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Der gläserne Seitensprung
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eBook287 Seiten4 Stunden

Der gläserne Seitensprung

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Über dieses E-Book

Eine junge Frau träumt von der großen Liebe, die ewig hält und mit der ihr bis zu ihrem Tod nur Glück widerfährt.
Es ist aber das wahre Leben, das unsere Wünsche und Träume manchmal auf eine harte Probe stellt.
Der Weg des Lebens ist nicht immer gerade und eben.

Raffaela war jung, schön und voller Träume. Sie träumte von einem Leben voller Glück und Zufriedenheit. Doch diese Träume stellen sich manchmal als Alpträume heraus und sie verliert den Glauben an die große Liebe.
Der gläserne Seitensprung wiederspiegelt das Leben einer Frau, die fast an der Liebe zerbricht, nur um die große Liebe wieder neu zu entdecken.
SpracheDeutsch
HerausgeberBooks on Demand
Erscheinungsdatum15. Sept. 2014
ISBN9783735769596
Der gläserne Seitensprung
Autor

Markus Höck

Markus Höck wurde 1976 geboren und wuchs auf einem Bauernhof im ländlichem Raum an der Grenze zum Mühlviertel auf. Neben seiner technischen Ausbildung war immer schon seine Leidenschaft das schreiben. Und mit der gläseren Seitensprung brachte er seine Leidenschaft auch in Form eines Buches zu Papier.

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    Buchvorschau

    Der gläserne Seitensprung - Markus Höck

    Der gläserne Seitensprung

    Und er war wieder mal nicht da! Der Tag war heute wieder zum Heulen. Die Kinder waren schlecht gelaunt von der Schule gekommen. Es regnete schon seit drei Tagen, und nun konnten sie nicht hinauslaufen, aber die Hausaufgaben zu erledigen war ein noch größerer Graus für sie. Tja, natürlich musste sie wieder herhalten und die Kinder zu den Aufgaben zwingen. Und sie zeigten ihr natürlich auch gleich, wie gerne sie sich mit den Schulsachen beschäftigten. David schrie wie am Spieß und wollte hinaus in den Garten, Robert schlich sich heimlich ins Wohnzimmer und schaltete den Computer ein, um zu spielen. Er hatte erst vor Kurzem zu seinem Geburtstag ein Spiel bekommen, das genau für seine neun Jahre passte. Resident Evil 2. Ein harmonisches Spiel.

    Na super, dachte sie, ich dreh gleich durch. „Kinder!", schrie sie laut durch das Haus.

    „Ich will, dass ihr sofort eure Hausaufgaben macht!" Aber das zeigte wenig Wirkung. David hatte es geschafft, aus dem Haus zu laufen, wo er Regentropfen fangen spielte. Und Robert war schon auf Level 2 bei seinem Computer-Spiel. Also die Hausaufgaben waren fürs Erste mal gestorben.

    „Wo sind meine Beruhigungstropfen?", rief sie laut. Sie rannte in die Küche, machte den Kühlschrank auf und holte eine Flasche Weißwein heraus, dazu ein Mineral. Das brauchte sie jetzt. Ein Getränk zur Beruhigung. Sie mischte den Wein mit etwas Mineralwasser, denn jetzt brauchte sie etwas Stärkeres. Als sie das Glas geleert hatte (sicherheitshalber gleich auf einmal), ging es ihr gleich weitaus besser. Jetzt sah die Welt schon viel freundlicher aus. Und zur Vorsicht richtete sie sich gleich noch ein weiteres Glas her.

    Nach einer Stunde konnte sie das Leben doch gleich wieder in bester Laune genießen. David hatte es bereits aufgegeben, die Regentropfen zu fangen, und war mittlerweile wieder im Haus. Hauptsächlich aber deswegen, weil er keine Schuhe angezogen hatte und seine Socken wie ein Schwamm voll Wasser und Schmutz waren. Deshalb war ihm auch kalt geworden. Natürlich hatte er die Socken beim Hereingehen nicht ausgezogen und eine wunderschöne Schlammspur von der Haustür bis ins Bad hinterlassen. Ihr machte das inzwischen nichts mehr aus, denn sie war schon in einer anderen Welt. In jener Welt, wo alles wunderbar und leicht ist. Wie ein paar weiße Gespritzte eine Frau verändern konnten?, überlegte sie vegnügt. Seltsamerweise nahm sie es mit Humor und folgte den Spuren bis ins Bad. Wo sie ihren Jüngsten fröhlich planschend vorfand. Seine Füße wusch er sich im Bidet, was auch rundherum für einen gewissen Wasserstand sorgte. Der Wasserdruck der Leitung war halt etwas zu stark, wodurch die Spritzer gleichmäßig im ganzen Bad verteilt wurden. Herrliche Wasserspritzer glitzerten auf den Fenstern, auf dem Spiegel, aber auch auf den Fliesen waren sie schön anzusehen.

    So, jetzt reichte es ihr. Sie schrie mit sich überschlagender Stimme: „David, geh sofort und trockne dir deine Füße ab, dann ab in die Küche zu deinen Hausaufgaben, aber dalli!". Das hatte gewirkt. Ihre Lautstärke war nun doch schon etwas stärker als sonst. In Rekordtempo saß er in der Küche bei seinen Mathe-Hausaufgaben.

    Endlich – es war Abend. Die Kinder waren schon im Bett und schliefen. Na ja, sie hoffte, dass sie schliefen, aber sie hörte nichts mehr aus den Zimmern, also dürften sie schlafen.

    Raffaela kuschelte sich in die Couch und schaltete den Fernseher ein. Sie zappte durch die Programme, aber es war nichts Vernünftiges dabei, also schaltete sie wieder aus.

    Es war still im Haus. Jetzt kam wieder die Zeit, wo sie diese Einsamkeit spürte. Sie vermisste ihren Mann sehr. Er hatte diesen Job bei der Ölfirma „Ölmulti" in Deutschland angenommen. Daher war er unter der Woche in Deutschland und kam nur an den Wochenenden heim in ihr kleines Dorf im Weinviertel. Es war ein nettes kleines Nest mit ca. sechzig Einwohnern. Jeder kannte jeden. Doch ihr Mann fand hier nicht den Job, den er wollte, und daher hatte er sich entschieden, ins Ausland zu gehen, wo er gutes Geld verdiente.

    Sie hat damals nur widerwillig nachgegeben, weil ihr klar war, dass die gesamte Hausarbeit, die Kinder und alles andere auf sie zurückfallen würde. Es machte sie auch sehr traurig, dass sie Jürgen nur an den Wochenenden sehen würde. Doch sie gab dem Flehen ihres Mannes nach und so nahm er die Arbeit in Deutschland an. Mittlerweile ist das über ein Jahr her, und es kam schon mal vor, dass er auch zwei Wochen nicht heimkam, wenn es viel Arbeit gab.

    Sie verkroch sich in ihre Decke und begann leise zu weinen. Ihr fehlte die Geborgenheit, die zärtlichen Umarmungen ihres Mannes, das Reden am Abend. Die traute Zweisamkeit fehlte ihr immer mehr. Sie weinte in ihre Decke hinein, und irgendwann schlief sie ein. Mitten in der Nacht wurde sie von einem bösen Traum geweckt und schreckte auf. Nach einer Weile bemerkte sie, dass sie noch nicht im Bett lag. Sie wälzte sich von der Couch, ging schlaftrunken zu Bett und schlief gleich wieder ein.

    Erst durch das unsanfte Rasseln des Weckers wurde sie wieder geweckt. Na super, dachte sie sich. Gerade wo es so kuschelig und warm ist, muss ich raus. Doch es hilft nichts, die Kinder müssen zur Schule und ich muss zur Arbeit, redete sie sich selber gut zu. Sie hatte einen Zwanzig-Stunden-Job in einer Blumenhandlung im Dorf. Den hatte sie damals angenommen, damit sie ein wenig Geld für sich selber verdiente. Sie wollte doch ein bisschen unabhängig von ihrem Mann sein.

    Es war das gleiche Ritual wie jeden Morgen. David und Robert mussten aus den Betten raus, dann ab ins Bad, anziehen, anschließend hinuntergehen in die Küche und das Frühstück essen, das schon auf dem Tisch stand. Die Kinder tranken ihren Kakao und verspeisten ihr Brot, dann machten sie sich auf den Weg zur Schule. Die Schule war ja im nächsten Dorf drüben, also fuhren sie mit dem Schulbus.

    Als die Buben aus dem Haus waren, räumte sie noch schnell die Küche auf und machte sich dann auch auf den Weg zur Arbeit. Heute war sicher wieder viel los bei ihr in der Werkstätte, weil ein Mann gestorben war, der aus der Politik kam und außerdem aus dem Ort stammte. Der Verstorbene war über achtzig Jahre alt und hatte sein Leben gelebt. Er war ein beliebter Mensch gewesen. Das hieß wieder, viele Kränze zu binden. Aber was solls, diese Arbeit machte ihr Spaß und lenkte sie von ihren Problemen ab.

    Sie arbeitete Dienstag, Mittwoch und Freitag vormittags. Und wenn es mal viel Arbeit gab, dann auch am Nachmittag, manchmal kam sie auch am Samstag. Das Betriebsklima war sehr gut, daher verstand sie sich auch mit der Chefin und den Kolleginnen und Kollegen sehr gut. Es war halt ein typischer Familienbetrieb.

    Heute war wieder Freitag. Ihr Mann sollte am späten Nachmittag aus Deutschland heimkommen. Sie freute sich schon wahnsinnig darauf, weil diese Woche für sie sehr anstrengend war. Die Kinder nervten sehr und sie fühlte sich einfach ausgebrannt. Sie wollte wieder mal in den Armen ihres Mannes liegen und seine Zärtlichkeiten spüren. Das vermisste sie so sehr.

    „Ui, es ist schon fast zwölf", murmelte sie. Das Gesteck musste noch vor Mittag fertig werden. Sie hatte wohl etwas zu sehr getrödelt, so in Gedanken versunken. Aber als die Kundschaft um kurz vor zwölf hereinkam, war alles fertig und bereit zum Abholen.

    Sie schnappte ihre Tasche, wünschte noch allen ein schönes Wochenende und fuhr dann gut gelaunt nach Hause. Vergnügt sang sie ein Lied mit, das gerade im Radio lief. Nach ein paar Minuten Fahrzeit bog sie in die Hauseinfahrt ein. Sie hatten ein relativ großes Haus, mit zwei Garagen und einem großen, sehr gepflegten Garten. Sie legte großen Wert darauf und hegte und pflegte ihn. Darin war auch ein großer Swimmingpool, der viel Pflege brauchte. Hinter dem Haus stand eine Gartenhütte, in der all das verstaut war, was man halt so für die Gartenarbeit brauchte. Natürlich sind auch Spielsachen der Kinder drinnen, und den kleinen Dachboden darüber haben sowieso die beiden beschlagnahmt. Das ist ihr eigenes Haus. Dort oben sind sie die Kapitäne. Wenn sie da oben spielen, dann hat sie mehr Zeit für sich, kann sich der Hausarbeit widmen und hat nicht dauernd die Kinder am Hals.

    Sie sperrte gerade die Haustüre auf, da klingelte ihr Handy. Sie machte noch die Tür auf, legte ihre Tasche auf die Kommode, dann nahm sie das Handy und sah, dass es ihr Mann war.

    „Hallo Schatz", sagte sie mit leuchtenden Augen und einem Lachen in der Stimme.

    „Hallo, mein süßer Hase", sagte er mit einem etwas betrübten Unterton.

    Als sie seine Stimme hörte, zuckte sie zusammen, weil sie wusste, dass das nichts Gutes bedeuten würde.

    „Du Hase, sagte er, „es sind neue Aufträge gekommen. Wir müssen ein neues Team zusammenstellen und wir haben nicht viel Zeit. Ich werde dieses Wochenende nicht nach Hause kommen. Es tut mir leid, aber mein Boss besteht auf diesem Team, das in einer Woche auf die Bohrinsel fliegen muss. Daher müssen wir das Wochenende durcharbeiten.

    „Aber Schatz, flehte sie, „ich habe mich schon so nach dir gesehnt. Die Kinder auch. Wir wollten doch morgen in den Tierpark gehen. Auf den haben sich doch die Kinder schon so gefreut. Warum tust du mir das an, Jürgen?

    „Mir tut es doch auch leid, Schatz, aber was soll ich denn machen?, entgegnete er schon etwas ungeduldig. „Wir haben doch damals besprochen, als ich den Job annahm, dass es nicht leicht wird und dass ich auch mal länger wegbleiben muss.

    „Ja schon, Hase, unterbrach sie ihn, „das hast du damals gesagt. Es kann ein- bis zweimal im Jahr passieren, dass mal ein Wochenende zu arbeiten ist. Doch das Jahr hat kaum angefangen und es ist schon das vierte Mal, dass du nicht heimkommst! Schatz, ich bin es leid, immer alleine zu sein. Was soll ich den Kindern wieder sagen?

    Sie lehnte sich dabei zurück an den Spiegel in der Garderobe. Dabei unterdrückte sie die Tränen und versuchte normal zu sprechen. „Schatz, wir haben erst Ende Februar, sagte sie. „Wie stellst du dir das vor? Soll es so weitergehen?

    „Ich weiß ja selber, dass es blöd ist", antwortete er nun etwas lauter. Er war schon ein bisschen verärgert, weil er sich selbst darauf gefreut hatte, nach Hause zu kommen, doch sein Job war ihm auch wichtig. Er verstand sie sehr wohl und fühlte mit ihr, aber er konnte es ihr nicht so zeigen. Er war ja ein Mann.

    Jürgen und Raffaela haben sich damals auf einem Ball kennen gelernt, in dem Ort, wo sie jetzt wohnen. Er war hier auf einem Bauernhof aufgewachsen und musste schon in frühen Jahren kräftig anpacken. Jürgen war es gewohnt, bis in den Abend hinein zu arbeiten. Es ging ein wenig rau zu auf dem Hof. Das prägte ihn schon sehr, auch in den Jahren, als er zu einem attraktiven jungen Mann heranwuchs.

    Raffaela war in Wien aufgewachsen. Sie hatte noch ältere Geschwister – drei Brüder. Also hatte sie schon in früher Kindheit gelernt sich durchzusetzen. Die Brüder nahmen oft keine Rücksicht auf ihre kleine Schwester. Da hieß es nur, der Stärkere gewinnt. Aber sie hatte sich all die Jahre durchgekämpft, besuchte nach der Pflichtschule eine Handelsakademie und begann zu studieren. Sie wollte unbedingt Lehrerin werden, das war ihr Traum. Schon in ihrer Kindheit wusste sie, dass sie einmal Lehrerin werden wollte, das hat sie ihrer Mutter oft erzählt.

    Doch dann, eines schönen Tages gab sie der Bitte einer ihrer Studienkolleginnen nach, sie auf ein Fest auf dem Lande in Niederösterreich zu begleiten. Dort lernte sie Jürgen kennen – einen schönen Jüngling mit kräftiger Statur und herzhaftem Lachen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie bemerkte ihn gleich beim Hineingehen in den Hof, wo dieses Fest stattfand. Jürgen stand mit seinen Freunden an der Bar. Sie tranken Bier, lachten und scherzten, so wie es die Jungs auf dem Lande eben machten. Dann sah er sie – das Mädchen aus der Stadt: Zierliche Figur, lange, dunkle Haare, ein liebes, aber schüchternes Lächeln auf den Lippen, so stand sie dort. Er traute seinen Augen nicht, als er sie sah. Sie war wunderschön anzusehen. Die anderen Jungs sahen sie natürlich auch und buhlten um die Gunst des schönen Mädchens aus der Stadt.

    Aber am Ende verliebte sich Raffaela in Jürgen. Bei der Hochzeit gaben sie ein schönes Paar ab. Man sprach noch lange nach der Hochzeit von den beiden. Bald wurde Raffaela schwanger, sie musste das Studium abbrechen, zog zu Jürgen aufs Land und dort bauten sie dann auch gemeinsam ihr Haus. Als Robert zur Welt kam, war das Haus noch nicht ganz fertig, aber sie wohnten schon darin und waren eine glückliche Familie. Es wurde Sommer und darauf folgte wieder ein Winter. So zogen die Jahre übers Land und es vergingen die Jahreszeiten. Bald wurde auch der zweite Sohn David geboren. Raffaela und Jürgen waren glücklich, als sie nun zwei Söhne hatten, die sie vergötterten. Aber die Zeit blieb nicht stehen, und bald machten sich bei dem jungen Ehepaar Geldsorgen breit. Sie hatten ein Haus gebaut und jetzt zwei Kinder zu versorgen.

    Geldsorgen wurden bald zum Anlass für Streitigkeiten. Okay, Raffaela war noch in Karenz, aber bald mussten sie etwas unternehmen. Könnte sie wieder studieren? Aber dafür fehlte jetzt das Geld. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als auch arbeiten zu gehen. Bald fand sie einen Job in einer Gärtnerei mit einem angeschlossenen Blumenladen. Sie lebte sich schnell ein. Die Chefin war nett zu ihr, und auch die Kolleginnen akzeptierten sie schnell. Sie war ja auch eine sehr kontaktfreudige Person, die sich gerne mal bei einem Gespräch unter Frauen vertrödelte.

    Aber so sind sie halt die Frauen.

    Sie redeten noch ein Weilchen am Handy und Jürgen versuchte sie noch zu trösten, aber es gelang ihm nicht. Als er merkte, dass es zwecklos ist, ihr die Notwendigkeit zu erklären, verabschiedete er sich kurz mit einem Kuss und legte dann auf. Raffaela legte auch auf und wischte sich die Tränen aus den Augen.

    Warum machst du das, Jürgen?, schluchzte sie. Es half nichts, sich die Tränen aus den Augen zu wischen, es kamen immer wieder neue nach, und bald begann sie heftig zu weinen. Teils aus Wut und teils aus Verzweiflung. Sie hatte sich schon so auf das Wochenende gefreut. Und nun war sie wieder einmal mit den Kindern alleine. Plötzlich fuhr sie erschrocken hoch.

    Oh nein, die Kinder! Sie kommen von der Schule. Sie hörte sie schon laut lachend um die Ecke biegen. Schnell wischte sie sich die Tränen aus den Augen und versuchte normal zu wirken. Doch es half nichts. Sie sahen ihr an, dass sie geweint hatte. „Warum weinst du, Mama?", fragte David ganz verwundert. Er verstand es noch nicht so und glaubte, Mama habe sich wehgetan.

    „Es ist nichts, Liebes. Mama hat sich nur den Fuß an der Tür gestoßen."

    „Okay, sagte David und flitzte gleich ohne sich die Schuhe auszuziehen in die Küche. „Mama!, rief er. „Was gibt’s zu essen? Ich habe Hunger!"

    Doch Robert war schon älter, er wusste, dass mit Mama etwas nicht stimmte. Er war ja doch schon neun Jahre alt. „Mama, was ist los mit dir?, fragte Robert. „Warum weinst du?

    „Mama ist traurig, weil Papa wieder mal nicht heimkommt", erklärte sie ihm.

    „Was, Papa kommt nicht nach Hause?, protestierte Robert. „Aber er hat versprochen, mit uns in den Tierpark zu gehen! Er bekam einen roten Kopf und lief schreiend in sein Zimmer. Dort knallte er die Tür hinter sich zu und kreischte vor Enttäuschung.

    Verdutzt kam David aus der Küche und fragte, was denn mit Robert los sei. „Mama, flüsterte er, „warum schreit Robert denn so? Hat er sich auch den Fuß gestoßen?

    „Nein, mein Schatz, sagte Raffaela. „Aber weißt du, mein Hase, Papa hat zuerst angerufen, und er kann leider dieses Wochenende nicht mit euch in den Tierpark gehen.

    „Was?, stammelte David, „Papa geht nicht mit mir in den Park Fische füttern? Aber Mama, er hat es mir doch versprochen. Das kann er nicht machen…, sagte David mit weinerlicher Stimme. „Er hat es doch versprochen!, dann begann er zu weinen, umklammerte fest seine Mama und heulte herzerweichend los. „Papi, warum bist du immer so lang fort?, schrie er ganz laut.

    „Ja, ich weiß, Schatz, meinte sie mitfühlend. „Ich weiß, Papi ist immer so lange fort. Sie drückte ihren Sohn ganz fest an sich und begann auch leise zu weinen.

    „Jürgen, du fehlst mir so sehr", sagte sie ganz leise unter Tränen.

    Es war Freitag und jetzt begann wieder ein Wochenende ohne ihren Mann. Nach dem ganzen Theater richtete sie etwas zu essen her, dann ging sie in den Keller und kümmerte sich um die Wäsche. Die Kinder tollten währenddessen im Garten herum und schrien um die Wette.

    Es war schon Abend, die Kinder saßen gemütlich vor dem Fernseher und schauten begeistert zu, wie bei den Simpsons wieder mal ordentlich Blödsinn gemacht wurde. Raffaela räumte in der Küche auf und versuchte normal zu wirken. Doch in ihrem Kopf krachte ein Gedanke auf den nächsten. Sie war wieder einmal ein Wochenende alleine. Was ist, wenn das immer ärger wird mit dem Job von Jürgen?, dachte sie und bekam Gänsehaut bei dieser Vorstellung.

    Nein, sagte sie entschlossen zu sich selbst, das mache ich sicher nicht mit. Das kann er sich abschminken.

    „So, meine kleinen Krieger, rief sie und klatschte in die Hände. Zeit fürs Bett!" Ein großes Raunen klang durch das Wohnzimmer.

    „Mama, ich will die Simpsons noch fertig anschauen", flehte David. Er wälzte sich auf der Couch wie eine Schlange.

    „Nichts da, blieb Raffaela fest, „heute gibt’s keine Verlängerung. Kommt hoch, ab ins Bad, Zähne putzen und dann husch ins Bett. Mit großem Widerwillen gingen die beiden Jungs ins Bad und putzten sich die Zähne.

    „Gute Nacht, Mama", sagte Robert und gab seiner Mutter einen Kuss.

    „Dir auch eine gute Nacht. Und mach das Fenster zu, sonst ist es zu kalt in deinem Zimmer."

    „Ja, mach ich", beruhigte er seine Mutter noch, während er die Stiegen hinaufging.

    „Mami, erzählst du mir noch eine Geschichte?", fragte David mit treuen Augen seine Mutter

    „Eine Geschichte soll ich dir noch erzählen?, fragte sie zurück und streichelte ihrem kleinen Krieger dabei über den Kopf. „Na komm, kleiner Mann, schauen wir, was der Mama einfällt, sagte Raffaela. Sie gingen beide Hand in Hand die Stiege hoch und dann in sein Zimmer. David flitzte davon und sprang gleich in sein Bett. Seine Mutter setzte sich zu ihm und seufzte. „Ach ja, kleiner Mann, was willst du denn hören?"

    „Was Spannendes", sprudelte es aus David heraus.

    „Was Spannendes?, fragte sie. „Was soll ich dir denn da bitte erzählen? Ich kenne so eine Geschichte nicht. Ich erzähle dir eine Geschichte, die mir meine Mutter immer erzählt hat.

    „Oh ja!, lachte David begeistert. „Erzähl mir eine Geschichte von Großmutter!

    Somit begann sie gleich zu erzählen und David lauschte ganz aufgeregt. Doch sie hatte noch nicht einmal so richtig angefangen, da schlief David ein. Sie musste lächeln. Er war so süß, wenn er schlief. Sie streichelte über seinen Kopf und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ach ja, sagte sie, „die Großmutter...

    Ja, ihre Mutter war schon etwas Besonderes. Sie dachte zurück an ihre Kindheit. Wie sie und ihre drei Brüder ihre Mutter manchmal in den Wahnsinn getrieben hatten. Aber sie hatte sich nie beklagt. Sie ertrug alles geduldig, wahrscheinlich deshalb, weil sie so erzogen worden war. Ihr Mann war nicht gerade lieb zu ihr. Er war Alkoholiker, und es kam nicht selten vor, dass er auch handgreiflich wurde, wenn er nachts mit einem Rausch heimkam. Aber sie achtete immer darauf, dass ihre Kinder nichts mitbekamen.

    Ja, mein Vater war ein strenger Mann, erinnerte sie sich. Er arbeitete am Bau und es war damals nicht leicht dort. Es wurde allgemein am Bau viel getrunken, und auch ihr Vater hielt es nicht anders. Aber seit Vater tot war – er starb an Leberzirrhose – lebte ihre Mutter wieder richtig auf. Sie hat sogar einen neuen Lebenspartner gefunden. Mit dem holt sie jetzt alles nach, was sie damals mit ihrem Mann nicht machen konnte. Letztes Jahr ließen sie es sich sogar ein ganze Woche lang in einer Therme in Tschechien gutgehen. Ja, das wäre was, dachte sie, so ein Wellness-Urlaub mit meinem Mann in Tschechien. Aber das kann ich mir wohl aufzeichnen, lachte sie bitter in sich hinein.

    Während sie so ihren Gedanken nachhing, ging sie langsam die Stiegen hinunter, und mit jeder Stufe wurde sie trauriger. Warum nur?, fragte sie sich. Warum nur ist es so weit gekommen? Sie war wieder einmal an einem Tiefpunkt angelangt. Es war fast nicht auszuhalten.

    Raffaela ging wie in Trance in die Küche und holte sich eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank, setzte sich zum Esstisch und füllte gleich das Glas voll an. Sie wollte den Rotwein gar nicht genießen. Das war ihr eigentlich egal, sie wollte jetzt einfach Trost suchen im Alkohol. Sie war des Alleinseins und ihrer Trauer und Sorgen darüber schon so überdrüssig. Sie konnte das einfach nicht mehr länger aushalten. In diese Gedanken vertieft nahm sie das Glas und leerte es in einem Zug. Doch sie dachte gar nicht daran, aufzuhören. Gleich füllte sie das Glas wieder nach.

    „Jürgen, warum tust du mir das an?, rief sie laut. „Du hast mich schon wieder mal alleine gelassen. Ich hasse dich!, schrie sie zum Fenster hin, nahm das Glas und kippte es in einem Zug hinunter. Da sie eine zierliche Frau war, vertrug sie natürlich nicht viel Alkohol. Das zweite Glas machte sich schon bemerkbar. Plötzlich schaute für sie die Welt weit besser aus.

    „Yeah, juchzte sie. „Sieh her, Jürgen! Ich trinke auf dich. Auf dich und diese Scheißarbeit in Deutschland! Sie nahm das bereits wieder gefüllte Glas und trank es in einem Zug aus, setzte das Glas ab und stellte es auf den Tisch. Sie umklammerte es mit beiden Händen und schaute starr gegen die Wand. Ihr Blick war leer. Ihre Gedanken überschlugen sich. Plötzlich konnte sie gar nichts mehr denken und begann zu weinen. Sie schluchzte und weinte. Sie konnte einfach nicht mehr aufhören. Ihre Tränen rollten über ihr Gesicht und tropften ins Glas. Ihr Körper zuckte krampfhaft vom Heulen. Sie verhüllte ihr Gesicht mit den Händen und weinte bitterlich. So saß sie lange bis in die Nacht hinein.

    „Morgen, Mami!", wurde sie von David geweckt. Erschrocken fuhr sie hoch und sah ihrem Sohn ins Gesicht. Was ist geschehen?, dachte sie verunsichert. Wo bin ich? Sie war noch total benommen und konnte keinen klaren Gedanken fassen.

    „Wann gibt’s Frühstück, Mami?, fragte David. „Warum hast du so rote Augen, Mami?, war gleich die nächste Frage Jetzt war sie wieder voll da. Ach du Schande! Sie war eingeschlafen. Jetzt lichtete sich der Nebel. Oh mein Gott, und wie spät ist es denn schon?, fuhr sie erschrocken hoch. Doch sie zuckte gleich wieder zusammen, als sie aufstand. „Au mein

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