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Zeit und Information: Es gibt Uhren - gibt es auch Zeit?
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eBook467 Seiten5 Stunden

Zeit und Information: Es gibt Uhren - gibt es auch Zeit?

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Über dieses E-Book

Es scheint so, dass Zeit und Information in einem gewissen Wechselverhältnis stehen. Es ist das Thema vorliegenden Buches. Er zeigt den Zusammenhang von Information, Kultur und Zeitverständnis, liefert einen Einblick in die originellen Einsichten der alten Philosophen, beschreibt wie Physiker das Wesen der Zeit sehen, dass sie Zeit aber auch als überflüssig in ihren gegenwärtigen Theorien betrachten und schließlich wie besondere Uhren ticken. Ausführlich befasst sich der Inhalt, mit dem Menschheitstraum, Zeitreisen und mit dem Phänomen des nie endenden Jetzt. Auf die Problematik der Zeitumstellungen und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit und Psyche der Arbeitenden und Schulkinder wird ausführlich aufmerksam gemacht.Selbst das merkwürdige Zeitverhalten des Schlüpfens gewisser Insekten wird erklärt. Wie der Autor den Begriff der Information definiert, so dass er zum Schlüssel für das Verständnis der Zeit wurde, ist im zweiten Teil dieses Buches enthalten.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum3. Juli 2023
ISBN9783347818224
Zeit und Information: Es gibt Uhren - gibt es auch Zeit?
Autor

Diether Elstner

Diether Elstner, 1942 geboren, studierte Mathematik im heutigen Sankt Petersburg und erwarb dort Spezialkenntnisse in Operations Research und Spieltheorie. In seiner beruflichen Laufbahn als Informatiker arbeitete er erfolgreich in den verschiedensten Organisationen. Sein besonderes Interesse gilt den adaptiven Prinzipien von Organisation in Technik, Natur und Gesellschaft und den damit verbunden theoretischen Fragen, was Organisation bedeutet und wie Information zu verstehen sei. Es zeigte sich, dass die in der Vergangenheit gewonnenen Erkenntnisse Schlüssel in dem Verstehen der Wechselwirkungen von Information und Zeit sind.

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    Buchvorschau

    Zeit und Information - Diether Elstner

    Vorwort

    Zeit und Information sind in der modernen Gesellschaft alltägliche Begriffe. Zeit können wir nicht genug besitzen, haben wir aber fast nie. Mit der Information verhält es sich eher umgekehrt, ein Überangebot unnützer Informationen steht einem schmalen Spektrum uns wirklich interessierender bzw. uns bewegender Informationen gegenüber. Im Prinzip wäre das schon alles, was über beide zu sagen wäre. Doch es existiert eine kaum übersehbare Zahl an Schriften zu beiden Themen. Und das scheint, Gründe zu haben. Zeit wird zwar erlebt, aber kaum verstanden, da nicht greifbar. Informationen sind zwar greifbar und förmlich vor der Nase, aber ihr Begriff ist strittig. Auch der Autor dieser Schrift meint, Gründe für ihre weitere philosophische Betrachtung zu haben. Für beide Begriffe gilt, dass sie in der Industriegesellschaft, als messbare Größen gehandhabt werden. Zeit ursprünglich in Stunden angegeben, entwickelt sich in den Berichten aus Wissenschaft und Technik in für uns nicht nachvollziehbare Milli-, Piko- und Attosekunden und Informationen - anfänglich in Byte und Kilobyte veranschlagt - erfordern inzwischen Rechnerfarmen mit Speicherkapazitäten in gigantischen Peta- und Zetta-Byte-Dimensionen. Zeit und Information sind miteinander verkoppelt. Je mehr Sachverhalte in elektronischen Informationssystemen vorhanden sind, umso weniger Zeit benötigen wir, um auf sie zuzugreifen und je mehr Daten wir speichern, umso mehr Zeit und Energie werden benötigt, um leistungsfähige Speichermedien und Übertragungswege zu entwickeln. Die entsprechenden quantitativen Berechnungen bereiten an sich keine Schwierigkeiten, komplizierter wird es mit dem Verständnis, was Zeit und Information als Phänomene bedeuten. Zeit bei spannender Lektüre oder im Abenteuer vergeht wie im Fluge, schleicht aber beim Warten - und was vergeht da eigentlich? Eine Nachricht, im alltäglichen Sinne als „Information gewertet, ist bei ihrer Wiederholung uninteressant, fast wertlos. Beide Nachrichten, in Byte angegeben, sind absolut identisch, ihr Neuigkeitsgrad oder ihr „Informationsgehalt ist vollkommen verschieden. Schlimmer noch, Informationen zwischen den Zeilen sind sogar als Bit oder Byte nicht zu finden. Was also scheint Information zu sein und gibt es überhaupt Zeit? Und wenn sie beide nicht greifbar sind, wie kann dann Zeit und Information miteinander verbunden sein? Der Inhalt vorliegender Lektüre versucht, Antworten auf diese Fragen zu geben. Er gliedert sich in die Kapitel Zeit und Information, wobei das zur Information vor dem der Zeit und zwar ohne Berücksichtigung des Zusammenhangs von Zeit und Information entstand, ursprünglich als Beitrag in der online Zeitschrift TripleC¹ abgefasst. Ausgangspunkt dortiger Betrachtungen war der Wunsch, zu verstehen, was Organisation in der Natur ist. Es zeigte sich, dass ihr Wesen, ohne die Begrifflichkeit der Information, nicht zu klären ist. Gleiches gilt für das, was wir unter Zeit zu verstehen meinen. Information wird als Einheit zweier gegensätzlicher Vorgänge gesehen: Erstens als Prozess, in dem das perzipierende System eine Veränderung erfährt und zweitens als Reproduktion dieser Veränderung – Speicherung – durch das nun veränderte System. Information besitzt in dieser Auffassung als objektives Maß das der kleinstmöglichen physikalischen Wirkung.

    Ohne Beachtung der Zeit ist die moderne Gesellschaft mit ihren verflochtenen Prozessen nicht realisierbar. Zeit ist dort von zentraler Bedeutung und wird als messbare physikalische Größe gehandhabt. Im Allgemeinen jedoch ist Zeit ein unverstandenes Phänomen, was sich in der theoretischen Physik als ein ernstes Hindernis in der beabsichtigten Vereinigung von Quantenphysik und allgemeiner Relativitätstheorie erweist und Anlass zu Bestrebungen gibt, Zeit in ihrer Eigenschaft als fundamentale Größe abzuschaffen. Seit der Antike wird um das Verständnis der Zeit gerungen; die Vielzahl an Veröffentlichungen zu überblicken, geschweige denn, sie vollständig zu reflektieren, ist aussichtslos. In den nachfolgenden Ausführungen werden Zeitverständnisse herausragender Philosophen und Physiker unter dem Blickwinkel eigener Überlegungen wiedergegeben, wobei in letzteren zwischen Zeit und Dauer unterschieden wird. Bereits Aristoteles in der Antike und Leibniz in seinen Disputen mit Newton trennten klar zwischen Zeit und Dauer. Zeit wird in dieser Schrift als ein Begriff für besondere Zustände verstanden, entsprechend dieser Auffassung, vergeht nicht Zeit, es vergehen Zustände; Uhren zeigen Zustände an. Objekte mit regelmäßigen Zustandsänderungen gestatten es, die Dauer anderer Zustände oder Prozesse zu bestimmen und einen Bezug zwischen ihnen herzustellen – somit Informationen zu gewinnen. Zeit als Begriff entwickelte sich aus der Notwendigkeit, komplexe wiederkehrende Naturphänomene zu benennen, ihnen koordiniert zu begegnen, bzw. im Einklang mit ihnen zu handeln; sie ist ein Mittel, die Umwelt und ihre Bewegungen zu verstehen, sie zu nutzen, zu formen und letztlich in ihr zu bestehen. Innerhalb der menschlichen Gesellschaft ist Zeit aber vor allem ein Normativ zur Koordinierung arbeitsteiliger Prozesse; sie passt das Individuum in die allgemeinen Prozesse der Gesellschaft bei gleichzeitiger Einengung seiner Freiheiten ein. In der Wissenschaft ist Zeit ein notwendiges Instrument, Prozesse der Natur zu reflektieren. In der Endkonsequenz der Überlegungen dieses Essays wird Zeit als reines Produkt und Instrument der Gesellschaft und letztlich des menschlichen Geistes angesehen.

    Berlin, August 2019 Diether Elstner

    ¹ Er liegt ungeachtet des positiven, aber verleugneten, Peer-Reviews als Reflection (Non Peer-Reviewed) in https://triple-c.at/index.php/tripleC/article/view/208 vor.

    Vorwort zur II. Auflage

    Da seit dem Erscheinen der 1.Auflage nur anderthalb Jahre verstrichen sind, gab es keine Gründe, wesentliche Änderungen im Text - außer drei Ergänzungen - vorzunehmen, einmal im Abschnitt Zeit und Zustand zur Zeitproblematik in der Urknalltheorie, im Punkt Zeit und Organisation bezüglich der Informationspolitik zweier Organisationsformen in der Covid-19 Pandemie und schließlich zum Punkt Information und Gesellschaft. Mein eigentliches Anliegen besteht darin, den hervorragenden Artikel (Anhang C) des Physikers Julian Barbour aus dem Jahre 2008 in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Möge der an Formeln ungewohnte Leser sich dort an diesen nicht allzu sehr stören und sie einfach übergehen, sie gehören nun einmal zur Fundierung physikalischer Aussagen dazu, ihr Aussparen käme dem Weglassen von Salz und Gewürz in einer Speise gleich.

    Noch eine Bemerkung zu den häufigen Zitaten im Text. Sie sind ihrer Prägnanz halber aufgenommen, einerseits als Verbeugung vor der Scharfsinnigkeit ihrer Autoren und andererseits meine Art der Wiedergabe und Bewahrung von Originalgedanken.

    Berlin, Januar 2021 Diether Elstner

    Vorwort zur III. Auflage

    Grund für eine dritte Ausgabe ist, meine ursprüngliche Vorstellung zum Umfang dieses Essays zu verwirklichen. Wesentliche Ergänzungen betreffen das „Jetzt", und den neu aufgenommenen Anhang B. Entfernt wurden Ausführungen zur Informationspolitik zweier Organisationen in der Covid19 - Pandemie, da zu speziell, denn alle Organisationen sind bestrebt, jede Kommunikation zu kontrollieren und die ihren Zielen als störend erscheinenden Informationen zu unterdrücken oder passend zu modifizieren. Ende 2022 lud die US-amerikanische Firma OpenAI die Öffentlichkeit ein, ihr Sprachmodell Chat-GPT zu testen und entfachte einen Wettlauf hinsichtlich schnellster Einbindung von KI-Werkzeugen in alle möglichen digitalen Anwendungen. Obwohl verlockend und möglich, ist kein Text dieses Buches, bis auf den Anhang A, mit Hilfe eines KI-Systems erstellt, ergänzt bzw. lesefreundlicher gestaltet worden. Noch eine Bemerkung zu den angeführten Zitaten. Ihr Zusammenhang zum Text scheint nicht immer offensichtlich und ein verbindender oder erläuternder Text hierzu scheint wünschenswert zu sein. Es sind in meinen Augen oft sehr tiefgründige Aussagen ihrer Autoren, die bewusst dem Leser zur eigenen Kontemplation überlassen wurden.

    Die ungeliebte Zeitumstellung sollte im Jahre 2022 in der EU abgeschafft werden, aber wie bereits befürchtet, hat sich in dieser Frage im europäischen Parlament aufgrund der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine nichts getan; im Gegensatz zu Mexiko, das 2022 diese, allerdings auch nach jahrelangen Diskussionen, wegen Ineffizienz hinsichtlich des Energiesparens, abschaffte. Vielleicht sind die Wissenschaftler der führenden Weltraumorganisationen der Erde, angesichts ihrer aktuellen Pläne hinsichtlich Exploration und Besiedlung von Mond und Mars, etwas schneller, ein eigenes Zeitsystem für jeden dieser Himmelskörper zu vereinbaren.

    Berlin, Juni 2023 Diether Elstner

    ZEIT

    1. Einleitung

    Der Schritt in die Philosophie geschieht faktisch jedes Mal, wenn Wissenschaftler merken, dass sie nicht wissen, was die Worte bedeuten, in denen sie ihre Methoden auslegen. (C.F. v. Weizsäcker)

    In einem Navigationssystem Ort, Straßenname und Hausnummer oder nur „Kölner Dom" einzugeben ist hinreichend, um zum Kölner Dom geführt zu werden. Für den Besuch des Dominneren genügen diese Angaben allerdings nicht, hier ist das Wissen um eine weitere Angabe vonnöten – die sogenannte Öffnungszeit des Doms. Ein Ausflug in die blühende Natur bedarf neben gewissen Ortskenntnissen der Kenntnis der Blütezeiten der einzelnen Pflanzen - Früchte zu ernten, des Wissens um ihre Reife. Die Abhängigkeit von diesen Zeiten ist in der modernen Gesellschaft für den Einzelnen moderat, deutlicher wird sie bei der Urlaubsplanung, in der verschiedene Zeiten, wie Arbeitszeiten, Ferienzeiten der Kinder und Empfangszeiten von Zielorten etc., aufeinander abgestimmt werden müssen. Es sind Ereigniszeiten, nach denen wir uns richten.

    Im gleichen Maße wie Intensität und Grad der Verflechtung unserer Arbeit und der unterschiedlichsten Prozesse untereinander wächst, leben wir hauptsächlich nicht mehr nach Ereigniszeiten, sondern Rhythmus und Tempo unserer Tätigkeiten reguliert die sogenannte Uhrenzeit und diese Abhängigkeit nimmt mit dem Fortschritt der Gesellschaft zu. Diese Zeit zeigt sich als eine reale Größe, deren Nichtbeachtung das Individuum in Bedrängnis und die Gesellschaft an den Rand des Chaos bringen könnte.

    Mit einer synchron gehaltenen Überzahl an Uhren – an fast allen technischen Geräten, die wir bedienen oder die uns umgeben - koordinieren wir private und die in Wirtschaft und Gesellschaft von uns geforderten bzw. erwarteten Aktivitäten. Wären diese Uhren nicht aufeinander abgestimmt, wären sie nutzlos und wirkten höchst destruktiv. Ihre zunehmende Zahl ist Ausdruck des steigenden Verflechtungsgrades der verschiedensten Prozesse untereinander, der Verkürzung von Produktionszyklen sowie immer schnellerer Reaktions- und Rückwirkungszeiten der Systeme.

    Was aber ist eine Uhr? 1910 definierte Albert Einstein (1879 – 1955):

    Unter einer Uhr verstehen wir alles, was durch das Phänomen periodisch wiederkehrender identischer Phasen charakterisiert ist, so dass wir, gemäß dem Prinzip des hinreichenden Grundes, annehmen müssen, das alles, was in einem bestimmten Zeitraum geschieht, identisch ist mit dem, was in einem beliebig anderen Zeitraum passiert.²

    Das heißt, angefangen bei den Sonnen-, Mond- und Sternpositionen sowie den Jahreszeiten, sind wir in natura von einer Vielzahl von Uhren umgeben. Darüber hinaus ist fast jede unserer eigenen biologischen Zellen mit einer inneren Uhr ausgestattet und wird durch die Hauptuhr im Gehirn synchronisiert, die sich wiederum an der Uhr des Tag- und Nachtwechsel orientiert.³

    Unser Körper, unser gesamtes Leben ist der Zeit und ihren unterschiedlichsten Rhythmen unterworfen. Dabei ist ihr empfundener Lauf bekanntermaßen eigenartig: Mal scheint sie quälend langsam zu schleichen und andermal läuft sie uns förmlich davon. Aber auch unser soziales Verhältnis zur Zeit ist unterschiedlich: Das individuelle Zeitreservoir - die Zeit in der anscheinend keine Abhängigkeiten von äußeren Faktoren, wie Arbeitszeiten oder inneren Zwängen, wie die Einhaltung von Verhaltensregeln zur Gesunderhaltung etc. existieren - wird weitgehend als Luxus betrachtet, während in der eigentlichen Luxusgesellschaft - die frei von materiell bedingten Zwängen der Lebensführung scheint - der wahre Luxus in der effizienten Zeitausnutzung gesehen wird.

    Mit Uhren meinen wir, Zeit sichtbar machen zu können und zu beherrschen. Aber tun wir das wirklich und was ist das, was wir beherrschen wollen?

    Die Internetplattform FQXI schrieb 2008 einen Wettbewerb zu der Frage aus „Was ist Zeit?. An ihr beteiligten sich Physiker als auch Philosophen. Es zeigte sich, dass paradoxerweise gerade die Physiker, die unsere Zeitauffassung prägten, sie präzisieren und letztlich die Mittel zur genauen Zeitmessung bereitstellen, dabei sind, die Zeit als physikalische Grundgröße in ihren fortgeschrittenen Theorien zu eliminieren. So gebrauchte der Physiker Julian Barbour (*1937) in seinem, mit dem ersten Platz ausgezeichneten Essay(Anhang C), den bildhaften Vergleich mit Des Kaisers neue Kleider", dem Märchen von Hans Christian Andersen, wobei hier die Zeit als Kaiser sich in den verschiedensten Kleidern präsentiert, nur mit dem Unterschied, dass unter diesen ein Nichts wandelt. Alles, was wir über die Zeit zu sagen vermögen, ist, so Julian Barbour, ihre Kleider zu beschreiben.

    ² Einstein A., „Principe de relativité" Arch. Sci. Phys. Natur., ser. 4. 29 5 (1910).

    ³ Summa, K.; Turek, F.W. 2015, S. 36 - 41

    2. Zeit und Kultur

    Und wie es scheint, sind wir es mit unserer Kultur und Sprache, die der Zeit die Kleider überstülpen, um dann über ihre Erscheinungen verwundert zu sein.

    Europäer betrachten die Zukunft als „vorn und die Vergangenheit als „hinten und neigen unwillkürlich den Körper vorwärts, wenn sie an die Zukunft denken und rückwärts bei Gedanken an die Vergangenheit. Aymara eine in den Anden verbreitete Sprache, verlegt die Vergangenheit nach vorn und die Zukunft nach hinten. Bewohner, die diese Sprache sprechen, deuten vor sich, wenn sie über die Vergangenheit reden und hinter sich, wenn sie die Zukunft meinen.⁴

    Für die Zande im Südsudan überlappt sich Gegenwart und Zukunft, so ist das zukünftige Schicksal von zukünftigen Bedingungen abhängig, die aber als bereits gegeben angenommen werden. Für die Nuer, eine andere sudanesische Volksgruppe, gibt es keine Entsprechung für Zeit. Die einzelnen Jahre werden nach Überschwemmungen, Epidemien, Hungersnöten, Kriegen etc. benannt, die in ihnen stattfanden, wobei diese im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten. Den Abstand zwischen Ereignissen messen die Nuer mit Hilfe von Begriffen, die sich auf Altersgruppen ihrer Angehörigen beziehen, wobei die Bezugspunkte eine Projektion der gegenwärtigen Beziehungen sozialer Gruppen in die Vergangenheit darstellen.⁵

    Auch viele Indianerkulturen Nordamerikas bezeichnen die Zeit in ihrer Sprache nur indirekt. Die Sioux haben kein einzelnes Wort für „Zeit, „spät oder „warten". Die Hopi verfügen nicht über Verbzeiten für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Kachin und Hopi haben Schwierigkeiten, Zeit als Größe wahrzunehmen, aber setzen sie auch nicht mit Geld oder der Uhr gleich. Zeit existiert nur in der ewigen Gegenwart.⁶

    Bei Naturvölkern wurde oft unter einem „Jahr" nur der Zeitraum verstanden, der mit produktiver Arbeit ausgefüllt war. Die dafür nicht nutzbare Periode dagegen wurde, besonders im hohen Norden, als leere Zeit empfunden, die man weder registrieren, noch in Abschnitte zu unterteilen brauchte.⁷

    Gleiches galt für die Frühzeit des römischen Reichs, in der das Jahr nur in 10 Monate, von März bis Dezember, unterteilt war. Die Zeit von Mitte des Winters bis Frühjahrsbeginn wurde ebenfalls ausgelassen, da in dieser Zeit wenig landwirtschaftliche Arbeit anfiel.⁸

    Wichtige Arbeitsvorgänge fielen in der „leeren Zeit" aus. Die leere Zeit war der Zustand des Fehlens notwendiger und festgelegter Arbeiten.

    Zeit begegnet [uns]⁹ hier als das, worüber zu disponieren ist, was man so oder anders ausfüllen kann und das man daher zu verwalten hat.¹⁰

    Nicht nur primitive Völker, sondern auch hochentwickelte Kulturen haben dem zeitlichen Modus des Seins und der Notwendigkeit einer zeitlichen Perspektive unterschiedliche Bedeutung beigemessen.¹¹ Anders als im Abendland wurde Zeit im alten Ägypten nicht als Dreiheit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft empfunden, sondern als ein Phänomen dem zwei Aspekte zugrunde liegen: Zyklische Wiederholung und ewige Dauer - Neheh und Djet, wobei diese nicht auseinander hervorgehen und nicht voneinander unterschieden wurden, sondern erst zusammen in ihrer Gesamtheit Zeit bezeichnen. Für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft behalf man sich mit Umschreibungen.¹² Jede Stunde war in Ägypten einem entsprechenden Gott zugeordnet.¹³

    Babylonische Zeitbegriffe definierten Vergangenheit wörtlich als „Vorderseitiges oder „im Angesicht Daliegendes, die Zukunft mit dem Begriff des „das im Rücken Liegende", der Ansicht Verschlossenes. Die normative Kraft der Tradition, deren Idealbild der Gesellschaft stets in der Urvergangenheit angesiedelt war, ließ die Entwicklung der Gesellschaft nicht als Fortschritt, sondern als Restauration einer anfänglichen Ordnung und Stabilität verstehen.¹⁴

    In den frühesten Kulturen bestanden eindeutige Verknüpfungen zwischen gesellschaftlichen und natürlichen Prozessen. So wurde in Ägypten die Krönung eines neuen Pharaos häufig auf den Beginn eines neuen Zyklus der Natur verschoben. Ein günstiger Zeitpunkt war entweder das Ansteigen des Nils oder das Absinken, wenn die schlammgedüngten Felder saatbereit waren.¹⁵

    Für die alten Kulturen, bedingt durch ihre Abhängigkeit von zyklisch auftretenden Phänomenen der Natur, ist ein ebenso zyklisches Verständnis für Zeit charakteristisch, in der Entwicklung entweder nicht möglich oder als eine Annäherung an einen als verloren gegangenen Idealzustand längst vergangener Perioden gedacht war. Angesichts zu ertragender Verluste durch Tod und Zerstörung, verursacht durch Naturereignisse oder Kriege, diente ein zyklisches Zeitverständnis dem Glauben an die Wiederkehr verloren gedachter idealer Zustände. Vorbild war hier die Wiederkehr kosmischer und irdischer Konstellationen. Die Bewegungen der Gestirne, ihre Stellungen und Bewegungen am Himmel wurden in allen alten Hochkulturen genauestens beobachtet, registriert und in Korrelation zu erfolgten bzw. befürchteten oder zu erwarteten Göttertaten auf der Erde gesetzt.

    Hinsichtlich der sich unaufhörlich ereignenden Göttergeschichten gab es keinen Unterschied in der Zukunft und in der Vergangenheit. Der kommende Frühling war das identische göttliche Ereignis des vergangenen Frühlings.¹⁶

    Lebten die antiken Völker in einer Kultur mit von unterschiedlichen Göttern regierten Zeiten so änderte sich dies für die frühen europäischen Länder mit der Deklaration des Christentums als Staatsreligion grundlegend.

    Die europäische [christliche] mittelalterliche Kultur besaß eine lineare Zeitauffassung, war jedoch überzeugt, verdammt zu sein, von einem Idealzustand - dem Paradies - auf den Weltuntergang zuzusteuern.¹⁷ Diese biblische Zeitauffassung hatte ernste Konsequenzen hinsichtlich der Entwicklung von Gesellschaft und Kultur.

    Christliche Gelehrte berechneten anhand von Zahlenangaben in der heiligen Schrift, dass der Schöpfung nur eine Zeitspanne von 6000 Jahren gegeben sei und erwarteten für das 17. Jahrhundert die Apokalypse. Die Zukunft war somit vorbestimmt und es musste nur noch auf den Untergang gewartet werden. Zukunft war de facto bereits vergangen. Der Unterschied zwischen historischen Zeiten wurde zwar gesehen, aber nicht thematisiert, wichtiger war die Überblendung dieser Unterschiede als Synchronismus, als das Zusammenfallen unterschiedlicher Zeiten in der Gleichzeitigkeit¹⁸ [Gottes].

    Gegen Ende des 17. Jahrhundert erfolgten Veränderungen im zugrundeliegenden Zeitmodell. Auslöser waren Genealogien, die mit Beginn des 16. Jahrhunderts vermehrt auftauchten und den rivalisierenden Adelsgeschlechtern zur Legimitierung ihrer Ansprüche auf Land, Abgaben, Rechte etc. und der Vergegenwärtigung ihrer Generationen dienten. Im medialen Zeitbewusstsein erfolgte ein Wechsel von der Ewigkeit zur Aktualität. Mit Aufkommen von Zeitungen, in denen genealogische Informationen und Nachrichten über Ereignisse in europäischen Herrscherhäusern eine wichtige Rolle spielten, änderten sich diese Genealogien in Richtung aktueller Information über den status quo.¹⁹

    Mit anderen Worten: Informationen bedingten das Aufkommen eines neuen Zeitverständnisses, führten aber noch nicht zur Ablösung alter Zeitauffassungen. Nach Achim Landwehrs (*1968) Untersuchungen ist das 17. Jahrhundert deshalb ein Neben-, Über- und Durcheinander unterschiedlicher Zeitmodelle.

    Diese Veränderungen im 17.Jahrhundert verdeutlichen, Zeit ist ein kulturelles Phänomen, das sich als ein Ordnungsparameter der Gesellschaft herausbildete, zum Anfang um Herrschaftsansprüche geltend zu machen und in der Folge, das Zusammenwirken der verschiedensten Kräfte und Bewegungen in der Gesellschaft zu koordinieren.

    Seit rund 1.400 Jahren wird in Japan jede Kaiserregentschaft mit einer neuen Herrschaftsdevise begleitet. Der Begriff dabei ist nicht nur namensgebend für den Kaiser selbst, sondern für die gesamte Zeitrechnung im Land. Mit einem Kaiserwechsel, ändert sich auch die Zeitrechnung: Die Kalender springen zurück auf das Jahr 1. So wurde die Ära des bis zum 30.

    April 2019 amtierenden Akihito mit Heisei betitelt (Frieden überall, 1989-2019), an dessen Vater Hirohito erinnert man sich als Showa-Kaiser (Erleuchteter Frieden, 1926-1989). Mit Kaiser Naruhito wurde seit dem 1. Mai 2019 das Jahr 1 der Reiwa-Ära (Schöne Harmonie) eingeläutet. Da in offiziellen Dokumenten aller möglichen Institutionen - von Behörden über Medien bis zu Unternehmen - nicht der gregorianische Kalender verwendet wird, sondern die Zeitrechnung der Kaiserären, mussten die Informationssysteme auf den neuen Äranamen umgerüstet und aufs Jahr 1 zurückgestellt werden. Das war ein besonderes Problem, weil Naruhitos Inthronisierung den ersten Ärawechsel seit 1989 markiert - also den ersten, seit Computer die Gesellschaft durchdrungen haben. Dateien, die ab Mai 2019 noch mit dem 31. Jahr der Ära Heisei datiert wurden, obwohl schon das 1. Jahr von Reiwa begonnen hatte, konnten verloren gehen, wie in der Stadt Koga, wo durch die Umstellungsbemühungen versehentlich knapp 1.700 Wasserrechnungen gelöscht wurden.²⁰

    Zeitauffassung und Kultur sind offensichtlich eng miteinander verwoben. Welche grotesken Folgen sich ergeben, wenn Zeit aus dem Kontext ihrer Kultur gelöst wird, beweist der Medienhype in der westlichen Welt bezüglich des Endes eines Langzeitzyklus im Kalender der Maya am 21.12.2012 „als dem Ende der Welt".

    Christlich Orientierte suchen immer nach Hinweisen darauf, dass die Welt untergeht, während die Maya dagegen stets Beweise dafür gesucht haben, dass sich nichts verändert. Die Maya dachten in Zeitzyklen und nicht in linearen Zeitabläufen. Das ist eine völlig andere Geisteshaltung²¹ – sprich Kultur.

    Das objektiv zu beobachtende Zeitempfinden der Lebewesen ist Anpassung an regelmäßig wiederkehrende Phänomene in einer sich ständig verändernden Welt. Aus dieser ursprünglichen Adaption entstand in der menschlichen Entwicklung ein Instrument, das der koordinierten Handlung in der Gesellschaft dient. Aus der Funktion der Einhaltung kultureller Riten zur Anbetung und Gnädigstimmung von Göttern, gut belegt durch die Geschichte der Ägypter und Maya, entwickelte es sich mit Beginn der Arbeitsteilung aus einem Herrschaftsinstrument zum Instrument der Organisation der gesellschaftlichen Tätigkeiten und des Zusammenlebens.

    Vor der Erfindung der mechanischen Uhr war es nahezu unmöglich, Aktivitäten [präzise] zu koordinieren. Verabredungen fanden, üblicherweise im Morgengrauen statt. Es ist deshalb kein Zufall, dass viele wichtige historische Ereignisse auf die Zeit des Sonnenaufgangs fielen – Duelle, Schlachten, Zusammenkünfte.²²

    Der Sozialpsychologe Robert Levine (*1945) beschrieb in seiner Monographie „Eine Landkarte der Zeit" seine Studienergebnisse zur allgemeinen Schnelligkeit des Lebenstaktes in 31 verschiedenen Ländern. Aus diesen ergaben sich fünf Grundfaktoren, die das Tempo der Kulturen in der ganzen Welt bestimmen. So bewegen sich Menschen in Regionen mit einer blühenden Wirtschaft, einem hohen Industrialisierungsgrad, einer größeren Einwohnerzahl, einem kühleren Klima und einer auf den Individualismus ausgerichteten kulturellen Orientierung, tendenziell schneller. Darüber hinaus konstatierte er, dass zwei fundamental unterschiedliche Zeitkulturen existieren bzw. gehandhabt werden, in denen entweder nach der Ereigniszeit oder der Uhrenzeit gelebt bzw. gehandelt wird, wobei jede Kultur festgelegte Regeln über die Reihenfolge von Ereignissen hat.²³

    Was noch nicht zum Allgemeinwissen unserer Zeit gehört, ist die Tatsache, dass Unterschiede im sozialen Habitus der Mitglieder verschiedener Gesellschaften häufig für Schwierigkeiten oder sogar Blockierungen der Verständigung zwischen ihnen verantwortlich sind. Solche Blockierungen sind besonders wahrscheinlich und besonders massiv, wenn Gesellschaften miteinander in Berührung kommen, die verschiedene Stufen der sozialen Entwicklung vertreten. Ein weniger zeitbewusstes Verhalten kann leicht als Beleidigung oder als Unverantwortlichkeit erscheinen.²⁴

    Jede Kultur glaubt, sie selbst lebe im wahren Raum und der wahren Zeit, und jedes andere Raum- und Zeitverständnis sei entweder eine Annäherung an die eigene Auffassung oder eine Pervertierung derselben.²⁵

    In der Industriegesellschaft gehört zum Allgemeingut die Überzeugung, dass die Wirklichkeit durch Naturgesetze bestimmt wird, und dass Zeit deshalb auch identisch ist mit physikalisch messbarer Zeit.²⁶ Sie ist seit 1972 die sogenannte koordinierte Weltzeit (UTC) – und basiert auf der Internationalen Atomzeit (TAI), ein gewichtetes Mittel der Signale von 450 über 80 Orte der Erde verteilten Atomuhren.²⁷ Es ist die Zeitauffassung der klassischen Physik, die auf Newton zurückgeht und deren Anfänge bis zu den griechischen Denkern Plato und Aristoteles reicht. Es ist eine Zeitauffassung mit den drei Zeitmodi Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, wo Vergangenheit durch Fakten bestimmbar ist und Zukunft in Form von Möglichkeiten erwartet bzw. erahnt wird. Gegenwart wird als das bewegte ewige Jetzt des Augenblicks gedacht, das sich aber im Vorgang seines Bewusstwerdens zum Fakt des Vergangenen wandelt.

    Jetzt wissen wir das Vergangene in Form von Fakten. Jetzt wissen wir das Zukünftige in Form von Möglichkeiten. Das Jetzt verrinnt unablässig.²⁸

    ⁴ Boroditsky, L. 2012, S. 31-32

    ⁵ Whitrow, G.W.1999, S. 27

    ⁶ Leach,E: R, Rethinking Anthropology, Hall, E., The Dance of Live, zitiert in Levine,R. 2016, S.137

    ⁷ Hahn, I. 1989, S.11

    ⁸ Hahn, I. 1989, S.112

    ⁹ In eckige Klammern sind eigene Einfügungen eingeschlossen.

    ¹⁰ Hans Georg Gadamer, Über leere und erfüllte Zeit in Zimmerli 2007, S.284

    ¹¹ Whitrow, G.W. 1999, S. 48

    ¹² Assmann,J. 2010, S. 63

    ¹³ Wikipedia.org/wiki/Stundengottheiten

    ¹⁴ Maul, S. 2010, S. 73

    ¹⁵ Whitrow, G.W. 1999, S. 48

    ¹⁶ Deppert, W. 1989, S.206

    ¹⁷ Goetz 1992, Die Gegenwart der Vergangenheit im früh- und hochmittelarterlichen Geschichtsbewusstsein, zitiert in Landwehr, A. 2014, S. 104

    ¹⁸ Ebd.

    ¹⁹ Ebd., S. 116 -125

    ²⁰ https://www.golem.de/news/neue-kaiseraera-in-japan-das-jahr-1-problem-1904-140875.html

    ²¹ Saturno,W. 2012

    ²² Levine,R. 2016, S. 98

    ²³ Ebd., S. 38, 258

    ²⁴ Elias, N. 1990, S. 117-118

    ²⁵ Levis Mumford zitiert in Levine,R. 2016, S. 245

    ²⁶ Ebd., S. 33

    ²⁷ https://en.wikipedia.org/wiki/International_Atomic_Time

    ²⁸ Weizsäcker, C. F. v., 1992, S. 278

    3. Die alltägliche abendländische Zeitvorstellung

    Die durch Kultur und Sprache vorgeprägte, abendländische Zeitauffassung wird vor allem durch Wirtschaft und Technik dominiert. Sie stellt hier eine Art Ressource dar, zwar nicht greifbar, da „verfließend", aber dennoch bezifferbar.

    Durch eine seltsame Anstrengung des Intellekts hat der zivilisierte Verstand die Zeit- das obskurste und abstrakteste aller immateriellen Güter- auf die objektivste Größe überhaupt reduziert – Geld.²⁹

    Die lineare Orientierung dieser Zeitauffassung geht auf das Christentum zurück, wobei Kalender und die Konventionen der Zeitrechnung hauptsächlich von den Römern übernommen worden sind. Die Kreuzigung Christi wird als einmaliges, unwiederholbares Ereignis angesehen. Zeit wird damit zwangsläufig linear und nicht zyklisch; sie beginnt mit der Schöpfung und endet, christlicher Auffassung entsprechend, mit dem Weltuntergang.³⁰

    Die gegenwärtig durch Technik dominierte und durch die neueren Erkenntnisse der Physik und Kosmologie beeinflusste Zeitauffassung, geht allerdings nicht von einer göttlichen Schöpfung aus, sondern vom sogenannten Urknall und ist sich allerdings, eben dieser neueren Erkenntnisse zufolge, hinsichtlich einer möglichen Unendlichkeit oder eines Endes der Zeit nicht sicher.

    Neben den drei Zeitmodi Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft liegen dieser Auffassung gleichfalls die zwei Aspekte zyklische Wiederholung und ewige Dauer zugrunde und werden ebenfalls erst zusammen in ihrer Gesamtheit als Zeit bezeichnet, hier nur mit dem Unterschied, dass wir nicht, wie im Alten Ägypten, vor der zyklischen Wiederholung von Kontinuitäten individuellen Göttern zugeordneter Zustände zu stehen meinen, sondern mittels eines sich zyklisch ändernden Systems (Uhr) vor der Kontinuität abzählbarer und damit individueller nicht wiederkehrender Zustände im Kalender stehen.

    Abbildung: 1

    Es besteht kein Grund die rückwärtsgerichtete zyklische Zeitauffassung der Altvorderen in Bezug auf unsere Zeitbetrachtung zu belächeln. Eine gedacht ideale Uhr ist ein reversibler Prozess, in der ebenfalls gleiche Zustände immer wieder reproduziert werden und somit auch hier Zeit periodisch „rückwärts läuft" und eine konkurrierende Theorie zu der des Urknalls ist die des Big Bounce, die ein zyklisches Aufblähen und Zusammenfallen des Raumes postuliert.

    Die Einordnung von Ereignissen nach vergangen und zukünftig wird in der alltäglichen Zeitauffassung zusätzlich durch die Begriffe früher, später oder gleichzeitig verfeinert. Vermittelt wird diese Unterscheidungen durch das sogenannte „Verstreichen von Zeit - der durch Uhren suggerierte stetige Zeitfluss - wobei der Richtungsverlauf dieses Fließens von früher zu später postuliert ist. Die sich so ergebenden beiden Begriffstripel „Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft und „früher, gleichzeitig, später" werden nach dem Philosophen McTaggart (1866 – 1925) als die A- und B- Serie und kausalverknüpfte Ereignisse als die C-Serie bezeichnet.

    Mit dem „Verstreichen von Zeit wird die sogenannte „Zeitdauer von Prozessen gekennzeichnet; es werden hier die Begriffe, der durch Uhren gemessenen kürzeren, längeren oder gleichen Dauerabschnitte genutzt, die sich in der Hierarchie von „Zeitabschnitten": Sekunde, Minute, Stunde, Tage etc. bis hin zu Äonen wiederspiegeln.

    Die in der täglichen Sprache gebrauchten Begriffe wie Uhrzeit, Öffnungszeit, Urlaubszeit, Betriebszeit, Steinzeit usw. sind sowohl dynamisch als auch statisch besetzt, wobei die Frage nach der Uhrzeit auf eine momentane Stellung der Uhrzeiger abzielt und weitere Zeiger- bzw. Zifferänderungen ignoriert.

    Das Betreten eines nicht „zeitgemäß gestalteten Interieurs bedingt Kommentare, wie „…die Zeit ist stehengeblieben bzw. „…in die Zeit zurückversetzt, je nachdem, ob Untätigkeit oder Absicht des Besuchten vorlagen. So schrieb Peter Scholl Latour (1924 - 2014) in „Fluch der Bösen Tat:

    In dem stilvollen historischen Gästehaus Ehsan kam bei mir endlich das Gefühl auf, im tiefen Orient eingetroffen zu sein. Hier war die Zeit stehengeblieben .³¹

    Meist sind es Reminiszenzen modischer oder kultureller Art. Die zeitorientiert gegensätzliche Art des „Festhaltens" von Zeit, das Versenden von

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