Rittergeschichten: zum Vor- und Selbstlesen
Von S. Grimm
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Über dieses E-Book
Wie eine ins Dunkle ausgestreckte Hand,
in der Hoffnung, dass ihr eine andere Hand begegnet.,
ist ein Buch.
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Buchvorschau
Rittergeschichten - S. Grimm
Der dritte Ritter und der verborgene Schatz
Es war einmal eine große Burg. Sie hatte den Namen Buddenburg und lag direkt neben dem Fluss Lippe. In der Burg wohnte ein reicher, angesehener Baron mit seiner Familie. Der Baron war Ritter im Zeichen der drei silbernen Ringe und bei allen Menschen sehr berühmt. Er war ein Edelmann, der für die Sorgen und Nöte der Bauern, die seine Ländereien bewirtschafteten, immer ein offenes Ohr hatte. Seine drei Söhne waren jeweils zwei Jahre auseinander und so grundverschieden, wie man unterschiedlicher kaum sein konnte. Der älteste, Viktor, war der mutigste, er war sehr temperamentvoll, impulsiv, hatte überall etwas mitzureden und präsentierte sich als der geborene Anführer. Beim zweiten Sohn, Vincenz, zeigte sich dieser Eifer schon etwas verhaltener, und der dritte und jüngste Sohn, Valentin, war von äußerst sanftem Gemüt. Die Brüder mochten sich, doch ihren Eigenarten entsprechend, kam es dennoch häufig zu Rivalitätskämpfen. Von Haus aus ging es gerecht zu, und die Eltern bevorzugten keinen von ihnen. Doch Valentin fühlte sich seinen Brüdern, die ihm gegenüber regelmäßig als Anführer auftraten, meistens unterlegen. Oft machten sie sich lustig über ihn, wenn er sich lieber der Literatur und Musik zuwandte, oder in der Natur den Vögeln und deren Gesang lauschte, während sie sich auf dem Burghof in der Schwertführung übten, um einmal angesehene Ritter, wie ihr Vater einer war, zu werden. Dazu verwendeten sie ungefährliche Schwerter aus dünnem Holz, deren Nutzung der Baron ihnen genehmigte.
Als er sieben Jahre war, wurde der Älteste als Page zu einer nahen Ritterburg, die auch am Lippefluss lag, geschickt. Graf Theodor von der Rauschenburg lebte dort mit seiner Tochter Charlotte, der Dogge Gilda und zahlreichem Personal. Seine Frau war bei der Geburt des einzigen Kindes gestorben und Charlotte wuchs ohne Mutter auf. Sie hatte eine Kinderfrau, die sich um das Wohlergehen des Mädchens kümmerte. Graf Theodor, der wie der Baron von der Buddenburg dem Ritterorden der drei silbernen Ringe angehörte, trug eine große Verantwortung, denn er bildete die heranwachsenden Edelknaben zu echten Rittern aus. Ihm gehörten zahlreiche Ländereien, und er sorgte dafür, dass seine Bauern die Felder bestellten und abernteten, die Wiesen mähten, die Wälder rodeten und die Gegend um die Rauschenburg pflegten und hegten.
Auf der Rauschenburg sollte Viktor nun Kraft und Geschicklichkeit erwerben. Er lernte dort das Reiten und Schießen mit der Armbrust und übte den Gebrauch von Schwert, Lanze und Schild. Auch die höfischen Sitten wurden ihm beigebracht, und das Singen und Spielen der Lyra. Seine Geschicklichkeit im Wettkampf war besser, als die im Zupfen der Leier. Auch Singen mochte er nicht gern und übte sich lieber im Kräftemessen auf dem Burghof.
Zwei Jahre später folgte ihm sein jüngerer Bruder auf die Rauschenburg, um sich ebenso ausbilden zu lassen. Wie sein Bruder Viktor bevorzugte auch Vincenz es, draußen auf dem Burghof mit den anderen Knappen Ritter zu üben. Er und sein Bruder trainierten viel. Als ihr jüngster Bruder auf die Rauschenburg kam, um seine Ausbildung anzutreten, waren beide bereits hervorragend in der Schwertführung und gefürchtete Wettkampfgegner.
Als er vierzehn Jahre war, wurde der Älteste zum Knappen befördert. Es war ein Etappenschritt zum ersehnten Ziel, einmal ein großer Ritter zu werden. Auf der Rauschenburg richtete man ein großes Fest aus, zu dem auch der Baron, Ritter der drei Ringe von der Buddenburg mit seiner Gemahlin erschien, um dem ältesten Sohn an seinem Ehrentag beizustehen. Es war ein besonders feierlicher Moment, als Ritter Theodor von der Rauschenburg Viktor sein eigenes Kurzschwert übergab. Sein Bruder Vincenz sah dabei zu und träumte davon, schon bald an der Stelle seines älteren Bruders zu stehen. Nur der Jüngste wäre lieber im Park geblieben, um dort an seiner Laute zu zupfen und der schönen Comtesse Charlotte beim Spaziergang mit ihrem Hund zuzusehen. Manchmal sang sie mit ihrer glockenhellen Stimme, die er besonders gern hörte, ein Lied. Sie inspirierte ihn dazu, sich Melodien einfallen zu lassen, die er dann auf der Laute spielte. Schon manches Mal war Charlotte zu ihm gekommen, hatte sein Lautenspiel bewundert und die Klänge mit ihrer Stimme begleitet, was ihn sehr stolz machte.
„Du wirst auch eines Tages dort oben stehen,