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Die Erfindung der Götter Band 2
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eBook533 Seiten7 Stunden

Die Erfindung der Götter Band 2

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Über dieses E-Book

Basierend auf jüngsten natur- und kulturwissenschaftlichen Erkenntnissen legt der Autor eine ideologie-kritische Untersuchung und Revision der herrschenden Lehre unserer »Ur-Geschichte« und der Entwicklung des »Glaubens« vor: »Die Erfindung der Götter« männlichen Geschlechts beginnt erst im Neolithikum, vor etwa 10.000 Jahren, d.h. im letzten Zehntel unserer Kulturgeschichte, die vor 100.000 Jahren mit der Totenbestattung ihren Anfang nahm. Es geht darum, die sozialen Verhältnisse jener Zeit zu begreifen; denn sie bilden die Voraussetzung für die Erfindung von Götter – Familien und für die Entwicklung und Durchsetzung einer mythologisch verfaßten Politischen Theologie, die das angebliche Wollen und Wirken, die Macht und die Herrschaft der von den Priester-Königen erfundenen Gottheiten beschreibt und Gehorsam einfordert. Die sozialen Verhältnisse werden jeweils auf den Himmel projiziert: Im Paläolithikum wurde das All repräsentiert durch eine selbstentstandene UR-GÖTTIN. wie dies sogar noch die griechische GAIA war. Erst im Neolithikum erscheint in der Heiligen Hochzeit neben dieser UR-MUTTER der männliche Fruchtbarkeits – Gott, der anfangs nur als ihr Sohn gedacht und mythographiert werden kann: Eine Mutter-Sohn-Theologie folgt auf die als mono-genetisch vorgestellte Grosse Mutter. Wie ihr SOHN als »Stier seiner Mutter« allmählich aufsteigt zum Vegetations- Regen-, Donner-, Sonnen- und Himmels-Gott, bis er schließlich als omnipotenter GOTT-VATER den Thron der »Mutter aller Götter« besteigt und, ohne die Göttin, sogar allein zeugt, ist das Thema des Buches. Es widerlegt das patriarchale Wunschdenken, und die Irrlehre einer dadurch kontaminierten Kulturwissenschaft, es habe »von Natur aus« »schon immer« einen dominanten UR-VATER gegeben, »auf Erden wie im Himmel«.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum23. Okt. 2014
ISBN9783735752680
Die Erfindung der Götter Band 2
Autor

Gerhard Bott

Gerhard Bott war nach dem Studium der Gesellschafts- Rechts- und Staatswissenschaften (Dr. jur. 1959) von 1966 bis 1993 Autor und leitender Redakteur beim NDR-Fernsehen, Redaktionschef von PANORAMA und Sachbuchautor. Als ARD-Sonderkorrespondent hat er sich mit über 30 Dokumentarfilmen für Aufklärung eingesetzt und Denkanstöße gegeben u.a. mit "Erziehung zum Ungehorsam" (1969), "Konzerne, die die Welt regieren" (1974), "Das Ende der Atomindustrie" (1990). Seit 1993 Intensivierung kulturwissenschaftlicher Forschung auf den Fachgebieten Religionssoziologie und Herrschaftstheologie mit vor- und frühgeschichtlichem Schwerpunkt. http://www.gerhardbott.de/

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    Buchvorschau

    Die Erfindung der Götter Band 2 - Gerhard Bott

    CORRIGENDA

    VORWORT

    Im März 2009 ist mein Buch erschienen: Die Erfindung der Götter

    Essays zur Politischen Theologie

    Um den Umfang des Buches nicht über 600 Seiten anwachsen zu lassen, habe ich seinerzeit auf manche das Thema vertiefende Anmerkungen verzichtet.

    Weitere Essays, Glossen und Erläuterungen, von denen ich einige erst nach der Veröffentlichung des Buches verfasst und im Januar 2011 auf meiner homepage »gerharbott.de« und »historische-religionskritik.de« veröffentlicht habe, sind der Inhalt dieser Printausgabe. Die Texte betrachte ich als Nachträge zum Buch, das sie ergänzen, nicht ersetzen. Alle Literaturangaben beziehen sich auf das Literaturverzeichnis des Hauptbandes (S. 562 bis 593). Angaben mit * verweisen auf das 2009 als Print-Titel veröffentlichte Buch. Dessen Tenor:

    Mit dem HERR-Gott steht und fällt das Patriarchat.

    Die Religion des VATER-Gottes erweist sich sozio- und psycho- historisch als Erfindung einer Politischen Theologie, die Herrschaft mit Heil verband und als gottgewollt unters Volk brachte.

    (1) Jede Abhandlung, die ein kulturgeschichtlich so bedeutsames Thema wie »Die Erfindung der Götter« zum Gegenstand nimmt, muss, wenn sie wissenschaftlich ernst genommen werden will, die grundsätzliche Frage klären, zu welchem historischen Zeitpunkt und unter welchen sozio-ökonomischen Bedingungen die Menschen ihre Vorstellungen von weiblichen oder von männlichen Gottheiten entwikkeln konnten und entwickelten.

    Da die Vorstellung eines Schöpfer-Gottes männlichen Geschlechts nicht denkbar ist ohne HERR-Schaft, mithin ohne eine patriarchale Sozialordnung, setzt die Untersuchung des historischen Prozesses der Götter-Erfindung soziologisch eine eingehende Patriarchatsforschung voraus: Es geht um die Klärung der Frage, wann patriarchale Sozialverbände historisch erstmals auftraten und damit zugleich nach dem Ursprung der Herrschaft.

    (2) Kulturhistorisch sind es die Rinder-Nomaden bzw. Rinder-Bauern des Neolithikums, denen es – spätestens im Chalkolithikum, auch Äneolithikum genannterstmals gelang, dem männlichen Erzeuger als »Vater« eine soziale Bedeutung zu verschaffen. Voraussetzung dafür war die Ersetzung der urgeschichtlichen, paläolithischen, Bluts-Familie durch die eheliche Paarungs-Familie, die ihrerseits wiederum die Privatisierung des urgeschichtlichen, also vor-neolithischen, Gemeinschafts-Eigentums voraussetzt, und das bedeutet die Institutionalisierung eines individuellen Privat-Eigentums.

    (3) Die Institutionalisierung der ehelichen Paarungs-Familie als Wirtschaftsgemeinschaft mit Privateigentum geht ferner einher mit der Einrichtung einer auf gesellschaftlicher Arbeitsteilung beruhenden hierarchischen Klassengesellschaft, in der es Herren und Knechte, also Herrschaft, gibt.

    4) Erst wenn es den Männern gelungen ist, auf Erden die EHE und die Paarungsfamilie mit der ihr eigenen Dominanz des Vaters in der Sozialordnung durchzusetzen, kann auch ein VATER-GOTT als Schöpfergott in den Himmel projiziert werden.

    (5) In erster Linie geht es mir darum, Interpretationen und Theorien, die über paläolithische Sozialverbände und über die sehr unterschiedlichen sozialen Entwicklungen in den, von mir unterschiedenen und beschriebenen, vier Modi des Neolithikums veröffentlicht worden sind, zu falsifizieren, d.h. ihre Unhaltbarkeit aufzudecken und nachzuweisen.

    Damit ist dann Raum geschaffen für andere Interpretationen, und die daraus folgende Notwendigkeit, neue Theorien vorzulegen, und zwar solche, die nicht - wie die herrschende Lehre- mit den archäologischen und sonstigen historischen und interdisziplinären Befunden in Widerspruch stehen, sondern mit ihnen überein stimmen. Dies setzt vor allem für die Anthropologie und Ethnologie auch eine Abwendung vom sogen. »Strukturalismus« voraus, der immer ein geschichtsfeindliches Denken bemäntelt. Ohne realitätsbezogene sozio- und psycho-historische Analysen kann das auf dem Boden einer kritischen Theorie sich entfaltende Denken nicht zur Erkenntnis kultureller Entwicklungen vordringen.

    (6) Auf dieser Grundlage und gestützt auf die Erkenntnisse der Natur- und Kultur-Wissenschaften habe ich mich bemüht, mithilfe der Logik, eine Theorie zu entwickeln, die in sich widerspruchsfrei ist und einen hohen Erklärungswert des thematisierten Phänomens bietet.

    Es ist naiv, zu denken, dass schriftliche Quellen der Vergangenheit, wie z.B. die niedergeschriebenen Mythen, uns in jedem Fale die historische Realität zeigen würden, oder etwa, »was die Menschen damals gedacht und geglaubt haben«.

    Mich lassen – im Gegensatz zu den VertreterINNEN einer idealistischen Geschichtsauffassung – die schriftlich verfassten und tradierten Mythen zunächst nur erkennen, was die damaligen Mythographen ihre Untertanen glauben machen wollten. Jene Schriftgelehrten mögen an Vorstellungen des »Volksglaubens« angeknüpft haben, schrieben aber das nieder, was im Interesse der Herrschaft von den Herrschern und ihren Tempeln als Politische Theologie verkündigt, d.h. propagiert werden sollte. Auch Dichter haben sich immer wieder in den Dienst der Herrschaftspropaganda gestellt.

    Es ist offensichtlich, dass ein Glaube, wie der an die sumerische »Göttin des Himmels und der Erde«, INANNA, oder, in der Zeit davor, an die »Mutter Erde«, die »in den Natur-Religionen bäuerlicher Kulturen als mütterlich gedachte Erd-Gottheit im Mittelpunkt steht« (so lexikalische Hinweise), sich nur durch gezielte, kulturelle Einflussnahme in der Weise ändert, dass die Göttin durch Götter ersetzt wird, zu deren Untertanin sie degradiert wird.

    (7) Seit der Institutionalisierung von Herrschaft wissen die Herren aus Erfahrung, wie wirkungsvoll es ist, ihre Untertanen mit der Idee von dem »EINEN«, dem »ALLMÄCHTIGEN« und dem »königlichen HERRN« zu indoktrinieren; denn diese hierarchische GOTT-VATER- Religion erweist sich als die ideale Untertanenund Sklaven-Religion.

    Die durch Unterdrückung verängstigten und in Angst gehaltenen menschlichen Herden-Tiere hält der HERR als »GUTER HIRTE« in Abhängigkeit, um sie für sich arbeiten zu lassen und um sie zu melken.

    Nur Sklaven und Untertanen beten ihren HERRN an. Ein Freier Mann ist »sein eigener Herr«, eine Freie Frau ihre eigene »Herrin«, wie »man« zu sagen pflegte.

    Der Terminus HERR/HERRIN ist indessen irreführend, weil Autonomie nichts mit Herrschaft zu tun hat.

    Gerhard Bott

    Januar 2011

    »VENUS VOM HOHLE FELS«

    Ahnungslosigkeit der Archäologen

    Wenn der Archäologe und Ausgräber dieser 40.000 Jahre alten »Venus vom Hohle Fels«, Nicholas Conard von der Universität Tübingen, zwar nicht ausschliessen mag, dass es sich vielleicht um ein »Fruchtbarkeitssymbol« handeln könnte, sich aber sonst an Interpretationen nicht »heranwagt«, weil er betont:

    »Ich war nicht da vor 40.000 Jahren, und unterm Strich habe ich keine Ahnung« (so SPIEGEL ON-LINE 13.5.2009), so kann der Ahnungslosigkeit des Archäologen abgeholfen werden mit folgenden kulturwissenschaftlichen Erkenntnissen und Argumenten:

    (1) Mit der Bezeichnung als »VENUS« wird ja -und dies zutreffend- eingeräumt, dass es sich bei der Elfenbeinskulptur zumindest um eine GÖTTIN handelt; denn die römische Venus war eine Göttin.

    (2) Weniger ideologisch wäre es allerdings, nicht – wie leider üblich- von »Venus« und »Venus-Figurinen« zu sprechen, sondern stattdessen von »GAIA«. (vgl. Gerhard Bott: Die Erfindung der Götter, S. 388). »GAIA vom Hohle Fels« würde das, was wir vor uns haben, sehr viel genauer beschreiben: Die »Theogonie« des HESIOD belehrt uns, dass noch das kulturelle Gedächtnis der Griechen zur Zeit der Dorer die archaische Erinnerung bewahrt hatte an eine »BREITBRÜSTIGE UR-MUTTER«, deren ursprüngliche Fruchtbarkeit sich die Menschen in archaischer Zeit als unabhängig von der Sexualität vorgestellt hatten, weil ihnen der Zusammenhang von Fruchtbarkeit und Sexualität noch nicht bekannt war:

    Die Ur-Göttin GAIA gebar ihren Sohn URANOS aus sich selbst, ohne Sexualität; denn es gab nur SIE. Uranos hat keinen Vater, wie die Göttin selbst auch nicht. Ihr wurde Aseität zugeschrieben, d.h. Gaia war eine SELBSTENTSTANDENE. Diese UR- MUTTER allen Lebens wird dann in der Folgezeit der Antike nicht nur als Mutter ihres Sohn-Gatten Uranos, sondern als »MUTTER ALLER GÖTTER« betrachtet und verehrt. All dies ist nachzulesen bei Hesiod und sollte jedem Kulturwissenschaftler bekannt sein.

    (3) Mit der GÖTTIN vom Hohle Fels haben wir nunmehr einen archäologischen Beleg dafür, dass die ältesten -bisher gefundenen- künstlerischen Artefakte nicht nur Tier-Skulpturen sind (wie bisher angenommen), sondern dass bereits vor 40.000 Jahren, also zur Zeit des paläolithischen Aurignacien, als homo sapiens-Populationen von Westasien nach Europa einwanderten, die Skulptur einer »Venus«, also einer GÖTTIN, hergestellt worden war.

    Für jeden kulturwissenschaftlich gebildeten Prähistoriker ist unübersehbar, dass die Göttin vom Hohle Fels bereits ein Symbol der BREITBRÜSTIGEN, NÄHRENDEN, GEBÄRENDEN und REGENERIERENDEN UR-MUTTER aller Lebewesen, d.h. der Menschen sowohl wie der Tiere und beider Nahrung, ist. Das zeigen sowohl die -auch in späteren Zeiten immer wiederkehrenden- überdimensionierten Brüste, wie die, das Lebende gebärende, Vulva, und der betonte (geschwollene) Mutterleib, auf den z.B. die in der Kulthöhle von Laussel verehrte (ca. 28.000 Jahre alte) Göttin demonstrativ ihre linke Hand legt.

    Von besonderer Bedeutung ist auch der betonte BAUCH-NABEL, dieses archaische »Mutter-MAL«, das jeden Menschen kennzeichnet als unübersehbares Merkmal der »Entbindung« und »Mutter-Bindung«, der Matrilinearität seiner Herkunft. Dieser Bauchnabel wird uns auch später immer wieder begegnen (z.B. Willemdorf, Catal Höyük etc.).

    (4) Die Hervorhebung dieser nährenden und regenerierenden Merkmale der Ur- Mutter alles Lebendigen, ohne dass individuellen Gesichtszügen eine Bedeutung beigemessen wird (abgesehen von der ca. 30.000 Jahre alten »Venus von Brassempouy) lässt uns erkennen, dass schon diese Skulptur ein über-personales PRINZIP verkörperte; es ging um die Gewährung und Wahrung jener Nahrung spendenden FRUCHTBARKEIT DER ERDE, sowie um FÜRSORGE.

    Soziologisch und sozio-historisch ist davon auszugehen, dass die Frauen der paläolithischen Wildbeuter-Genossenschaften von der Göttin keinen »Kinder- Segen« erbaten, wie oft fälschlich unterstellt wird. Kinder-Reichtum und Kindersegen sind Denkkategorien der Sesshaften im Neolithikum. Für Wildbeuter wären viele Kinder eine Last gewesen, und es gab sie auch nicht;; dafür hatte die Natur gesorgt, denn die Zwischengeburtszeiten betrugen vier Jahre. (vgl. »Die Erfindung der Götter«). Den Paläolithikern ging es also allein um die Fruchtbarkeit der NATUR, der ERDE, die den Menschen ihre Nahrung spendet; schließlich ist die Göttin nicht nur die Ur-Mutter der Vegetation, sondern auch der Tiere, die der ergänzenden Ernährung der Menschen dienten.

    Psychoanalytisch und psycho-historisch ist davon auszugehen, dass jene adorierte UR-MUTTER auch das Bedürfnis der Menschen nach FÜRSORGE und SCHUTZ stillte: Die Mutter, die dem Kind (sei es Mädchen oder Junge) das Leben gegeben, es mindestens drei Jahre lang genährt und an ihrem Körper vor Gefahren behütet und Schutz gegeben hatte, wird im Seelenleben der Menschen zu einer natürlichen Übermacht, einer Grossen Mutter, die sie und alles Lebendige erschaffen hat.

    Auf das idealisiert-übersteigerte Erinnerungsbild der Mutter aus der Kindheit greifen also die Menschen auch als Erwachsene zurück und erheben sie zur Gottheit, ebenso wie sie es in späterer, in patriarchalischer Zeit des Neolithikums, mit dem Vater machen werden.

    vgl. hierzu ferner:

    Wo ist der Phallus des Urvaters?;

    Robert Trivers vergebliche Suche nach dem Urvater;

    Die Anti-Gimbutas-Kampagne: Der Kampf gegen die Göttin;

    »Sex für Beute«? Denkfehler im Max Planck-Institut Leipzig;

    Der URVATER-GOTT: Freuds patriarchalische Gottes-Definition für die Urgeschichte;

    Zum »Darwin Code« von Thomas Junker: Evolutionsbiologie

    Wo ist der PHALLUS des UR-VATERS?

    Zum »PHALLUS »- Fund des Archäologen Michael BOLUS

    In der PRINT-AUSGABE des SPIEGEL vom 18. 5. 2009 mit dem albernen Titel »TRAUMFRAU«, (so wird von der »Wissenschaftsredaktion« die »VENUS vom HOHLE FELS« in der Schwäbischen Alb bezeichnet), wird unvermittelt das Alter »des ältesten jemals gefundenen PHALLUS« plötzlich nochmals um 10.000 Jahre in die Vergangenheit verlegt und mit 36.000 Jahren angegeben, obwohl dieser ominöse Fund in Spiegel online vom 25.7.2005 mit 26.000 v. Chr. datiert wird.

    Zutreffend wird in diesem Spiegelartikel darauf hingewiesen, dass jener (fehlerhaft datierte) »WERKZEUG-PHALLUS« der Schwäbischen Alb bisher »der einzige Phallus aus dem Paläolithikum« ist.

    MERKE: Sonst keine Spur eines Phallus im Paläolithikum !

    Die Deutung des Tübinger Archäologen Michael BOLUS ist, dass jenes STEINWERKZEUG »eindeutig als Phallus interpretiert« werden könne. Diese Interpretation ist aber aus folgenden Gründen in Zweifel zu ziehen: Die Tatsache, dass es sich bei dem Stein-Stab, der hier zum Phallus aufgewertet werden soll, um ein Gebrauchs-Werkzeug handelt, wischt der Archäologe mit der Begründung vom Tisch, dass ja die meisten künstlerischen Artefakte zugleich als Werkzeuge genutzt worden wären. Ein unzutreffendes Argument: Denn unübersehbar und bemerkenswert ist die Tatsache, dass die sakralen Artefakte der »breitbrüstigen nährenden Mutter-Göttin« eben niemals zugleich als Werkzeuge benutzt worden sind, wie auch die »VENUS vom Hohle Fels« von 35.000 v. Chr. wiederum eindeutig erkennen lässt. Die gesamte Ideologie der »Phalliker«, denen es unerträglich ist, dass während des gesamten Paläolithikums kein eindeutiges Phallus-Symbl in Erscheinung tritt, hängt also an diesem einen und einzigen STAB, der ein Werkzeug war.

    Aber selbst dann, wenn man der Interpretation folgen würde, dass jenes paläolithische Werkzeug als Phallus interpretiert werden könne, folgt daraus nicht, dass jener Phallus ein sakrales Fruchtbarkeits-Symbol gewesen wäre.

    Sollte es sich also bei dem, einem Phallus ähnlichen, »WERKZEUG«, das ja aus Bruchstücken von den Archäologen zusammengesetzt wurde, tatsächlich um ein PHALLUS- SYMBOL handeln, so würde dies kulturwissenschaftlich exakt allenfalls als Sexual- Symbol anzusehen sein, nicht aber als geheiligtes Symbol der Fruchtbarkeit. Es ist logisch, dass vor der Erkenntnis des Fruchtbarkeits-Aspektes des menschlichen Sexualakts und der damit verbundenen Heiligung der menschlichen Sexualität, also vor 8.500 v. Chr., auch der Phallus nicht als Symbol der Fruchtbarkeit wahrgenommen werden konnte. (vgl. hierzu im einzelnen * Kapitel IX., S. 151 ff.)

    Auch die von K. Schmidt in Göbekli Tepe gefundenen neolithischen Phalloi oder Protome stammen ja, wie von ihm selbst angegeben, alle aus der Zeit nach 8.500 v. Chr. (vgl. hierzu meinen * Anmerkungs-Essay 17, S. 358).: Zwar möchte Schmidt gern in einer von ihm abgebildeten Kleinskulptur (S. 159) einen Phallus sehen, aber dabei handelt es sich um eine willkürliche Interpretation, um Wunschdenken. Die einzige eindeutige Phallus-Darstellung, die Schmidt vorzuweisen hat, ist die Protome (S.99), und diese stammt eben nicht aus dem Heiligtum selbst und zudem erst aus dem 8. Jahrtausend v.Chr., wie ich in meiner Kritik dargelegt habe, wobei ich von Schmidts eigenen, im Text aufzufindenden Daten ausgegangen bin.

    Hinzu gefügt sei noch, dass Mellaart in Catal Höyük keine unzweifelhaften Phallus-Symbole vorfand (S. 107), sondern dass diese erst ein Jahrtausend später, und nur vereinzelt, archäologisch nachweisbar sind: In seinem zweiten Buch von 1975 (Neolithic) führt er im Register nur v i e r Fundstellen für »Phallus« an, welche sind:

    5.800 v. Chr. in TEPE GÜRAN (aaO. S. 87).

    5.800 v. Chr. in SARAB (aaO. S. 89). (aaO. S. 151)

    5.500 v. Chr. in TELL-es SAWWAN (aaO. S.151).

    5.000 v. Chr. in der HALAF-Kultur (Phallus-Amulette) (aaO. S. 167).

    Diese neolithischen Phallus-Symbole treten zudem nie für sich allein auf, sondern immer in Verbindung mit Statuetten der Göttin. Solche weiblichen Kultstatuetten und deren Abbildungen sind, wie schon Mellaarts Register zeigt (aaO. S. 298), so zahlreich, dass eine Einzelerwähnung hier unterbleiben kann. Es wäre wünschenswert, wenn auch ein Archäologe vom DAI dieses Buch eimal rezipieren würde, bevor er Aussagen zu Fragen der Kulturwissenschaft macht.

    Das Bedürfnis der »Phalliker«, um jeden Preis einen paläolithischen Phallus vorzuweisen, führt sie zu abenteuerlichen Verrenkungen: Der spanische Prähistoriker Moure Romanillo transformiert in seiner Not deshalb die berühmte stabartigabstrakte »Venus von Dolni Vestonice«, gekennzeichnet durch Brüste im oberen Drittel des Stabes und allgemein als abstrakte Darstellung der Göttin aus dem Paläolithikum angesehen, als Phallus, indem er die Brüste in seiner Not zu Hoden umdeutet. (vgl. * S.156).

    vgl. *Kapitel IX: Die Heiligung der Sexualität im Neolithikum (S. 151 ff.)

    und in diesem Band:

    Robert Trivers‘ vergebliche Suche nach dem Urvater

    Reflexionen zur Fruchtbarkeits-Symbolik …

    Die vergebliche Suche des Biologen Robert Trivers nach dem Urvater

    Thomas Junker macht sich (in seinem Buch »Der Darwin Code«) folgende Auffassung des Evolutionsbiologen Robert TRIVERS zueigen:

    Die körperliche Schönheit der Frauen spräche dafür, dass die Männer sexuell wählerisch seien.

    Dieses wählerische Verhalten mache aber nur dann Sinn, wenn die Männer auch ein »Investment für den eigenen Nachwuchs leisteten«.

    Mit dem ersten Satz bin ich einverstanden; an der daraus gezogenen Schlussfolgerung des zweiten Satzes, an dem Junktim, habe ich erhebliche Zweifel: Womit begründet Robert Trivers seine Annahme, dass Männer nur dann sexuell wählerisch sein können, wenn sie dadurch zugleich ein »väterliches Investment« leisten?

    Ich habe Darwins Lehre von der sexuellen Selektion (»Zuchtwahl«) - zustimmend – wie folgt verstanden:

    Eine paläolithische Frau hat durch ihre, auf Männer wirkende, erhöhte sexuelle Attraktivität (beruhe diese auf Chemotaxis oder männlicher erotischer Präferenz) einen natürlichen Selektionsvorteil für ihre Gene, weil sie durch »Schönheit«, verstanden als sexuelle Attraktivität, ihre Chancen erhöht, auf viele Männer zu wirken und somit jedes ihrer vier Kinder von einem anderen Erzeuger zu empfangen, wodurch sich wiederum die Fitness ihrer Nachkommenschaft insgesamt und damit die Selektion ihrer Gene erhöht. Weibliche Attraktivität wird also selektiert, und zwar unabhängig davon, ob sich ein bestimmter ihrer Sexualpartner auch speziell um ihren Nachwuchs kümmert. Ein Mann mag vielleicht den Wunsch haben, eine besonders attraktive Frau für sich sexuell zu monopolisieren, kann aber diesem Wunsch angesichts der »female choice« und der gegebenen sozialen Verhältnisse keinen Nachdruck durch Zwang verleihen. »Investitionen in seinen eigenen Nachwuchs« sind also angesichts der Organisation paläolithischer Sozialverbände ohne Bedeutung. Sexuelle Attraktivität wird auch ohne dies selektiert. Mit seinem Junktim, so denke ich, hat Robert Trivers (ähnlich wie Lovejoy oder Wrangham) eine weitere Irrlehre etabliert.

    Welche Belege führt Trivers für seine windige These an, dass ein homo sapiens-Mann nur dann auf die besondere sexuelle Attraktivität einer Frau reagieren würde, wenn er zugleich sicher sein könne und sicher sei, ein »väterliches Investment« für seinen eigenen Nachwuchs zu leisten?

    Implizit behauptet Trivers damit ja, dass ein homo sapiens-Mann, dem die biologische Tatsache der physiologischen Vaterschaft unbekannt ist, auch unfähig wäre, sexuelle Präferenzen zu entwickeln. Die Entwicklung erotischer Vorlieben abhängig zu machen von der Erkenntnis und dem Bewusstsein der eigenen Vaterschaft, erscheint mir unlogisch und angesichts ethnologischer Befunde zudem unhaltbar.

    Ich frage deshalb: Welche Argumente führt Trivers dafür an, dass ein homo sapiens-Mann, der keine Kenntnis der Tatsache biologischer Vaterschaft hat (wie z.B. noch die von Malinowski beschriebenen Trobriander) unfähig sei, sexuelle Präferenzen zu entwickeln, also sexuell wählerisch zu sein?

    Ferner ist ja erwiesen, dass das (oft in seiner Bedeutung verkannte) Avunkulat dem Gen-Egoismus eines Mannes ebenso, ja sogar verlässlicher, dient als die – unerkannte bzw. ungewisse – biologische Erzeugerschaft: Auch die Männer der in China lebenden Ethnie der MOSUO sind durchaus wählerisch und haben sexuelle Präferenzen, und doch macht keiner von ihnen ein »väterliches Investment«, sondern investiert seine genetischen Interessen (oder Instinkte) in die Abkömmlinge seiner Schwester (wie bei den Trobriandern).

    Schon naturwissenschaftlich macht also Trivers‘ Junktim keinen Sinn; kulturwissenschaftliche Befunde widerlegen seine Annahme darüber hinaus.

    Unter diesen Umständen trifft Trivers also eine ganz besondere Beweislast, und ich habe bisher nicht gesehen, dass er dieser Beweislast genügt hätte. Wenn Thomas Junker schreibt, dass »sexuelle Attraktivität« durch »ästhetische Präsentation« entsteht (S. 162), dann ist auch ihm die Frage zu stellen:

    Warum sollte ein Mann, der zwischen den Avancen mehrerer, mit einander durch sexuelle Attraktivität konkurrierender, Frauen wählen kann, diese Wahlmöglichkeit nur ausüben, wenn er ein »VÄTERLICHES INVESTMENT« macht?

    Warum genügt nicht sein »angeborenes Verlangen nach Schönheit«, von dem Thomas Junker ausgeht?

    Den evulutions-biologischen Befund, dass paläolithische Männer attraktive Frauen sexuell bevorzugten, so dass deren Gene und damit weibliche Schönheit selektiert wurde, erkenne ich an. Daraus allerdings den Schluss zu ziehen, dieser Befund beweise, dass eine solche sexuelle Zuchtwahl vonseiten der Männer notwendig mit einem »väterlichen Investment« verbunden sei und ohne ein solches nicht denkbar wäre, ist ja offensichtlich ein logischer Trugschluss. Es wundert mich, dass Thomas Junker nicht erkannt hat, dass Trivers hier einem Irrtum erlegen ist.

    Ich kann zwischen einem wählerischen Sexual-Verhalten und einem väterlichen Investment keinen logischen Zusammenhang erkennen.

    Zu diesem Themenkreis vgl. ferner die Anmerkungen * S. 273 ff. und S. 294 ff. zu de Waal et al.: »Tree of Origin« und Lovejoy: »The Origin of Man«, sowie in diesem Band:

    Zum Darwin Code;

    Wo ist der PHALLUS des UR-VATERS?

    Kommentar zu »Das Rätsel der Menschwerdung«.

    Die Entstehung des Menschen im Wechselspiel der Natur (J.H. REICHHOLF) dtv-Wissen, 8. Aufl. 2010

    Trotz einer Reihe zutreffender Erkenntnisse ist das im Jahre 1989 geschriebene Buch in wesentlichen Teilen überholt; denn die verarbeitete wissenschaftliche Literatur endet im Jahre 1993 (vgl. S. 286 f.), wie der Autor in seiner »Einführung zur Neuauflage 2004 »(S. 273 ff.) einräumt.

    Richtig bleiben die Grunderkenntnisse, dass der »homo sapiens«, wie heute unsere Art genannt wird (nicht mehr »homo sapiens sapiens«), in Afrika entstanden ist, ebenso wie die Vorgänger-Arten »homo erectus«, »homo habilis« und die Australopithecinen.

    Richtig ist auch, dass die Australopithecinen den aufrechten Gang lange vor dem Hirnwachstum der »homo«-Gattungen entwickelt hatten.

    Zutreffend ist, dass der Neanderthaler (heute »homo neanderthalensis« und nicht mehr »homo sapiens neanderthalensis« genannt) kein Vorfahr des homo sapiens ist und dass es weder im Genom des homo sapiens, noch im Genom der Neanderthaler einen sicheren Beleg für Gen-Mischung der beiden Arten gibt.

    Richtig ist, dass unsere Art »homo sapiens«, wie auch seine Vorfahren, sich vorwiegend vegetarisch vom Sammelgut und nicht von der Jagdbeute ernährten. Anders ist dies bei den Neanderthalern, die ihre Ernährung stärker der Jagd verdankten, etwa so wie die Esquimos. (die sich ja zur Hälfte, oder mehr, von tierischen Proteinen ernähren).

    Zutreffend ist ferner, dass schon die Gruppen des »homo habilis« aus 50 Individuen und damit 25 Erwachsenen bestanden (so S. 137), also ähnlich gross waren, wie bei den Bonobos. Dass mit der Hirnvergrösserung auch die Gruppengrössen zunahmen (wie Aiello/Dunbar evolutionsbiologisch nachgewiesen haben) war dem Autor noch unbekannt.

    Richtig ist, dass die Zwichengeburtszeiten der sapiens-Frau 4 Jahre betrugen (S. 154), dass das »Neotonie«-Argument verfehlt ist, (S. 158) und dass die sapiens-Frauen ihre Geburtsschwierigkeiten durch gegenseitige Hilfe, durch HEBAMMEN, überwanden. (S. 159).

    Unzutreffend, weil durch neuere Forschungen überholt, sind vor allem folgende Angaben des Zoologen und Evolutionsbiologen Reichholf:

    (1) Die Emigration des »homo erectus« aus Afrika, zuerst nach Asien und dann auch Europa, fand nicht erst vor 1 Million Jahren statt, sondern bereits vor 1,8 Millionen Jahren hatte der »erectus« Zentralasien erreicht und vor knapp 1 Million Jahren auch Europa. Die Immigration des »homo erectus ANTECESOR« nach Europa ist durch Funde spanischer Paläoanthropologen in Atapuerca (Gran Dolina) auf mindestens 800.000 Jahre datiert worden.

    (2) Die heute übliche Differenzierung zwischen dem »homo erectus »und dessen Nachfahren, dem »homo heidelbergensis«, fehlt noch vollständig. Jener »homo heidelbergensis«, der sich in Afrika vor etwa 1 Million Jahren aus dem »homo erectus« entwickelte und es zu einem Hirnvolumen von 1000 ccm zu 1.200 ccm brachte, war jene »erectus«-Art, die als zweite Emigrationswelle Afrika verliess, und zwar vor mehr als 600.000 Jahren. Diese fortentwickelte homo erectus-Art war es, die sowohl die Vorfahren des Neanderthalers als auch des homo sapiens sind.

    Ab 500.000 hinterlässt der »heidelbergensis« fossile Spuren überall in Europa, und die Funde dieses Typs in Sima de los Huesos (Atapuerca) zeigen, dass die heidelbergenses vor 300.000 Jahren auch Spanien erreicht hatten. Es sind diese Populationen des europäischen heidelbergensis, die die unmittelbaren Vorfahren der Neanderthaler sind, wie heute anthropologisch feststeht. Nicht die Neanderthaler selbst wanderten von Afrika nach Europa, sondern deren Vorfahren. Der Neanderthaler entstand vor rd. 200.000 Jahren in Europa.

    (3) Aus den in Afrika verbliebenen Angehörigen der Art »heidelbergensis« wird sich der »anatomisch moderne Mensch«, der »homo sapiens«, entwickeln, und zwar ebenfalls vor etwa 200.000 Jahren, also etwa zur gleichen Zeit, zu der sich in Europa der Neanderthaler aus dem europäischen »heidelbergensis« entwickelt.

    (4) In Bezug auf das Hirnvolumen, das ja bei den Neanderthalern grösser ist als bei den homines sapientes, übersieht Reichholf, dass die absolute Hirngrösse, mit welcher der wesentlich robustere und schwergewichtige Neanderthaler ausgestattet war, nicht den Schluss auf höhere Intelligenz zulässt, weil der homo sapiens den Neanderthaler mit seinem »Enzephallisations-Quotienten »übertrifft. D.h.: Selbst dann, wenn man von den Dendriten etc. absieht, ist das relative, auf das Körpergewicht bezogene, Hirnvolumen des Neanderthalers geringer als das des homo sapiens.

    (5) Völlig unzulänglich ist das Kapitel 17 »FEUER«. Obwohl es wortreich bis zur Geschwätzigkeit ist, fehlt die so wichtige Unterscheidung zwischen der »Nutzung« des Feuers (die nach dem bisherigen Kenntnisstand schon dem homo erectus zuweilen gelang) und der »Kontrolle« des Feuers; d.h. Feuer nach eigenem Belieben jederzeit entfachen zu können. Letzteres gelang nach dem bisherigen Kenntnisstand erst dem »heidelbergensis«, und zwar vor etwa 400.000 Jahren.

    (6) Überholt ist die Angabe, dass der homo sapiens Afrika erst vor 70.000 Jahren verlassen hätte und dass er kein Jäger gewesen sei.

    (a) Funde in den Höhlen Jebel Quafzeh und Skhul in Palestina, die auf ein Alter von 100.000 Jahren datiert werden, sind die historisch ältesten Belege für eine menschliche Totenbestattung. Diese von Afrika nach Südwest-Asien eingewanderten Menschen, die dort, lange vor Ankunft der Neanderthaler (die nachweislich erst 40.000 Jahre später dorthin kamen), ihre Toten bestatteten, werden u.a. von den Paläoanthropolgen Atapuercas (Arsuaga etc,) eindeutig als Angehörige unserer Art »sapiens« als »anatomisch moderne Menschen« beschrieben und angesehen.

    Annahmen (u.a in Wikipedia), es habe sich bei diesen ersten Totenbestattern nicht um den homo sapiens, sondern um dessen Vorfahren, den (dem Neanderthaler ähnlichen) homo heidelbergensis, gehandelt, erweisen sich damit als unhaltbar.

    (b) Dass der afrikanische »homo sapiens« kein Grosswildjäger gewesen sei, wie Reichholf behauptet, ist eine unhaltbare These. Richtig ist, dass »sapiens« vorwiegend vom Sammelgut und nicht von der Jagd lebte, und dass die Neanderthaler ihre Ernährung stärker der Jagd verdankten, etwa so wie die Esquimos.

    (7) Ein Musterbeispiel für ideologische Befangenheit sind die Ausführungen des Autors, mit denen er die menschliche »Kernfamilie«, also die Paarungsfamilie von Mann, Frau und deren Kindern, als naturgegebene Familienform des Menschen hinzustellen sich bemüht.

    Um die entlarvende Argumentation deutlich zu machen, analysiere ich seine bemerkenswerten Aussagen und Schlussfolgerungen. Reichholf schreibt:

    »Die Kernfamilie ist, daran kann wohl kein Zweifel sein, die Grundeinheit menschlicher Sozietät und nicht die Weibchengruppe, wie bei den Menschenaffen oder den Löwen, die wegen ihres Jagdverhaltens als Modell der frühmenschlichen Verhältnisse angesehen worden sind.

    Lassen wir die Menschenaffen als starke Vegetarier, die nur gelegentlich Fleisch verzehren, beiseite und wenden wir uns den Löwen zu »(S. 153).

    Hier wird kritischen LeserINNEN (hoffentlich) auffallen, wie trickreich der Autor die »Menschenaffen«, d.h. die Paniden und speziell die Bonobos (pan pniscus), »beiseite« lässt, und zwar mit dem nichtssagenden Argument, weil sie sich überwiegend vegetarisch ernährten. Genau diese überwiegend vegetarische Ernährung schreibt der Autor in seinem Buch aber ebenso immer wieder dem »homo sapiens« zu. Es gibt also wissenschaftlich keinen Grund, die Paniden »beiseite« zu lassen.

    Reichholf hingegen hat sehr gute Gründe, sich, statt auf die »Weibchengruppe« der Bonobos, auf die Löwinnen zu konzentrieren, weil er weiss, dass dieser Vergleich sein »Kernfamilien-Dogma«nicht, wie die Bonobos, erschüttern kann; denn seine Prämisse ist ja:

    »DARAN KANN WOHL KEIN ZWEIFEL SEIN«

    Alles also, was solche Zweifel könnte aufkommen lassen, muss rasch, mit einem Nebensatz »BEISEITE« gelassen, d.h. entsorgt werden.

    Mit Hingabe wendet sich Reichholf also lieber ausführlich den Löwinnen zu, damit er zu folgendem Schluss gelangen kann:

    »Hierin äussert sich ein grundlegender Unterschied zum Gruppenleben der Frühmenschen, das wir zwar nie in unmittelbaren Sinne kennen werden, weil die Zeit nicht zurückzudrehen ist, für das aber so sichere Hinweise vorliegen, dass wir keinen Zweifel zu haben brauchen. Die Frühmenschenhorde war kooperativ, während im Löwenrudel beide Geschlechter ihre eigenen Strategien verfolgen. (S. 154).

    Sehr richtig: Der Mensch sollte nicht mit dem Löwenrudel verglichen werden, wo ja der Infantizid in gleicher Weise die Regel ist, wie beim Gorilla.

    Die wissenschaftlich zu erörternde Frage, der Reichholf ausweicht, ist:

    Wie haben sich die Frauen bei den Paniden und den homo-Gattungen organisiert und verhalten, um den, noch beim Gorilla üblichen, Infantizid auszuschliessen?

    Mit dieser entscheidenden Frage befasse ich mich in meinem Buch *.

    Ferner: Dass die »Menschenhorden« »kooperativ« waren, ist zutreffend. Allerdings lässt dieser Befund keineswegs die Schlussfolgerungen zu, die Reichholf daraus zieht, indem er gegen die Logik verstösst:

    »Bei Menschen liegen die Verhältnisse ganz anders (als bei den Löwen). Der Zusammenhalt ( gemeint ist die Kooperation) garantiert den Überlebenserfolg des Nachwuchses. Verglichen mit der Löwin investiert die Frau das Sechs – bis Neunfache in das Baby bis zur Geburt und danach mindestens das Zehnfache. Das geht nur, wenn die Paarbindung lange genug anhält.

    Die intensive Betreuung des Nachwuchses hat sich durchgesetzt. Wenn es dafür überhaupt biologische Gründe gibt, dann müssen sie mit der Investition beider Geschlechter in den Nachwuchs zusammenhängen. Die Basis hierzu vermittelt der »Geschlechtervertrag«, die ungeschriebene Gesetzmässigkeit, dass der Mann mehr von jener Nahrung beibringt, welche die Frau nötig hat, und umgekehrt. Diese wechselseitige Arbeitsteilung bildet einen »reziproken Altruismus, bei dem jeder Beteiligte langfristig weitaus mehr gewinnt, als er alleine und egoistisch zustande bringen könnte. (S. 156 f.)

    Bemerkenswert ist zunächst die zutreffende Feststellung:

    und umgekehrt. Diese wechselseitige Arbeitsteilung bildet einen »reziproken Altruismus«.

    Diesen Aussagen kann zugestimmt werden mit Ausnahme des unlogischen, und damit verräterischen, Satzes

    Das geht nur, wenn die Paarbindung lange genug anhält.

    Wieso sollte ein »reziproker Altruismus«, den es ja auch bei den Paniden gibt, beim Menschen plötzlich nicht als phylogenetisches Erbe der Gruppe, sondern nur möglich sein auf der Basis »lang andauernder Paarbindung«? Für eine solche Annahme bringt der Autor keinen einzigen Beleg und auch kein Argument vor. Er übersieht, dass ein »reziproker Altruismus«, ein »Geschlechtervertrag«, auf kollektiver Basis evolutionsbiologisch noch viel erfolgreicher ist, als auf individueller. Das ist verräterisch.

    Dass der Autor sich hier in der patriarchalischen Monogamie-Ideologie verfangen hat, wird dann auch deutlich durch folgende merkwürdige Schlussfolgerung:

    »Die Frauen konnten den Geburtsschmerz nur deshalb in Kauf nehmen, weil sie in der Horde der hinreichenden Versorgung durch ihre Männer sicher sein konnten. Wären sie auf sich alleine gestellt gewesen oder hätten sie, wie die Löwinnen, den grössten Teil des Beutemachens selbst bestreiten müssen, wäre ein derartiger Geburtsverlauf unmöglich gewesen. Nie hätte die schwangere Frau alleine die Strapazen ausgehalten, die mit dem Leben in der Savanne verbunden waren«. (S. 160). Mit solchen Sätzen macht der Autor seine Denkfehler deutlich

    (1) Keine der Frauen war je auf sich »ALLEINE GESTELLT«, denn zu ihrer Lebensgemeinschaft gehörten ja viele weitere erwachsener Frauen, die ihr auch Geburtshilfe leisteten, wie Reichholf ja zuvor auf Seite 159 selbst ausgeführt hatte. Er will hoffentlich nicht plötzlich behaupten, dass nicht die Frauen die Hebamnnen-Hilfe geleistet hätten, sondern die Männer.

    (2) Wie Reichholf zuvor immer wieder ausgeführt hatte, waren die Frauen für eine »hinreichende Versorgung« keineswegs von der Jagdbeute der Männer abhängig: Er bestreitet sogar, dass die Männer der afrikanischen homo sapiens Jäger gewesen seien (s. S. 248 f, 234) und anerkennt, dass die Gruppen sich überwiegend vom Sammelgut der Frauen ernährten.

    (3) Bemerkenswert ist auch sein Satz: »Die Frauen konnten in der Horde der hinreichenden Versorgung durch ihre Männer sicher sein«.

    Das ist nicht falsch. Die Frauen konnten dessen genau so sicher sein, wie »umgekehrt« die Männer der »reziprok-altruistischen« Versorgung durch das Kollektiv der sammelnden Frauen sicher sein konnten. Der gravierende Denkfehler des Autors besteht darin, dass er ein kollektives Verhalten der Gruppe gedankenlos umdeutet in ein individuelles Paar-Verhalten.

    Wie die soziale Organisation der Bonobos beweist, ist es der kollektive »reziproke Altruismus« der Gruppe. Es gibt absolut keine Belege dafür, dass dies bei den homo-Gruppen anders gewesen wäre, und einer solchen Annahme fehlt zudem die wissenschaftliche Plausibilität; denn auf kollektiver Basis bietet ein »reziproker Altruismus« für die Gruppe einen solch evidenten Selektionsvorteil, wie es ein »Paar-Egoismus« nie könnte.

    Die Schlussfolgerung des Autors erweist sich also als nicht plausibel, ja als unsinnig und damit als reine Ideologie. In Kapitel 25 schreibt Reichhholf zutreffend, jede These »muss auch genügend Ansätze für kritische Überprüfungen offenhalten, sonst würde sie zum Dogma.»

    An diese Erkenntnis hätte er sich vor allem beim Thema »Kernfamilie« und »Paarbindung« halten sollen, statt uns mit seiner »Löwinnen-Geschichte« in die Irre zu führen.

    vgl. zu diesem evolutions- und sozio-biologischen Thema meine *Essays Evolutionsbiologische Thesen zu paläolithischen Sozialverbänden (S. 238); Unhaltbare Thesen zur monogamen Paarbindung der paläolithischen homo sapiens (S. 273);

    C.O. Lovejoy zum Ursprung der monogamen Paarungsfamilie (S. 294),

    sowie in diesem Band:

    Die vergebliche Suche des Biologen Robert Trivers nach dem Urvater;

    Wo ist der PHALLUS des UR-VATERS?;

    Anmerkung zum Artikel »SEX FÜR BEUTE«;

    ZUM »DARWIN CODE« von Thomas Junker Nachträge zur *Anm. 4, S. 238 ff.: »Evolutionsbiologische Thesen zu paläolithischen Sozialverbänden«;

    Reflexionen zur Fruchtbarkeits-Symbolik und zur kulturellen Entwicklung des menschlichen Sexualverhaltens.

    Anmerkung zum Artikel »SEX FÜR BEUTE« (Spiegel online 8.4.2009)

    Der Artikel lässt befürchten, dass ein Denkfehler zu einer weiteren anthropologischen Irrlehre führt: Dass männliche Paniden, die weibliche Gruppenmitglieder mit fleischlicher Jagdbeute versorgen, dafür mit Sex belohnt werden – wie Primatenforscher vom Max Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig nachgewiesen haben- ist keine neue Erkenntnis und soll nicht angezweifelt werden. Der Denkfehler aber ist, dass – so der Spiegel – die Forscher Cristina GOMES und Christophe BOESCH es deshalb für möglich halten, dass auch »der erfolgreiche Jäger« des paläolithischen homo sapiens die Frauen durch seine Jagdbeute hätte beeindrucken und sexuell geneigt machen und somit erhöhte Chancen der Reproduktion hätte gewinnen können.

    Diese Annahme beruht auf einem Denkfehler, weil sie die fundamentalen Unterschiede im Jäger-Verhalten ausseracht lässt:

    Die Jagd-Beute eines Paniden sind kleine Säuge- und Jungtiere, die von einem einzelnen, ohne Kooperation, erjagt werden können, so dass ein Individuum allein über seine Beute verfügen und diese gezielt verschenken kann, womit er sich als »erfolgreicher Jäger« und tüchtiger Nahrungsbeschaffer qualifiziert, was ihm einen Reproduktionsvorteil verschafft.

    Ganz anders verlief hingegen die Jagd beim paläolithischen homo sapiens, so dass sich ein Komparatismus verbietet: Gejagt wurden grosse Huftiere, und eine solche Grosswildjagd ist nur möglich durch ein kooperierendes Jägerkollektiv, dessen Mitglieder sämtlich mit Speeren bewaffnet sind und die das Grosswild gemeinsam angreifen und zur Strecke bringen. Ein typisches Beispiel für das, was Michael Tomasello »shared intentionality« nennt, eine Eigenschaft, die uns Menschen von den Paniden grundsätzlich unterscheidet.

    Es mag im Jägerkollektiv zwar besonders gute Speerwerfer geben, aber eine solche besondere Fähigkeit eines Individuums ist für den Jagderfolg der Gruppe nicht ausreichend. Die Fähigkeit eines alten Jägers, Spuren lesen und das Wild aufspüren zu können, ist für den Jagderfolg ja oft die entscheidende Voraussetzung. Jedes Individuum der Jägergemeinschaft leistet einen notwendigen und gleichwertigen Beitrag. Bei der lebensgefährlichen Grosswildjagd ist jeder vom anderen abhängig. »Den erfolgreichen Jäger« gibt es nicht, und deshalb verfügt auch nicht ein einzelner, sondern die Jägergruppe »ZUR GESAMTEN HAND« über die Jagdbeute, die ein einzelner ja nicht einmal zum Lagerplatz, wo sich die Frauen und Kinder aufhalten, verbringen könnte. Der Transport der Beute ist eine logistische Leistung, in der sich auch Gruppenmitglieder hervortun können, die als Speerwerfer nur mässiges Talent haben.

    Kurz: Da der Jagderfolg eine Gesamtleistung des Kollektivs ist, tritt also, in der Wahrnehmung der Frauen, niemals ein einzelner Mann als »der erfolgreiche Jäger« in Erscheinung, und es ist auch nicht ein einzelner, sondern die Gruppe, die über die Jagdbeute verfügt.

    Auch sind die Frauen nicht von der »Grosszügigkeit« der Männer abhängig. Da das Sammlerinnenkollektiv der Frauen regelmässig zwei Drittel der Gesamtnahrung herbeischafft und damit auch die Männer der Gruppe alimentiert und grundernährt, ist es selbstverständlich, dass die Gruppe der Frauen und Kinder ebenso einen Anspruch auf ihren

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