Infektionen (Bakterien- und Amöbenruhr, Typhus) zu erzielen. Wasser sollte abgekocht und durch einen Berkefeld-Filter gefiltert werden zum Kochen, Trinken und Zähneputzen.

    Gesundheitswesen

    Die vorherrschenden Krankheiten in Zentralafrika sind:

    Malaria, Bakterien- und Amöbenruhr, Wurmkrankheiten, Hepatitis, Bilharziose, Kinderlähmung und Meningitis; vereinzelt kann noch Gelbfieber auftreten. Erkältungen, Rheuma, Darminfektionen („Coup de Bangui") und Pilzkrankheiten zieht man sich häufig zu. Das Einnehmen von Medikamenten gegen Malaria ist unerlässlich.

    In der Botschaft wird gegen die in Zentralafrika vorkommenden Giftschlangen das entsprechende Serum bereitgehalten.

    Stadtplan von Bangui. Residenz, Botschaft der BRD und Schulen der Kinder in der an den Urwald bei La Colline angrenzenden Straße „Rue Gamal Abd el Nasser. Club Hippique am Hippodrom (unten rechts). Märkte um den Stadtteil „KM 5 im westlichen Ende der Hauptstraße „Avenue Barthélémy Boganda".

    Gesamteindruck

    Bangui selbst ist zwischen Fluss und Hügeln landschaftlich ganz ansprechend gelegen. Gerade wegen dieser Flusslandschaft befindet es sich aber auch in einer relativ feuchten und besonders von Malaria und allen möglichen Wurmarten heimgesuchten Gegend.

    Das Verkehrssystem im Landesinnern ist äußerst verkommen.

    Was länger Ansässige am meisten bedrückt, ist der Mangel an Anregung und die Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit, die verkehrsbedingt ist. Es ist wichtig, dass der Bedienstete und seine Familie sich in der Freizeit mit sich selbst zu beschäftigen wissen und sich nicht von vornherein dem Lande mit einer negativen Einstellung nähern.

    Anmerkung: Bei Erstellung dieses Berichtes des AA (vom 1. Sept. 1982) war AIDS noch nicht sehr genau erforscht. Erst später erfuhren wir, dass wahrscheinlich bereits zu unserer Zeit des Aufenthaltes in der ZAR, etwa 25–30 % der Bevölkerung schon HIV-positiv waren oder bereits an AIDS starben. Man munkelte in besser informierten Kreisen von der „Affenkrankheit", die aber wohl nur Männer betraf. Zu diesem Problem hatten wir aber keine genauen Informationen, bzw. es wurde nur an einen Übertragungsweg über den Geschlechtsverkehr gedacht und nicht an eine Gefahr der Übertragung durch Kontakt mit Blut. Da ich von dieser Gefahr damals nichts ahnte, habe ich nie Handschuhe getragen oder sonstige Vorsichtsmaßnahmen beachtet, wenn ich meine Leutchen verarztete. Ich bin im Nachhinein doch sehr froh, mich damals nicht mit dem Virus infiziert zu haben. Für uns Angehörige des Auswärtigen Amtes wäre eine bessere Aufklärung über diese Gefahren damals doch sehr wünschenswert gewesen.

    Soweit diese Auszüge aus dem Lebenshaltungsbericht des AA über Bangui und die Zentralafrikanische Republik.

    Es sollte sich später alles bestätigen, und es sollte zum Teil noch schwieriger und aufregender werden. Auf jeden Fall würde sich unser Leben dort im tropischen Afrika ganz wesentlich vom Alltag in Deutschland unterscheiden.

    Man war etwas „abgeschnitten" von allen Nachrichten der Welt dort im Herzen Afrikas: kein Fernsehen, Radioempfang nur über Satellit, keine Zeitungen; Telefongespräche, falls überhaupt möglich, nur nach Voranmeldung über Auslandsvermittlung und enorm teuer. Computer und Laptop auf dem Schreibtisch gab es noch nicht; Internet, e-Mail, Handy waren noch nicht erfunden.

    Man schrieb damals also Briefe – mit der Hand oder mit der Schreibmaschine – um den Kontakt zur Heimat nicht zu verlieren und freute sich, wenn mit der Kurierpost, die einmal in der Woche zwischen dem Auswärtigen Amt Bonn und dem Auslandsposten hin- und herging, Briefe ankamen mit Neuigkeiten aus Deutschland und aus anderen Teilen der Welt.

    Das Leben, das wir jetzt in Afrika führten, verlief so ganz anders als bisher, aufregend, bunt, interessant, anstrengend – und oft schwierig. Darüber berichtete ich aus Bangui in den wöchentlichen Briefen an „Muni", meine Mutter, die sich – verwitwet und mit ihren weit über achtzig Jahren alleine lebend – über die ausführlichen Berichte von unserem Leben in Afrika freute. Alles, was ich zu erzählen wusste, interessierte sie und ich bekam auch wöchentlich Post von ihr mit der Kurierpost, die ich immer sehnsüchtig erwartete. Mein Vater, einstmals Oberforstmeister, war wenige Jahre zuvor gestorben.

    Mich schreckte die neue Aufgabe in Afrika wenig; die Auslandsposten in Kabul (Afghanistan), wo Katrin laufen gelernt hatte, und Kalkutta (Indien), wo Florian geboren wurde, waren ja auch schon nicht ganz einfach gewesen. Ich hatte früh im Leben gelernt zuzupacken und hatte keine Scheu vor Neuem und Unbekanntem. Neue Herausforderungen in einem bisher mir unbekannten Teil der Welt machten neugierig und warteten darauf, entdeckt und angepackt zu werden.

    Ein gutes Maß an praktischen Erfahrungen auf allen möglichen Gebieten brachte ich mit.

    Während des Zweiten Weltkrieges war meine Familie mit uns vier Kindern wegen der Bombenangriffe auf Kassel auf einen einsamen Bauernhof in Nordhessen evakuiert worden; mein Vater Dr. Hans Bossel war als Offizier im Krieg und später lange in Kriegsgefangenschaft. Auf dem Hof in Stölzingen lernte ich, mit Tieren, Feldarbeit, Garten und Küche umzugehen. Als 1949 mein Vater als Oberforstmeister das Forstamt „Netzer Tiergarten im Waldecker Land mit angegliederter Landwirtschaft übernahm, konnte ich schon ordentlich mithelfen; ich mistete und melkte die Kühe, spannte sie vor Wagen und Pflug, pflügte bereits als Elfjährige unsere Felder mit dem Kuhgespann, ritt die Pferde befreundeter Nachbarn, machte Heu, verzog die Rüben, erntete Kartoffeln, half meiner Mutter im Garten. Ich war stolze Besitzerin eines Dackels („Mogli), eines Milchschafes („Susi), eines selbst aufgezogenen Rehes („Ricki), von Hasen und Meerschweinchen.

    An der „Alten Landesschule" in Korbach machte ich mein Abitur. Mit dem Vorexamen in Pharmazie (Wiesbaden) arbeitete ich in einem pharmazeutischen Labor in Berkeley, Kalifornien (USA) und kehrte dann nach Deutschland zurück, um in Tübingen Pharmazie zu studieren. Dann: vorläufiger Abbruch des Studiums, Ausbildung zur Medizinisch-Technischen Assistentin (MTA) in Kiel, Arbeit im Labor des Krankenhauses Waldshut und in der Forschung des Physiologischen Instituts der Universität Freiburg/Breisgau. Wiederaufnahme des Pharmazie-Studiums in Freiburg. 1969, im 4. Semester meines Pharmazie-Studiums heirateten Harro und ich. 1971 bestand ich das Staatsexamen in Pharmazie. Mit dem Beginn von Harros Diplomatenlaufbahn zogen wir 1972 nach Bonn und waren dann auch schon mit Katrin eine kleine Familie.

    Heute, viele Jahre nach unserer Zeit in Zentralafrika, wecken meine Briefe und Berichte von damals wieder Erinnerungen. Wenn ich sie im Zusammenhang lese, erzählen sie eine Geschichte über Afrika und das Diplomatenleben, die vielleicht auch andere interessiert. Also versuche ich jetzt, daraus ein lesbares Buch zu machen.

    Die Originalbriefe an meine Mutter enthalten neben den Berichten über Leben und Erlebnissen unserer Familie in Afrika auch viel Persönliches und Alltägliches, das keinen Bezug hat zu unserer damaligen Welt in Afrika – ich habe es daher in den Text dieses Buches nicht aufgenommen.

    Was bleiben soll zwischen den Buchdeckeln, und was ich hoffentlich vermitteln kann, ist die dankbare Erinnerung an die Schönheiten Zentralafrikas, seine Urwälder und Ströme, seine Pflanzen und Tiere, und vor allem: seine freundlichen und fröhlichen Menschen, die auch in Not und Armut ihre Menschlichkeit und ihre Würde nicht verlieren.

    Bangui und die Zentralafrikanische Republik heute (2014)

    Die Deutsche Botschaft in Bangui wurde 1997 wegen ständiger Unruhen im Land geschlossen. Für die Zentralafrikanische Republik ist jetzt die Deutsche Botschaft in Yaounde (Kamerun) zuständig. Ein Verbindungsbüro, mit einem in Bangui ansässigen Deutschen als Ansprechpartner, gab es noch bis Ende Juni 2012. Auch dieses wurde wegen der Kriegszustände, der Gewaltkriminalität, der Überfälle und Massaker, die das Land zerreißen, geschlossen. Die französischen Schulen von Katrin und Florian „Charles de Gaulle und „André Malraux sind auch wegen der Unruhen in Bangui mittlerweile geschlossen.

    Das Auswärtige Amt warnt derzeit wegen „hoher Sicherheitsrisiken und zunehmenden Kampfhandlungen" vor Reisen in das verarmte und zugleich rohstoffreiche Land.

    Die Zentralafrikanische Republik gehört zu den allerärmsten Ländern der Erde, und den Menschen dort geht es jetzt sogar viel schlechter als jemals vor oder nach der Unabhängigkeit 1961 von der französischen Kolonialverwaltung. Das Land versinkt in Chaos, Krieg und Gewalt – unbeachtet von uns in der „zivilisierten Welt"!

    Adelebsen, im März 2014

    Dietlind Adt

    Rundbrief an Verwandte und Freunde der Familie zu Weihnachten 1983

    Adelebsen, 19. Dezember 1983

    Wieder ein Umzug!

    Neue Adresse für die nächsten zwei bis drei Jahre:

    Deutsche Botschaft Bangui

    Zentralafrikanische Republik

    Postfach 1500

    D-5300 Bonn

    Liebe Freunde!

    Es weihnachtet – bei den Adts ebenso wie bei den meisten Familien. Der Nikolaus bringt allnächtlich kleine Überraschungen in die Schuhe der Kinder und borgte sich sogar deren Pony „Conny" am 6. Dezember aus, um auf dessen Rücken seinen schweren Sack abzuladen. Oh Wunder dieser Jahreszeit!

    Die Weihnachtsplätzchen sind fast alle schon gebacken und in Kästen sicher vor dem Zugriff gieriger Kinderpfoten gelagert. Weihnachten soll noch einmal in guter Tradition in unserer Wohnung auf der Burg in Adelebsen gefeiert werden. Großes Familientreffen mit meiner Mutter, meinen Brüdern Hartmut und Ulf und deren gesamten Familien am zweiten Weihnachtstag bei uns zum großen Truthahn- und Gänseessen. Wir werden 14 Personen sein. Wie schön, dass „Muni" meine mittlerweile 83-jährige Mutter, noch so blitzgescheit und munter wie immer, mit uns am festlich gedeckten Tisch sitzen wird.

    Ja – und danach wird es wahrhaft chaotisch zugehen im Hause Adt.

    Die Umzugs-Packer kommen schon am 3. Januar für drei Tage und wir fliegen alle am 8. Januar 1984 nach Bangui, Zentralafrikanische Republik.

    Flugroute: 8. Januar: Frankfurt/Main – Paris, dort Übernachtung. 9. Januar: Paris – Bangui mit Zwischenlandung in N’Djamena (Tschad). Ankunft in Bangui abends. Dienstantritt für Harro gleich am nächsten Morgen.

    Harro wird als jüngster Botschafter der Bundesrepublik unser Land in Bangui, Zentralafrikanische Republik vertreten! Ein schöner Erfolg für Harro, aber auch wirklich hart erarbeitet mit ständigem Höchsteinsatz an Zeit, Nerven und Energie im Presse-Referat des Auswärtigen Amtes in Bonn. Schriftlich bekam Harro diese Ernennung erst Ende November 1983, also erst vor wenigen Wochen(!), als das Agrément des Gastlandes endlich eintrudelte, und die Frage seiner Nachfolge im Amt geklärt war. Von da an überschlug sich alles. Harros Einweisungen im Amt, Dienstreisen nach Frankfurt, München, Paris, Verabschiedung durch Bundespräsident Carstens, Einweisung seines Nachfolgers, und vieles mehr.

    Ich kaufte und kaufe immer noch anhand meiner ellenlangen Listen alles ein, was man in diesem tropischen Entwicklungsland, einem der ärmsten Länder der Welt, dringend braucht: wie leichte Sommerkleidung, die jetzt im Winter kaum in den hiesigen Geschäften zu finden ist, oder Waren, von denen man sich besser einen Vorrat mitnehmen sollte, wie Seife, Waschpulver, Zahnpasta, Medikamente, Kosmetika, um nur einiges zu nennen. Das alles dann für vier Personen und für drei Jahre berechnet ergibt recht ansehnliche Mengen! Mir raucht der Kopf! Dazu kommen dann noch die Weihnachtsvorbereitungen und auch noch Vertretungen in der Apotheke, die ich allerdings als angenehme Abwechslung empfinde im Gegensatz zu dem, was ich zu Hause zu tun habe. Die Wohnung sieht aus wie ein großes Warenlager, Kisten und Kartons überall. Schön!

    Im Übrigen behalten wir Adelebsen als Hauptwohnung. Möbel müssen wir bei diesem Umzug nicht mitnehmen, denn die Residenz in Bangui ist möbliert. Auch werden wir in jedem Sommer zwei Monate Heimaturlaub haben, den wir dann natürlich in Adelebsen verbringen werden. Auch das Pony der Kinder wird nicht verkauft, sondern kommt hier in Pflege. Es bleibt also weiterhin Mitglied unserer Familie!

    Unsere Kinder Katrin (11) und Florian (9), freuen sich auf das Abenteuer Afrika. In Bangui werden beide eine französische Schule besuchen. Da kommt natürlich sehr viel Extra-Arbeit auf die beiden zu, bis alles fließend mit der Sprache klappt. Auch findet der Schulwechsel von einer deutschen zu einer französischen Schule mitten im laufenden Schuljahr statt, was zusätzlich noch enorme Schwierigkeiten bringen wird. Aber bisher kann die beiden nichts erschüttern, und das ist gut so! Die Schulbücher haben wir bereits über die Französische Botschaft in Bonn und aus Paris besorgen lassen. Die Kinder können darin bisher noch kein Wort lesen oder verstehen, aber dennoch finden sie alles schön und spannend.

    Das waren nun die letzten Neuigkeiten aus dem winterlichen Deutschland. Die nächsten Briefe und Berichte kommen dann schon aus dem tropischen Afrika, aus Bangui, 4 Grad nördlich des Äquators…

    Das erste Jahr in Bangui

    Ankunft in einer anderen Welt

    Bangui, 12. Januar 1984

    Meine liebe Muni!

    Wir sind am Montag, dem 9. Januar 1984, nach gutem Flug hier in Bangui sanft gelandet. Leider können wir von hier keine direkte Nachricht nach Europa schicken. Die Technik reicht nicht unbedingt bis in diesen Teil Afrikas. Telegramme sind so gut wie unmöglich und Telefonate auch. Wir haben zwar hier zwei Telefone in der Residenz stehen, aber die sind tot. Man fährt zu demjenigen, den man sprechen will! Selbst Harro kann ich im Büro nur auf diese Weise erreichen. Noch meine ich immer, das Klingeln eines Telefons zu hören, aber das ist reine Illusion, unser Statussymbol klingelt nicht!

    Es ist wirklich schön hier. Eine grüne, angenehme Stadt. Unser Haus liegt sehr schön, direkt am Rande des Dschungels, in dem es außer Schlangen auch Affen gibt. Ich habe aber bisher weder Affen noch Schlangen gesehen! Der Garten ist toll, man könnte sich tagelang mit Bestimmen der Pflanzen beschäftigen. Es blüht und grünt und wächst einfach fantastisch schön. Der Garten ist auch gut in Ordnung. Das Haus ist sehr schön von außen. Die Empfangsräume ganz gut eingerichtet, die restlichen Zimmer lassen zu wünschen übrig. Am ersten Tag habe ich erst mal eingekauft, was nötig war, damit der Laden einigermaßen funktionieren kann. Bis auf das, was auf der Inventarliste steht, fehlte einfach alles! Kein Putzeimer oder Lappen, kein Küchenmesser oder irgendwelche Küchenutensilien, keine Schüsseln, keine kleinen Töpfe.

    Ich habe wieder einmal enorm viel Geld ausgeben müssen für Dinge, die ich in Adelebsen doppelt und dreifach herum stehen habe, oder die im Umzug stecken und in etwa drei Monaten hier sein werden. Man soll es nicht für möglich halten, selbst Klobürsten und Halter für die Klopapierrollen fehlen! Alles Mögliche andere ist auch von den Wänden geschraubt, wie Handtuchhalter oder dergleichen. Einfach unglaublich! Was nicht auf den Inventurlisten stand, ist einfach so „verschwunden" und niemand kann sagen, wie das geschehen ist und wer dafür verantwortlich ist. Leider haben alle diese Dinge hier Schwindel erregende Preise. Um Putzeimer zu finden, bin ich in der ganzen Stadt rumgesaust, bzw. mit Fahrer im Mercedes rumgesaust worden. Am dritten Tag fand ich schließlich zwei Putzeimer. Küchenbesteck gibt es in ganz Bangui z. Zt. nicht, nur Teelöffel und Messer und das auch nur in einem Geschäft!

    Na, aber ansonsten läuft schon alles ganz gut. Am ersten Morgen waren schon um 9 Uhr die Blumenbänke im Salon nach meinem Wunsch bepflanzt und schöne Tontöpfe, die ich vom Markt mitgebracht hatte, standen schon um 11 Uhr mit großen Dschungelpflanzen bestückt in den Ecken. Tontöpfe und lustige Tiere aus Ton zur Dekoration habe ich auch auf dem Markt erhandelt, um alles etwas persönlicher zu gestalten. Es ist sehr vieles sehr ähnlich wie in Indien, dadurch habe ich keinerlei Schwierigkeiten beim Einkaufen oder Handeln. Die Menschen sind ausgesprochen nett und freundlich, stolz und nicht unterwürfig. Es ist wohl das richtige Land für mich, jedenfalls fühle ich mich wohl hier. Heiß ist es schon, aber ich vertrage das gut, denn die Luft ist nicht zusätzlich auch noch verschmutzt wie in Kalkutta. Unangenehm feucht wird es auch wohl erst ab März.

    Katrin und Florian gehen ab Samstag, dem 14. Januar in die Schule und freuen sich darauf. Sie haben schon Freunde gefunden. Die beiden Kinder von Prof. Knieper, Judith (14) und Caspar (10), holten die unseren schon vom Flughafen ab. Sie verstanden sich alle vom ersten Moment an bestens. Florian und Caspar sind dickste Freunde, haben gleiche Interessen und werden in der gleichen Klasse sein. Judith und Caspar halfen Katrin und Florian schon rührend beim Sortieren ihrer französischen Schulbücher, und sie stellten die beiden schon vielen Kindern vor. Alle sind sehr offen und vergnügt hier. In den Klassen sind mehr als die Hälfte der Kinder Zentralafrikaner, die Mädchen mit kunstvoll geflochtenen Zöpfchen und Frisuren. Mit dem Französisch der Kinder geht es schon ganz gut; sie verstehen sehr viel und üben schon fleißig lesen und schreiben. Heute fangen die Nachhilfestunden in Französisch an.

    Übrigens gibt es hier keinerlei Zeitung, auch kein Mitteilungsblatt der Regierung! Idylle im Urwald! Europa liegt weit weg mit all dem politischen Gezanke! – Harro hat viel Arbeit auf seinem Schreibtisch vorgefunden und auch schon einige Nachlässigkeiten abgestellt. Er wird seine Sache hier bestimmt gut machen. Für uns alle wird es sicherlich nicht allzu schwer sein, einen einigermaßen guten Eindruck zu hinterlassen.

    Bangui, 19. Januar 1984

    Meine Lieben im kalten, vielleicht schneebedeckten Deutschland!

    Hier in Afrika ist es warm bis heiß und sehr heiß. Man vergisst ganz, dass der Kalender den Januar anzeigt und anderswo die Menschen gegen Kälte und Schnee kämpfen. Europa liegt weit weg, und die Vorstellungskraft für solche Dinge reicht manchmal nicht mehr aus. Zwei Welten! Man gewöhnt sich doch erstaunlich schnell um und ein. – Um es gleich ganz deutlich zu sagen: Uns allen gefällt es hier in Bangui recht gut, und wir haben uns schon ganz schnell hier eingelebt.

    Damit wirklich etwas Ähnliches wie ein Bericht entsteht, muss ich weit ausholen. Wir haben in sehr wenigen Tagen viel erlebt!

    Sonntag, 8. Januar 1984: Abreise aus Adelebsen. Zugfahrt Göttingen – Frankfurt/Main. Flug Frankfurt – Paris. Übernachtung in Paris. Weiterflug am nächsten Tag: Paris – Bangui (Zentralafrikanische Republik), mit Zwischenlandung in N’Djamena (Tschad).

    Adelebsen und die Burg zeigten sich uns noch einmal überraschend in winterlichem Kleid. In der Nacht hatte es geschneit, nachdem die Tage davor noch sehr mild gewesen waren. Es sah alles sehr hübsch und friedlich aus. Auf dem Feld am gegenüberliegenden Hang ästen sieben Rehe. Ein hübscher Anblick! Mit Anoraks, Wintermänteln und Stiefeln verließen wir die Burg, leichte Schuhe und Jacken hatte jeder im Handgepäck. Mein Bruder Ulf holte uns ab mit dem vielen Gepäck: fünf Koffer, eine Gitarre, vier Tragetaschen. In den Tragetaschen der Kinder hatten zwei Füchse (wovon der eine schon in Afghanistan, Indien, Schweiz, England, usw. dabei war), ein Hase und Lena (die von Katrin selbst gemachte Puppe) Platz genommen und schauten sich munter die Welt an. Ich trug dann noch den Kosmetikkoffer und meine Handtasche. Das erlaubte Gewicht von 120 kg hatten wir bei weitem nicht erreicht, aber mehr konnten wir einfach nicht schleppen! – Meine rührende Schwägerin Lisbeth verwöhnte uns noch mit einem herrlichen Frühstück und frischen Brötchen vom Adelebser Dorfbäcker.

    Unser Intercity nach Frankfurt fuhr pünktlich in Göttingen ein. Zum letzten Wagen, in dem unsere Plätze reserviert waren, mussten wir noch ordentlich durch den Schnee rennen. Der letzte Schnee für die nächsten drei Jahre!

    Im Frankfurter Hauptbahnhof mussten wir in die U-Bahn zum Flughafen umsteigen. Alle waren bepackt wie die Esel, aber es klappte gut. Fein, dass die Kinder jetzt so groß und vernünftig sind und schon richtig mithelfen können. Im Flughafen konnten wir unsere Koffer gleich bei Lufthansa abgeben.

    Der Flug mit Lufthansa im Airbus nach Paris war kurz und sehr bequem, da uns allen ein 1. Klasse-Ticket für die ganze Reise zur Verfügung stand. Schon vor dem Start bekamen wir Champagner! Kaum waren wir in der Luft, kam das Essen. Vorspeise: Melone mit Schinken. Hauptgericht: Wachteln mit leckerem Gemüse, danach Käse und Pudding. Dazu gab es guten Wein, danach schon wieder Champagner, und dann waren wir schon in Paris gelandet! In der Touristenklasse gab es während des kurzen Fluges sicherlich nur einen Fruchtsaft. Bei den Heimaturlauben werden wir allerdings nicht so vornehm reisen können. Harros Dienstantritt als Leiter einer Botschaft der BRD verschaffte der ganzen Familie diese schöne Annehmlichkeit.

    In Paris landeten wir am Flughafen „Charles de Gaulle. Ein Hotelbus brachte uns mit allem Gepäck zum Hotel „Sofitel. Mit Harros Schwester Putzi aßen wir im Dachterrassen-Restaurant des Hotels mit Blick auf den abendlichen Flughafenbetrieb. Ein letzter Abend mit Familie in Europa.

    Montag, 9. Januar 1984: Frühstück im Hotel. Um 8 Uhr Abfahrt mit dem Bus zum Flughafen. Glatteis auf den Straßen und entsprechend kalt. Einchecken bei Air Afrique, lange Schlangen dort; die Abwicklung war sehr langsam. Das Flugzeug, eine DC 10, war bis auf den letzten Platz besetzt; wir hatten gute Plätze am Fenster. In der 1. Klasse waren viele Familien mit Kindern. Die Flugstrecke: Paris – N’Djamena (Tschad) – Bangui (Zentralafrikanische Republik) – Brazzaville (Republik Kongo). Die meisten Passagiere flogen nach Brazzaville. Vor dem Abflug rollte man uns noch auf einen Abstellplatz des Flughafens und besprühte das ganze Flugzeug mit einem Entfrostungsmittel. Die Tragflächen waren vereist!

    Vor dem Start gab es schon wieder Champagner, und das schon um 9 Uhr 30!

    Guter Start bei strahlend blauem Himmel, ganz klare Sicht auf Frankreich. Wir erkannten gerade noch eine Industriestadt – Lyon? – dann wurden uns alle Fensterklappen herunter gezogen, der Film fing an! Ich war vielleicht sauer! Morgens um 10 Uhr mir schon zwangsweise irgendwelche Filme ansehen zu müssen, gerade, wenn man bei sehr guter Sicht über ein doch recht schönes Land flog, gefiel mir gar nicht! Florian und ich linsten dann doch immer wieder durch einen kleinen Spalt, selbst auf die Gefahr hin, dass andere sich über den Lichteinfall ärgern könnten. So sahen wir Marseille und seinen Hafen sehr schön und klar mit zahlreichen Tankerschiffen. Das sah aus 11 km Höhe sehr eindrucksvoll aus! Dann ging es ab übers Mittelmeer Richtung Afrika. Der Film war zum Glück beim Erreichen der afrikanischen Küste zu Ende, die Klappen an den Fenstern durften wieder hoch geschoben werden. Es kam endlich wieder Licht in den Raum!

    Wir überflogen dann Algerien und das Atlasgebirge: sehr hohe Gebirgsketten und Gipfel, alle schneebedeckt, tiefe Täler. An das Atlasgebirge grenzten zunächst noch fruchtbar aussehende Gebiete, und dann begann die Sahara: viele rot aussehende Berge, fast Pyramiden ähnlich, in großer Zahl – der reinste Irrgarten, denn alle Berge sahen gleich aus. Die großen Sandflächen waren wellenförmig geriffelt, dazwischen seltene schnurgerade Straßen und auch wenige einzelne Oasen. Dann folgten Gebiete mit etwas hellerem, fast gelbem Sand und kleinen, unwahrscheinlich vielen, wie Maulwurfhügel aussehenden Bergen oder Felsen.

    Danach folgte wieder ein richtiges hohes Gebirge, mitten in der Wüste. Das muss der Berg Ahaggar, 2918 m hoch, gewesen sein. In der Nähe lag die Oasen-Stadt oder der Ort Tamanrasset. Bäume gab es dort, und es sah grün aus. Danach folgten noch ein paar Ausläufer des Gebirges, alles reinster Fels, und dann ging es weiter über Wüstengebiete. Zum Schluss wohl noch das Massif de l’Air, 1800 m hoch, schon in Niger! Dann nur noch flache Wüste mit weißem Sand, soweit man sehen konnte. Man bedenke, wir flogen bereits seit mehr als zwei Stunden nur über Wüste! Einfach wahnsinnig! Ich hatte mir die Sahara absolut nicht so vorgestellt! Unvorstellbar, dass tatsächlich doch immer wieder Leute mit dem Motorrad diese Wüste durchqueren! Das müssen Selbstmordkandidaten oder Halbirre sein!

    Beim Überfliegen der Sahara wurde uns ein tolles Mittagessen serviert, auf richtiger Tischdecke, mit Stoffservietten und schönem Porzellan, elf(!) leckere Speisen auf der Menükarte zur Auswahl! Und das alles in 11 km Höhe über der Wüste Sahara!

    Wir näherten uns dem Tschad, überflogen den Tschad-See, der riesig ist; man erkannte einzelne Boote. Ein sehr breiter Fluss, der Chari, mündet am südlichen Ende in den Tschad-See. Anflug auf N’Djamena: sehr karge und dürre Gegend. Viele Runddörfer waren zu erkennen, daneben rechteckig angelegte Felder. Die Hütten sind rund, strohgedeckt, alle im Kreis um einen runden Platz angelegt. Hinter jeder Hütte wohl ein Garten mit Graben oder Zaun – das war nicht so genau zu erkennen. Jedes Grundstück mit seiner Hütte und dem Garten dahinter war wie ein Stück eines runden Kuchens. Je näher man an N’Djamena herankam, desto liebloser waren die Orte angelegt. Statt der ganz geordnet angelegten Runddörfer gab es schließlich nur noch hässliche Wellblechhütten.

    Wir überflogen Teile der Stadt; überall waren Spuren des gegenwärtigen Krieges zu sehen. Landung auf einem kargen Wüstenflughafen. Überall am Rande der Rollbahn Soldaten, Jeeps, Panzer, Fahrzeuge mit Radarantennen. Viele der Fahrzeuge waren unter Tarnnetzen versteckt. Zerstörte und ausgebrannte Militärfahrzeuge waren zu sehen. Unsere Maschine hielt vor dem Flughafengebäude; es gab 50 Minuten Aufenthalt. Nur Passagiere nach oder aus N’Djamena durften die Maschine verlassen oder betreten. Wir mussten in der Maschine bleiben, durften mal aus der offenen Tür schauen, aber auf keinen Fall den Kopf rausstrecken oder einen Fuß auf die Rolltreppe setzen. Darüber wachten zwei grimmig aussehende Soldaten, die mit Gewehr und aufgepflanztem Bajonett vor der Flugzeugtür Wache standen. Um das Flugzeug herum gab es auch jede Menge Soldaten und Militärfahrzeuge. Während wir auf der Rollbahn, bzw. vor dem Flughafengebäude warteten, starteten und landeten zahlreiche Militärflugzeuge, darunter auch Düsenjäger.

    Harro durfte mit einer Soldateneskorte von Bord gehen. Der deutsche Botschafter aus N’Djamena war zum Flughafen gekommen, und beide durften sich in einem Seitenraum des Flughafens unterhalten. Der Kanzler der Deutschen Botschaft in N’Djamena war mit uns im gleichen Flugzeug gekommen, und Harro hatte ihn schon vorher, während des Fluges, gesprochen. Die Lage im Tschad scheint nicht einfach zu sein; die Diplomaten sind alle ohne ihre Familien dort. Man spürte den Krieg überall!

    Dann endlich begann der Weiterflug zu unserem Ziel Bangui, Zentralafrikanische Republik; Flugzeit etwa 80 Minuten. Unter uns erkannte man noch eine ganze Zeit lang den breiten Fluss Chari. Kahle, baumlose, braune Wüstengegend. Dann wurde es unten diesig; es war nichts mehr zu erkennen. Wir waren jetzt wohl über der Zentralafrikanischen Republik. Beim Anflug auf Bangui war zu unserer großen Überraschung die Landschaft satt grün; unter uns befand sich dichter Dschungel. Wir folgten einem Fluss, dem Mpoko. Nach der Landung war neben der Rollbahn alles grün. Die Flughafengebäude waren absolut schmuck und schick und stammten wohl noch aus Kaiser-Bokassa-Zeiten! Alles gepflegt und sauber, Blumen überall. Neben der Rollbahn ein Hangar für Privat-Maschinen, bzw. kleinere Flugzeuge, mit denen man Städte im Landesinneren anfliegen kann. Bundespräsident Carstens hatte übrigens Recht, als er Harro erzählte, dass der Busch in Zentralafrika wie ein großes Petersilienfeld aussähe. Eine bessere Bezeichnung dafür würde mir auch nicht einfallen!

    An der Rolltreppe wurden wir vom Chef des Protokolls der Zentralafrikanischen Regierung begrüßt. Ein netter Mann, der zur gleichen Zeit wie wir in Genf einen Posten hatte, wie sich später herausstellte. Harro glaubt, ihn dort auch getroffen zu haben! Mit an der Rolltreppe standen auch Harros neue Mitarbeiter: der Kanzler, Herr Wehner, und der Registrator, Herr Lehmann. In einem Seitenraum des Flughafengebäudes, wohl der V.I.P.-Raum, wurden wir noch von der Sekretärin, Frau Beh, und Prof. Rolf Knieper mit seinen beiden Kindern, Judith (14) und Caspar (10) begrüßt. Die Kinder verstanden sich gleich ausgezeichnet. Florian und Caspar gehen hier inzwischen zusammen in eine Klasse. Judith ist jetzt mit Katrin dick befreundet und hilft rührend bei Hausaufgaben und in der Schule. Wir saßen noch eine Weile bei kühlen Getränken und warteten auf das Gepäck, das Florian mit Herrn Wehner auslöste.

    Wir bestiegen zum ersten Mal den Dienst-Mercedes mit unserem netten Fahrer Claude. Über wahre Prachtstraßen – breit, gepflegt, sauber – ging es zur Residenz. Wir kamen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Alles sah gut und fast reich aus! In der Residenz gab es beim Aussteigen einen rührenden Empfang durch unsere beiden Nachtwächter Louis und Matthieu mit großen Blumensträußen, und von unserem nächtlich am Tor sitzenden Polizisten mit selbst gemachtem blauen Bäumchen aus Papier in blauer Camping-Gas-Dose, mit bunten Bonbonpapieren als Blüten. Großes Händeschütteln. Es war schon dunkel, etwa 18 Uhr. Im Haus folgte eine herzliche Begrüßung durch unsere beiden Diener Joseph und Michel und die beiden Gärtner Christoph und Nicolas, die uns auch Blumen überreichten. Alle waren lieb und nett!

    Die große Terrasse mit dem riesigen Mangobaum in der Mitte war beleuchtet. Der Garten sah auch im Dunkeln exotisch aus, das Haus ausgesprochen schön.

    Herr Wehner und Herr Lehmann waren mitgekommen, um uns das Haus von innen zu zeigen. Ein riesiger Salon, 98 qm, ganz hübsch, dazu ein sehr großes Esszimmer, 70 qm. All das sah sehr ordentlich aus. Dann ging es durch die sog. „Privatzimmer. Vom Esszimmer führt ein kleiner Gang dorthin. Dort waren die Löcher in den Moskitogittern an den Fenstern mit alten Socken zugestopft. Schöner Anblick! Das Kinderzimmer war noch so lálá. Aber das Schlafzimmer „seiner Excellenz des Botschafters und seiner Frau Gemahlin war die reinste Sperrmüllhalde!

    Bundeseigene Billigmöbel sind schon für sich schrecklich genug, wenn diese aber dann noch seit 14 oder sogar 24 Jahren in der feuchten Tropenluft stehen, zeigt sich deren billiges Innenleben, nämlich gepresste Sägespäne, in einer besonders schockierenden Weise. In den Schränken sind fast alle Scharniere kaputt, gebrochen oder einfach aus den billigen Brettern gerissen. In den meisten Schlössern stecken abgebrochene Schlüssel. Die Schranktüren waren mit Papperöllchen zugeklemmt, damit die Türen nicht dauernd offen stehen! Ich habe jetzt Tische vor die entsprechenden Türen gestellt. Rückt man die Tische weg, gehen – Sesam öffne dich – beide Schranktüren von selbst auf. Man kommt so an seine Kleidungsstücke, muss aber hinterher nur wieder Tische vor die Türen rücken!

    Die Nachttische und Kommoden sind voller Wasser- und Getränkeflaschen-Flecken, daneben quellen die Sägespäne heraus! Auf den Nachttischen stehen ganz entsetzlich hässliche Funzeln, bei deren Licht kein Mensch auch nur eine Zeile lesen kann. Die Matratzen der Betten sind total verfleckt und verdreckt.

    Man hatte hier wohl damit gerechnet, dass ich die Bettwäsche für vier Personen im Handgepäck mit nach Afrika schleppen würde.

    Die Betten waren daher nicht bezogen, es gab kein einziges Kopfkissen, keine Decke, keine Bettwäsche, kein Handtuch, kein Klopapier(!), und zu allem Schreck von Harro, sogar auch keinen Tropfen Bier im Kühlschrank, nur – immerhin(!) – Wasser! Toller Empfang! Wir hatten doch fest mit der Hilfsbereitschaft der Botschaftsangehörigen und entsprechender Vorbereitung gerechnet, wie wir dies durchaus von Kabul und Kalkutta kannten.

    Aber die Führung durchs Haus ging noch weiter! In unserem Schlafzimmer ging die Klimaanlage nicht, also sollten wir die Nacht im Gästezimmer verbringen. Das sah noch schlimmer als die anderen Zimmer aus! Eigentlich ist es ein schönes Zimmer, mit Tür auf die große Terrasse – aber die Möbel! Die Betten kann man wie eine große Schaukel hin- und her wiegen. Dass ich mit dem meinen nicht noch in dieser Nacht zusammen gekracht bin, erscheint mir heute noch als kleines Wunder; der Schutzengel muss das morsche Gestell kräftig gehalten haben! Die Sitzmöbel hatte wohl irgendein Köter als Klo benutzt, oder einem Gast war es mal schrecklich schlecht geworden! Ekelhaft! Die Schränke: s. oben! Im Bad: der Klositz kaputt! Die Halterung für eine – uns noch nicht zur Verfügung stehende – Klopapierrolle war abgeschraubt und nicht vorhanden. Ein Badezimmerteppich, der in der Inventarliste stolz vermerkt war, fehlte natürlich auch!

    Im Study – ein kleines Büro von 18 qm, neben dem Salon gelegen – konnte uns schon gar nichts mehr erschrecken. Da schließen alle Schubladen des Schreibtisches nicht mehr, die Schlüssel des Schrankes stecken abgebrochen in den Türen, die Schranktüren stehen daher offen.

    Bei näherem Hinschauen zeigte sich, dass offensichtlich auch der große grasgrüne Hongkong-Teppich im Salon, der fast 7 m mal 5 m misst, von einem Köter als Hundeklo benutzt worden war; er sieht entsprechend aus.

    In der Tür vom Esszimmer zur Küche (die ist sehr klein, nur 19 qm) sind die Türschwelle und Teile des Türrahmens von Termiten fast ganz weg gefressen. In den Küchenschubladen herrscht absolute Leere; es findet sich kein Messer, kein anderes Besteckteil, kein Arbeitsgerät, keinerlei Küchengeschirr, keine normal großen Töpfe, noch nicht einmal Plastikschüsseln zum Geschirrspülen oder irgendwelche Putzeimer. Mir war bekannt, dass unser Vor-Vorgänger dies alles seinem Nachfolger dagelassen hatte, und ich hatte mich darauf verlassen, all diesen alltäglichen Küchenkram hier auch noch vorzufinden. Aber absolut gar nichts war mehr da. Alles, absolut alles, war auf wundersame Weise einfach „verschwunden! Niemand war für diesen „Schwund verantwortlich, keiner hatte etwas gesehen, davon gehört oder etwas davon bemerkt!

    Nach all diesem hatte ich eine recht unruhige Nacht, in der ich im Halbschlaf schon wieder Einkaufslisten für den folgenden Morgen, den ersten Tag in Bangui, machte. Irgendwie musste man ja dieses verlotterte Haus wieder in Schwung bringen!

    Der Abend war aber noch nicht beendet. Wir bekamen vom Kanzler, Herrn Wehner, netterweise Bettwäsche, Kopfkissen, Handtücher und Klopapier(!) gebracht. Die Diener machten noch schnell die Betten. Danach mussten wir uns schnell umziehen, und es ging zum Abendessen beim Kanzler, wo wir auch noch die Sekretärin, Frau Beh trafen und Herrn Lehmann, den Registrator. Frau Wehner, eine Ruanderin, war gerade in Ruanda bei ihrer Familie. Es wurde noch recht nett, auch die Kinder waren munter. Draußen zirpten die Zikaden. Es war eine richtige Tropennacht, wie wir sie von nun an immer erleben sollten.

    Die Rückfahrt durch unsere schöne Straße, an der die deutsche Botschaft, die Residenz und auch das Gelände der Schulen der Kinder liegen, die Einfahrt in den Garten mit den Palmen, der Aufgang zum Hauseingang und zur Terrasse mit dem riesigen Mangobaum in der Mitte, das doch recht schöne Haus: all das machte uns doch genügend Mut, dem miesen Innenleben der Räume wacker und mutig ins Auge zu sehen. Je schneller man die Missstände beseitigt, umso weniger lang muss man sich darüber ärgern!

    Die erste Nacht war schlecht, heiß, voller fremder Geräusche. Außerdem freuten sich die Moskitos sichtlich, endlich wieder fette Beute machen zu können. Moskitonetze gab es ja natürlich auch nicht. Die Moskitos fraßen uns alle fast auf. Wir beschmierten uns abwechselnd mit Autan und Systral-Creme und wunderten uns, dass die Biester trotzdem immer noch Stellen bei uns fanden, die ihnen schmeckten.

    Erste Eindrücke, erste Bekanntschaften

    Dienstag, 10. Januar 1984: Um 7 Uhr 30 Dienstantritt für Botschafter Harro Adt!

    Der Wecker klingelte um 6 Uhr – mittlerweile klingelt er aber meist schon um Viertel vor 6 Uhr, da die Kinder sich auch noch für die Schule fertig machen müssen. An diesem Morgen konnten die beiden aber noch länger schlafen, was ihnen gut tat. Mit Harro frühstückte ich auf der Terrasse. Es war sommerlich warm, der Garten einfach herrlich. Die Jacaranda blühte üppig und überall, dazu waren noch andere Bäume in Blüte, deren Namen ich noch nicht kenne. Es ist schön hier!

    Zum ersten Mal sahen wir auch unsere Diener bei Tageslicht. Sie machten einen ausgesprochen netten und freundlichen Eindruck. Claude fuhr den Mercedes vor. Die Fahne der Bundesrepublik wehte schon am Fahnenmast vor dem Haus. Harro wurde mit „Bonjour Excellence begrüßt, das Tor wurde weit aufgerissen, der schwarze Mercedes entschwebte mit dem Botschafter im Fondsitz. Jenseits des Tores bunt gekleidete Zentralafrikaner unter blühenden Bäumen. Einfach irrsinnig alles! Harro plötzlich Botschafter! Komische Idee! „Beim Biss der grünen Mamba schwor ich mir selbst, stets und immer auf dem Boden der Normalität zu bleiben. Es gibt ja nun wirklich nichts Schrecklicheres, als das Bemühen mancher Frauen, sich mit den Titeln und Ehren ihrer Ehemänner zu schmücken!

    Diese glorreichen Überlegungen kamen mir um 7 Uhr 30 am ersten Morgen in Bangui. Auf den Boden der Tatsachen wurde ich aber ganz schnell zurück gebracht, schon allein durch den guten Vorsatz, diesen vergammelten Haushalt so schnell wie irgend möglich in Ordnung zu bringen.

    Mit Nicolas, einem der beiden Gärtner, der an diesem Morgen seinen Dienst tat, machte ich erst einmal einen Rundgang durch den Garten, der riesig ist und hinter einem ordinären Maschendrahtzaun gleich an den Dschungel angrenzt; dort ist absolut undurchdringliches Gewuchere. Der Garten wird durch die beiden Gärtner, die im Schichtdienst arbeiten, sehr gut in Ordnung gehalten. Da sich hier in den Tropen Frühling, Sommer und Herbst kaum unterscheiden, fällt ständig Laub ab. Täglich wird der ganze Garten zweimal mit Palmwedelbesen gefegt und das Laub verbrannt. Auf diese Weise finden die Schlangen keinen Unterschlupf, die im nahen Dschungel zahlreich hausen, und es kommt auch die nötige Unruhe in den Garten, was die Schlangen auch nicht mögen.

    Neben tollsten Blumen und Grünpflanzen, die man in Miniaturausgaben bei deutschen Gärtnern oder auf der eigenen Fensterbank bewundern kann, wie Weihnachtssternen, allen möglichen Schlingpflanzen, Palmen und Kakteen und exotischen Blütenpflanzen, wächst in unserem Garten auch noch allerhand Nahrhaftes, wie Pampelmusen, jede Menge Mangos auf hohen Bäumen, Avocado, Papaya, Ananas, Bananen, Guaven, Limonen. Die ersten Pampelmusen und Papayas werden schon reif, aber im Februar wird es damit erst richtig losgehen. Die Mangobäume blühen jetzt gerade.

    Ich regte dann auch gleich an, einen Gemüsegarten anzulegen. Samen für alles Mögliche hatte ich ja mitgebracht. Schon nachmittags waren die Beete fertig. Sie sahen vorläufig zwar aus wie ein frisch angelegter Friedhof, aber mittlerweile wurden noch einige Kübel voll „Caca des chevaux" (zu Deutsch: Pferdeäpfel) dort vergraben, es wurde eingesät, über allem wurden Dächer aus Palmwedeln gebaut… und die Saat geht auf! Mit dem Gärtner bepflanzte ich dann auch gleich die leer stehende Blumenbank im Salon. Da war es erst 8 Uhr 30 am ersten Morgen!

    Anschließend machte ich eine riesige Einkaufsliste: Putzeimer, Plastikschüsseln, Küchenmesser, Flaschenöffner, Küchengeschirr, Gläser für die Küche, Bürsten, Putzlappen, Putzmittel, etc. etc. Daneben alles, was man zum Kochen braucht, vom Salz bis zum Mehl und Gewürzen etc.; eben alles, alles musste man besorgen, absolut nichts war vorhanden!

    Um 9 Uhr traf ich mich in der Botschaft mit Frau Verbic, die seit zwölf Jahren dort als Sekretärin arbeitet und verheiratet ist mit einem Belgier tschechischer Geburt, Direktor der hiesigen belgischen Bierbrauerei „Mocaf" und Belgischer Honorarkonsul. Herr Verbic hatte das Wunder vollbracht, Harro schnellstens mit hiesigem Geld, Francs CFA, zu versorgen. Mir wurden Berge von Scheinen vorgezählt; ich glaube es waren sechshunderttausend Francs CFA! Da muss man ganz schön aufpassen, um sich mit den vielen Nullen solcher Zahlen nicht zu vertun! Das Ganze muss man dann aber durch 150 teilen, um den DM-Wert zu erhalten. Trotzdem gibt man hier horrende Summen aus, da alles einfach irrwitzig teuer ist. Die billigste Marmelade – in Deutschland für höchstens DM 1,70 zu haben – kostet hier umgerechnet 9,00 DM! Waschmittel 3 kg Omo (in Deutschland DM 8,– bis 9,– ), hier umgerechnet DM 45,– bis 50,– ! Wie gut, dass ich all dieses bei Metro besorgt habe. Im März oder April wird der Umzug ja dann auch hoffentlich wohlbehalten hier ankommen. Bis dahin muss ich noch ein kleines Vermögen für diese alltäglichen Dinge hier ausgeben.

    Mit Frau Verbic ging es dann erst mal zum Einkaufen. Claude fuhr uns und bewachte unsere Einkäufe und den Mercedes vor diebischen Gesellen. Es gibt hier Supermärkte, aber man muss meist in fast allen suchen, bis man schließlich das gefunden hat, was man brauchen kann. Auswahl und Qualität sind gering oder gar nicht vorhanden. So habe ich erst nach drei Tagen zwei Putzeimer gefunden; die gab es einfach nirgends, als ich sie brauchte. Einfaches Küchenbesteck und Küchenmesser fand ich auch erst nach zehn Tagen. Gemahlenen Pfeffer gab es nicht, dafür Pfefferkörner, aber keine Pfeffermühle. Wir sind in der ganzen Stadt herum gedüst; ich habe dabei jedes Geschäft kennen gelernt und dabei auch schon einige Deutsche getroffen, die auch gerade einkauften und mich neugierig beäugten, um sich ein Bild zu machen von „der Neuen". Überall vor den Geschäften standen Verkäufer von Obst und Gemüse. Alle stürmten gleichzeitig auf uns los und hielten uns die Waren vor die Nase. Zähes Handeln war gefragt wie in Kabul und Kalkutta; das machte wieder richtig Spaß!

    Katrin und Florian begleiteten mich übrigens bei dieser Einkaufstour. Die beiden wunderten sich ganz schön! In den Geschäften ging es ja noch, aber dann draußen, mit den sie umringenden Obst- und Gemüseverkäufern, verstanden sie doch die Welt nicht mehr. Dauernd drückte ihnen wieder eine der Händlerinnen mit unverständlichen Worten ein Bund Bananen in die Hand oder Pampelmusen, Zitronen oder Ananas. Ich sollte das natürlich kaufen. Oder es wurde als „Cadeau"(Geschenk) den Kindern in die Hand gedrückt. Das sollte mich natürlich milde stimmen, und ich sollte bei eben diesem Händler kaufen. Tat ich dies nicht, wurde den Kindern schnell das Obst wieder aus den Händen genommen. Die beiden wussten wirklich nicht mehr, wie ihnen geschah. Katrin ließ sich dann auch nach der halben Tour von Claude nach Hause bringen. Der Armen schwirrte es im Kopf; heiß und staubig war es ja außerdem auch. Florian hielt noch tapfer bis zum Ende der Einkaufstour durch, die im großen Markt endete.

    Der Markt ist eigentlich sehr lustig. Bunt gekleidete Frauen verkaufen Obst und Gemüse, das sie kunstvoll vor sich aufgebaut haben. Es sieht alles sehr hübsch aus. Dazu können die Frauen dann so herzhaft lachen, wenn man sie bei irgendwelchen Handelstricks erwischt. Einfach köstlich! Ich gehe fast jeden Tag dorthin. Nur traue ich mich nicht so recht in die hintersten Ecken des Marktes. Man warnt vor Taschendieben. Auch sollte man ohne jedweden Schmuck dorthin gehen.

    Vor dem Markt verkauften Frauen aus dem Tschad sehr hübsche dunkelbraune Tongefäße. Einer Frau habe ich gleich sämtliche großen Blumentöpfe abgekauft. Die zog anschließend befriedigt nach Hause, für den Tag hatte sie genug verdient! In den Töpfen waren um 12 Uhr schon Blumen gepflanzt und zierten Salon und Terrasse!

    Harro kam um 13 Uhr. Michel hatte gut gekocht. Die Esswaren hatte ich mit Katrin schon vorher nach Hause geschickt, damit das Mittagessen vorbereitet werden konnte von Michel. Frau Verbic, Florian und ich waren ganz schön erschlagen nach diesem Marathon durch die Geschäfte und Märkte!

    Nach dem Mittagessen fuhren wir alle zusammen mit Claude zu den verschiedenen Clubs. Inzwischen war auch Caspar Knieper gekommen, der Florian besuchen wollte und gleich noch mit fuhr. Auch Herr Fahrenholz kam mit seiner Tochter Christiane vorbei, um Florian seine Klassenkameradin vorzustellen. Mit Caspar Knieper, der in seiner Art der Zwillingsbruder von Florian sein könnte, versteht sich Florian bestens. Beide stellten nach kürzester Zeit fest, dass sie neben gemeinsamen Interessen – wie Fußball, Schwimmen, Tennis – auch die Desinteressen teilen, wie die Verachtung jedweder roter oder grüner Gemüse oder Speisen, es sei denn in Form von Bonbons oder Ketchup.

    Zuerst waren wir im Tennis-Club, wo wir Frau Knieper trafen, die ich auch schon morgens beim Einkaufen getroffen hatte. Danach fuhren wir zum Reit-Club, dem „Club Hippique". Da waren wir allerdings etwas enttäuscht. Der Club liegt zwar schön am Oubangui; auch die Fahrt dorthin ist schön, immer am Fluss entlang. Aber an den Anblick der Pferde muss man sich erst gewöhnen. Sie sind winzig, sehr mager und einfach nicht das, was man sich in Deutschland so unter einem Reitpferd vorstellt. Für Pferde ist es hier einfach zu heiß. Diese Pferde, alles Hengste, stammen aus dem Sudan oder den nördlichsten Landesteilen. Sie kommen mit den großen Watussi-Rinderherden, die vom Norden und vom Sudan bis Bangui getrieben werden. Die meisten enden wohl wie die Rinder im Schlachthof.

    Die Pferde, die noch einigermaßen lebendig und gesund sind, werden vom Reitclub gekauft. Man gibt sich im Reitclub riesige Mühe mit der Pflege der Tiere. Die Ställe sind sauber und geräumig, aber die Tiere stehen auf dem blanken Betonboden, Einstreu gibt es nicht. Mit dem Futter ist es auch sehr schwierig. Man füttert hartes Schilfgras, Hirse, Mais oder auch den Erdnuss-Presskuchen, der nach dem Auspressen des Erdnuss-Öls als Abfall übrig bleibt. Die Pferde sind meist völlig verwurmt, wenn sie hier ankommen. Auch haben sie oft schlimme Augenkrankheiten oder sind schon blind. Einen Tierarzt für Pferde gibt es im ganzen Land nicht, nur einen für Rinder, und der arbeitet im Landesinneren, eine Tagereise oder mehr entfernt!

    Wir hatten uns doch fest vorgenommen, diesmal nicht lange mit dem Kauf eigener Pferde zu warten! Alle Sättel und alles, was Pferd und Reiter jemals brauchen könnten, kommen ja im Umzug mit. Reitstiefel, Reithosen, Kappen, Gerten hatten wir schon jetzt dabei. Wir waren alle schon ein bisschen enttäuscht! Aber mittlerweile ändert sich unser Eindruck schon. Die Pferde erscheinen mir schon fast normal und gar nicht mehr so mager. Das fiel uns nur in den ersten Tagen auf!

    Vom Reit-Club fuhren wir dann zum „Rock Club. (Hat nichts mit Rock’n Roll zu tun, sondern mit Rock = Felsen!). Im Fluss vor dem „Rock-Hotel, bzw. dem daneben liegenden Club sind große Felsen im Oubangui. Der Club hat vor allem ein großes Schwimmbecken, außerdem gibt es dort Tischtennis, Ballett (macht Katrin mit großer Begeisterung), Bridge, Lesesaal, Filme für Kinder und Erwachsene, Gymnastik, Judo und andere Aktivitäten. Der „Rock-Club" ist der Treffpunkt aller Kinder und Jugendlichen der Ausländer und der einheimischen Oberschicht.

    Auf der großen Terrasse sitzt man unter Mangobäumen (man sitzt hier überall nur unter Mangobäumen!) und hat einen sehr schönen Blick über den Oubangui, der bevölkert ist von sehr geschmeidig durchs Wasser ziehenden und elegant aussehenden Pirogen, das sind Einbäume verschiedener Länge. Am Uferrand sieht man viele Fischer, die mit vereinten Kräften, genau wie in Indien, große Netze an Land ziehen.

    Auf der anderen Uferseite ist schon Zaire; die Grenze verläuft in der Flussmitte. Ein großer mit Busch bewachsener Berghang erhebt sich auf der Zaire-Seite aus dem Fluss. Dort gibt es oft, wie auch hier in der Zentralafrikanischen Republik, riesige Buschbrände, die sich dann wie eine große gefräßige rote Schlange quer über den Berg ziehen, immer wieder besonders hell aufflackernd, wenn ein großer Baum in Flammen aufgeht. Das Ganze spiegelt sich dann im abendlichen Fluss. Über Palmen, dem Fluss und darauf still ihren Weg ziehenden Pirogen steht der Mond. Ein faszinierendes und gleichzeitig schönes wie auch erschreckendes Bild.

    Die Buschfeuer werden übrigens fast ausschließlich von Menschen gelegt, aus verschiedenen Gründen. Vor allem wird auf diese Weise gejagt. Antilopen,

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