Vintage Motorräder restaurieren: Die Klassiker der 50er- bis 70er-Jahre
Von Massimo Clarke
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Über dieses E-Book
Oldtimer erfreuen sich unter Motorradenthusiasten immer größerer Beliebtheit. Doch damit die alten Maschinen echte Freude bringen, müssen sie meist erst in Schuss gebracht werden. Der vergleichsweise einfache Aufbau der Vintage-Motorräder kommt Hobbyschraubern dabei entgegen. Trotzdem sind fundierte Kenntnisse über Motorradtechnik und Bauteile nötig, um selbst Hand anlegen zu können.
Massimo Clarke teilt in diesem Handbuch für Motorradfahrer sein umfassendes Werkstattwissen. Leicht verständlich und praxisnah stellt er alle wichtigen Reparatur- und Wartungsarbeiten vor, die bei alten Motorrädern häufig anfallen. Die einzelnen Handgriffe werden verständlich erklärt und reich bebildert. So gelingt selbst die Komplettrestaurierung in Eigenregie.
– Markenübergreifendes Wartungs- und Reparaturhandbuch für Motorradmodelle der 50er- bis 70er-Jahre
– Detaillierte Reparaturanleitungen für Anfänger und Profischrauber mit zahlreichen Fotos und Schaubildern
– Alte Motorräder verstehen: alles über Motorradbauteile, Technik und Materialkunde
– Von Auspuffreparatur bis Zündkerzenwechsel: Arbeiten an allen wichtigen Komponenten
Motorrad-Klassiker restaurieren und warten in der heimischen Garage
Ob Zahnriemenwechsel oder Motorinstandsetzung – wer ein Motorrad der 50er- bis 70er-Jahre sein Eigen nennt, kommt um die eine oder andere Reparatur kaum herum. Mit diesem umfangreichen Handbuch sparen Sie sich den Werkstattbesuch und damit bares Geld. Alle wichtigen Aspekte der Oldtimer-Restauration werden zuverlässig abgedeckt, insbesondere die Technik von Motor und Fahrwerk. Weitere Kapitel widmen sich Arbeiten an Rahmen und Getriebe, Kraftstoffzufuhr, Rädern und Bremsen. Die vorgestellten Reparaturen lassen sich in der eigenen Werkstatt und mit günstigem Werkzeug selbst ausführen – so bringen Sie Ihren Motorrad-Oldtimer schnell wieder auf die Straße!
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Buchvorschau
Vintage Motorräder restaurieren - Massimo Clarke
01 Die Überholung
Unter dem Ventildeckel des Vierzylindermotors einer Honda CB 750 Four zeigen sich deutlich die Referenzmarkierungen zum Einstellen der Steuerzeiten.
Die Überholung oder Restaurierung eines Motorrads beginnt mit der Zerlegung verschiedener Komponenten des Fahrgestells, des Motors und des Antriebs. Diese Arbeit muss mit größter Sorgfalt durchgeführt werden – nachdem das gesamte Fahrzeug penibel gereinigt wurde. Selbstverständlich muss akkurat notiert werden, wie alle demontierten Teile zusammengehören – entsprechend markierte Behälter für Einzelteile und Baugruppen sowie eine Foto-Dokumentation sind hierbei sehr hilfreich.
Zunächst müssen die Begriffe richtiggestellt werden: Eine Überholung muss an einem Motorrad erledigt werden, das zwar komplett und funktionsfähig ist, aber aufgrund hohen Verschleißes und/oder beträchtlicher Laufleistung erst durch verschiedene Arbeiten wieder in einen perfekten Zustand gebracht werden kann. Eine Restaurierung wird durchgeführt, wenn das Motorrad sehr alt ist, lange Zeit nicht bewegt wurde oder bei dem verschiedene Teile oder ganze Komponenten stark beschädigt sind oder fehlen.
Während der Demontage von Komponenten müssen stets die Grundlagen jeder Funktion beachtet werden, um Teile, die entfernt oder zerlegt werden sollen, weder zu beschädigen noch sich an ihnen zu verletzen.
Weil es immer gut ist, viele Originalteile wiederzuverwenden, dürfen auch scheinbar unwichtige Teile wie Schrauben, Scheiben und andere Kleinteile nicht beschädigt werden.
Die perspektivische Schnittzeichnung des Laverda 75-Einzylindermotors zeigt die wichtigsten Komponenten des Ventiltriebs und des Getriebes dieses kleinen Viertakters.
Die Explosionszeichnung des Norton-Paralleltwins zeigt auch kleinste Details und lässt Rückschlüsse auf deren Einbauposition zu.
Nach dem Ausbau sollte jedes Einzelteil genau untersucht werden, um einen Eindruck von seinem Zustand zu erhalten. Bei Teilen des Fahrwerks oder Anbauteilen ist dies leicht zu bewerkstelligen. Der Motor sollte dagegen ausgebaut und auf einer geeigneten Werkbank positioniert werden, bevor mit der Zerlegung begonnen wird.
An Motorrädern finden sich viele Einmal-Teile, die nach jedem Ausbau erneuert werden müssen – hierzu gehören generell Dichtelemente (O-Ringe, Flächendichtungen und Wellendichtringe), Unterlegscheiben, Sicherungsmuttern, Splinte, Sprengringe und Sicherungsringe.
Zu den wichtigsten Regeln bei der Arbeit gehört der Einsatz voll funktionsfähiger Werkzeuge der korrekten Größe und Form. Mit verschlissenen oder falschen Werkzeugen sind Muttern und Schraubenköpfe sehr schnell beschädigt. Für die Arbeit an amerikanischen oder älteren britischen Maschinen wird ein komplettes Set Zollwerkzeug (Maulschlüssel, Ringschlüssel, Steckschlüssel, Inbusschlüssel) benötigt. Weil die Sechskante von Muttern und Schrauben schon oft von Vorbesitzern schlecht behandelt wurden, empfehlen sich speziell geformte Ring- und Steckschlüssel, die an den Flanken (und nicht an den Ecken) ansetzen.
In der Querschnittzeichnung eines AJS/Matchless-Einzylindermotors mit 350 oder 500 cm³ Hubraum lässt sich erkennen, dass die Kurbelwelle aus fünf Teilen zusammengesetzt ist.
Eine weitere Explosionszeichnung eines Aermacchi-Einzylinders aus den späten 1950er-Jahren zeigt dessen Aufbau, der bis in die 1970er-Jahre kaum verändert werden sollte.
Größtmögliche Ordnung ist eine sehr wesentliche Regel! Alle ausgebauten Teile müssen getrennt aufbewahrt und gekennzeichnet werden, um sie beim Einbau nicht durcheinanderzubringen.
Auch scheinbar unwichtige Teile wie Unterlegscheiben, Distanzscheiben und Hülsen sind sehr wichtig! Notieren Sie sorgfältig, wo und wie sie positioniert waren – hier gezeigt am Ducati-Einzylinder mit breitem Gehäuse.
Dies gilt natürlich auch für Schlitzschrauben. Die Spitze des Schraubendrehers muss exakt in den Schlitz passen, was bedeutet, dass ein ganzes Set von Schlitz- und Kreuzschlitz-Schraubendrehern mit verschiedenen Größen und Längen benötigt wird, deren Spitzen sich in einem einwandfreien Zustand befinden. Gute Schraubendreher haben einen durchgehenden Schaft mit einem Vier- oder Sechskant am oberen Ende, sodass ein Ring- oder Steckschlüssel angesetzt werden kann.
Zu den ersten und häufigsten Problemen gehören Schrauben oder Muttern, die sich scheinbar unmöglich lösen lassen. Bei Schrauben hilft oft ein fester Hammerschlag (direkt von oben), um die Gewinde zu lockern. Nützlich kann ein Schlagschrauber sein (nicht das Modell mit Druckluft-Antrieb, sondern die Version für Hammerschläge), weil der Schlag gleichzeitig die Schraube in die gewünschte Richtung dreht. Falls Spuren von Korrosion festgestellt werden, sollte die Verbindung zuvor mit Kriechöl behandelt und diesem genug Zeit zum Einwirken gegeben werden. Bei sehr fest sitzenden Sechskant-Schrauben und -Muttern kann der Einsatz einer Hebel-Verlängerung hilfreich sein, doch besteht dabei die Gefahr, den Kopf oder das Gewinde abzureißen.
Vor allem Feingewinde sind mit Vorsicht zu behandeln. Mit einer Gewindefeile können Schäden und Späne beseitigt werden (links) und mit einer Gewindelehre lässt sich herausfinden, ob das Gewinde überhaupt passt (rechts).
Zapfenschlüssel gibt es in verschiedenen Formen. Oben eine Ausführung für eine KrümmerflanschÜberwurfmutter, unten für die Spezialmutter des Steuerkettenritzels in einem Guzzi-Motor.
Bei abgerissenen Schrauben kann – soweit noch Gewinde herausragt – mit einer Feile ein neuer Kopf geformt werden, um einen Maulschlüssel anzusetzen; andernfalls kann ein sogenannter Stehbolzenenausdreher angesetzt werden, der links herum in ein in die (sehr tief abgerissene) Schraube gebohrtes Loch gedreht wird, um diese damit herauszudrehen. Funktioniert auch dies nicht, hilft nur noch das Ausbohren der gesamten Schraube, was extreme Vorsicht erfordert, da ihre Bohrung dabei nicht beschädigt werden darf (dies ist besonders heikel, wenn eine Schraube in relativ weichem Aluminium steckt).
Universal-Abzieher gehören zur Grundausstattung jeder Werkstatt. Die hier gezeigten Ausführungen gehören zu den nützlichsten und vielseitigsten Ausführungen. Die zusätzliche Klemme sorgt dafür, dass die Arme des Abziehers nicht abrutschen.
Zum Entfernen von Stehbolzen eignet sich die klassische Methode mit zwei darauf gedrehten und gegeneinander verkonterten Muttern. Setzt man an der unteren Mutter einen Schlüssel an, sollte der Stehbolzen damit herausgedreht werden können. Sehr fest sitzende Stehbolzen erfordern spezielle Ausdrehwerkzeuge und ggf. eine Gripzange.
Immer wieder kommen an – vor allem älteren – Motorrädern Linksgewinde vor, bei denen aus Unwissenheit Muttern (oder Schrauben) immer fester angezogen statt gelockert werden. Linksgewinde-Muttern britischer Maschinen sind manchmal mit »LH« markiert. In Italien sind vor allem Morini- und Ducati-Einzylinder für manche Linksgewinde bekannt.
Weitere Probleme bei älteren Motorrädern sind beschädigte Gewindebohrungen. Manchmal reicht der Einsatz eines Gewindebohrers, aber gelegentlich helfen nur Gewindeeinsätze (die vor allem unter dem Namen Heli-Coil bekannt sind). Wird öfter an klassischen Motorrädern geschraubt, lohnt sich die Anschaffung eines solchen Gewindeeinsatz-Kits zumindest für die üblichen Größen M6 und M8. Alternativ lassen sich Buchsen mit Innen- und Außengewinde beschaffen, die in aufgebohrte Bohrungen eingesetzt werden können. Außengewinde können sowohl mit Gewindeschneidern als auch einer speziellen Gewindefeile nachgearbeitet werden. Wenn gar nichts mehr hilft, muss durch Schweißen Material aufgetragen und mit einem neuen Gewinde versehen werden.
Ein- oder aufgepresste Komponenten lösen sich oft erst nach einem Schlag mit dem Hammer auf den Kopf des Abzieherbolzens, nachdem dieser kräftig angezogen wurde.
Verstellbare Abzieher lassen sich vielfältig einsetzen – beispielsweise zum Lösen aufgepresster Zahnräder von Kurbelwellen.
Auch ein Zughammer mit entsprechenden Adaptern ist hilfreich – zum Beispiel für den Ausbau der Zwischenwelle aus dem Motor einer Honda CB 500 Four.
Mit einem solchen Bandschlüssel lässt sich ein Lichtmaschinenrotor gut halten und blockieren.
Eine Auswahl an Schwungradabziehern ist bei Arbeiten an historischen Motorrädern unerlässlich.
Ein Spezialwerkzeug zum Halten verschiedener Kupplungen.
Manche Rotoren sind mit Gewindebohrungen versehen, in die ein Abzieher eingeschraubt werden kann.
Ein klassisches Beispiel für eine einfache Aufgabe, die aber besondere Sorgfalt erfordert, ist der Einsatz eines Schabers zum Reinigen von Dichtflächen – vor allem in Aluminium sind leicht Kratzer und Riefen gezogen. Alte Dichtungen lassen sich oft mit Chemie anlösen und können dann mit einem Werkzeug aus Hartholz oder Plastik risikolos entfernt werden.
Äußerste Vorsicht ist auch beim Trennen des Zylinders vom Motorgehäuse oder anderen Gehäuseteilen geboten: Solange keine speziellen Hebelstellen vorhanden sind, darf keinesfalls ein Schraubendreher oder anderes Werkzeug zum Auseinanderhebeln eingesetzt werden.
Auch Passhülsen verdienen Aufmerksamkeit: Falls sie in Durchgangsbohrungen stecken, müssen sie vor dem Trennen der Teile entfernt werden. In anderen Fällen muss zumindest geprüft werden, ob sie richtig eingesetzt sind und korrekt sitzen. Lockere Passhülsen oder -Stifte müssen stets sichergestellt werden, um später wieder installiert zu werden.
Die Fotos zeigen nützliche Werkzeuge zum Halten von Kupplungsnaben. In der Explosionszeichnung ist der Einzylindermotor einer Gilera Giubileo zu sehen.
Abzieher und Trennwerkzeuge sind in jeder Werkstatt unverzichtbare Hilfsmittel. Wie bei Schraubendrehern reichen zwei verschiedene Typen bei weitem nicht aus. Universalabzieher benötigen schmale Backen, die auch ein Zahnrad oder anderes Bauteil greifen können, das nahe an einer Gehäusewand liegt. Andere Abzieher benötigen längere Schenkel oder andere Komponenten.
Eine besondere Abziehvorrichtung besteht aus zwei Teilen, die mit entsprechenden Schrauben zusammengesetzt und über lange Zugstangen mit der Abziehstange verbunden sind. Diese Teile sind besonders nützlich, um beispielsweise den unteren Lager-Innenring vom Lenkschaft einer Gabelbrücke zu befreien.
Universalabzieher üben Druck auf eine Welle aus, um Bauteile abzuziehen – vor allem auf Konussen sitzende Komponenten sind oft sehr schwierig zu lösen; nötigenfalls hilft ein Hammerschlag auf den Kopf des Abzieher-Bolzens. Das untere Ende des Bolzens darf auf keinen Fall den Wellenzapfen beschädigen, sodass geeignete Zwischenstücke aus Weichmetall (Messing oder Aluminium) eingelegt werden müssen. Hilfreich ist auch, die Mutter einige Umdrehungen aufgeschraubt werden, um das Zapfengewinde zu schützen.
Die verschiedenen Schnitte durch den 175er OHV-Motor von Mondial aus den späteren 1950er-Jahren zeigen den Ventiltrieb und den Primärtrieb per Kette sowie den Aufbau der Kurbelwelle.