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Die Doulos-Story
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eBook331 Seiten4 Stunden

Die Doulos-Story

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Über dieses E-Book

In diesem Buch schreibt Elaine Rhoton von der Geschichte des zweiten OM- Schiffes, der Doulos.
Der Leser wird nicht nur hineingenommen in die aufregende Zeit der Suche nach dem „richtigen" Schiff. Er begleitet auch die vielen Einsätze in den Häfen in Lateinamerika, Afrika, Asien ... und nimmt am Leben an Bord regelrecht teil.
Auf faszinierende Art und Weise erzählt die Autorin von interessanten Begegnungen, Gottes Führungen und Wundern.

SpracheDeutsch
HerausgeberBookRix
Erscheinungsdatum21. Mai 2014
ISBN9783736812949
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    Buchvorschau

    Die Doulos-Story - Elaine Rhoton

    Kapitel 1- Das Schiff

    Sie lagen ausgestreckt auf einem Berg von Waren im hin­teren Teil des alten Lasters. Es waren acht oder zehn Män­ner, die dort vergeblich versuchten, sich die langen Fahrt­stunden zu vertreiben. Einige von ihnen lagen nahe beim offenen Heck auf ihren Schlafsäcken und bemühten sich, etwas vom Inhalt der vor ihnen aufgeschlagenen Bücher mitzukriegen - eine Aufgabe, die durch die schlechten Stra­ßenverhältnisse nicht gerade erleichtert wurde. Weniger ehrgeizige oder vielleicht weniger disziplinierte Glieder der Gruppe lagen müßig herum und vertrieben sich die Zeit mit lockeren Gesprächen. Diese steigerten sich manchmal zu lebhafter Begeisterung, von lautem Lachen begleitet, um dann wieder in lange Pausen und Schweigen zu versinken. Nur zwei unter ihnen merkten von alledem nichts: sie hat­ten die vergangene Nacht als Fahrer und Beifahrer ver­bracht und schnarchten nun vor sich hin.

    Vor einigen Wochen waren sie in Hochstimmung von England aufgebrochen, doch die scheinbar endlosen Tage auf dem langen Weg nach Indien hatten die Stimmung schon etwas strapaziert. Der härteste Abschnitt der Reise hatte begonnen, als sie bei Wintereinbruch den Osten der Türkei erreichten und ihren Weg durch schneebedeckte Straßen bahnen mussten, welche von starken und bitter­kalten Winden überfegt wurden. Weiter östlich waren sie dem Schneetreiben wieder entkommen, dafür aber in eine öde Wildnis geraten: Berge, Hügel, Felsen, weiter nichts. Die Straße, so wie sie war, konnte oft kaum von der sie umgebenden Landschaft unterschieden werden. Die Mono­tonie der Reise wurde nur durch winzige Dörfer am Weg und einfache Mahlzeiten an Bord des Lasters unterbrochen.

    Die Reisenden waren Mitarbeiter von Operation Mobi­lisation (OM), einer internationalen Missionsgesellschaft.

    Ihr Leiter, George Verwer, war auch dabei. Er war ein dünner, drahtiger Amerikaner, dem man seine unbändige Energie anmerkte. Im Alter von nur 19 Jahren hatte er bereits den Grundstein für OM gelegt, indem er zwei sei­ner Mitstudenten vom Maryville College in USA dafür begeistern konnte, mit ihm während der Semesterferien einen Missionseinsatz in Mexiko zu machen. In den darauf folgenden Jahren waren erneute Missionseinsätze mit immer größeren Teilnehmerzahlen durchgeführt wor­den. So entstand OM. Zum Zeitpunkt der hier erwähnten Reise nach Indien, Anfang der Sechzigeijahre, hatte OM bereits mehrere hundert vollzeitliche Mitarbeiter. Die Spezialität von OM lag darin, vor allem jungen Christen die Gelegenheit zu bieten, nach einer kurzen Grundschu­lung missionarische Kurzeinsätze zu machen. So setzten viele Universitäts- und Bibelschulstudenten bzw. -Stu­dentinnen ihren Urlaub ein, um in kleinen Gruppen christliche Literatur zu verteilen und mit Menschen über den christlichen Glauben ins Gespräch zu kommen. Doch zurück zu unserem Konvoi Richtung Asien ...

    George versuchte gerade, auf dem Laster eine beque­mere Stellung zu finden, während seine Gedanken nach Indien vorauseilten, zum nächsten Missionseinsatz. Was für eine Zeitverschwendung diese Reise doch ist, klagte er innerlich ungeduldig. Drei, vier Wochen, vielleicht sogar noch länger, wo man nichts tun konnte, außer in einem schaukelnden Laster herumzuliegen, während in Indien die Menschen litten und starben, ohne die christliche Bot­schaft von Gottes Liebe zu uns Menschen zu erfahren. Wenn wir bloß nach Indien fliegen und diese lange Reise verkürzen könnten, dachte er sehnsüchtig. Aber das stand außer Frage. Für so was hatten sie kein Geld. Und selbst wenn sie es gehabt hätten, würden sie es lieber für Bibeln und christliche Literatur ausgeben. Nein, Fliegen kam nicht in Betracht. Die Wochen, die für diese Reise ver­schwendet wurden, schienen unvermeidbar.

    Was wir bräuchten, wäre ein Schiff, war der nächste Gedanke, und George lächelte dabei still in sich hinein. Doch plötzlich war er hellwach: Ein Schiff! Stell dir vor, was wir mit einem Schiff alles machen könnten! Die Reise nach Indien könnte zwar länger dauern - sehr wahr­scheinlich sogar aber die Zeit wäre nicht verschwendet! Sie könnten während der Seereisen ihre Mitarbeiter schu­len, um dann an den Häfen zu halten und gleich anzu­wenden, was sie gelernt hatten. Dann könnten sie weiter­fahren und ihre Leute vertiefter schulen, um das Gelernte im nächsten Hafen wieder in die Tat umzusetzen. Eine schwimmende Bibelschule! Ganz zu schweigen davon, was sie alles nach Indien transportieren könnten, christli­che Literatur, Tonnen davon! Die Begeisterung von George stieg. Bücher waren seine große Leidenschaft.

    So entstand auf dem Laster Richtung Indien die Vision, welche einige Zeit später dazu führte, dass OM auch eine missionarische Schiffsarbeit begann. Die Logos¹ so wurde das erste OM-Schiff getauft, wurde auf eine Art und Weise zum Segen, wie es sich George nie hätte träumen lassen: Täglich strömten Hunderte, oft auch Tausende von Besu­chern an Bord, um sich auf dem einzigartigen schwim­menden Buchladen mit christlicher Literatur einzudecken oder um eine der vielen öffentlichen Veranstaltungen an Bord zu besuchen. An Bord wurden auch gut besuchte Empfänge für Regierungsbeamte, Diplomaten, Militäroffi­ziere und andere einflussreiche Persönlichkeiten veran­staltet, welche außerhalb der Reichweite von herkömm­lichen Missionaren oder Christen lebten. Die Besatzung mit Christen aus den verschiedensten Ländern war ein fas­zinierendes Beispiel, wie christliche Nächstenliebe und Zusammenarbeit quer durch alle Kulturen und Rassen hindurch funktionieren konnte. Das Missionsschiff zog das Interesse der Menschen auf sich und wurde überall gern willkommen geheißen. Gott hatte OM dadurch ein mächtiges Instrument zum Dienst für ihn geschenkt.

    Das jedenfalls war die Sonnenseite der Schiffsarbeit: gewaltiger Segen, der überall in den Häfen verbreitet wurde. Es gab aber auch die andere Seite: Probleme, schmerzvolle Erfahrungen und Rückschläge. Diese Kehr­seite bekam George Verwer von allen am meisten zu spü­ren. Deshalb reagierte er wohl auch ziemlich ablehnend, als ihn 1972 jemand ansprach: »He, George, wir beten für ein zweites Schiff. Wusstest du das schon?« Er erzählte von einer kleinen Gebetsgruppe, welche dafür betete, dass Gott ein zweites Schiff schenke, um den Dienst der Logos zu erweitern. Nach einem Moment des Schweigens erwiderte George darauf mit belegter Stimme: »Ihr wisst nicht, wovon ihr redet. Ihr habt die Logos nie gesehen. Ihr habt keine Ahnung von all den Tränen und schweren Situationen, die hinter ihrer Arbeit stecken.« George war offensichtlich nicht bereit, dies alles noch einmal durchzumachen.

    Doch andere bei OM begannen, darüber nachzudenken. Wie könnte sich der Dienst multiplizieren, wenn OM nicht bloß ein, sondern zwei Schiffe hätte! Die Begeiste­rung über die Möglichkeiten wuchs, besonders auch, wenn man beobachtete, was Gott durch die Logos bereits tat. Doch George hatte immer noch Bedenken: »Eines der Probleme, das ich sehe, ist die nötige Leiterschaft. Wer wäre fähig, die Verantwortung und Leitung für ein zwei­tes Schiff zu übernehmen, falls wir eins bekommen wür­den?« Keiner hatte darauf eine Antwort.

    In der Zwischenzeit setzte sich ein anderer OM-Leiter und Freund von George, Dale Rhoton, für Christen hinter dem Eisernen Vorhang ein. Dale hatte George beim ersten Missionseinsatz in Mexiko begleitet und seither hatten sie in der Entwicklung von OM zusammengearbeitet. Ähn­lich wie George war auch Dale schlank und ziemlich groß, aber ihre Temperamente hätten unterschiedlicher nicht sein können. Während George einem Feuerwerk von Energie glich, aus welchem ständig Ideen wie ein heftiger Funkenregen stoben, war Dale ein bedächtiger Mann, der Entscheidungen sehr sorgsam abwog. Mit sei­ner Meinung war er oft zurückhaltend, doch wenn er etwas sagte, hatte es Hand und Fuß. Dale und George waren gute Freunde, und einer ergänzte den anderen auf wertvolle Art und Weise.

    Nachdem Dale mehrere Jahre im Nahen Osten gearbei­tet hatte, war er mit seiner Familie 1968 nach Österreich gezogen, wo er nun ein kleines OM-Team um sich scharte. Sie schmuggelten Tausende und Abertausende von Bibeln und andere christliche Bücher zu Christen in Osteuropa, welche unter dem kommunistischen Regime lebten. Obwohl Dale diese Arbeit sehr gern tat, begann er 1973 zu spüren, dass er langsam überflüssig wurde: Das Team war mittlerweile so gut eingespielt und ausgebildet, dass seine Leitung nicht mehr nötig war. Ihm wurde klar, dass etwas Neues für ihn dran war. Doch wo? »Ich kann mir uns in so ziemlich jeder Aufgabe innerhalb OM vor­stellen«, meinte seine Frau zuversichtlich, »außer in der Schiffsarbeit. Die kommt nicht in Frage.« Sie hatte als Universitätsstudentin einmal acht Monate als Kellnerin auf einem kleinen Kreuzfahrtschiff gearbeitet, um Geld zu verdienen. Jene Zeit hatte ihr bewusst gemacht, wie anstrengend und mühsam es war, mit vielen Menschen auf so engem Raum gleichzeitig leben und arbeiten zu müssen. Die Wiederholung einer solchen Erfahrung wollte sie sowohl sich als auch ihrer Familie ersparen.

    Im September, als die jährliche Mitarbeiter-Konferenz von OM stattfand, sah Dale bezüglich seiner Zukunft noch nicht weiter. Gegen Ende der Konferenz bat ihn George, für einige Wochen nach Indien zu fliegen, um die Logos zu besuchen. Da das Schiff bald in den Persischen Golf aufbrechen würde, sollte er die Besatzung über Mis­sionseinsätze unter besonderen Bedingungen schulen, in diesem Fall der moslemischen Welt.

    Kurz nachdem Dale nach Indien aufgebrochen war, besuchte seine Frau, die mit den Kindern auf der Konfe­renz geblieben war, einen Vortrag, den ein Logos-Mitar­beiter hielt. Während er aus dem Schiffsleben erzählte und Dias dazu zeigte, dachte sie: »Das ist nicht das Schiffsleben, wie ich es kennen gelernt habe! Das hier ist absolut faszinierend, atemberaubend - Gottes Wirken ist offensichtlich!« Währenddessen war Dale in Bombay angekommen und vom langen Flug und der Zeitumstel­lung ziemlich müde. An seinem ersten Morgen auf dem indischen Kontinent erwachte er mit einem beinahe mys­tischen Eindruck, dass ihm heute etwas Wichtiges begeg­nen würde. »Eigenartig«, dachte er, »noch nie habe ich so etwas gespürt.« Später am selben Tag traf er sich mit einem der Leiter der Logos, der ihm begeistert davon erzählte, was Gott durch dieses Schiff alles bewirkte. Während dieses Berichts war ihm, als würde ein helles Licht in seinem Geist aufblitzen: Das ist es! Das Schiff ist der Platz, an dem Gott uns haben möchte!

    Als Dale einige Wochen später zu seiner Familie zurückkehrte, kam er nur zögernd auf dieses Thema zu sprechen, weil er sich nur zu gut an die deutlich ausge­drückte Abneigung seiner Frau gegen das Leben auf hoher See erinnern konnte. Zu seinem Erstaunen nickte sie nur und stimmte ihm ruhig zu: »Ja, ich glaube auch, dass Gott uns dort haben möchte.« Gott hatte seinen Mann platziert.

    Bei der nächsten Jahreskonferenz der OM-Leiter im Sep­tember 1974 war Dales Entscheidung eine wichtige Bestä­tigung dafür, dass die Zeit für ein zweites Schiff nun reif war. Der Amerikaner George Miley, welcher bereits drei Jahre Direktor der Logos gewesen war, würde die Aufsicht über beide Schiffe übernehmen. Dale würde zuerst mit ihm Zusammenarbeiten, um dann in einem nächsten Schritt selbst Direktor des neuen Schiffs zu werden.

    Die Suche nach einem Schiff begann. Ein gläubiger Makler aus England hörte davon und bot seine Dienste an. Jedes Objekt, das auch nur im Entferntesten in Frage kam, wurde ab nun Mike Poynor, dem OM-Experten für Schiff-Fahrt, gemeldet. Eifrig wurden Schiffspläne unter die Lupe genommen und passende Objekte vor Ort inspi­ziert - alle Schiffe erwiesen sich jedoch als zu groß, zu teuer oder schlechthin ungeeignet, um als Missionsschiff bei OM benutzt werden zu können.

    1977 tauchte der Name Franca C auf. Dieses Schiff aus den USA mit Baujahr 1914 hatte zuerst als Frachter mit Namen Medina gedient und war später in das Passagier­schiff Roma umgewandelt worden. Dann wurde es in den Rang eines Kreuzfahrtschiffes befördert, nachdem die ita­lienische Reederei Costa Lines es erstanden hatte.

    Mike Poynor fuhr mit einem weiteren langjährigen Schiffsmitarbeiter von OM und einem deutschen Ehepaar nach Italien, um das Schiff zu inspizieren. Als sie sich in Venedig dem Hafengebiet näherten, erblickten sie ein funkelnd weißes Linienschiff, ein Riesenschiff mit drei stolzen Schornsteinen. »Oh!«, rief die deutsche Mitrei­sende aufgeregt, »was für ein wunderschönes Schiff. Ist Gott nicht wunderbar, dass er uns ein solch schönes Schiff gibt?« Mike Poynor, etwas bedächtiger, sah hinter dem großen Luxusdampfer ein kleineres, schäbig wirken­des Schiff mit starker Schlagseite zum Hafen hin. Darauf hinweisend, meinte er trocken: »Das sieht mir eher nach einem OM-Schiff aus.« Es war die Franca C.

    Ihre Eindrücke nach einem ersten Rundgang durch das Schiff waren durchaus positiv. Während der folgenden Wochen, als weitere Dinge abgeklärt wurden, erhielt Mike das Angebot, die Franca C auf einer ihrer üblichen Kreuz­fahrten nach Griechenland zu begleiten. »Weshalb nimmst du nicht deine Frau mit?«, schlug ein OM-Mitarbeiter vor. »Du könntest ihr einen kleinen Urlaub bieten und gleich­zeitig deine Arbeit tun.« »Hmm«, brummte Mike - er war ein kräftiger und engagierter Texaner und kein Freund großer Worte -, »Rex Worth wäre nützlicher.« So war es Rex, ein englischer Ingenieur, der ihn begleitete. Anstatt die Schönheit der griechischen Inseln zu genießen, ver­brachten die beiden Männer ihre Zeit im Maschinenraum und untersuchten alles, was für die technische Seite des Schiffs wichtig war. Ein enormer Arbeitsaufwand wäre nötig, das sahen sie bald, aber ihr grundsätzlicher Ein­druck war befriedigend. Auf ihre Empfehlung hin ent­schieden sich die OM-Leiter, das Schiff zu erwerben.

    Am Morgen des 28. Oktobers 1977 lief die Franca C ein letztes Mal in ihren Heimathafen Genua ein. Einige Stun­den später begannen im Büro der Reederei Costa Lines die Verhandlungen. Costa Lines verlangte knappe 900.000 US-$. Die OM-Delegation machte ein Gegenangebot von 700.000 US-$. Dann ging es hin und her, man bot und unterbot und diskutierte, welche Bestandteile des Schiffs ausgebaut werden könnten, um den Preis zu senken. Kurz nach der Mittagszeit einigte man sich auf 770.000 US-$.

    Ein Vertrag wurde aufgesetzt und am 13. November unterzeichnet. Danach folgte eine Anzahlung in der Höhe von 77.000 US-$. Weitere sechs Wochen verstrichen, bis alle im Vertrag festgelegten Formalitäten erfüllt waren. Schließlich, am 29. Dezember, traf sich eine OM-Delegation mit Vertretern der Reederei, um den verbliebenen Restbetrag zu bezahlen und das Schiff in Besitz zu neh­men. Ein gewaltiger Glaubensschritt und viele kleine und große Wunder hatten dazu geführt, dass das Geld für das zweite OM-Schiff pünktlich zusammengekommen war.

    * Logos heißt im Griechischen »Das Wort«. Die Geschichte dieses Schiffs wird im Buch Die Logos Story erzählt.

    Kapitel 2- Ein neuer Name und ein neuer Anfang

    Nach der Übertragung der Besitzrechte erhielt die Franca C einen neuen Namen. Monate zuvor hatten OM- Mitarbeiter damit begonnen, Ideen dafür zu sammeln: zum Beispiel Morgenstern, Licht, Botschafter, Freund­schaft, Charis oder Doulos. Jeder Vorschlag wurde bedacht und diskutiert, bis sich die Mehrheit der Stimmen für den Namen Doulos einsetzte.

    Doulos, so wurde entschieden, drückte am besten aus, worum es bei der Arbeit der Schiffe eigentlich ging. Es war ein griechisches Wort, das oft im Neuen Testament verwendet wurde und so viel wie ‘Knecht’ oder ‘Diener’ bedeutet. Der Apostel Paulus zum Beispiel bezeichnete sich selbst als einen doulos des Herrn Jesus Christus. In seinem Brief an die Gemeinde in Korinth schrieb er: »Denn wir sind nicht der Mittelpunkt unserer Predigt, sondern Christus, der Herr! Wir sind nur eure Diener [doulos], und das aus Liebe zu Jesus.«

    Genau das war der Herzenswunsch der OM-Leute: in völliger Hingabe Jesus Christus zu dienen und dadurch auch ganz zu Dienern der Menschen zu werden, welchen sie von Christus erzählen wollten. Ihr Ziel war nicht, irgendetwas Großartiges zu leisten oder die Antworten auf alle Fragen und Probleme des Lebens zu verkünden. Nein, sie zogen in die Welt, um zu lernen und zu dienen. Und daran würde der Name Doulos sie stetig erinnern.

    Ihr Vorbild dazu war einzigartig. Jesus Christus selbst hatte alles Ansehen, alle Ehre, allen Reichtum und alle Vorrechte seiner himmlischen Stellung abgelegt und wurde, um es mit den Worten Paulus’ zu sagen, »rechtlos wie ein Sklave [doulos]«.

    So wurde das neue OM-Schiff Doulos getauft und seine Mannschaft verschrieb sich dem Dienen. Nicht oberfläch­lich, wie bezahlte Arbeiter, die jederzeit gehen konnten, wenn ihnen etwas nicht passte, sondern als Freiwillige in tiefer Hingabe, um Diener von Jesus Christus zu sein.

    Als die Doulos-Mannschaft mit dieser Einstellung ans Werk ging, entdeckte sie etwas Erstaunliches: Sie wollten zwar Diener sein, aber Jesus kam ihnen als Freund entge­gen. Es war genau so, wie er es seinen Jüngern im Johan­nesevangelium gesagt hatte: »Ich nenne euch nicht mehr Knechte (doulos), denn einem Knecht sagt der Herr nicht, was er vorhat. Ihr aber seid meine Freunde ...« Im Dienen entdeckten sie die Gegenwart Jesu. Er legte seinen trösten­den Arm um sie, wenn etwas sie bedrückte. Wenn sie nicht mehr weiterwussten, zeigte er den nächsten Schritt. Er nahm sie so an, wie sie waren und sah gleichzeitig schon das, was er noch aus ihnen machen wollte. Er bezog sie in Dinge mit ein, die ihm auf dem Herzen lagen. Er begegnete ihnen als Freund. Dienen und Freundschaft: das wurden die Markenzeichen, welche sich in der Geschichte der Dou­los in immer neuen Variationen wiederholen würden.

    Doch seetüchtig war die Doulos noch nicht. Das Dienen vieler douloi war dazu noch nötig. Der Schiffsmotor musste überholt werden und viele andere Arbeiten muss­ten noch erledigt werden, damit das Schiff all die nötigen Sicherheitszertifikate erhielt, um in See stechen zu kön­nen. Schon bevor der Kauf vollständig abgewickelt wor­den war, hatten die Arbeiten begonnen: Bereits ein gutes Dutzend Männer kam an Bord, um dort zu arbeiten und zu leben. Dann folgten mehr. Der Direktor George Miley schrieb in einem Bericht über die ersten beiden Monate:

    Dann kamen immer mehr. Sie kamen aus den USA, aus Kanada, aus Großbritannien, aus der Schweiz, aus Deutschland und aus anderen Ländern. Von manchen wussten wir, dass sie kommen würden. Andere kamen einfach so.

    Einige waren noch nie zuvor auf einem Schiff gewesen. Andere hatten schon Jahre auf hoher See verbracht. Auf einige hatten wir von Anfang an gezählt. Andere kannten wir noch gar nicht, als wir den Kaufvertrag unterschrie­ben. Schon bald hatten wir 35 Leute an Bord.

    Dann 50. Bevor wir uns versahen, waren wir 80. Und bevor wir von Genua aufbrachen, waren wir um die 150 - mehr schon auf der Jungfernfahrt der Doulos, als die Logos je an Besatzung gehabt hatte!

    Einer von denen, die an Bord kamen, war Rudi, ein Schweizer. Seine Englischkenntnisse waren bescheiden, sein Arbeitswille hingegen umso größer. Als der leitende Ingenieur eines Morgens um sechs in den Maschinen­raum kam, traf er auf Rudi, der gewissenhaft bei der Arbeit war.

    »Rudi«, rief er erstaunt, »hast du etwa die ganze Nacht hier gearbeitet?«

    »Ja«, erwiderte der und erklärte, »ich kann nicht predi­gen. Ich kann auch nicht lehren. Aber ich kann dem Herrn mit meinen Händen dienen.«

    Ein anderer, der gekommen war, um auszuhelfen - und letztendlich einige Jahre als leitender Ingenieur blieb, kam aus Dänemark. Seine Beschreibung war der von Rudi sehr ähnlich: »Er kam an Bord, stellte sich kurz vor, ver­schwand dann im Maschinenraum, wo er seither ist.« Ein­mal wurde er in einer Gruppenandacht gebeten, etwas über sich zu erzählen.

    »Wenn ich so schlecht arbeiten würde, wie ich rede«, meinte er, »würdet ihr mich auf diesem Schiff nicht benö­tigen.« Sprach’s und verschwand wieder im Maschinen­raum.

    Mike Poynor, der maßgeblich bei der Suche nach dem Schiff und dessen Inspektion beteiligt gewesen war, zog mit seiner Frau und vier Töchtern, darunter sechs Wochen alte Zwillinge, auf dem Schiff ein. Seine Frau, Carol Ann, beschreibt, wie Familienleben damals aussah:

    Als wir an Bord einzogen, gab es noch kein fließendes Wasser. Ich holte jeden Morgen einen Eimer voll Wasser in der Kombüse, wo durch einen Schlauch Wasser vom Festland hergepumpt wurde. In einem Wasserkessel erwärmte ich es und badete die Zwillinge in einer kleinen Plastikwanne.

    Weil es auch noch keine Heizung gab, war es auf dem Schiff bitterkalt. Wenn man in einer Koje schlief, die entlang der Schiffswand lag, fror man ständig, und beim Ausatmen schlug sich an der stählernen Wand des Schiffes Kondenswasser nieder.

    All unsere Sachen mussten wir zum Waschen an Land geben und für jedes Stück einzeln bezahlen. Da das aber mit all diesen winzigen Babykleidern zu teuer war, wusch ich alles von Hand und versuchte, die Kleider auf dem Schiff trocken zu kriegen.

    Wenn die Babys abends jeweils gewaschen, gefuttert und schlafen gelegt waren, begann ich zusammen mit einer anderen Mutter das Schiff zu putzen. Unsere erste Aufgabe war es, alle verstopften Toiletten zu reinigen. Die Wächter, die auf dem Schiff gewesen waren, hatten so lange eine Toilette benutzt, bis diese verstopft war - weil man aufgrund des fehlenden Wassers nicht spülen konnte - und dann waren sie ein­fach zur nächsten Toilette gegangen, bis auch diese verstopft war. Wir schleppten also als Ers­tes Eimer um Eimer voll Wasser her, um sie in die Toiletten zu gießen. Toilettenspülung mit fließendem Wasser gab es erst später, als das Schiff wieder eigenen Strom produzierte.

    Einige Wochen später, als das Schiff im Trockendock lag, zog der leitende Ingenieur, Rex Worth, mit seiner Frau und der einjährigen Tochter an Bord. Seine Frau bekam einen Schlüssel für die Damentoilette am anderen Ende des Docks, ungefähr 200 m weit entfernt. Jeden Tag wickelte sie ihr Baby in eine Decke und ging die Landebrücke des Schiffs hinunter, dann in der bitteren Kälte entlang des Trockendocks bis zum Waschraum, wo es fließend warmes Wasser gab. Dort badete sie ihr Kind, wickelte es wieder ein und ging denselben Weg zum Schiff zurück.

    »Damals fand ich das nicht ungewöhnlich«, erzählte sie später. »Es schien die natürlichste Sache der Welt zu sein. Wir kamen mit allem Möglichen zurecht. Es war so auf­regend, an diesem neuen Projekt mitzuarbeiten.«

    So sah das Leben an Bord aus, bevor die Doulos Ende Januar aus dem Trockendock kam und die Schiffsgenera­toren endlich gestartet werden konnten. Es gab wieder Strom und das Leben wurde ein bisschen einfacher.

    Eine Ecke des Schiffes war jedoch die ganze Zeit über relativ warm und gemütlich gewesen. Es war der Inge­nieur-Aufenthaltsraum, der allen an Bord als Speisesaal diente. Ein Kabel vom Festland versorgte hier einen elek­trischen Herd mit Strom, worauf der Koch die Mahlzeiten zubereitete. Der Herd verbreitete Wärme und dieser Raum wurde zum »Wohnzimmer« des Schiffs. Jeden Morgen tra­fen sich die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zum Gebet, auch zum Gebet für die täglichen Aufgaben eines jeden.

    Ähnlich wie Adele an Bord legte auch Rex Wert darauf, vor dem gemeinsamen Gebet einige Zeit alleine mit Gott zu verbringen, bevor er die Aufgaben seines Tages anging. Eines Morgens las er im Buch Esra im Alten Tes­tament über die Rückkehr der Juden aus dem Exil und wie sie ihren Tempel wieder neu aufbauten. Während des Lesens beeindruckte ihn ein Grundsatz: Wenn man Gottes Werk tat, kam alles dazu Nötige zur rechten Zeit an die nötige Stelle. Rex geriet in eine solche Begeisterung über das, was er las, dass er darüber die Zeit vergaß. Plötzlich merkte er, dass er für die gemeinsame Morgenandacht schon viel zu spät dran war. Er schlug seine Bibel zu und flitzte zu den anderen, welche bereits begonnen hatten. Bei der ersten Gelegenheit, die sich ihm bot, sprang er eifrig auf, um den anderen von seiner morgendlichen Entdeckung zu berichten. Da fingen alle an zu lachen. Ganz perplex sah sich Rex um. »Ich finde das eigentlich gar nicht so lustig«, begann er, »es ist das, was mir Gott heute Morgen gesagt hat.« »Ja, das wissen wir«, erklärte ihm endlich jemand, »aber wir haben deine Predigt gerade schon gehört. Unser Elektriker hat gerade dasselbe gesagt.« »Oh!«, meinte Rex leise und setzte sich wieder.

    Auch das Gebet spielte bei allem, was geschah, eine wesentliche Rolle. In den ersten Tagen der Logos hatte es Spannungen zwischen den Ingenieuren und den Matro­sen gegeben. Um so etwas auf der Doulos zu vermeiden, hatten die Verantwortlichen beschlossen, dass sich diese beiden Gruppen jeden Tag nach Arbeitsende (um 22 Uhr!) treffen sollten, um die Arbeit des Tages zu besprechen und gemeinsam dafür zu beten.

    Beten war nicht nur eine geistliche Disziplin innerhalb der Gruppe, sondern auch auf der persönlichen Ebene jedes Einzelnen. Das zeigt eine Begebenheit, die Stan Thomson, der leitende Elektriker an Bord, erlebte. Als er damit beschäftigt war, das elektrische System an Bord in Ordnung zu bringen, tauchte eines Nachmittags plötzlich ein Problem mit der Notbeleuchtung auf. Es hätte dafür keinen ungünstigeren Zeitpunkt geben können, denn für den nächsten Morgen wurde ein Gutachter erwartet, der das elektrische System inspizieren und darauf ein noch dringend benötigtes Sicherheitszertifikat ausstellen sollte.

    Stan und sein Team von fünf Elektrikern machten sich auf die Suche nach der Störquelle, die die Sicherung durchbrennen ließ und die Notbeleuchtung einer ganzen Schiffssektion ausschaltete. Sie untersuchten fieberhaft alles, was ihnen als Ursache möglich schien, doch ver­geblich: Die Ursache fanden sie nicht. Inzwischen war es Zeit fürs Abendessen und alle gingen in den Speisesaal, doch Stan war zu sehr mit seinem Problem beschäftigt. »Ich habe alles Erdenkliche versucht!«, sagte er sich frus­triert. »Mir fällt einfach nichts mehr ein. Der Fehler könnte an 1000 verschiedenen Orten liegen.«

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