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Kleine Kostümkunde
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eBook517 Seiten3 Stunden

Kleine Kostümkunde

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Über dieses E-Book

Die Mode der 90er Jahre zitiert zunehmend Stilmerkmale der Kleidung vergangener Epochen. So wird die Kenntnis von der Geschichte des Kostüms immer wichtiger für jeden, der sich beruflich der Mode, einem der Mode verwandten Handwerk oder der Bildenden Kunst widmen will. Die "Kleine Kostümkunde" will deshalb eine Einführung in Trachten und Moden der Vergangenheit geben.
Das reich illustrierte Buch führt in fundierter und zugleich unterhaltsamer Weise durch die Geschichte der Mode vom Altertum bis hin zu den jüngsten Kreationen der Bekleidungsindustrie unserer Tage.
Die vorliegende Neuauflage ist von Gisela Krause inhaltlich und sprachlich vollständig neu bearbeitet worden, dabei wurden sowohl neuere Erkenntnisse der Kostümforschung wie auch die jüngste Entwicklung der Mode in den 90er Jahren berücksichtigt. Damit ist diese Ausgabe der "Kleinen Kostümkunde" das richtige Fachbuch für alle, die sich mit dem Sujet Mode beschäftigen wollen, ohne sich in spezielle Einzelheiten der verschiedenen Epochen zu verlieren.
SpracheDeutsch
HerausgeberSchiele & Schön
Erscheinungsdatum2. Dez. 2019
ISBN9783794908769
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    Buchvorschau

    Kleine Kostümkunde - Gisela Krause

    Zu diesem Buch

    Die Mode der 90er Jahre zitiert zunehmend Stilmerkmale der Kleidung vergangener Epochen. So wird die Kenntnis von der Geschichte des Kostüms immer wichtiger für jeden, der sich beruflich der Mode, einem der Mode verwandten Handwerk oder der Bildenden Kunst widmen will. Die „Kleine Kostümkunde" will deshalb eine Einführung in Trachten und Moden der Vergangenheit geben.

    Das reich illustrierte Buch führt in fundierter und zugleich unterhaltsamer Weise durch die Geschichte der Mode vom Altertum bis hin zu den jüngsten Kreationen der Bekleidungsindustrie unserer Tage.

    Die vorliegende Neuauflage ist von Gisela Krause inhaltlich und sprachlich vollständig neu bearbeitet worden, dabei wurden sowohl neuere Erkenntnisse der Kostümforschung wie auch die jüngste Entwicklung der Mode in den 90er Jahren berücksichtigt. Damit ist diese Ausgabe der „Kleinen Kostümkunde" das richtige Fachbuch für alle, die sich mit dem Sujet Mode beschäftigen wollen, ohne sich in spezielle Einzelheiten der verschiedenen Epochen zu verlieren.

    Vorwort

    Mode existiert solange die Menschheit denken kann. Sie spiegelt den Zeitgeist der Gesellschaft wider. Es gibt niemanden, der sich nicht in gewisser Weise für Mode interessiert ob es sich um Bekleiden oder Verkleiden handelt.

    Mode unterstreicht die Persönlichkeit und damit die Individualität eines Jeden. Aber nur den großen Designern ist es vergönnt, diese Vielschichtigkeit der Mode zu erkennen und sie zu interpretieren. So hat jede Zeitepoche seine spezifische Modewelt. Besonders im 20. Jahrhundert hat jede Dekade einen besonderen Stil hervorgebracht.

    Eine totale Wandlung des Denkens in der Mode hat sich im 21. Jahrhundert vollzogen. Der Sport hat die Welt erobert und ist gesellschaftsfähig geworden. Damit erhielt die Mode einen neuen Einfluss und eine grundsätzliche Veränderung des Dresscodes ging vonstatten.

    Berlin, Januar 2010

    Zur Einführung

    Die Geschichte der Kleidung ist zugleich eine Geschichte des Menschen. Kleidung spiegelt seit jeher nicht nur den kulturellen Zeitstil und den jeweiligen Stand der Technik wider, sondern auch das Bild, das der Mensch von sich selbst hat – als Individuum, als Mann oder als Frau, als Mitglied einer elitären Gruppe oder eines größeren Gemeinwesens.

    Kleidung ist mehr als eine Bedeckung des Körpers. Sie betrifft die gewollte Veränderung der menschlichen Erscheinung, also das, was der Mensch äußerlich aus sich selbst macht. Sie umfasst alle Mittel einer solchen Gestaltung – von der Unter- bis zur Überkleidung, von der Frisur bis zum Schuh, vom Schmuck bis zur Schminke.

    Der Ursprung der Kleidung liegt nicht, wie man meinen sollte, im Schutz vor unwirtlicher Umwelt, denn auf seiner frühen Entwicklungsstufe war der Mensch ähnlich dem Tier ausreichend gegen äußere Beeinträchtigung durch Klima und Umgebung gewappnet; klimatische Veränderungen haben sich im weiteren Verlauf der Entwicklung jedoch auf Art und Umfang der Kleidung ausgewirkt. Auch die Verhüllung des Körpers aus Scham stand nicht am Beginn der Bekleidung. Vielmehr entwickelte sich, wie man heute weiß, das Schamgefühl erst durch das Tragen von Kleidung mit ihrer rituellen Verwendung und aus der damit entstehenden Tabuisierung von Körperzonen. Nach wie vor ungeklärt ist jedoch die Frage, ob die Kleidung aus bloßer Freude am Schmuck entstand oder zuerst der Abwehr von Dämonen bzw. der Beschwörung von Geistern galt, ob ihre Wurzeln in der Kennzeichnung des besonderen Status ihres Trägers lagen oder ob sie primär seine Gruppenzugehörigkeit anzeigte, ob sie am Anfang dem Feind Furcht und Schrecken einflößen oder Anreize für das Liebeswerben schaffen sollte. Mehrere Entstehungsursachen kamen vermutlich zusammen mit unterschiedlichen Schwerpunkten je nach Kultur und Situation – aus der Bewährung bei einer Aufgabe haben sich vermutlich weitere Anwendungsmöglichkeiten der Kleidung ergeben. Auf jeden Fall stecken die unterschiedlichsten Zwecksetzungen und Möglichkeiten mehr oder weniger auch noch in der gegenwärtigen Kleidung, auch wenn sich die Trägerinnen und Träger dessen nicht immer bewusst sind.

    Am Anfang der Kleidung stand wahrscheinlich das Anlegen von Schmuck und Amuletten in Form von Steinen, Muscheln oder ähnlichem und das Gestalten des Haupthaares. Hinzu kamen Körperbemalung und die Veränderung von Körperformen in begrenztem Rahmen, insbesondere bei Taille, Hals und Kopfform. Anhaltspunkte dafür geben Funde aus der Steinzeit und ethnologische Forschungen bei Völkern auf einer frühen Entwicklungsstufe in Australien und Afrika. Von hier aus war es sicher nur ein kleiner Schritt, sich mit Gräsern und Blättern zu schmücken und mit Fellen bzw. Häuten von Tieren zu bedecken. Die steinzeitlichen Darstellungen von Menschen auf Felszeichnungen zum Beispiel in Spanien um 10000 v. Chr. lassen allerdings kaum exakte Angaben über Art und Ausführung der frühen Bekleidung zu, da sie stark stilisiert sind; vermutlich trugen hier die Jäger bereits umgehängte Tierfelle oder Häute. Doch schon ab 9000 v. Chr. sollen in Mesopotamien Wollstoffe gewebt worden sein. Das älteste erhaltene Gewebe, ein Stück Wollstoff aus Mesopotamien, wird auf etwa 7000 v. Chr. datiert. Die Bekleidung aus Gewebe setzt eine beträchtliche Entwicklung an handwerklichem Können wie auch an technischen Hilfsmitteln voraus. Funde von Spinnwirteln und Webgewichten in Gräbern früher Kulturen geben Anhaltspunkte für die Art der Herstellung textiler Bekleidung. Im iranischen Hochland wurden derartige Hinweise schon aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. gefunden. Für Mitteleuropa sind das Spinnen mit der freihängenden Handspindel und das Weben mit dem senkrecht stehenden Gewichtswebstuhl etwa um 4000 v. Chr. nachzuweisen. Das spektakuläre Auftauchen von „Ötzi", dem etwa 5000 Jahre alten Menschen aus dem Gletschereis der Ötztaler Alpen im Jahr 1991, lässt neuere Erkenntnisse über Leben und Bekleidung von Menschen in der Vorzeit im mitteleuropäischen Raum erwarten. Nach jetzigem Forschungsstand war dieser steinzeitliche Mensch bekleidet mit dem Leder oder Fell verschiedener Tiere, das sorgfältig gekürschnert und mit feinen Fäden aus Sehnen, Leder oder Gras zusammengenäht und auch repariert war; es ließen sich Beinhüllen, Lendenschurz und Leibrock erkennen. Um die Schulter trug er als Wetterschutz ein mattenartig geflochtenes Cape aus Gräsern. Außerdem besaß er Schuhe und eine Kappe aus Leder und hatte eine Art Amulett aus Marmor bei sich sowie eine besondere Jagdausrüstung. Gesponnene und gewebte Textilien wurden dagegen nicht bei ihm gefunden, was aber nicht ausschließt, dass diese im Flachland zu gleicher Zeit doch schon bekannt waren.

    Bild 1. Wildschweinjagd. Nachzeichnung steinzeitlicher Felsmalereien aus der Gasulla-Schlucht, Cueve Remigia, Castellón, Ostspanien. Mesolithikum, um 10 000 v. Chr. Die Menschen rennen mit weit ausschwingenden Beinen den getroffenen Tieren nach. Pfeil und Bogen sind zu erkennen, ebenso eine Kniezier, die als Rang- und Würdezeichen zu deuten ist und vermutlich aus Fellen oder Häuten besteht. Die Männer tragen unterschiedliche Frisuren.

    Bild 2. Drei Frauen mit Kopfzier. Nachzeichnung steinzeitlicher Felsmalereien aus der Valltorta-Schlucht, Cueva Saltadora, Castellón, Ostspanien. Mesolithikum, um 10 000 v. Chr. In den schmalen Oberkörpern, den ausladenden Hüften und den teilweise geschmückten Beinen zeichnet sich ein bestehendes Frauenideal ab. Kopfputz und Haltung der Frauen lassen auf verschiedene Rollen schließen.

    Die heutige, recht komplizierte Bekleidung hat sich in Jahrtausenden aus diesen Anfängen heraus entwickelt. Bemerkenswert erscheint, dass schon in steinzeitlichen Malereien charakteristische Bekleidungsformen von Mann und Frau auftauchten, ohne dass damit aber eine kontinuierliche Entwicklung von Hose und Frauenrock vorgezeichnet wäre. Einiges hat sich jedoch von den Anfängen bis in die Gegenwart erhalten. Als Würde-, Kult- und Standeszeichen spielten in alten Kulturen zum Beispiel Tierfelle eine besondere Rolle, wie in Ägypten zur Kennzeichnung hochrangiger Priester – noch heute sind sie in dieser Rolle anzutreffen, wie die repräsentative Bärenfellmütze der Wache vor den Schlössern europäischer Monarchen zeigt.

    Für die Betrachtung von Bekleidung haben sich im Lauf der Zeit einige wichtige Begriffe herausgebildet. Der Frage der Veränderlichkeit der Kleidung tragen die Bezeichnungen „Tracht und „Mode Rechnung. Tracht nennt man eine durch Tradition begründete und weitgehend gleichbleibende Kleidung einer bestimmten Gruppe; Beispiele dafür bilden noch heute Standes- und Berufstrachten, Ordens- und Nationaltrachten. Tracht ist das, was „getragen wird, und in diesem Sinne gilt auch die über längere Zeit unveränderte Kleidung historischer Epochen als Tracht. Im Gegensatz dazu lässt sich von Mode im heutigen Sinne nur sprechen bei einer häufig wechselnden Kleidung, die für kulturtragende Schichten innerhalb einer Gesellschaft mehr oder weniger verbindlich ist. Mode als eine besondere Erscheinungsform der Kleidung entwickelte sich erst relativ spät, nämlich ab dem ausgehenden europäischen Mittelalter, also vom 15. Jahrhundert an. In der Gegenwart spricht man außerdem von „Trend, wenn eine gerade aufkommende Mode gemeint ist. Der Begriff „Uniform betrifft eine über längere Zeit gleichbleibende Kleidung, die aber im Unterschied zur Tracht künstlich in allen Einzelheiten festgelegt ist und von einer bestimmten Gruppe mit speziellen, meist öffentlichen Aufgaben getragen wird. Unter „Kostüm schließlich versteht man sehr Unterschiedliches: die Verkleidung von Narren und Schauspielern, das anzugähnliche zweiteilige Kleid der Frau und ganz allgemein die historische Kleidung; die Wissenschaft von der Kleidung früherer Epochen wird daher als „Kostümkunde" bezeichnet.

    Weiterhin ist zu unterscheiden zwischen Kleidung, die durch Anlegen von „zweidimensionalen textilen Flächen entsteht, und solcher, die durch das dauerhafte Zusammenfügen von Formen eine „dreidimensionale, festgelegte Gestalt ergibt – die also „angezogen" werden muss und in der Regel zugeschnitten und genäht wird. In der Unveränderlichkeit zugeschnittener und genähter Kleidung liegt wahrscheinlich eine Wurzel des Modewechsels: Die mit der Zeit langweilige Kleidform lässt den Wunsch nach Veränderung, d. h. nach einer neuen Mode wach werden.

    In den letzten Jahrzehnten haben sich Psychologen, Soziologen, Historiker und Kostümwissenschaftler intensiv mit den vielfältigen Fragen der Bekleidung auseinandergesetzt. Es ist erfreulich, dass ernsthafte Untersuchungen diesem immer noch recht wenig erforschten Phänomen auf der Spur sind, denn lange Zeit galten Kleidung und Mode als eine bloß äußerliche oder gar oberflächliche Angelegenheit. Mode wurde oft genug nur abwertend beurteilt oder einseitig als Wirtschafts- bzw. Werbefaktor betrachtet und schien damit wissenschaftlich belanglos zu sein.

    Diese „Kleine Kostümkunde will eine Einführung in die so reizvolle und vielgestaltige Entwicklung der europäischen Kleidung und die damit verbundenen Fragen geben. Auf dem zur Verfügung stehenden, begrenzten Raum lässt sich aber das Thema „Tracht und Mode auch nicht annähernd erschöpfend darstellen, es kann hier also nur in seinen Grundzügen behandelt werden. Die „Kleine Kostümkunde" soll eine erste Orientierung in diesem Wissensgebiet ermöglichen; sie will Unterhaltsames bieten, sie will aber auch Fragen wecken und somit einen Anreiz schaffen für ein weitergehendes Studium in wissenschaftlichen Spezialwerken.

    Altertum

    Das Altertum umfasst die Zeit von den altorientalischen Hochkulturen bis zur germanischen Völkerwanderung. In dieser weitreichenden Zeitspanne gibt es über die Entwicklung der Kleidung bisher nur von den Völkern genauere Erkenntnisse, die umfangreiche und beständige Zeugnisse ihrer Kunst und Kultur in Bild und Text hinterließen, wie die Ägypter oder die Griechen und Römer. Von anderen Völkern haben sich nur wenige Dokumente erhalten, die auch oft nur ein Schlaglicht auf die Kleidung einer bestimmten Gruppe in einer bestimmten Zeit werfen. Schon wegen der unsicheren Quellenlage konnten nicht alle Völker in dieser zusammenfassenden Darstellung der Kleidung des Altertums berücksichtigt werden. Die Auswahl, die hier getroffen wurde, beschränkt sich auf solche Kulturen, die direkt oder indirekt die Entwicklung der europäischen Kleidung bzw. Textilien beeinflussten, und solche, die uns räumlich nahestehen; dies sind einige Völker Vorderasiens und vor allem die Germanen.

    Kleidung der Ägypter und der Völker Vorderasiens

    Die Kleidung, die sich in den alten Hochkulturen südwestlich Europas entwickelte, zeigt sehr unterschiedliche Gestaltungsprinzipien, die sich nur teilweise aus der speziellen Lebensweise oder den besonderen klimatischen Bedingungen erklären lassen. Einiges davon erscheint uns vertraut, anderes fremd. Gerade durch die Unterschiede wird deutlich, dass Kleidung im Menschenbild einer Kultur wurzelt und zugleich diesem Menschenbild Gestalt verleiht.

    Kleidung der Ägypter

    (4.–Mitte 1. Jahrtausend v. Chr.)

    Die Geschichte der Völker begann nach Ansicht der Archäologen vor etwa 6000 Jahren. Von den alten Hochkulturen hat sich die Kulturgeschichte Ägyptens am vollständigsten der Nachwelt erhalten. Bereits für das 4. Jahrtausend v. Chr. ist hier eine erstaunlich hohe Entwicklung nachzuweisen. Das konservierende Klima hat bis heute eine Anzahl von Tempelruinen erhalten, in denen Inschriften, Fresken, Statuen und Geräte von den Fähigkeiten und dem Leben der Ägypter Zeugnis ablegen. Als besonders aufschlussreich erwiesen sich die zahlreichen Königsgräber, vor allem die Pyramiden. Sie stammen aus dem 3. Jahrtausend, als der Pharao noch göttliche Verehrung genoss. Ihr Bau begann jeweils mit dem Anfang der Regierung und wurde bis zum Tode des Herrschers weitergeführt. An der größten, der des Königs Cheops, sollen hunderttausend Menschen dreißig Jahre lang gearbeitet haben.

    Das Leben der Ägypter wurde von dem Glauben an ein Leben nach dem Tode beherrscht. So verlangte der Totenkult für die Herrscher sichere und schöne Gräber, gefüllt mit allen Dingen und Schätzen, die ihnen in ihrem Leben zur Verfügung standen und die sie folglich auch für ihr „Weiterleben" benötigten. Wandmalereien und Inschriften sollten die Götter über die Taten, die Verdienste, ja über die Lieblingsbeschäftigungen der Verstorbenen informieren. In den Bildberichten über Kriege und Siege lassen sich deutlich Typen fremder Völker als Gesandte, Tributbringende oder Gefangene erkennen. Auch der Alltag lässt sich aus den durchaus realistischen, in das jenseitige Leben verlegten Szenen rekonstruieren –Jagd und Fischfang, Handwerk und Landwirtschaft bilden häufig dargestellte Themen.

    Im Lauf der Jahrhunderte wurden die Gräber immer wieder geplündert, dabei gingen viele Schätze verloren. Andere Fundstücke sind in Museen der ganzen Welt aufbewahrt. Um so größer war die Sensation, als Archäologen 1922 im Tal der Könige bei Theben ein noch unversehrtes Grab erschließen konnten. In ihm war der noch sehr junge König Tutanchamum, Schwiegersohn der Nofretete, um 1350 v. Chr. beigesetzt. Was die Archäologen hier in mehrjähriger Arbeit fanden, überstieg an Menge, Kostbarkeit und Kunstfertigkeit alle Erwartungen und bestätigte die hochentwickelte Kultur des zwischen 1500 und 1200 v. Chr. blühenden Neuen Reiches.

    Das Klima Ägyptens erforderte relativ wenig Bekleidung. Nach den ältesten erhaltenen Malereien, Statuen und Reliefs trugen alle ägyptischen Männer den Lenden- bzw. Hüftschurz aus Leinen; der des Pharaos und seiner Würdenträger wies allerdings besondere Statuszeichen auf, zum Beispiel Plisseebahnen und Gürtung. Über 4000 Jahre später bildete der Schurz noch immer die Hauptbekleidung der Ägypter – der Pharao trug nun den zweiteiligen Prunkschurz. Prinzipiell ist der Schurz ein sehr einfaches Kleidungsstück, doch es gab viele verschiedene Varianten, ihn anzulegen, zu knoten und zu schlingen. Auch die Leinenstoffe waren unterschiedlich, sie konnten zum Beispiel gesteift oder gefältelt sein.

    Die weibliche Kleidung war ebenfalls lange Zeit äußerst schlicht. Ein enganliegendes, dehnbares knöchellanges Hemdgewand mit Schulterbändern, das bis an oder über die Brust reichte, genügte – es wird heute als Kalasiris bezeichnet. Durch Überdrehung der Fäden und plisseeartige Fältelung der Gewebe erreichten die Ägypter eine gewisse Elastizität des Stoffes, so dass er sich dem Körper anschmiegte. Seit 1600 v. Chr. wurde das Hemdgewand auch vom Mann getragen. Der Wohlstand des Neuen Reiches zeigte sich in einer immer üppiger ausgestatteten Kleidung der oberen Schichten, wie sie vor allem aus der Amarnazeit zwischen 1353 und 1336 v. Chr., in der auch Nofretete lebte, belegt ist. Für Vornehme beider Geschlechter – insbesondere für Frauen – kam das sogenannte Wickelgewand auf, das recht kompliziert und in verschiedenen Arten angelegt werden konnte. Dabei hüllte zum Beispiel ein langes und breites rechteckiges Stück Stoff zuerst den Unterkörper ein und wurde dann vom Rücken her über Schulter und Arme nach vorn geführt. Seine Zipfel verknotete man vorn über der Brust mit dem übrigen Gewand, ein Ende hing dabei hinten von einer Schulter herab. Wegen der stilisierenden Darstellung der Ägypter lassen sich aber nicht alle Fragen zur Bekleidung restlos klären. Unter dem Wickelgewand konnte vom Mann auch noch ein Schurz getragen werden. Bei den Frauen schimmerten durch die besonders feinen und fast durchsichtigen gefältelten Leinenstoffe die dunklen Körper durch.

    Die Gestaltung der menschlichen Figur konzentrierte sich bei den Ägyptern auf den Kopf, und sie folgte dabei einem über 3000 Jahre fast unverändert geltenden Proportionsschema. Kopfbedeckungen und die Perücke aus Wolle sowie der große Kragen aus Schmucksteinen, Metall, Stoff oder Leder bildeten somit wesentliche Bestandteile der Kleidung. Hinzu kamen besondere, in einer langen Tradition festgelegte Würde- bzw. Berufszeichen. Einige Priester waren zum Beispiel auf den Darstellungen am Leopardenfell zu erkennen, Richter an der aufgesteckten Feder. Der Pharao trug das offene Henkelkreuz in der Hand als Zeichen seiner Herrschaft über Leben und Tod. Geißel und Krummstab symbolisierten Macht und Schutz. Die aufgerichtete Uräusschlange an der Stirn als Königszeichen sollte vor Gefahren schützen. Der häufig zu beobachtende kurze blaue Bart des Pharao war ebenfalls ein Königssymbol; er bestand aus Holz und war nur angebunden, hatte also nichts mit einer allgemeinen Bartmode zu tun. Die von allen Ägyptern getragenen Perücken verbreiterten den Kopf, die Königshauben erhöhten ihn meist noch, wie etwa die Geierhaube. Unter den verschiedenen Königshauben fällt besonders die sich konisch nach oben erweiternde Blaue Krone der Nofretete auf, deren idealisierte Büste mit übergroßem Kopf und dünnem Hals den veränderten Proportionen der Amarnazeit entspricht; in der Amarnazeit hatte der Ehemann Nofretetes, Amenophis IV., einen vorübergehenden Wechsel bei Religion und Residenz durchgesetzt.

    Die Frau genoss in Ägypten zu allen Zeiten hohes Ansehen. Als Königin neben ihrem Gemahl oder als Alleinherrscherin trug sie die gleichen Abzeichen der Würde wie der Mann. Großen Wert legte sie auf Körper- und Schönheitspflege, wie kunstvoll gearbeitete Metallspiegel und viele Behälter für Salben, Öle und Schminken aus Glas, Metall, Elfenbein und Gold beweisen. Außer dem allgemein üblichen Schulterkragen waren als Schmuck Ober- und Unterarmspangen bei beiden Geschlechtern beliebt.

    Durch Jahrtausende hindurch hatte sich die Eigenart ägyptischer Kultur nicht von der ihrer Nachbarvölker beeinflussen lassen – trotz der Kontakte durch Handel oder Krieg. Strenge Tradition schützte die Gebräuche und den einheitlichen Stil der Kleidung. Auch die hundert Jahre währende Fremdherrschaft durch die Hyksos um 1600 v. Chr. hatte nichts daran ändern können. Mit der zweiten kulturellen Blütezeit Ägyptens während des Neuen Reiches etwa von 1500 bis 1200 v. Chr. verlor sich zwar die Einfachheit, nicht aber die Geschlossenheit des Stils. Selbst nach der Eroberung durch die Perser 525 v. Chr. behielt Ägypten seine eigenständige Kultur. Erst in der griechisch-römischen Zeit von 332 v. Chr. bis 395 n. Chr. änderte sich dies: Als die Römer unter Cäsar und Antonius das Land eroberten, fanden sie Ägypten und seine Königin Kleopatra sowohl in den Sitten als auch in der Kleidung weitgehend griechisch beeinflusst. Im Jahre 30 v. Chr. wurde Ägypten römische Provinz.

    Bild 3. Opfergabenträger aus dem Grab des Merib, eines hohen königlichen Beamten. Relief (Nachbildung). Altes Reich, 4. Dynastie, um 2450 v. Chr. Die Diener versorgen den Verstorbenen auch für das Jenseits mit allem Notwendigen; in den Körben sind Lebensmittel. Die Frauen tragen das bis unter die Brust reichende Hemdgewand, die Männer den einfachen Lendenschurz.

    Bild 4. Sitzbild eines ägyptischen Ehepaares aus Gizâ. Altes Reich, um 2400 v. Chr. Er – in rotbrauner, d. h. männlicher Körperfarbe – ist bekleidet mit dem einfachen Lendenschurz, mit Schmuckkragen und Perücke, sie – in hellerer, weiblicher Körperfarbe – trägt das lange Hemdgewand, den Schmuckkragen und eine Perücke mit schulterlangem Haar.

    Bild 5. Nofretete, Königin von Ägypten. Büste aus Tell el-Amarna, um 1350 v. Chr. Nofretete trägt den farbigen Schmuckkragen und die ihr eigene Form der Blauen Krone, um die ein Band geschlungen ist. Das Königszeichen, die Uräusschlange, befindet sich über der Stirn, doch ist das aufgerichtete Vorderteil abgebrochen. Foto: Philip Pikart

    Bild 6. Königinmutter Ahmes-Nefertari und König Amenophis I. (um 1527–1507 v. Chr.) mit großem Wickelgewand. Malerei aus einem Grab, Theben um 1190–1160 v. Chr. Der feingefältelte Stoff lässt die dunklen Körper durchschimmern. Unter dem Gewand hat der König einen Leinenschurz und darüber einen metallenen Prunkschurz angelegt. Er trägt das Uräus-Diadem über der Perücke, die Königinmutter die Geierhaube. Beide halten die Geißel und das geöffnete Kreuz, Symbole der Macht und des Lebens, in den Händen.

    Kleidung der Sumerer, der Assyrer und Babylonier

    (3.–Mitte 1. Jahrtausend v. Chr.)

    Etwa gleichzeitig mit der ägyptischen Hochkultur entwickelte sich zwischen Euphrat und Tigris, dem sogenannten Zweistromland (griechisch: Mesopotamien), ein weiteres Kulturzentrum des Altertums. Als ältestes Kulturvolk lebten hier zwischen 3200 und 2000 v. Chr. die Sumerer. Mit der Erfindung der Keilschrift und der Schaffung des sogenannten sexagesimalen, also „60er"-Zahlensystems, das auf der Zahl 12 basiert und noch heute unsere Zeiteinheiten bestimmt, legten sie die Grundlagen für die spätere babylonische Kultur. Der Einfluss ihrer Kunst reichte bis nach Syrien und nach Ägypten. Die sumerischen Stadtstaaten wurden um 2350 v. Chr. von den eingewanderten Akkadern unter Sargon unterworfen und zu einem Gesamtreich mit der Hauptstadt Akkad vereinigt, das etwa bis 2000 v. Chr. Bestand hatte. Die sumerische Kultur blieb jedoch auch in der folgenden Zeit bis um 1700 v. Chr. bestimmend.

    Mesopotamien, im Gebiet des heutigen Irak, wurde im 2. Jahrtausend v. Chr. Hauptteil des assyrisch-babylonischen Reiches. Im Norden Mesopotamiens, am oberen Tigris, hatten sich um 2500 v. Chr. die Assyrer angesiedelt; nach dem höchsten Gott Assur erhielt auch die Hauptstadt ihren Namen. Um 1800 v. Chr. gewannen die Assyrer an Macht, drangen nach Süden vor und eroberten mit einer ganz brutalen Art der Kriegführung nordbabylonisches Gebiet. Etwa gleichzeitig errichteten im Süden Mesopotamiens die Babylonier ein Reich mit

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