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Revolte RD: Fragmente
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eBook413 Seiten5 Stunden

Revolte RD: Fragmente

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Über dieses E-Book

Die Revolte des eigenen Geistes gegen die Ketten einer verkommenen dystopischen Welt
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum7. Okt. 2014
ISBN9783735732316
Revolte RD: Fragmente

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    Buchvorschau

    Revolte RD - Martin Sweda

    Inhaltsverzeichnis

    Prooemium

    1. Prooemium obscurum

    2. Prooemium spei

    3. Prooemium ultimum

    Revolte RD - Fragment I: AIAS

    Kapitel I

    Kapitel II

    Kapitel III

    Kapitel IV

    Kapitel V

    Kapitel VI

    Revolte RD - Fragment II: Dyplastoid

    Kapitel I

    Kapitel II

    Kapitel III

    Kapitel IV

    Kapitel V

    Kapitel VI

    Kapitel VII

    Kapitel VIII

    Kapitel IX

    Kapitel X

    Kapitel XI

    Kapitel XII

    Kapitel XIII

    Revolte RD - Fragment III: Montes

    Kapitel I

    Kapitel II

    Kapitel III

    Kapitel IV

    Kapitel V

    Kapitel VI

    Kapitel VII

    PROOEMIUM

    1. Prooemium obscurum

    Tief, ganz am Erdboden, und tiefer hinein, steht der weltumgürtende Leidschleier, doloris velum, seit Anbeginn der Zeiten, seit es Menschen gibt, in dessen unsichtbarer Sphär’ allerzeits das Lied des Leides erschallet, mit seiner tränenrührenden, jammerbezeugenden Melodie, die da seit jeher von den Menschen besungen wird, denn sie sind es, sie waren es immer, die doloris velum erhalten, und die dessen Gewebe, stetig flechten, und zwar aus Tränen und Leid, aus Schmerzen und Pein. Vom heißen Süden, wo lebenerfüllte Savannen nur mehr verbrannte Asche toter Wüsten sind, über den fischdurchwimmelten Ozean, aus dessem blauen Wasser wie Schildkrötenrücken millionen kleine Inseln herausragen, ins mäßigere Gefilde voller weiter grüner Flussebenen und kratonbedeckender Wälder, bis weit in die nebelumhangenen Gebirge, dessen hohe Gipfel von düsterblauen Gewölk umringt sind, kann man das Lied erhören, jene trauerzeugende Melodie des Schmerzens und des Leides, wie es da die Wüstenstille durchbricht, oder wie es da einhergeht mit allwährendem Meerrauschen, oder wie es dem Winde gleich durch den Walde weht, oder wie es durchs Gebirge hallt und in den Bergen echót.

    Tief, ganz am Erdboden, und tiefer hinein, weben die Menschen den textus des doloris velum, seit Anbeginn der Zeiten, schreiben da immerfort neue Strophen für den Leidgesang, doloris cantus, und das obwohl, wie jeder weiß, Leid als nicht erstrebenswert gilt, ja ganz im Gegenteil, jeder versucht es zu meiden, und niemand will den doloris cantus singen. Was aber erstrebenswert ist, was alle Menschen ausnahmslos begehren, die Unbesonnenen wie die Besonnenen, die Nomaden wie die Sesshaften, ist Glück, prosperitas, und so liegt ja aller Menschen Handlung zugrunde dieses Begehren, denn sie alle wollen glücklich sein.

    Doch was für ein Paradoxon (hier heißt es cantus paradoxon), was ein Jammer, das nicht dies Lied des Glücks, carmen prosperitatis, durch die Welt schallend einen Glückschleier bildet, wo doch all Menschen eben dies Lied zu singen sich biegen und dafür kämpfen, sondern das Lied was niemand erstrebt, was keiner begehrt, allerorts klinget, überall hallet, doloris cantus.

    Tief, ganz am Erdboden, und tiefer hinein, hängt ein seelenverzehrender Nebel, nebula animos consumens, seit Anbeginn der Zeiten, der da obwohl unsichtbar, allgegenwärtig mit seinem Teufelsdunst die klare Sicht der Menschen trübt, und somit ihr Denken und ihr Handeln beeinflusst, und infolgedessen auch den Lauf der Geschichte. Seelenverzehrend heißt der Nebel, weil je mehr man an den Teufelsdunst glaubt, man mehr und mehr seine Seele an ihn verliert, und wie daran der Nebel wächst und wächst, verkümmert man, bis schließlich man den Teufelsdunst für wahr und richtig hält. Wenn dass der Fall ist, so hat der Nebel die ganze Seele verzehrt, und man ist nur noch ein loser Fleischballen. Und je mächtiger der nebula animos consumens wächst, und folglich mehr seelenlose Fleischklumpen da wandeln, umso schwieriger wirds da für die Menschen die Wahrheit vom Teufelsdunst zu unterscheiden. Und wie da Menschen an den Teufelsdunst glauben, in dessen infernalischen Dämonsglanz, daemonis splendor infernalis, alle Gegebenheiten gar gut und engelsgleich erscheinen (was aber selbstverständlich nur trügerischer Lügenschein ist), entsteht Leid und Jammer auf dieser Welt, und somit, weil willentlich ja niemand dolor singen will, ist der nebula animos consumens die causa proxima (direkte Ursache) des cantus paradoxon.

    Tief, ganz am Erdboden, und tiefer hinein, allerorts herrschen verborgene Kräfte, vires occultae, seit Anbeginn der Zeiten, und bringen wundersames hervor. Mater Natura, mit ihren bunten Ungeheuerlichtern in den schwarzen Tiefen des Ozeans, mit ihren Wassertropfen inmitten trockner Wüste, oder ihren magmasprudelnden Vulkanen, ist anschaulich für die vires occultae. Doch sind diese nicht auf sie beschränkt, denn sie existieren ja überall, so auch in den Menschen, wo sie im Alltag zwar meist schlummern, sich aber dennoch in vielen Situationen bergversetzend zeigen, wie zum Beispiel wenn man aufs Äußere gedrängt ist oder für etwas zähnebeissend kämpft, oder aber auch auf Durchhaltevermögen sinnt, denn in solchen Situationen ja, schaffen die Menschen Unvorstellbares, von dem sie später selbst nicht wissen, wie sie das geschafft haben, und woher dazu die Kräfte kamen. Doch leiderzeugend herrschen die vires occultae auch im nebula animos consumens, (wo sie vires nebulae occultae heißen), wo sie da aus seinen verzehrten Seelenschwaden ab und wann Teufel formen, die sie dann in die Welt setzen, oder gar in Menschen einpflanzen. Und weh dem Hain, und weh dem Mensch, dem da so ein Teufel widerfährt, denn kräftezehrend ists sich gegen so einen zu wehren, denn zerstörerisch, und trügerisch sind jene, die da allzeits fortuna versprechen, doch letztlich nur zu dolor führen.

    2. Prooemium spei

    Hoch, über dem Erdboden, abseits vom sternendurchleuchteten Himmel, in der unendlichen Weite des Universums, hinter milliarden Galaxien, gibt es seit Anbeginn der Zeiten Anweisungen zur leidfreien Welt, orbis terrarum expers doloris, die dort so hell leuchten wie Sterne, so man deren Licht in klarer Nacht gar schauen kann. So die Menschen die Sterne beobachteten, und versuchten die Anweisungen durch immer dickere Gläser abzulesen, vergaßen sie doch immer mehr, dass doch aller Anweisungen Inhalt längst gesaget, vom gesandten Manne der da im nullten Jahre kam, die da lauten, dass für eine orbis terrarum expers dolorisa zwei Wesenszüge der Menschen erforderlich sind.

    Der Erste, visus rectus, ist das Erkennen des daemonis splendor infernalis, so man durch ihn hindurch die unverfälschte seraphische Wahrheit sieht, und der zweite Wesenszug, actio recta, ist, dass man auch wirklich nach dieser Wahrheit handelt, und so das Richtige verwirklicht (dass man ja kennet wenn man den ersten Wesenszug innehat).

    Diese Wesenszüge müssen gemeinsam in den Menschen innewohnen um deren doloris cantus zu verstummen. Nichts hilft es ja, wenn man das Richtige sieht, aber nicht danach handelt.

    Wenn ein Mensch sowohl visus rectus als auch actio recta verkörpert, so heißt dieser homo honestus (tugendhaft).

    Somit sind die Tugenden, derer Anzahl Sieben, die Anweisung zur leidfreien Welt, orbis terrarum expers doloris.

    3. Prooemium ultimum

    Weltbeherrschend tobte seit jeher die seelenumkämpfte Schlacht für eine orbis terrarum expers doloris zwischen den Menschen und den unsichtbaren Klauen des nebula animos consumens, die viele Tote, aber auch viele Helden hervorbrachte. Es waren jene Menschen, an Tugend die Größten, die stets waffeschwingend den seelenverzehrenden Nebel zurückhielten und am Wuchs hinderten, ja zu Blütezeiten gar zum Verkümmern schafften, als sie nicht nur sich von ihm fern hielten, sondern auch ihre Brüder und Schwestern.

    Doch die Menschen sind schwach, waren es immer, ja auch die größten Helden unter ihnen, denn wenn auch ihr Geist unbiegsam war, so war es ihr Körper nicht, denn Fleische verdirbt ja. So geschah das Unvermeidliche, was eben dieser Schwäche zuzuordnen ist, dass viele dieser tugendhaften Menschen, homo honestus, starb, während immer weniger Helden geboren wurden.

    Dieser tragische Umstand hatte zur Folge, dass irgendwann im 20. Jahrhundert der zweite menschliche Wesenszug, der für eine orbis terrarum expers doloris erforderlich ist, der actio recta, immer seltener wurde, denn als weniger homo honestus die Menschen in der seelenumkämpften Schlacht anfeuerten, wußten diese immer weniger, wie sie handeln sollten. Und ohne actio recta gibt es nichts, was einem in der seelenumkämpften Schlacht als Waffe dienen kann, und somit gilt da nur das Ausweichen. Aber dem nicht genug, denn verbunden sind ja die Wesenszüge, und wie dass actio recta langsam verschwand, begann infolgedessen auch der stets verkörperte Wesenszug visus rectus zu schwinden, bis er schließlich in der Mitte des 21. Jahrhunderts nur mehr eine Seltenheit ward. Ohne visus rectus, dass der Menschen Augen und Ohren in der seelenumkämpften Schlacht war, gab es nichts mehr, was sie vor den Klauen des Nebels schützen konnte, denn wie sollten sie vor ihnen ausweichen, wo sie sie nichteinmal sahen. Und als in den Menschen visus rectus schwand, hielten sie den infernales luceas daemonium für wahr, sodass, der Eigenschaft des nebula animos consumens nach, deren Seelen diesem zukamen.

    Seele für Seele wuchs der Nebel, und auf der Welt wandelten immer mehr seelenlose Fleischballen. So geschah es schließlich, als der Nebel kolossale Ausmaße hatte, dass die vires nebulae occultae, die Schöpfer der Teufel, unsagbar gewaltige Dimensionen erreichten, sodass diese im 23. Jahrhundert, als die seelenumkämpfte Schlacht längst von Menschen verloren, den nebula animos consumens zu einer verheerenden Implosion brachten, woraufhin die in den Seelenschwaden des Nebels lebenden Teufeln alle Welt wie eine Seuche bedeckten. Die folgenden Jahre waren gekennzeichnet von doloris cantus. Zwiespalt, Hass und Kriege beherrschten die Welt, bis schließlich aller menschliche Errungenschaft nur mehr Schutt und Asche und Geschichte ward.

    Obschon die Implosion Schreckliches hervorbrachte, lag ihr aber auch ein göttlicher Funken zuteil, denn als der Nebel implodierte, silberblendend infernalisch hell, einer Höllensonne am Himmel gleich, und daraus Teufel stoben, geschah etwas, was der fundamentalen Eigenheit der Menschen zugrunde liegt, nämlich dass diese auch mit Herzen wahrnehmen. Als da die Hölle, die Teufel, das Böse, das Schrecken, zu Fleisch wurde, in seiner unsagbaren Abscheulichkeit, derer zu beschreiben es erst Wörter zu erfinden braucht, bewegte sich der Menschen, die da noch Funken Seele hatten, Herzen im Busen, und erweckte den ersten Wesenszug zur Tugend visus rectus, auf dass sich doch ihre Augen öffneten und sie durch den daemonis splendor infernalis die ungetrübte seraphische Wahrheit sahen. Und als Jene da die Wahrheit sahen, die ihnen die grausige Wirklichkeit der Menschheit zeigte, und zwar, wie seelenlose Fleischballen auf Erden Hand in Hand mit Teufeln wandeln, Menschen neben Menschen, und in Oasen leben, wo sie rücksichtslos nur ihren fleischichten Sehnsüchten inneliegen und sich an deren Erfüllung laben, hörte bei einigen gar das Herz auf zu pochen, so schrecklich wars schon auf terra geworden.

    Doch Jene, deren Herz da nicht stoppte, und die da nicht verzweifelten oder gar wahnsinnig wurden, fassten denselben Entschluss, actio recta verkörpernd, wie die Helden vergangener Zeiten, und zwar alle Schrecken anzukämpfen, und eine orbis terrarum expers doloris zu erschaffen, indem sie ihre Brüder und Schwestern aus den Klauen des nebula animos consumens retten. So kämpften diese erwachten Nebelbezwinger zähnebeissend gegen die Teufelhorden, doch allzu bald schon merkten sie, als sie in Scharen fielen, dass es dafür zu spät, ihr Entschluss zu gewagt, schon zu unrealistisch war.

    Denn in der Realität in der sie sich befanden, war es gar nicht mehr möglich, gegen alle Schrecken zu kämpfen, war doch alles außer Schrecken unreal. Also beschlossen jene tugendhaften Menschen die so Einsicht erlangten, den einzigen Ausweg, der darin bestand, von den Schrecken und Teufeln zu fliehen.

    Doch wohin, war die drängende Frage jener Fliehenden, denn die ganze Welt war ja verkommen.

    Manche irrten von Ort zu Ort umher, darauf bedacht den verruchten Menschen aus dem Weg zu gehen, manche Wenige fanden gar eine seltene Insel die noch unbewohnt war, und Einigen, die einen innigen Kontakt zum Unendlichen pflegten, wurde seraphische Hilfe zuteil, so ihnen im Traume ein Land geweissagt wurde, wo sie Freiheit und Erlösung finden würden.

    Denn obschon alle Welt von Teufeln bedeckt ist, gibt es doch noch einen Ort, wo keine Schrecken und keine Teufel, ja auch kein doloris cantus, existieren, und zwar jenen Ort, der so hoch droben im Norden, dass er gar nicht als von dieser Welt gesehen wird. Jenes magische, eisbeherrschte Gefild, jenen septentriones expertes doloris, wo Schneestaub glitzert.

    Revolte RD

    Fragment I: AIAS

    I.

    Der junge Aias hält den Degen im Rahmen, Steinbeisser mit doppel S, auf dass ihm keiner der Wichte zu nahe kommt. Blutgedünkte Schakale sinds, mit schrecklangzähnigen Fratzen und gelbschlangichten Augen, die auf schmieriges Knochenmark aus sind. Zwölf an Zahl haben ihn umkreist, und die Flucht ist unmöglich, denn gediegener Steine sind hier nicht viel, hier draußen in der staubdunstigen Kalkwüste, nirgends eine Scharte, und auch kein Wald, wo man sich verstecken könnt.

    Nein, weglaufen kann man hier nicht, weder vor der unnachgiebigen Todesblende am wolkenleeren blauen Himmel, noch vor den menschenhungernden Teufeln.

    Seinen knochennagenden Schwierigkeiten muss man sich hier stellen, egal ob der Mut auf wehenden Schwingen in die Ferne rauscht und der schweißtränende Apparat die Grenzwoge läuft.

    Wie ein Habicht schnellt Aias nach vor und schlägt den Steinbeisser im Bogen durch drei rauhfellige Dämonen.

    Plump fallen die Tierleiber ineinander, und während sie noch gequälte Schreie ausstoßen, werfen sich drei ungemäßigte Schakale auf ihre sterbenden Artgenossen und fressen sie, ehe deren zähes Fleisch von der kalkichten Hitz schwarzverkohlt werden würde. Aber die anderen sieben Schakale haben Aias immer noch in deren gelben Schlangenaugen fest im Blick, jede Sekunde darauf bedacht ihn anzugreifen, denn am liebsten schmeckt ihnen Menschenblut.

    ,,Kommt her ihr verseuchten Wicht", schreit Aias, seine Stimme gleich einem Löwenbrüllen.

    Angst geschoren weichen die Teufel zurück.

    ,,Was ist, ihr hinterhältigen Feiglinge? Kommt schon her ihr Peons!"

    Kurz überlegen die Schakale ob sie seiner Aufforderung nachkommen, doch im Angesicht seiner ausströmenden Sicherheit und Stärke entscheiden sie sich dagegen. Sie verschwinden, verflüchtigen sich, wie Wassertropfen die in der heißen Sonne verdampfen. Denn anders als Menschen, sind die verseuchten Ödland Dämonen dazu imstande. Sie können sich in Luft auflösen, und dieser öden Wüste jederzeit Lebewohl sagen. Doch anders als die Menschen diese Fähigkeit ausnutzen würden, tun sie das nie, denn das ist nicht ihr Zweck, nein, sie geistern umher, ständig unheilvorbereitend, ständig todsinnend.

    Ist man einmal verwundbar, so zögern sie nicht, schnippen mit ihren Krallen, und mit einem aufwühlenden Blitze sind sie aufeinmal da, und springen aus luftiger Höh auf einen nieder um das Fleisch von den Knochen zu reißen. Viele einsame Wüstenbewohner, die in diesem unbarmherzigen Land allein und unrüstig auf weiter Flur marschierten, fanden so den unendlich erlösenden Tod.

    ,,Ja verzieht euch nur, ihr schleimigen Vielfraße!

    Kriecherische Teufel!"

    Aias tritt in die zottigen Fleischklumpen und beobachtet wohlblickend ihre Trajektorie, während er die geschmiedete eherne Klinge in den Ledergürtel steckt. Das Übel ist für eine Weile besiegt, und unbeeinträchtigt der scharfzähnigen Plage kann er nun nach Wasseros marschieren, die menschenbewohnte Oase die reich an Wasser und Nahrung ist.

    Aias verhüllt seinen Kopf mit einem weißen Tuch aus grobem Stoff, das vor Gehirnverdampfung bewahrt, so dass nur ein Schlitz für die Augen übrig ist, und marschiert los, seinen Schatten hinter sich lassend. Die Todesblende wird bald ihren Zenit erreichen, und dann macht sie ihren Namen alle Ehre; die Temperatur der kalkichten Steinplatten der Wüste wird so arg ansteigen, dass selbst Aias’ wärmedämpfenden Goldsandalen seine Füße nicht vor Hitze schützen werden, und damit ist es so, wie wenn er barfüßig auf brennend Kohlen gehen würde. Mag sich nun aber schlimmer anhören wie es ist, denn wenn man die Kalkwüste gewohnt ist, mit ihren schier endlosen kalkichten Steinplatten und nie endenden wolkenlosen Glühtagen, dann verhält es sich wie mit allen Übeln die man gewohnt ist; denn ist man etwas gewohnt, dann ist es halb so schlimm, der Mensch ist ja ein Gewohnheitstier.

    Also marschiert der Junge, zähneknirschend, staubaufwühlend, durch die Kalkwüste, und während er so marschiert, singt er sich ein Lied:

    Klangschallend der Fußabdrücker unter der glimmenden Blende, stark und kräftig, schnell und behende, tötet’ die grünichten, Klauzähn’ und Geier, Feuerstein und Kieselmeer, immer dieselbe Leier.

    Und gerade als er fertiggesungen, ertönet jäh eine ihm wohlbekannte grässliche Stimme aus dem Nichts. Sein emsig meuchelnder Begleiter in der unendlichen Einsamkeit der Wüstenwanderungen. Im Klange wie dem letzten schabenden Kehllaut eines an den Stimmbändern zerreissenden Ghuls.

    ,,Schau Schau Schau Schau", dröhnt es in seinen Ohren.

    Aias bleibt stehen.

    ,,Wie da, wer da? Zeig dich du Spanner!", ruft Aias.

    Aber bis auf den zerbröselnden Kalk der unter seinen Sandalen knistert, bleibt es still. Aias schüttelt seinen Kopf und geht weiter. Er tuts, wie schon so oft, und wie immer zurecht, als bloße Einbildung ab, und verdammt im Herzen dies kalkichte Land. Doch kaum hat er zehn Schritte gemacht, erklingt sie wieder, die Stimme aus dem Nirgendwo, und diesesmal um Einiges lauter und penetranter.

    ,,Schau Schau Schau Schau."

    Der Junge bleibt stehen.

    ,,He da, wo bist du? Werd bloß nicht frech du Teufelsbrut!", schreit Aias.

    Er zückt den ehernen Steinbeisser und dreht sich im Kreise, die geschmiedete Klinge eindrucksvoll androhend schwingend. Aber es ist ruhig. Niemandes Stimme tönt, niemand wird frech.

    ,,Ich warn dich du Wicht, mach das noch einmal, und du wirst was erleben!", schreit Aias. Und sowie ers ausgesprochen, wirbelt mit einem Male der Schall um seine Ohren, und das grässliche „Schau Schau Schau" umringt ihn nervenpochend und schmerzauslösend.

    ,,WAS WILLST DU", brüllt Aias in die Wüste rein, und der schmerzhafte Schall erstummt wehement.

    ,,Zeig dich du Dämon, du nerviger Wicht, kost’ meine Klinge und geh zähneknirschend zu Grunde!"

    Der schweißtreibende Apparat springt hoch, an die Decke schlagen die Wogen, auch das adrenalinbetriebene Herzgetriebe, die rundumzuckende Vortexmaschine, schlägt als gäbs kein Morgen mehr.

    Links, Rechts, Vorne, Hinten, Aias achtet zugleich auf alle Seiten - augenzuckende Allzeit-Bereitschaft - mit dem allesdurchstoßenden Steinbeisser in seinen kampfdürstenden Händen.

    Stille. Weder Kalkknistern noch Atemhauch. Keine Bewegung, nirgendwo, es bleibt tot.

    Kalk.

    ,,Karnier du dünkende Brut, teuflischer Spähhund!", ruft Aias.

    Keine Antwort. Nur Kalk, überall.

    Aias bleibt noch für eine Weile in Kampfstellung, jede Sekunde auf einen Angriff aus dem Nichts wartend.

    Doch es kommt nichts, selbst nach sandkornzähligen Atemzügen, bleibt alles regungslos und ruhig. Unruhig ist allerdings das geriebene Gemüt Aias’. Verhasst sind ihm kampflose Gefechte, denn sie schieben sich auf, schlummernd wie Benzinkissen in heißumbrannter Kohlenasche. Irgendwann wird die Glut sie erreichen und dann gibt es eine ascheaufwühlende Explosion.

    Das Schlimme daran ist, dass er ständig auf der Hutsein muss. Jeden Augenblick muss er bereit sein, den Steinbeisser aus dem Gurte zu reissen, und mit einem Blitzhieb den Teufel niederzustrecken. Unachtsamkeit kommt einher mit dem Tod.

    In den nächsten Stunden soll den Wüstensohn Aias jedoch niemand angreifen, und dessen ist er sich sehr wohl bewusst. Denn schon prangt die Todesblende ihren Zenit an, und damit verbunden verwandeln sich allmählich die glühenden Kalksteinplatten in den reisserischsten Dämon, der mit seiner schier grenzenlosen Gewalt und Kraft jeden anderen Teufel in das Zwielicht verdrängt. Die Schakale wie auch die unheilvolle Stimme aus dem Nichts.

    Spitzfüßig tippelt Aias in der luftverbiegenden Hitz’, darauf achtend, so wenig und so kurz wie möglich den brennenden Wüstenherd zu berühren. Gleißende Funken stieben, wenn er den Kalk anreibt. In der Ferne stoßen Flammen auf. Grelle Blitze durchzucken den Horizont. Glimmernde Sparten tun sich auf; Intrusion bringt neues Kalk aus der Tiefe hervor. Kein Glück ist Aias gewährt.

    Aber existiert Glück überhaupt, hier in der Kalkwüste?

    Wo seit jeher kein Regen fällt, wo kein Leben funkelt und niemand selbst seinem schlimmsten Erzfeind wünschte zu verweilen?

    Nein, niemals, weder scheint noch gibt es das Glück hier, weder Gestern, noch Heute, noch Morgen, selbst der Gedanke daran kommt nicht auf.

    Doch Aias hält an, den Schmerz seiner brennenden Fußspitzen unterdrückend, rennt er wie vom wutroten Stier verfolgt. Und wo normalgebildete Menschenseines Alters jammernd und verkohlend zu Boden sinken würden, singt Aias mit voller Kehle ein Lied:

    Heiss der Boden, des Teufels Sitz,

    Tippelt der Fußabdrücker durch die Hitz’,

    brennend in Funken die Asche hochfliegt,

    das Ziel so nah, wer durchhaltet der siegt.

    Sein Durchhaltevermögen belohnend, flimmert in der Weite etwas auf, und Aias weiß sofort, was es ist. Die wallenden Steinmauern der bläulich schimmernden, schattenkühlenden Oase Wasseros, eine der wenigen Menschenmagnete der Kalkwüste, und ein Relikt Menschheitsgeschichte aus den Zeiten vor den Kriegen. Sprudelnde Quellen aus der Tiefe geben dort mineralgezuckertes Wasser preis. Eiskaltes, lebenspendendes, auf der Zunge zergehendes Hazweio.

    Voller Wonne sprintet Aias zum Horizont hin, und singt, seine glühenden, hautverbrannten Fußsohlen außer Acht lassend, zwei Verse:

    Es naht der Fußabdrücker, nehmt euch in Acht,

    ihr Teufel die ihr seinen Untergang anfacht,

    nicht zu bändigen wer das Wasser es riecht,

    seid auf der Hut ihr die ihr kriecht!

    Durstig der Treter, der Wühler des Kalk,

    sinnend das Wasser, spähend wie’n Falk’,

    stürzt er auf’s seichte, auf’s flüss’ge, auf’s Blau,

    fließendes Wasser so frisch wie der Tau.

    Und als er seine Vorfreude ausgesungen hat, ist Aias am Horizont angekommen, vorbei an den holzichten Zäunen, die aus Schutz vor Schakalen und anderen streunenden Ungeheuern aufgestellt wurden, so er nun im angenehmst kühlenden Schatten der der wallenden, kargen Steinmauern vor dem Tor steht. Aias klopft und ruft die Worte: ,,Seid gegrüßt, ihr gütigen Menschen Wasseros‘! Lasst mich rein, öffnet eurem Bruder das Tor! Kurz später ertönt hinter dem schweren Holztor eine schrille Stimme, gar nicht ungleich der grässlichen Stimme aus dem Nichts: ,,Hinfort mit ihm, dem kleinen Wicht, sieht er nicht die Zäune, die sind für ihn bestimmt!

    ,,Nein ihr versteht nicht, versucht Aias zu erklären, ,,Ich bin kein Wicht, sondern ein Sohn der Wüste, euer Bruder! Nun lasst mich doch rein!

    Aias kann hören wie hinter der Mauer die Torwächter flüsternd miteinander ratschlagen. Dann verstummen sie alle, und die schrille Stimme spricht zu ihm die Worte: ,,Wenn das, was er sagt, wahr ist, wenn er einer von uns ist, warum ist er dann außerhalb der Mauer? ,,Ich bin ein Wanderer aus dem westlichen Kalk, antwortet Aias.

    Ein Torwächter fragt sogleich: ,,Was macht denn ein Zögling aus dem Westen hier? Was kann denn ein Grund sein, so weit zu reisen? Zu alledem noch alleine?"

    Aias hat eine solche Frage erwartet, und im Grunde ist sie auch gerecht im Sinne der stadtbeschützenden Funktion der Torwächter. Doch in dem Maße, wie in der Kalkwüste Gerechtigkeit gebogen ist, bleibt nur eine bittere Empfindung Aias‘ der Frage und dem Fragensteller gegenüber. Mit denselben auswendig gelernten Worten, wie er sie schon sein ganzes Leben lang verschiedenen Torwächtern verschiedener Oasen vorgesprochen hat - immerdar mit verschiedenen Parametern -, antwortet Aias: ,,Nach Osten wandere ich um meine Familie zu besuchen. Nicht gewohnt bin ich des Wanderns, und drum dacht ich, als ich heute Morgen in der nahen Oase Wassera aufwacht, ich würds bis Mittag nach Osten schaffen. Aber wie ihr sehet, war dies ein großer Irrtum. Also habet euch nicht so, und nehmt euch eures unkundigen Bruders an, ich bitte euch!"

    Wieder ratschlagen sich flüsternd die Torwächter untereinander, dann antwortet ihm die schrille Stimme, diesmal besonders schrill und nervtötend in den Ohren schallend: ,,Ja wer denkt er eigentlich, wer wir sind, dass wir in eine so offenkundige Falle tappen würden?

    Er soll sich verflüchtigen, der Wicht, eher rasch als langsam, bevor wir die Hunde auf ihn loslassen!"

    Aias kann nicht glauben was er da hört. In seinen zwanzig Jahren in der Kalkwüste hat er schon vieles erfahren – Verwerfliches wie Verkommenes, Frevelhaftes wie Dekadentes, Grausames wie Unmenschliches. Aber nie, nie erlebte oder hörte er, dass Jemandem der Eintritt in eine Oase verwehrt war.

    Schon gar nicht bei zenitichter Todesblende.

    ,,Nein, dammich! Ich will doch nur trinken. Meine salzverkrustete Kehle befeuchten. Rasten. Ich bin einer von euch, lasst mich doch rein, ich bin ein Reisender, öffnet das Tor, lasst mich hier nicht zappeln!, ruft Aias verzweifelt und hämmert auf das schwere Holz des Stadttors bis ihm die Fäuste blutig werden. Aber erst als seine Hände vor Schmerzen pochen lässt er davon ab, sackt auf den Boden und jammert fortan. Der verzweifelte Tonfall in seiner Stimme lässt indes die Torwächter hinter der Mauer weiter flüsternd ratschlagen, denn was wenn der Wicht gar wirklich einer von Ihnen, ein Mensch ist? So würden sie sich gar schuldig machen, ihm den Zugang zu verwehren, der ja gemäß dem Stadthalter allen Menschen eigentlich erlaubt ist. Schließlich fassen sie einen Entschluss, und die schrille Stimme ertönt hinter der Mauer: ,,Nun denn, wenn er wirklich einer von uns ist, dann muss er es beweisen.

    Sofort ist Aias wieder auf den Beinen. ,,Beweisen? Ja aber wie, meine Brüder?", fragt er, von der Hoffnung auf Einlass und der damit verbundenen unmittelbar bevorstehenden Erquickung beseelt.

    ,,Nach Norden marschierend soll er bringen, was seine Zugehörigkeit beweist!"

    ,,Aber Brüder, woher soll ich wissen was das ist?", fragt Aias.

    ,,Wenn er, wie er behauptet, unserem auserkorenen Kreise angehört, dann wird er es schon wissen", erklingt es schrill.

    Aber Aias hat keine Ahnung, wovon sie sprechen.

    Schon bereut er im Geiste seine vor mehreren Tagen getroffene Entscheidung, nach Norden anstelle seines wohlbekannten Südens gewandert zu sein. Nie zuvor war er soweit ins nordichte Kalkland vorgedrungen, und der Grund dafür es jetzt getan zu haben, war derselbige. Hier ist er ein unbeschriebenes Blatt, und eigentlich hat er sich dadurch einen Neuanfang erhofft.

    Nicht würde er es zulassen wieder verbannt zu werden, hat er sich beim Aufbruch nach Norden versprochen, er würde diesmal einfach die Augen schließen und sich die Ohren mit Wachs verkleben, wenn er Zeuge unbeschreiblicher Grausamkeit und Ungerechtigkeit werden würde. Aber dass ihm nicht Einlass gewährt wird, beziehungsweise nur unter solch quälenden Umständen – sich auch nur für einen Moment bei zenitichter Todesblende, die all Kalksteinplatten in einen Herd mit brutzelnden Staub verwandelt, kommt einer schrecklichen Tortur gleich -, damit hat er nicht gerechnet.

    ,,Nun habt euch doch nicht so!, schreit Aias, ,,Seht ihr nicht wo die Sonne steht? Es ist Mittag, ich kann doch keinen Schritt in die Wüste tun! Ich habs gerade mal so hierher geschafft! So öffnet mir doch das Tor und überzeugt euch selbst! Ich bin euer untergebener Bruder!

    ,,Er soll uns nicht weiter zur Last fallen, wir haben gesprochen. Nur unsereins ist der Eintritt in das wasserspendende Wasseros gestattet. Bringt er uns also den Beweis, dass er uns angehört, wird ihm das Tor geöffnet werden. Itzt soll er aber hinfort ziehen, wir sind es leid uns an der Mauer aufzuhalten!"

    Aias sieht ein, bei diesen unnachgiebigen Torwächtern hilft kein Rütteln und kein Schütteln. Wer klopft, dem wird geöffnet werden, heißt es, aber nicht in der Kalkwüste. Ein kleiner Funken Hoffnung bleibt ihm jedoch bestehen, wenn auch er nicht wirklich daran glaubt; Vielleicht ist dieser sogenannte Beweis, den sie fordern, gar nicht weit. Ein paar Minuten Marsch würde er schon schaffen. Das heißt, wenn er sich vorher mit zumindest wenigen Schlücken Wasser erquickt. Also ruft er demütig: ,,So will ich also den Beweis holen, meine Brüder. Ich bitte euch nur um ein wenig Wasser, damit ich den Marsch bestehe!"

    Empörtes Stimmengemurmel ertönt, dann dröhnt es schrill durch die Mauer: ,,Ja was denkt er denn, der Wicht? Nur unsereins wird das kostbare Hazweio gespendet!"

    ,,Ein klein wenig nur, für euren untergebenen Bruder, ich flehe euch an! Wie soll ich es denn schaffen, den Beweis zu bringen, ohne ein Quantum Lebensstoff? Ihr hörts doch an meiner Stimme, dass ich dem Verdurstenden Nahe bin!", ruft Aias.

    ,,Schweige er, der Wicht! Genug der Worte itzt, er soll ablassen vom Tore nun! Noch ein Wort, und wir lassen die Hunde auf ihn los!"

    Aias schweigt. Verzweiflung lodert wie ein schwarzes Feuer in ihm auf, all Hoffnung und Vertrauen verbrennend, doch schnell erlischt ers mit einer waltenden Besonnenheit. Ein Kunstgriff, den er seit seiner Geburt in vielen Situationen verfeinert und sich angewöhnt hat, so dass er ihm gar nicht schwer auszuüben fällt. Insgeheim muss er grinsen ob seines Flehens und Appelierens, und ob der ungeheuren Gefühllosigkeit der Torwächter – Hat er je etwas anderes erwartet? Alle Bewohner der Kalkwüsten sind doch in gleichem Maße kalt und gefühllos, einzig und allein darauf bedacht, ihren eigenen Begehren zu dienen. Diese finstere Wirklichkeit eingestehend, akzeptiert Aias dass die Torwächter ihm nicht öffnen werden. Er hat gar keine andere Wahl, als weiter nach Norden zu marschieren, und nach diesem sogenannten Beweis zu spähen. Also wendet er sich, im angenehm kühlenden Schatten der wallenden Steinmauer spazierend, auf dass der Schatten nach links fällt, und geht bis zum Ende der Mauer, wo er innehält, um seinen Geist für die bevorstehende Tortur zu schärfen.

    Schon einige Male ist er von Umständen dazu gedrängt worden, bei zenitichter Todesblende durch das glühende Ödland zu wandeln, und jedes Mal überstand ers, wenn auch mit so manch seelischer und fleischichter Narbe, die nach wie vor wie schrecklich schmerzende Wunden sein ganzes Wesen überziehen.

    Und dann, geschieht es. Wie Aias im angenehm kühlen Schatten meditiert, wird mit einem Male Alles still und leise, und plötzlich erklinget ganz nah hinter der Mauer die seraphische Stimme eines wahrhaftigen Engels. O Labsal der lieblichen Klänge, O Wunder der Wunder!

    Vergessen ist all Sorge. Wie wenn ein himmlischer Segen seine Schwingen vor die Todesblende, über die Welt breitet, vergeht all Kummer und Leid, und zurück bleiben nur Wonne und Beseligung. Aias steigt empor in das ewige Reich, schwebend, denn wo ist hier noch Schwerkraft, und lauscht den Worten der zarten, melodischen Stimme: ,,Psst, o Fremdling! Nicht verkenn ich dein Leid, aber leider ist es mir nicht gestattet die Tore zu öffnen. Warte kurz!"

    Aias dreht sich um, weniger von dem Gesagten als von dem Wohllaut der Stimme belebt, und ruft: ,,Wer ist da?

    Wahrlich, ich-"

    ,,Leise", unterbricht ihn die melodische Engelsstimme rasch, und ohne ein weiteres Wort fliegt in hohem Bogen Etwas, im gleißenden Sonnenlicht grell schimmerndes, über die Steinmauer, direkt vor Aias‘ verbrannten Füße, und als er erkennt, was es ist, hüpft sein Herz vor Freude, und vollkommene Glückseligkeit erstrahlt golden hell aus allen Wolken des ewigen Reichs. Es ist eine Flasche, durch deren hitzgebogene, durchsichtige Plastikwände ihn klares, fließendes, sprudelndes Hazweio glitzernd anlächelt.

    ,,O du gute, du selige, du Engel Gottes in meiner größten Not! Ich danke dir!", flüstert Aias.

    ,,Trinke schnell, Fremdling, das Plastik schmilzt rasch in der Hitz‘!", sagt das Mädchen hinter der Mauer.

    Schon hat Aias die Flasche an seine salzverkrusteten Lippen angesetzt, und das erlösende, kühle Wasser fließt wie ein elysischer Kristallbach geschmolzenen Schnees, all Wunden mit sich reissend, seine vertrocknete Kehle hinab. Neue Lebenskraft erfüllt ihn, durchströmt seine blutarmen Adern und seine nervichten Muskeln, und allen voran sein geschaffener Geist erwacht

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