Geschichte des Henneberger Landes zwischen Grabfeld, Rennsteig und Rhön: Ein Überblick
Von Günther Wölfing
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Geschichte des Henneberger Landes zwischen Grabfeld, Rennsteig und Rhön - Günther Wölfing
1. Geographische Übersicht. Natürliche Voraussetzungen der historischen Entwicklung
1.1 Oberflächengestalt und geologische Verhältnisse, Flüsse
Das Henneberger Land zwischen Rennsteig und Rhön trägt weitgehend Mittelgebirgscharakter und gehört teils zum Flussgebiet der Werra, teils zu dem des Mains. Im Einzelnen lassen sich folgende landschaftliche Bereiche unterscheiden:
Der Thüringer Wald ist ein Kammgebirge, über dessen Höhe der Rennsteig als alter Grenzweg führt. Die höchste Erhebung ist mit 982 m der Große Beerberg. Dieses Gebirge ist zerfurcht durch die auf der einen Seite zur Werra, auf der anderen zur Saale hin abfließenden Bäche und ihre Täler. Geologisch gesehen besteht die Oberfläche des Thüringer Waldes hauptsächlich aus Porphyren, Granit und verwandten Gesteinsarten, die eine für die Landwirtschaft sehr ungünstige saure Braunerde hervorbringen.
Das Thüringer Schiefergebirge mit den vorgelagerten Langen Bergen schließt sich etwa auf der Linie Gehren-Schönbrunn nahtlos dem Thüringer Wald an, mit dem es auch zum „Thüringer Gebirge" zusammengefasst wird. Es ist nicht mehr als Kamm anzusprechen und weist in den bis 867 m aufsteigenden Hochlagen (Kieferle bei Steinheid) hauptsächlich Flachformen auf, die den Gebirgscharakter nicht so erlebbar machen. Der Rennsteig findet hier dennoch seine Fortsetzung. Tonschiefer und Quarzite bringen ebenfalls saure Braunerden hervor.
Das Buntsandsteinvorland des Thüringer Waldes fällt kontinuierlich von einer noch Mittelgebirgscharakter aufweisenden durchschnittlichen Höhe von ca. 550 m (höchste Erhebung Schneeberg südlich Suhl 690 m) zum Werrahügelland und zum Werratal ab, dessen durchschnittliche Höhenlage mit ca. 250 m anzusetzen ist. Zahlreiche vom Thüringer Wald herab der Werra zufließende Bäche und ihre Täler gliedern dieses Vorland stark auf. Der Buntsandstein mit entsprechenden Sandböden prägt Flora und Bedingungen der landwirtschaftlichen Nutzung.
Die Rhön, gegliedert in die sich zur Werra neigende Vordere Rhön, die Hohe Rhön und die nach dem Kissinger Raum abfallende Südrhön, ist in ihren östlichen und südlichsten Teilen noch ein Hügelland, nimmt aber zunehmend Mittelgebirgscharakter an und erreicht mit der Wasserkuppe (schon etwas außerhalb des von Henneberg geprägten Gebietes, 950 m) ihre maximale Höhe. Die Vorderrhön weist in ihrer nördlichen Hälfte oberflächlich Buntsandstein, im Westen und Süden mehr Kalk auf. Viele Berge tragen eine Basaltdecke, die sie vor Abtragung schützte. Diese Basaltkegel überragen markant das übrige Gebirgsmassiv und bestimmen weitgehend das abwechslungsreiche Landschaftsbild („Kuppenrhön"). Meist steinige Kalk- und Sandböden sowie Basalt- und Braunerde erschweren bei zumal rauhem Klima den Ackerbau.
Das Meininger Triasland erstreckt sich beiderseits der Werra bis zum Oberlauf des Flusses. Es hat vorwiegend Plateaucharakter mit einer Höhenlage von durchschnittlich 400 – 500 m. Der Dolmar nordöstlich von Meiningen (740 m) überragt seine Umgebung um ca. 250 m. Mittlerer und oberer Muschelkalk haben ihnen entsprechende, z. T. sehr trockene Böden hervorgebracht.
Das Grabfeld und das Coburger Gebiet sind ein hügeliges Land, z. T. unter 300 m Höhe gelegen. Die höchsten Erhebungen erreichen seltener die 400-m-Linie (zumeist um Coburg). Dagegen steigen die vorgelagerten Gleichberge bei Römhild (Farbbild S. 97) 679 m und die im Süden angrenzenden Haßberge 506 m auf. Meist relativ gute Keuperböden und ein verhältnismäßig mildes Klima schaffen der Landwirtschaft, gemessen an den Verhältnissen des übrigen Gebietes, gute Voraussetzungen. (Das „Grabfeld" als heutiger Landschaftsbegriff ist territorial nicht völlig identisch mit dem fränkischen Grabfeldgau, der bis in den Schmalkalder Raum reichte).
Der überwiegende Teil der Region gehört zum Flussgebiet der Werra, die sie in etwa 120 km Länge durchfließt. Ihre wichtigsten Zuflüsse von rechts sind Schleuse, Hasel, Schmalkalde und Truse; von links Jüchse mit Bibra, Herpf, Katza, Rosa, Felda, Öchse und Ulster. Im Süden fließen Fränkische Saale mit Streu und Milz, Itz mit Kreck, Rodach, Lauter und Röden sowie Steinach dem Main entgegen.
1.2 Klima
Der Höhenlage gemäß weist das Gebiet relativ große klimatische Unterschiede mit entsprechenden Bedingungen für die Landwirtschaft auf. So werden in den Hochlagen des Thüringer Waldes 1 000 bis stellenweise 1 200 mm Niederschlag pro Jahr gemessen, in den etwas tiefer gelegenen Zonen 800 – 1 000 mm, in der dem Gebirge zugeneigten Hälfte des Vorlandes 500 bis 600 mm. Ähnlich sind die Verhältnisse in der Rhön, während fast das gesamte übrige Gebiet unter 500 mm liegt. Die durchschnittliche Jahrestemperatur beträgt in 400 m Höhe 7 °C und in 900 m Höhe 4 °C. Dementsprechend ist z. B. der natürliche Frühlingsanfang in 500 bis 700 m Höhe schon etwa eine Woche später als in den tieferen Zonen zu beobachten.
1.3 Altstraßen
Die verkehrsgeographische Situation aus historischer Sicht ist dadurch gekennzeichnet, dass einerseits das Gebiet zwar etwa in der Mitte Deutschlands liegt und von daher ein gewisser Durchgangsverkehr zu erwarten war, andererseits Rhön, Thüringer Wald und Schiefergebirge gewaltige Hindernisse darstellten. Man musste sie entweder umgehen oder auf ihren Pässen überqueren. Für den Thüringer Wald gab es dazu (z. T. schon seit frühgeschichtlicher Zeit) folgende Möglichkeiten: Den „Sattelpaß zwischen Lauscha und Gräfenthal benutzte die besonders wichtige „Sächsische Geleitsstraße
Nürnberg – Coburg – Neustadt – Judenbach – Gräfenthal – Saalfeld – Leipzig (bzw. Coburg – Eisfeld – Gräfenthal), den Pass bei Frauenwald die „Frauenstraße" Coburg – Hildburghausen – Schleusingen – Frauenwald – Ilmenau – Erfurt. Über Oberhof führten die Straßen Coburg – Hildburghausen – Schleusingen – Suhl – Oberhof – Arnstadt – Erfurt und Würzburg – Gleichberggebiet – Themar – Oberhof – Arnstadt – Erfurt bzw. Würzburg – Mellrichstadt – Obermaßfeld – Oberhof … Von Mellrichstadt gab es auch eine Verbindung über den Pass bei Steinbach-Hallenberg nach Gotha, ebenso war eine Reise Würzburg – Mellrichstadt – Walldorf – Schmalkalden – Pass am Nesselhof – Gotha … möglich.
Wichtige Verbindungen über die Rhön führten von Fulda durch den Herpfgrund nach Walldorf, von Frankfurt – Fulda – Hünfeld – Rasdorf – Buttlar – Vacha – Marksuhl nach Eisenach (weiter nach Leipzig), von Hersfeld über Vacha nach Eisenach oder ebenfalls von Hersfeld über Vacha nach Salzungen, wo über Schweina eine weitere Thüringer-Wald-Überquerung nach Gotha möglich war. Von Bedeutung war auch der Rhönpass bei Wiesenthal mit der Verbindung Roßdorf – Breitungen – Truseberge – Rennsteig … bzw. Roßdorf – Schmalkalden – Nesselhof … Von der Möglichkeit, den Thüringer Wald (freilich unter Inkaufnahme wesentlich längerer Wege) zu umgehen, wurde sicherlich erst seit etwa dem 13. Jh. verstärkt Gebrauch gemacht, als der Verkehr teilweise von den Höhen in die Täler verlegt wurde und damit die Straße auf den Terrassen unmittelbar neben dem Werragrund größere Bedeutung erlangte.
Trotz der prinzipiellen Möglichkeit, die Gebirge schon in frühgeschichtlicher Zeit und im Mittelalter zu überwinden, zog deren Schrankenwirkung einen Großteil sowohl des Nord-Süd- als auch des West-Ost-Verkehrs an Fulda, Saale und Main entlang von der Region ab, was für diese doch eine gewisse Abgeschiedenheit mit sich brachte. Das war in Verbindung mit weiteren Eigenschaften des dominierenden Mittelgebirgscharakters auch ein wesentlicher Grund dafür, dass hier keine städtische Metropole entstehen konnte wie beispielsweise Erfurt für den thüringischen Raum. Da auch für die Landwirtschaft überwiegend ungünstige Bedingungen bestanden, waren damit der ökonomischen Bedeutung des Gebietes Grenzen gesetzt. Lediglich der Holz- und Wasserreichtum der Gebirge, die Erzvorkommen des Thüringer Waldes oder die Salzlager des Werragrundes waren günstige Voraussetzungen für eine gewerbliche Entwicklung.
1.4 Grenzland
Schließlich ist zu beachten, dass die Region Grenzland zwischen drei Großlandschaften ist, die über viele Jahrhunderte hinweg auch drei politische Kraftfelder waren: Thüringen im Norden und Osten (mit der Landgrafschaft Thüringen, ihren „sächsischen" Nachfolgestaaten und der Grafschaft Schwarzburg), Hessen im Westen (mit der Landgrafschaft Hessen und den Reichsabteien Fulda und Hersfeld) und Franken im Süden (vor allem mit den Bistümern Würzburg und Bamberg). Selbstverständlich musste unser Raum unter dieser Konstellation Kampfzone zwischen diesen drei Kraftfeldern werden, die nicht nur politisch-militärisch, sondern auch wirtschaftlich, kulturell und ethnisch-sprachlich auf ihn einwirkten. Von den möglichen Varianten, dabei thüringisch, hessisch oder fränkisch zu werden, zwischen den drei Bereichen aufgeteilt zu werden oder eine gewisse, wenn auch relative und stets bedrohte Eigenständigkeit zu entwickeln und zu bewahren, hat sich die letztere unter unverkennbarer Dominanz des fränkischen Elements durchgesetzt.
2. Ur- und Frühgeschichte
2.1 Steinzeit
Die Anfänge der Besiedlung unserer Landschaft sind nach dem bisherigen Forschungsstand noch schwer zu fassen. Nur wenige Funde, z. B. von Untermaßfeld, Bad Liebenstein und Merkers, gehören noch zur Altsteinzeit (bis 8000 v. Chr.). Der Beginn einer annähernd kontinuierlichen geschichtlichen Entwicklung im Gebiet zwischen Rennsteig und Rhön ist sicher erst vor etwa 8000 bis 10000 Jahren zu suchen, als mit der Erwärmung nach der letzten Eiszeit Jäger und Sammler einwanderten (Mittelsteinzeit bis etwa 5. Jt. v. Chr.). Ihre Rastplätze werden durch kleine Steingeräte z. B. von Fundplätzen bei Römhild, Bauerbach, Henfstädt und Jüchsen belegt.
In der Jungsteinzeit (bis Anfang des 2. Jt. v. Chr.) können auch bei uns einzelne, nach der Art ihrer Keramik benannte Kulturen deutlicher voneinander unterschieden werden. In der Hauptsache handelte es sich um Bandkeramiker, Schnurkeramiker und Glockenbecherleute. Schon die Bandkeramik war eine Bauernkultur, denn seit dem 5. Jt. v. Chr. setzten sich hier Viehhaltung und Ackerbau auf fruchtbarem Löß oder gleichwertigen Böden durch, soweit sich diese mit einfachen hölzernen Geräten bearbeiten ließen. Die Bandkeramiker bauten Gerste, Hirse, Einkorn, Emmer, Erbsen, Linsen und Lein an, und sie hielten Rinder, Schweine, Schafe und Ziegen. Es sind vor allem mehrere Siedlungen um die Gleichberge u. a. bei Römhild und Haina nachgewiesen, deren Wohngebäude man sich als Pfostenhäuser mit Lehmwänden und Schilf- bzw. Strohdeckung vorstellen muss.
Auch die Schnurkeramik, eine Viehzüchter- und Jägerkultur gegen Ende der Jungsteinzeit, war im Gleichberggebiet existent, aber nicht darauf beschränkt, wie z. B. bei Helmershausen und Hildburghausen gefundene vielkantig geschliffene Steinäxte beweisen.
2.2 Bronzezeit
Die Glockenbecherleute gehören eigentlich schon dem Übergang zur Bronzezeit (Anfang des 2. Jt. – ca. 1700 v. Chr.) an, da sie neben dem Werkstoff Stein bereits auch Kupfer verarbeiteten. Funde liegen von beiden Gleichbergen und ihrem Umland vor, und es scheint, dass die alte „Weinstraße" von Königshofen über Herbstadt – Milz – Haina – St. Bernhard – Trostadt – Schleusingen – Suhl – Arnstadt bereits durch eine Fundkette von Steingeräten dieser Zeit belegt werden kann. Die Verschmelzung des heimischen Kupfers mit Zinn zu Bronze setzte besondere Kenntnisse und Fähigkeiten voraus, es kam zu einer Arbeitsteilung zwischen Handwerkern und Bauern. In diesem Raum sind nur wenige Funde aus der frühen Bronzezeit bekannt. Sie stammen ebenfalls von den Gleichbergen und machen eine Besiedlung und kulturelle Beeinflussung aus dem Donaugebiet wahrscheinlich.
Besser belegt ist die Hügelgräber- oder mittlere Bronzezeit (1600 – 1300 v. Chr.), benannt nach der Totenbestattung unter großen Stein- und Erdhügeln. Sippenfriedhöfe dieser Art sind z. B. im Suhler Raum (Grub, Schwarza, Dietzhausen, Kühndorf) konzentriert. Sie werden wegen ihrer Verbindung zum Rhöngebiet in die Werra-Gruppe eingeordnet, die eng mit der Fulda-Gruppe verwandt war (Fundstellen in der Rhön, vermittelt über die von Meiningen, Streufdorf, Steinsburg, Jüchsen und Einödhausen, sind z. B. Dörrensolz, Aschenhausen, Klings, Dermbach, Weilar und Wölferbütt). Größe, Bau und Ausstattung der Hügel deuten auf soziale Unterschiede hin. Die Ausgrabungen von Schwarza beweisen einen relativ hohen Stand der Spinn- und Webtechnik. Gutgestellte Frauen trugen bronzene Halskragen, Kolliers aus Bronzedrahtröllchen und Bernsteinperlen, auf der Schulter zwei Radnadeln zum Zusammenhalten des Gewandes, Armspiralen und -ringe. Das kittelartige Männergewand hielt eine lange Bronzenadel zusammen. Als Bestattungsbeigaben der Männer fanden sich auch Dolche und Beile.
Der Hügelgräber – folgte die (ebenfalls nach der Bestattungssitte benannte) Urnenfelderkultur. Zahlreiche Fliehburgen, Verwahr- und Hortfunde lassen auf kriegerische Auseinandersetzungen schließen. Damals wurden auch die beiden Gleichberge (Farbbild S. 97) erstmals mit Basaltmauern umwehrt. Funde von Haina, Gleichamberg, Streufdorf, Tachbach, Henfstädt, Belrieth, Oberkatz, Kaltenlengsfeld, Öchsen, Gumpelstadt und Schweina belegen aber auch die teilweise Besiedlung der übrigen Region bis zum 8. Jh. v. Chr. „Vasenkopf-, „Eikopf-
und „Rollenkopf"-Gewandnadeln sowie feingedrehte Halsringe sind typischer Schmuck dieser Zeit, Lanze (neu!), Tüllenbeil mit Befestigungsöse und langes Bronzemesser typische Waffen.
Frühlatènezeitliche Bronzefibeln der Steinsburg
2.3 Hallstattkultur, Kelten und Germanen
Als das Klima hier feuchter und kühler wurde als in der vorangegangenen Epoche, wurde die Region von Vertretern der nordalpinen Hallstattkultur bewohnt. Sie kannten bereits die Eisenverarbeitung, und damit begann abermals eine neue Ära – die Eisenzeit mit ihrer ersten Phase, der Hallstattzeit (8. – 5. Jh. v. Chr.). Das Fundmaterial zeigt enge Verwandtschaft vor allem mit dem unterfränkischer und südhessischer Gebiete. Die Toten wurden zwar noch verbrannt, die Bestattung erfolgte jedoch wieder unter Grabhügeln, oft mit reichlicher Keramikbeigabe. Beachtliche Gräber(felder) wurden z. B. im Merzelbachwald am Südwestfuß des Großen Gleichberges (über 100 Hügel!), bei Wolfmannshausen, Dingsleben, Jüchsen, Henfstädt, Ritschenhausen und Herpf (Farbbild S. 97) entdeckt. In der Tracht kam die Fibel als federnde Gewandschließe neben den bisherigen Nadeln in Gebrauch, ihre vielfältige kunsthandwerkliche Ausprägung weist auf süd- und südwestliche Einflüsse. Das trifft auch für den Kopfschmuck aus Bronzeblech aus einem Frauengrab bei Henfstädt zu, der auf einen sozial gehobenen Personenkreis deutet, ebenso wie der Fund eines Bronzeschwertes bei Römhild und eines Halsringsatzes von Welkershausen. Vor 500 v. Chr. wurde die Steinsburg erneut besiedelt und nun über Jahrhunderte befestigt.
Im 6. und 5. Jh. v. Chr. werden die Völkerstämme nördlich der Alpen von griechischen Schriftstellern als „Kelten" überliefert. Der Name dient heute als Sammelbegriff für eine Gruppe verwandter Stämme mit annähernd gleichartiger Kultur, die sich von ihrem Kerngebiet nördlich der Alpen über weite Gebiete Europas verbreiteten. Auch die Bewohner unserer Region der Latènezeit (450 – nach Mitte 1. Jh. v. Chr.) werden im weitesten Sinne dazu gerechnet, obwohl die ethnische Zugehörigkeit nicht völlig klar ist und auch die Auffassung vertreten wird, dass es sich hier um keltisierte Germanen gehandelt haben könnte. Um eine keltisch beeinflusste Kultur handelt es sich jedenfalls. Bestattungsplätze sind u. a. von Römhild, Wolfmannshausen, Einhausen, Unterkatz, Geisa und Leimbach bei Salzungen, Siedlungen von Heßberg, Henfstädt, Exdorf, der Widderstatt bei Jüchsen und von dem Westfuß der Steinsburg bei Haina bekannt.
Nach Grabungsbefunden bestanden diese aus großen Wohnstallhäusern, Hütten, Speichern und Vorratsgruben. Es entstanden aber auch befestigte stadtähnliche Anlagen (oppida) auf Bergen, die als politische, wirtschaftliche, militärische und kultische Stammeszentren anzusprechen sind wie die Milseburg in der Hohen Rhön und die Steinsburg, die im Übergang zum 2. Jh. v. Chr. als Mittelpunkt eines kleinen, namentlich nicht bekannten Stammes an der Nordgrenze des keltischen Gebietes ihre größte Ausdehnung erlangte. Die ovale Befestigung umschloss als dreifachen Ring den Berg. Dabei umfasste der 3,2 km lange Außenring eine Fläche von 68 ha. Einzelne Terrassen, über Treppen und Wege erreichbar, gehörten jeweils ganz bestimmten Funktionsbereichen an. Hinter dem viertorigen Außenring lagen die Werkstätten der Handwerker wie Schmieden und Töpfereien, höher den Berg hinauf die Wohnungen, auf dem Gipfel möglicherweise ein Heiligtum.
Zusammen mit ihrem Umfeld von etwa 5 km Radius, besonders aber mit der Talsiedlung bei Haina, bildete die Steinsburg im 2. und 1. Jh. v. Chr. eine wirtschaftliche Einheit, zu der auch viele landwirtschaftlich tätige Bewohner gehörten, auf die zahlreiche Geräte hinweisen, so als Spitzen auf hölzerne Hakenpflüge aufgesetzte Pflugschare, Hausensen, Gabeln oder Unkrautstecher, aber auch in ergrabenen Vorratsgruben gefundene verkohlte Reste von Gerste, verschiedenen Weizenarten, Hirse und Erbsen. Es wurden ferner Hämmer und Zangen, Meißel, Feilen und kleine Ambosse der Grob- und Feinschmiede geborgen oder die Werkzeuge der Holzbearbeitung wie Beile, Äxte, Ziehklingen, Hohleisen und Schnitzmesser. Von der Töpferei zeugen die Reste rotierender Töpferscheiben und zweiräumiger Brennöfen. Bronzegießer fertigten den vielfältigsten Schmuck. Hunderte von Spinnwirteln weisen auf die Textilherstellung hin, und Haushaltsgegenstände, darunter Bronzekessel, Feuerschürer, Fleischgabeln, Messer, Keramik aller Art und steinerne Drehmühlen vervollständigen das bunte Bild vom Leben auf der Steinsburg. Aber schon nach der Mitte des 1. Jh. v. Chr. wurde im Zuge des Verfalls der keltischen Macht das oppidum aufgegeben. Wahrscheinlich schon viel früher waren auch die weniger bedeutenden Höhensiedlungen u. a. auf der Diesburg bei Wohlmuthhausen, dem Öchsen bei Völkershausen, der Hessenkuppe bei Lenders in der Rhön und auf dem Herrenberg bei Siegmundsburg verlassen worden, die z. T. schon einmal vor der Latènezeit genutzt worden waren.
Germanische Bevölkerung folgte zwar nach, aber spärlich. Bekannt ist z. B. eine Siedlung bei Henfstädt aus dem 1. – 3. Jh. n. Chr., in der wertvolle römische Importe gefunden wurden, ferner sind die Siedlungen von Sülzdorf, Römhild und Trostadt zu nennen. In letzterer deutet der Rest eines Münzschatzes aus dem 2. Jh. n. Chr. ebenfalls auf Kontakte mit den Römern. Von der Mitte des 4. Jh. an brechen die Funde fast ab. Das lässt auf weitgehende Abwanderung schließen, die wahrscheinlich damit zusammenhängt, dass die seit etwa 200 n. Chr. aus dem Mittelelbe- und Havelgebiet über Thüringen zum unteren Main ziehenden Alemannen nach der Rückverlegung der von ihnen ständig angegriffenen römischen Grenze an den Rhein landnehmend in den heutigen deutschsprachigen Südwesten vorstießen. Damit entvölkerte sich unsere Region weitgehend. Buchenwald breitete
