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Evangelischer Glaube in der pluralen Religionskultur der Moderne: Fundamentaltheologische Perspektiven
Evangelischer Glaube in der pluralen Religionskultur der Moderne: Fundamentaltheologische Perspektiven
Evangelischer Glaube in der pluralen Religionskultur der Moderne: Fundamentaltheologische Perspektiven
eBook801 Seiten8 Stunden

Evangelischer Glaube in der pluralen Religionskultur der Moderne: Fundamentaltheologische Perspektiven

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Über dieses E-Book

Traugott Jähnichen bietet in diesem Band Studierenden und Interessierten eine Einführung in die Grundlagen der Systematischen Theologie. Diese stellt sich der Aufgabe, den evangelischen Glauben verständlich auszulegen, seine Deutungspotenziale zu entfalten und nach außen zu artikulieren & in einer Lebenswelt, die religiös und weltanschaulich plural verfasst ist.
Ausgehend von einer Klärung der eigenen Voraussetzungen bringt evangelische Theologie ihre Deutungs-Perspektiven in die wissenschaftlichen Diskurse ein und formuliert eigenständige Beiträge zu ethischen und gesellschaftlichen Fragen. Für die Begegnung mit anderen Religionen und Weltanschauungen entwickelt sie theologische Grundlegungen vertiefter Toleranz und interreligiöser Verständigungen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum4. Okt. 2023
ISBN9783170303386
Evangelischer Glaube in der pluralen Religionskultur der Moderne: Fundamentaltheologische Perspektiven

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    Buchvorschau

    Evangelischer Glaube in der pluralen Religionskultur der Moderne - Traugott Jähnichen

    image1

    Theologische Wissenschaft

    Sammelwerk für Studium und Beruf

    Traugott Jähnichen

    Adolf Martin Ritter

    Udo Rüterswörden

    Ulrich Schwab

    Loren T. Stuckenbruck

    Band 11

    Traugott Jähnichen

    Evangelischer Glaube in der ­pluralen Religionskultur der ­Moderne

    Fundamentaltheologische Perspektiven

    Verlag W. Kohlhammer

    Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechts ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    1. Auflage 2023

    Alle Rechte vorbehalten

    © W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

    Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

    Print:

    ISBN 978-3-17-030336-2

    E-Book-Formate:

    pdf: ISBN 978-3-17-030337-9

    epub: ISBN 978-3-17-030338-6

    Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

    Traugott Jähnichen bietet in diesem Band Studierenden und Interessierten eine Einführung in die Grundlagen der Systematischen Theologie. Diese stellt sich der Aufgabe, den evangelischen Glauben verständlich auszulegen, seine Deutungspotenziale zu entfalten und nach außen zu artikulieren & in einer Lebenswelt, die religiös und weltanschaulich plural verfasst ist.

    Ausgehend von einer Klärung der eigenen Voraussetzungen bringt evangelische Theologie ihre Deutungs-Perspektiven in die wissenschaftlichen Diskurse ein und formuliert eigenständige Beiträge zu ethischen und gesellschaftlichen Fragen. Für die Begegnung mit anderen Religionen und Weltanschauungen entwickelt sie theologische Grundlegungen vertiefter Toleranz und interreligiöser Verständigungen.

    Prof. Dr. Traugott Jähnichen lehrt Christliche Gesellschaftslehre an der Universität Bochum.

    Inhalt

    Vorwort

    Einleitung

    I.  Glaube als Grund evangelischer Theologie

    I.1.  Glaube als Erschließung der Wirklichkeit im Horizont des Handelns Gottes

    Einleitung

    I.1.1.  Charakteristika christlichen Glaubens

    I.1.1.1.  Zum Wortfeld und zum biblischen Bedeutungsspektrum von »pistis«

    I.1.1.2  Glaube als vertrauensvolle Gottesbeziehung

    I.1.1.3  Glaube in der spannungsvollen Einheit von Zweifel, Anfechtung und Hoffnung

    I.1.2.  Der in der Liebe lebendige Glaube

    I.1.2.1.  Der innere Zusammenhang von erfahrener Gottesliebe und dem Doppelgebot der Liebe

    I.1.2.2.  Glaube und Werke in reformatorischer Perspektive

    I.1.2.3.  Nächstenliebe im Spannungsverhältnis von Barmherzigkeit und Gerechtigkeit

    I.1.3.  Offenbarung als konstitutives Moment des Glaubens

    I.1.3.1.  Überlegungen zum Offenbarungsbegriff

    I.1.3.2.  Charakteristika des christlichen Offenbarungsverständnisses

    I.1.3.3.  Zum Verständnis der Offenbarung in der neueren evangelischen Theologie

    I.2.  Aufgaben und Fragestellungen evangelischer Theologie

    Einleitung

    I.2.1.  Vorklärungen der Bedeutung und der Aufgabe der Theologie

    I.2.1.1.  Die Verankerung des Begriffs »Theologie« in der antiken Philosophie

    I.2.1.2.  Christliche Theologie als wissenschaftlich reflektierte Darstellung des Glaubens

    I.2.1.3.  Die Kontextualität jeder theologischen Arbeit und die Frage nach der Einheit christlicher Theologie

    I.2.2.  »Religion« als Thema evangelischer Theologie

    I.2.2.1.  Die Vielfalt der Bedeutungen des Begriffs »Religion«

    I.2.2.2.  Neuakzentuierungen des in der Neuzeit zum theologischen Leitmotiv avancierten Begriffs der »Religion«

    I.2.2.3.  Anliegen und Problematik theologischer Religionskritik

    I.2.3.  Aufgaben und Ziele evangelischer Theologie

    I.2.3.1.  Evangelische Theologie als systematische Entfaltung evangelischen Glaubens

    I.2.3.2.  Die Aufgabe der systematischen Theologie innerhalb der theologischen Disziplinen

    I.2.3.3.  Die integrierende Funktion der systematischen Theologie und ihre unterschiedlichen Teilbereiche

    II.  Glaube als Hören auf das Wort Gottes und die Antworten des Menschen

    II.1.  Die Bibel als primäres Zeugnis der Offenbarung und Grundlage der kirchlichen Verkündigung

    Einleitung

    II.1.1.  Das mündliche Wort des Evangeliums und die »Heilige Schrift«

    II.1.1.1.  Das Wort Gottes im Spannungsverhältnis von mündlicher Verkündigung und Schriftlichkeit

    II.1.1.2.  Die Entstehung des Kanons biblischer Schriften

    II.1.1.3.  Theologische Auseinandersetzungen um die Stellung des Alten Testaments

    II.1.2.  Das durch Christus eröffnete Verstehen der Schrift

    II.1.2.1.  Die »Klarheit« der Schrift in der Konsequenz ihrer christologischen Auslegung

    II.1.2.2.  Differenzierende Würdigungen und Relevanz neutestamentlicher Schriften

    II.1.2.3.  Die Problematik des »Schriftprinzips« der altprotestantischen Orthodoxie

    II.1.3.  Unterscheidungen und Zuordnungen von Gesetz und Evangelium

    II.1.3.1.  Die lutherische Unterscheidung von Gesetz und Evangelium als grundlegende theologische Lektüreanweisung der Heiligen Schrift

    II.1.3.2.  Profilierungen der Verhältnisbestimmung von Gesetz und Evangelium im Kontext der theologischen Auseinandersetzungen in der NS-Zeit

    II.1.3.3.  Die Bedeutung biblischer Impulse für die christliche Lebensführung

    II.2.  Gebete und Bekenntnisse als elementare Antworten des Glaubens

    Einleitung

    II.2.1.  Das Gebet als Antwort des Glaubens auf das Wort Gottes

    II.2.1.1.  Gebete als Wahrnehmung und Erschließung der »Grundsituation des Menschen«

    II.2.1.2.  Zur Grundstruktur des Betens am Beispiel des Vater-Unser-Gebets

    II.2.1.3.  Gebete als exemplarischer Ausdruck metaphorischer Redeweise

    II.2.2.  Bekenntnisse als Selbstvergewisserung und öffentliche Explikation des christlichen Glaubens

    II.2.2.1.  Kontexte, Bedeutung und Struktur der Glaubensbekenntnisse der antiken Kirche

    II.2.2.2.  Der Pluralisierungsschub konfessioneller Bekenntnistraditionen seit der Reformationszeit

    II.2.2.3.  Bekenntnisstreitigkeiten um die Geltung des Apostolicums und die Autorität der Barmer Theologischen Erklärung

    II.2.3.  Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Glaubensaussagen und systematisch-theologischen Aussagen

    II.2.3.1.  Die Gemeinsamkeiten des existenziellen Bezugs und des normativen Anspruchs

    II.2.3.2.  Die Unterschiede zwischen systematisch-theologischen Aussagen und Glaubensaussagen

    II.2.3.3.  Die Aufgaben der Identifikation und Verifikation theologischer Aussagen

    III.  Evangelische Theologie in der »universitas magistrorum et scholarium«

    III.1.  Theologische Impulse für das interdisziplinäre Gespräch der Wissenschaften

    Einleitung

    III.1.1.  Zuordnungsmodelle von Glauben und Wissen im Spannungsfeld von Theologie und Philosophie

    III.1.1.1.  Die Offenheit der Vernunft für die Metaphysik im Horizont der harmonischen Zuordnung von Glaube und Vernunft im Kontext römisch-katholischer Lehraussagen

    III.1.1.2.  Harnacks integratives Stufenmodell der Wissenschaften im Horizont einer Metahistorie und Metaethik

    III.1.1.3.  Philosophische Kritiken metaphysischer und metahistorischer Deutungsperspektiven

    III.1.2.  Epistemischer Glaube als Grundlage moderner Wissenskulturen

    III.1.2.1.  Eine Erinnerung an Blaise Pascal und die Perspektive einer vom Glauben bestimmten »Einbettung« der Vernunft

    III.1.2.2.  Die Einbettung des Wissens in den epistemischen und in den religiösen Glauben

    III.1.2.3.  Die Herausforderung des interdisziplinären Dialogs der Wissenschaften

    III.1.3.  Beiträge evangelischer Theologie zum Gespräch der Wissenschaften

    III.1.3.1.  »Jenseits der Konflikte«: Impulse der evangelischen Theologie für das Gespräch mit den Naturwissenschaften

    III.1.3.2.  Beiträge evangelischer Theologie für die Hermeneutik als Grundlagenreflexion der Geisteswissenschaften

    III.1.3.3.  Der Streit um (krypto-)normative Annahmen in den Wissenschaften

    III.2.  Gesellschaftliche Verantwortung als gemeinsame Aufgabe der Wissenschaften – Ethische Impulse der Theologie im interdisziplinären Dialog

    Einleitung

    III.2.1.  Das Postulat eines erweiterten Verantwortungsbegriffs in den Wissenschaften

    III.2.1.1.  Die Dynamik neuzeitlicher Wissenschaften mit ihren sozialen und ökologischen Schattenseiten

    III.2.1.2.  Das reduktionistische Naturkonzept im rationalistischen Weltbild der Moderne

    III.2.1.3.  Ambivalenzen des Siegeszuges neuzeitlicher Verfügungsgewalt über die Natur

    III.2.2.  Die Wissenschaften als Instanzen der Problemlösung und der Problemgenerierung

    III.2.2.1.  Zum Umgang mit Prognosen und Technikfolgeabschätzungen

    III.2.2.2.  Die Perspektive einer globalen Ethik der Verantwortung

    III.2.2.3.  Grundfragen und Aufgaben der Wissenschaftsethik

    III.2.3.  Theologische Impulse für ein Ethos wissenschaftlicher Weltverantwortung

    III.2.3.1.  Erinnerungen an das biblische Ethos der Mitgeschöpflichkeit

    III.2.3.2.  Bioethische Imperative in theologischer Perspektive

    III.2.3.3.  Ehrfurcht vor allem Lebendigen als Impuls einer Erweiterung der wissenschaftlichen Weltsicht

    IV.  Impulse des Protestantismus für das Zusammenleben in kultureller und religiöser Vielfalt

    IV.1.  Evangelischer Glaube in den pluralen Lebenswelten der Moderne

    Einleitung

    IV.1.1.  Zur Bedeutung der Religionen in den Individualisierungs- und Beschleunigungsprozessen der Moderne

    IV.1.1.1.  Paradoxien der Individualisierungs- und Beschleunigungsprozesse der Moderne

    IV.1.1.2.  Gestaltwandel und Bedeutung der Religionen in funktional differenzierten Gesellschaften

    IV.1.1.3.  Beiträge der Religionen zum zivilgesellschaftlichen Diskurs und die Herausforderung der Pluralismusfähigkeit evangelischer Theologie

    IV.1.2.  Die Bedeutung von Toleranz in religions- und weltanschauungspluralen Kulturen

    IV.1.2.1.  Vom Plädoyer für Religionsfreiheit zum Glaubenszwang: Theologische Motive auf dem Weg der Transformation des Christentums zur Staatsreligion

    IV.1.2.2.  Impulse und Grenzen der Reformation auf dem Weg der Gewährung religiöser Freiheiten

    IV.1.2.3.  Die Pluralisierung des Christentums im Spannungsfeld von konfessionellen Konflikten, Toleranzbestrebungen und Ansätzen ökumenischer Partnerschaften

    IV.1.3.  Religionsfreiheit als Grundlage des Zusammenlebens in religiöser und weltanschaulicher Pluralität

    IV.1.3.1.  Religionsfreiheit als Menschenrecht im Kontext moderner Gesellschaften

    IV.1.3.2.  Die Anerkennung der Anderen und die Achtung ihrer Überzeugungen im Sinn der lutherischen Unterscheidung von Person und Werk

    IV.1.3.3.  Die Schranken der Religionsfreiheit und die Begründung von Ausnahmeregelungen für religiöse Minderheiten

    IV.2.  Evangelischer Glaube im Dialog der Religionen und der Weltanschauungen

    Einleitung

    IV.2.1.  Grundmuster religionstheologischer Positionen

    IV.2.1.1.  Religiöse Vielfalt und gesellschaftlicher Zusammenhalt

    IV.2.1.2.  Klassische religionstheologische Positionen im theologiegeschichtlichen Überblick

    IV.2.1.3.  Varianten inklusivistischer religionstheologischer Zuordnungen im Kontext des Neuprotestantismus

    IV.2.2.  Kritiken und Neuaufbrüche einer Theologie der Religionen im 20. Jahrhundert

    IV.2.2.1.  Im Spannungsfeld von Religionskritik und Theologie der Religionen: Religionstheologische Impulse Karl Barths und Paul Tillichs

    IV.2.2.2.  Entwürfe der pluralistischen Religionstheologie und der komparativen Theologie

    IV.2.2.3.  Standortgebundenheit und Respekt für fremde Erfahrungen als Grundlagen interreligiöser Dialoge auf dem Weg zu einer Theologie der Religionen

    IV.2.3.  Zur fundamentaltheologischen Bedeutung des christlich-jüdischen Dialogs

    IV.2.3.1.  Brüche und Dialogansätze in den Beziehungen zwischen Ekklesia und Synagoge

    IV.2.3.2.  Theologische Neuansätze des christlich-jüdischen Dialogs seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges

    IV.2.3.3.  Auf dem Weg zum gemeinsamen Zeugnis? Christliche und jüdische Stimmen zur erneuerten Weggemeinschaft von Christentum und Judentum

    Ausblick: Evangelische Theologie im Spannungsfeld von gelebter Glaubenspraxis, Kirche und Universität

    1.  Der Professionsbezug evangelischer Theologie, ihr kritisch-konstruktives Verhältnis zur evangelischen Kirche und zur gelebten Glaubenspraxis

    2.  Der Wissenschaftsbezug evangelischer Theologie und ihr Selbstverständnis als eine universitäre Disziplin

    3.  Der gesellschaftliche Bedarf selbstreflexiver Religionskulturen in der Moderne

    Literaturverzeichnis

    Namenregister (in Auswahl)

    Vorwort

    Das in diesem Buch dargestellte Konzept fundamentaltheologischer Studien habe ich auf der Grundlage mehrerer Lehrveranstaltungen an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum erarbeitet. In unterschiedlichen Studiengängen, insbesondere dem BA- und dem Magister Theologiae-Studiengang, werden verschiedene Formate von einführenden Kursen, Seminaren und Vorlesungen in die Systematische Theologie angeboten. Auf der Basis dieser Erfahrungen habe ich die Anlage des vorliegenden Bandes entwickelt. Den Studierenden danke ich für Ihr Interesse und insbesondere für viele Anregungen, die in dieses Buch eingegangen sind. Darüber hinaus sind Themen weiterer Lehrveranstaltungen aus dem Bereich der evangelischen Ethik, meiner Fachdisziplin, aufgenommen worden. Dieser Zugang zur »Fundamentaltheologie« ist sicherlich ungewöhnlich, da gesellschaftliche Entwicklungen und ethische Fragen in diesem Rahmen traditionell – wenn überhaupt – weniger thematisiert worden sind. Einen wichtigen Impuls, diese Perspektive zu integrieren, verdanke ich dem Hinweis Gerhard Ebelings, dass die fundamentaltheologische »Rechenschaft über den christlichen Glauben so zu versuchen (ist), dass … die Beachtung dessen fruchtbar gemacht wird, was in der Welt ohne den Glauben und durch den Glauben geschieht«¹. Die spezifischen Bedingungen moderner Gesellschaften sind in der hier gewählten fundamentaltheologischen Perspektive Ausdruck der Kontextualität jeder Form theologischer Arbeit. Die stärkere Betonung ethischer Fragen ist eng mit diesem Zugang verknüpft. Zugleich ergibt sich diese unmittelbar aus dem hier dargelegten Verständnis evangelischen Glaubens. Aufgrund dieses Zugangs mussten andere Aspekte fundamentaltheologischer Studien, wie eine stärkere Verankerung in der reichen Tradition der Dogmengeschichte, zurückgestellt oder ganz ausgelassen werden. Die möglichen Vorteile wie auch die Nachteile dieser Vorgehensweise sind im Blick auf die Orientierungsleistungen für Studierende wie auch hinsichtlich der Verantwortung vor der Tradition fundamentaltheologischer Arbeit abzuwägen.

    Besonderen Dank für viele Formen der Unterstützung und Mithilfe schulde ich meinen Lehrstuhl-Mitarbeitenden, die in unterschiedlich intensiver Weise an den eingangs genannten Lehrveranstaltungen beteiligt waren oder sie auch inhaltlich begleitet und mitgestaltet haben. Dies gilt in hervorragender Weise für André Witte-Karp, der in seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter einige Kurse mit mir gemeinsam gestaltet und zudem einen Quellenband zum Thema »Religion und Offenbarung« herausgegeben hat. Andere Mitarbeitende, die, teils bereits als Studierende sowie im Rahmen von Arbeitsforen und universitären Veranstaltungen des Lehrstuhls, zu verschiedenen der in diesem Band verhandelten Themen wesentlich beigetragen haben, sind Nathalie Eleyth, Norbert Friedrich, Mirjam Kübler, Andreas Losch, Maximilian Schell und Clemens Wustmans. Ich verdanke ihnen und unserer guten Zusammenarbeit viele Anregungen. Christopher Dalitz arbeitet gegenwärtig als studentische Hilfskraft an meinem Lehrstuhl und hat viele formale Aufgaben, insbesondere bei der Literaturrecherche und dem Erstellen des Literaturverzeichnisses, geleistet, wofür ich ihm sehr dankbar bin. Ein besonderer Dank gilt meiner Sekretärin Ulrike Busse, die große Teile des Manuskripts digital erfasst hat.

    Schließlich möchte ich mich ausdrücklich bei den beiden Lektoratsleitern Theologie des Kohlhammer-Verlages, Jürgen Schneider und seinem Nachfolger Sebastian Weigert, bedanken. Jürgen Schneider hatte mich vor vielen Jahren für die Mit-Herausgeberschaft der Reihe »Theologische Wissenschaft« gewonnen und mich immer wieder zur Arbeit an diesem Projekt ermutigt. Sebastian Weigert hat diese Aufgabe fortgeführt und mich mit sehr großem Einsatz insbesondere in der letzten Arbeitsphase und mit enorm hilfreichen Anregungen unterstützt. Beiden danke ich sehr, ebenso wie Florian Specker vom Kohlhammer-Verlag, der die Druckfassung dieses Bandes erstellt hat.

    Das Studium der Theologie gleicht einer Entdeckungsreise. Der reiche Schatz biblischer Traditionen und die theologisch gedeuteten Glaubenserfahrungen früherer Generationen sind immer wieder neu aufzunehmen und im Blick auf die Gegenwart zu interpretieren, um den christlichen Glauben angesichts der heutigen Herausforderungen in Kirche und Gesellschaft reflektiert zu verantworten. Der vorliegende Band möchte zur Orientierung auf den Wegen dieser Entdeckungsreise beitragen.

    Bochum, am Johannistag 2023

    Traugott Jähnichen

    Einleitung

    Die Klärung der Grundlagen systematisch-theologischer Arbeit ist die Aufgabe der Fundamentaltheologie. Es geht um eine Verständigung über den Grund, wesentliche Fragestellungen sowie Quellen, Kontexte und Antwortperspektiven der Theologie. In diesem Zusammenhang ist zugleich eine Selbstbesinnung über die Rolle der evangelischen Theologie in der »universitas« der Wissenschaften sowie über ihre Beiträge zu gesellschaftlich relevanten Themen, insbesondere im Blick auf das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen und Weltanschauungen, zu leisten.

    Der Begriff »Fundamentaltheologie« ist ursprünglich im Kontext der katholischen Tradition verankert, im Protestantismus erwuchs er »im 19. Jahrhundert aus der Tradition der Apologetik«¹, der Verteidigung des christlichen Glaubens insbesondere gegen Kritik von außen. Während in der katholischen Tradition ein wesentlicher Schwerpunkt der Fundamentaltheologie auf der Zuordnung von Glaube und Vernunft im Sinn einer religionsphilosophischen Grundlegung für genuin theologische Erörterungen liegt, sind in der evangelischen Theologie seit der Zeit der Orthodoxie in den sog. »Prolegomena« oder »Einleitungen« – später in fundamentaltheologischen Studien – Begriffsklärungen, Grundfragen und in diesem Zusammenhang insbesondere Erörterungen über den Status der Heiligen Schrift als grundlegender Norm evangelischer Theologie thematisiert worden. In diesem Zusammenhang hat die Frage nach der Stellung und Bedeutung der Schrift – beginnend in der protestantischen Orthodoxie sowie problematisiert und herausgefordert durch den Siegeszug der historisch-kritischen Erforschung seit dem 19. Jahrhundert – einen immer größeren Raum eingenommen, da die Überordnung der Schrift über kirchliche Tradition und Lehrautorität seit der Zeit der Reformation zum wesentlichen Merkmal protestantischer Identität geworden ist.

    Seit den 1970er Jahren ist der Begriff »Fundamentaltheologie« in der evangelischen Theologie üblicher geworden² und verweist auf die Notwendigkeit grundlegender Selbstverständigungen theologischen Arbeitens. In diesem Sinn ist der gewählte Titel: »Evangelischer Glaube in der pluralen Religionskultur der Moderne – Fundamentaltheologische Perspektiven« zu verstehen. Theologie, speziell Fundamentaltheologie, beinhaltet die Forderung »des nach methodischer Selbstbesinnung im weitesten Umfang strebenden Glaubens«³. Ziel ist eine selbstreflexive Verständigung im Blick auf den evangelischen Glauben als »Grund der christlichen Theologie«⁴. Der Glaube als ein durch Christus vermitteltes, unverdientes Geschenk der Versöhnung eröffnet dem Menschen die heilsame und ihn rettende Gemeinschaft mit Gott: Vor Gott gerecht wird der Mensch »aus Gnaden umb Christus willen durch den Glauben.«⁵ Im Anschluss an die in dieser Perspektive entwickelten Grundbestimmungen evangelischer Theologie, welche den im Hören auf die Schrift gegründeten Glauben und dessen Ausdrucksformen in Gebeten und Bekenntnissen reflektieren, sollen die Fragen nach den Herausforderungen und der Relevanz evangelischer Theologie im Blick auf die moderne Wissenschaftskultur sowie Verhältnisbestimmungen zu anderen religiösen und nicht-religiösen Weltdeutungen erarbeitet werden.

    Daher kommt der Frage nach der Pluralismusfähigkeit⁶ evangelischen Glaubens eine grundlegende Bedeutung zu. Im Unterschied zu anderen Entwürfen der Fundamentaltheologie oder auch zu Einführungen in die evangelische Theologie wird in diesem Band der universitäre und gesellschaftliche Kontext stärker herausgestellt und weniger auf die Darstellung älteren Traditionswissens⁷ oder die Inhalte evangelischer Glaubenslehre⁸ eingegangen. Auf diese Weise erhalten zudem theologisch-ethische Fragestellung ein größeres Gewicht, als es in fundamentaltheologischen Darstellungen üblich ist.⁹

    Vor diesem Hintergrund bietet das erste Kapitel in seinem ersten größeren Abschnitt (I.1.) eine Darstellung wesentlicher Merkmale evangelischen Glaubens als Ausdruck der in Christus versöhnten Beziehung von Gott und Mensch. Glauben in einem elementaren Sinn bedeutet, sich auf Gott und auf seine Treue zu verlassen. In diesem Sinn ist der Glaube keine menschliche Leistung, sondern etwas, das der Mensch passiv empfängt und das auf Christus als »Grund« verweist: »Einen anderen Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.« (1 Kor 3,11) Der Glaube an den gekreuzigten Jesus von Nazareth als den Auferstandenen, d. h. als den von Gott ins Recht gesetzten kyrios/Herrn, ist der Grund des Glaubens, der seinerseits den Ausgangspunkt theologischer Reflexion bildet. In dieser Perspektive werden grundlegende Bestimmungen des evangelischen Glaubensverständnisses im Anschluss an die paulinische Trias von Glaube, Hoffnung und Liebe (vgl. 1 Kor 13,13 u. a.) dargestellt. Indem der Glaube »von außen« geschenkt ist, wird zum Abschluss dieses Kapitels ein kurzer Überblick über grundlegende Aspekte des Offenbarungsverständnisses in der neueren evangelischen Theologie gegeben.

    An dieses Teilkapitel schließen sich Überlegungen über die Aufgaben der Theologie, speziell der systematischen Theologie an, die für jeweils ihre Zeit eine verständliche, systematisch geordnete, d. h. logisch zusammenhängende und insofern lehrhafte Darstellung des christlichen Glaubens zu erarbeiten hat (I.2.). Dabei geht es um Fragen nach dem Gegenstand sowie den Perspektiven evangelischer Theologie. Im Sinn einer Selbstverständigung über die evangelische Theologie kommt schließlich der Integrationsleistung der systematischen Theologie im Blick auf die anderen theologischen Disziplinen eine besondere Bedeutung zu: Sie hat einerseits die wesentlichen Inhalte evangelischen Glaubens und seines Wahrheitsanspruches in Aufnahme der Erkenntnisse der Bibelwissenschaften und unter Einbezug der historischen Traditionen des Christentums kritisch zu reflektieren und andererseits in Auseinandersetzung mit zentralen Herausforderungen der Zeit dem Ziel einer gegenwartsbezogenen »Kommunikation des Evangeliums«¹⁰ zu dienen.

    Da der Glaube im Sinn der reformatorischen Formel »fides ex auditu«¹¹ wesentlich aus dem Hören kommt, sind in einem weiteren Schritt die mit dem evangelischen Glaubensverständnis untrennbar verbundenen Fragen nach der Bedeutung der Schrift als Quelle und Norm theologischer Reflexion zu erörtern (II.1.). Diese Hochschätzung der Bibel als der Grundlage und höchsten Autorität in Fragen des Glaubens ist in besonderer Weise ein kennzeichnendes Merkmal des Protestantismus. Dennoch ist evangelischer Glaube keine Buchreligion im strengen Sinn, wie es die wechselseitigen Bezüge von Mündlichkeit und Schriftlichkeit des Wortes Gottes, die bereits im Prozess der Kanonbildung deutlich werden, zeigen. Ausgehend von dieser Einsicht sind grundlegende Verstehensregeln zur Auslegung der Schrift zu thematisieren. Als solche Grundregeln sind insbesondere die Frage nach einer Mitte der Schrift, von der her sich die Auslegung strukturiert, und die Verhältnisbestimmung von Gesetz und Evangelium zu nennen.

    Gebete und Bekenntnisse sind die elementaren menschlichen Antworten, in denen sich der Glaube artikuliert (II.2.). Implizit werden in Gebeten sowie explizit in Bekenntnissen grundlegende Inhalte des christlichen Glaubens erkennbar, welche die Theologie systematisch darzustellen und wissenschaftlich zu reflektieren hat. Evangelische Theologie als lehrhafte Darstellung des evangelischen Glaubens steht somit für eine primär und grundlegend an den biblischen Schriften und davon abgeleitet an der evangelischen Bekenntnisbildung orientierten Wirklichkeitsdeutung. Sie ist jeweils im Kontext einer konkreten kirchlichen Interpretationsgemeinschaft verankert, die mit ihren Bekenntnissen einer bestimmten historischen Tradition folgt und durch entsprechende kulturelle Prägungen bestimmt ist, und fragt gemeinsam mit anderen kirchlichen Traditionen nach einem für die Gegenwart und ihre Herausforderungen angemessenen Verständnis der christlichen Botschaft.¹²

    Da sich theologische Reflexion im Medium der Wissenschaft und zugleich in der gesellschaftlichen Öffentlichkeit vollzieht, hat sie sich – wie alle Religionsgemeinschaften und deren Reflexionssysteme – auf das durch die Wissenschaften verkörperte »Weltwissen« und »auf die Prämissen des Verfassungsstaates einlassen.«¹³ Somit ist in einem weiteren Schritt nach der Beziehung von Glauben und Wissen und insofern einer Selbstverortung der Theologie innerhalb der Wissenschaftskultur der Universität zu fragen (III.1.). Neben der Erörterung grundlegender Verhältnisbestimmungen von Glauben und Wissen ist nach Impulsen der Theologie für das Gespräch mit den anderen Geistes- wie auch den Gesellschaftswissenschaften zu fragen. Ferner sind die Perspektiven des christlichen Glaubens im Dialog mit den Grundannahmen und Logiken der Naturwissenschaften, welche das Wirklichkeitsverständnis moderner Kulturen nachhaltig prägen, einzubringen und nach möglichen Bezugspunkten »jenseits der Konflikte«¹⁴ der Vergangenheit zu fragen. In diesem Zusammenhang kommt es wesentlich darauf an, die Stellung der Theologie innerhalb der Wissenschaften im Sinn einer Verhältnisbestimmung des evangelischen Glaubens im Blick auf die »Wissensbestände« der Moderne zu klären und aufzuzeigen, welche Rolle die Theologie im interdisziplinären Gespräch der Wissenschaften spielen kann. Ein besonderes Gewicht liegt diesbezüglich auf den Beiträgen zu ethischen Selbstverständigungsdebatten der Wissenschaften (III.2.).

    An diese Thematik anknüpfend wird in einem letzten Kapitel nach dem Verhältnis des Protestantismus zu gesellschaftlichen Struktur- und zu Rechtsentwicklungen der Moderne gefragt, wobei in religionssoziologischer Perspektive einerseits die zunehmende religiöse Pluralisierung und andererseits die wachsende religiöse Indifferenz vor allem in Europa zu berücksichtigen sind (IV.1.). In diesem Sinn sind die Prägekräfte der Christentumsgeschichte, speziell des Protestantismus, im Blick auf die Entwicklung der Moderne zu erinnern wie auch die Fragestellung nach der Relevanz der Religionen für die Gegenwart zu erörtern. Theoretischer Ausgangspunkt der Debatte ist nach wie vor die für das Verständnis der Moderne bedeutsame »Meistererzählung der Säkularisierung«¹⁵ mit ihrer allerdings höchst problematischen Eindeutigkeitsunterstellung eines fortschreitenden Bedeutungsverlustes der Religionen im Zuge der Modernisierung der Gesellschaft. Moderater ausgedrückt: Säkularisierung bezeichnet den »Prozess der Abnahme der gesellschaftlichen Bedeutung von Religion, der in irgendeiner, genauer zu spezifizierenden Weise mit Modernisierungsprozessen im Zusammenhang steht.«¹⁶ In kritischer Auseinandersetzung mit dieser These wie auch in Abgrenzung zu einer häufig einseitig eurozentrischen Bestimmung dessen, was als »Moderne« angesehen wird, wird dabei auf die von Shmuel N. Eisenstadt entwickelte Konzeption der »Vielfalt der Moderne«¹⁷ Bezug genommen. Demnach sind der Protestantismus wie auch andere Religionen und die Religionskultur insgesamt in der Moderne als unabhängige gesellschaftliche Variablen und nicht nur oder in erster Linie als abhängige Variablen gesellschaftlicher Entwicklungen zu betrachten.¹⁸ Vor dem Hintergrund der Beschreibung unterschiedlicher und eigenständiger Ausprägungen der Moderne wird die hohe Relevanz kultureller und – damit häufig verbunden – religiöser Aspekte analysiert, deren Bedeutung für die Herausbildung kollektiver Identitäten in den letzten Jahrzehnten tendenziell zuzunehmen scheint.

    Auf Grund der zunehmenden Vernetzung der weltweiten Kommunikationen wie auch durch Migrationsprozesse hat in diesen Prozessen die Pluralisierung der Religionen und der Weltanschauungen in der Moderne in erheblicher Weise zugenommen. Religiöse wie auch weltanschauliche Pluralität ist zur Signatur der Religions- und Weltanschauungskultur der Moderne geworden, auf die sich die unterschiedlichen religiösen und weltanschaulichen Traditionen mit dem Ziel einer produktiven Gestaltung dieser Differenzen einzustellen haben. Angesichts dieser Entwicklungen sollen über die Bedeutung religiös-weltanschaulicher Toleranz hinaus die Perspektiven der Anerkennung des Anderen sowie Herausforderungen und Möglichkeiten des interreligiösen Dialogs als Bedingungen für ein friedliches Zusammenleben der Konfessionen, Religionen und Weltanschauungen erörtert werden (IV.2.).

    Abgeschlossen wird die Darstellung mit Überlegungen zu dem Sachverhalt, dass es »keine christliche Theologie ohne Bezug zur wirklichen Kirche«¹⁹ und zum gelebten christlichen Glauben gibt. Zwar ist die Aufgabe der Theologie nicht ausschließlich im Sinn einer positiven Wissenschaft mit der praktischen Zielsetzung der »Kirchenleitung«²⁰ oder noch pointierter als »wissenschaftliche Selbstprüfung der Kirche hinsichtlich des Inhalts der ihr eigentümlichen Rede von Gott«²¹ zu bestimmen, da eigenständige historische, religionshermeneutische und ethische Beiträge der Theologie von grundlegender Bedeutung für die gegenwärtige Wissenschaftskultur wie auch für das Selbstverständnis der Theologie sind. Dennoch bleibt die Theologie von den anderen Geistes- und den Gesellschaftswissenschaften dadurch unterschieden, dass sie grundlegend auf die Glaubenserfahrungen der christlichen Kirchen und Gemeinschaften in Vergangenheit und Gegenwart bezogen ist. Insofern ist für die Theologie stets eine normative Perspektive charakteristisch, die es offenzulegen und in den wissenschaftlichen Diskurs einzuführen gilt. Dementsprechend steht evangelische Theologie als Wissenschaft aus sachlichen Gründen – und nicht allein aufgrund der verfassungsrechtlichen Bestimmungen in Deutschland – immer auch in einem Kontakt zu den evangelischen Kirchen, in deren Überlieferungstraditionen sie sich verortet und die ihr grundlegender Resonanzraum sind. In diesem Sinn versucht sie, sich in der »universitas« der Wissenschaften zu profilieren und zugleich den evangelischen Kirchen Impulse für die Praxis zu vermitteln und der »Kirchenleitung … im weitesten Sinn«²² zu dienen.

    I.  Glaube als Grund evangelischer Theologie

    I.1.  Glaube als Erschließung der Wirklichkeit im Horizont des Handelns Gottes

    Einleitung

    Evangelische Theologie hat die Aufgabe, den christlichen Glauben als menschliche Antwort auf die in Christus versöhnte Beziehung Gottes zu den Menschen (vgl. 2 Kor 5,17ff) systematisch darzustellen. Jesus Christus als »Ursprung, Wesen und Ziel«¹ der Versöhnung Gottes mit der Welt eröffnet den an ihn Glaubenden fragmentarische »Erfahrungen von ›neuer Schöpfung‹« in einer »miteinander versöhnten Gemeinschaft, die zur Darstellung von ›Gottes Gerechtigkeit‹ wird.«² Das neue Leben als Antwort auf die Versöhnungsbitte: »Lasst euch versöhnen mit Gott« (2 Kor 5,20) ermöglicht nicht zuletzt eine »Wiederherstellung« gestörter »zwischenmenschlicher Beziehungen«.³ Erfahrene und praktizierte Vergebung sowie ein Leben als Versöhnte lassen die Verschiedenheit und Vielfalt von Menschen zu einem bereichernden und gleichrangigen Miteinander werden (vgl. Gal 3,28). Dieses neue Muster der Lebensführung im individuellen wie im gemeinschaftlichen Leben ist grundlegend im Versöhnungsgeschehen Gottes in Christus verankert.

    Theologie als reflektierte Form dieses Gottesverhältnisses ist somit wesentlich auf den Glauben bezogen: »Sie legt Glauben aus. Von seinem Ursprung her ist der Glaube der Grund christlicher Theologie.«⁴ Zugleich bedarf die individuelle Gewissheit des Glaubens »fortgesetzter Bewährung durch Erfahrung und Reflexion, und dabei ist sie ihrer Natur nach offen für die Bewährung auf dem Feld der Argumentation, der es um die Allgemeinverbindlichkeit der geglaubten Wahrheit geht.«⁵ Der individuelle Glaube verdankt sich einer Glaubens- und Erfahrungsgemeinschaft und kann nicht nur subjektive Wahrheit sein, weshalb es ihm immer auch um eine allgemein zu verantwortende Wahrheitsgewissheit, die sich auf die Zusagen Gottes verlässt, geht.

    In der biblischen Verhältnisbestimmung der Beziehung von Gott und Mensch geht es elementar um das Vertrauen des Menschen, sich ganz und gar auf Gott und auf seine Treue zu verlassen, insbesondere darum, das, was Gott in Christus gewirkt und verheißen hat, anzuerkennen und damit »Gott recht geben«⁶. Glaube im Sinn dieses Vertrauens ist somit »jenes Verhalten …, das Gott gerecht wird.«⁷ Dieser Glaube ist keine menschliche Leistung, sondern etwas, das »entsteht, wo das Rettende«⁸, nämlich das »Ereignis göttlicher Liebe«⁹, erscheint.

    Die Charakteristika dieses Glaubens sind in diesem Kapitel im Grundriss zu klären, wobei in den ersten Schritten das Bedeutungsspektrum des Wortfeldes und grundlegende theologische Bestimmungen dessen, was evangelischer Glaube bedeutet, aufgezeigt werden. Dabei wird deutlich, wie der Glaube das menschliche Selbst- und Weltverständnis grundlegend prägt, indem er »die Wirklichkeit unter Gottes Handeln sieht.«¹⁰ Durch den Glauben wird die »Welt … als Raum von Gottes Gegenwart transparent«¹¹. Glaube bedeutet insofern, dass das menschliche Leben grundlegend »durch die Anwesenheit Gottes bestimmt und insofern neu positioniert«¹² wird. In biblischer Perspektive ist Glaube zudem untrennbar mit dem Hoffen verknüpft, geradezu definitorisch heißt es im Hebräerbrief: »Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.« (Hebr 11,1) Der Glaube verlässt sich – auch gegen den Augenschein und oft unter Zweifeln – auf Gottes Zusagen, sowohl auf das, was bereits eingelöst und erfahrbar ist, wie auch auf das noch Ausstehende, auf die Vollendung der Gemeinschaft von Gott und Menschen in einer neuen Wirklichkeit. Daher sind Glaube und Hoffnung untrennbar miteinander verbunden. Der Glaube und die Hoffnung rufen schließlich unmittelbar eine tätige Antwort des Menschen hervor, sie zielen auf die Praxis der Liebe. In diesem Sinn sind »Glaube, Hoffnung, Liebe« (1 Kor 13,13; vgl. auch 1 Thess 3,5.8) die grundlegenden Kennzeichen des christlichen Lebens.

    Der Glaube verdankt sich nicht sich selbst, sondern einem Widerfahrnis, konkret dem rettenden Handeln Gottes, der sich Menschen auf diese Weise zeigt, sich ihnen offenbart. Der Begriff der Offenbarung ist nicht nur religiös oder gar christlich bestimmt, sondern spielt in vielen Lebensbereichen eine wichtige Rolle. Diese weite Bedeutung des Offenbarungsbegriffs ist mit in den Blick zu nehmen, um die spezifisch christliche Ausprägung und in diesem Sinn ein angemessenes Offenbarungsverständnis, um das insbesondere in der neueren evangelischen Theologie intensiv gerungen worden ist, aufzuzeigen.

    I.1.1.  Charakteristika christlichen Glaubens

    I.1.1.1.  Zum Wortfeld und zum biblischen Bedeutungsspektrum von »pistis«

    Das Wort »Glaube« beschreibt im biblischen Zeugnis grundlegend die von Vertrauen bestimmte Beziehung von Menschen zu Gott. Zum Schlüsselbegriff wird »Glaube« im Neuen Testament, »keine andere jüdische oder hellenistische Schrift vor oder nach dem Neuen Testament verwendet das Wortfeld ›glauben‹ auch nur annähernd so häufig.«¹³ Man kann daher vom Neuen Testament als einem »Dokument der Entdeckung des Glaubens«¹⁴ sprechen, der aber zuvor aufweisbar und lebendig ist, wie die wiederholten Verweise des Paulus auf Abraham als Vater des Glaubens (vgl. Röm 4; Gal 4,22ff) zeigen. Im Neuen Testament gewinnt der Glaube aufgrund der von Gott in Christus gewirkten Versöhnung und Eröffnung einer neuen Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen eine besondere Prägnanz. Glauben bedeutet, diese durch Christus neu geschaffene Gemeinschaft mit Gott anzunehmen und sich »im Leben und im Sterben«¹⁵ auf diese Wirklichkeit zu verlassen. Weil Gott diese Beziehung zu den Menschen stiftet und durch seine Treue bewahrt, ist auf Seiten des Menschen eine »eigentümliche(n) Grundpassivität«¹⁶ der Ursprungsimpuls des Glaubens. Es geht um ein Angesprochen-Werden und Ergriffen-Sein von dem Sich-Offenbaren Gottes. In diesem Geschehen werden Menschen durch Gottes Geist erneuert und verwandelt, indem sie fragmentarisch und im Sinn einer »Erstlingsgabe« (vgl. Röm 8,23) für die ausstehende Vollendung bereits in der Gegenwart die neu gewordene Gemeinschaft mit Gott sowie ein entsprechend versöhntes Miteinander in den sozialen und kreatürlichen Lebensbezügen erfahren. Gott gibt sich in diesem Handeln und mit seinem Willen – Menschen durch seine Gemeinschaft rettend sowie sie zu einem Leben im Geist der Liebe befähigend und beauftragend – zu erkennen.

    In biblischer Perspektive dient das Wort »Glaube« wesentlich zur Kennzeichnung dieser Beziehung, die von wechselseitiger Treue und Verlässlichkeit geprägt ist. Das griechische Wort »pistis«, das nicht das einzige, aber das grundlegende im Deutschen mit »Glaube«¹⁷ übersetzte Wort im Neuen Testament ist, bedeutet ganz allgemein, eine verlässliche, sichere Grundlage zu haben. Auch in der ursprünglichen, profan-griechischen Wortbedeutung geht es um ein Verhalten, das einem Bund oder einem Vertrag gerecht wird.¹⁸ Glaube ist somit grundlegend ein Beziehungswort.

    Die häufig unterstellte, alltagssprachliche Verwendung von »glauben« ist deutlich von diesem biblischen Verständnis zu unterscheiden. Glauben im alltäglichen Sinn beschreibt oft lediglich eine Vermutung oder eine subjektive Meinung, wodurch sich die Vorstellung eines tendenziell unsicheren, nicht eindeutig belegbaren oder begründeten Wissens nahelegen würde.¹⁹ Auf der anderen Seite wird im allgemeinen Sprachgebrauch Glauben häufig auch als »das Bejahen und das Fürwahrhalten von Ideen, Lehrsystemen und Lehrsätzen«²⁰ angesehen. Demgegenüber bedeutet Glauben im theologischen Sinn weder eine bloße Vermutung noch ein starres Sich-Ausrichten an überlieferten Aussagen, sondern es bezeichnet vorrangig ein von Vertrauen gekennzeichnetes persönliches Verhältnis, wie es im biblischen Zeugnis deutlich wird.

    Dieses Verständnis ist im Alten Testament grundgelegt, wo die Wortwurzel »‘aman« für ein Verhalten steht, das von Treue und Zuverlässigkeit geprägt ist. Es kann auf Menschen bezogen sein, wird vor allem aber von Gott ausgesagt. Ein besonderer Akzent wird auf die Zuverlässigkeit von Gottes Wort bzw. der Worte von Menschen gelegt, wobei sich das Wort jeweils »durch die Übereinstimmung mit der nachfolgenden Handlung als gültig herausstellt.«²¹ Besonders prägnant für das alttestamentliche Glaubensverständnis sind in diesem Sinn Gen 15,6 und Jes 7,9, wo sich jeweils eine enge Korrespondenz von vertrauendem Glauben im Blick auf Gottes verheißende Zusagen und das Gerecht-Sein Abrahams bzw. ein Bestand-Behalten des Volkes findet. Den auf Grund der Glaubenstreue Gerechten wird Zukunft und Leben verheißen (vgl. Hab 2,3f). Die Wortwurzel »‘aman« – in der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel, der Septuaginta (LXX), zumeist mit »pisteuein« wiedergegeben – ist somit ganz und gar von personalen Beziehungen geprägt und beschreibt eine Grundhaltung des Vertrauens, die stark von einer Zukunftsbezogenheit bestimmt ist.

    Im Neuen Testament ist Glaube (»pistis«) der entscheidende Grundbegriff, der das Selbstverständnis der an den Messias Jesus Glaubenden zum Ausdruck bringt. So bezeichnet Paulus die von ihm Angeredeten häufig als die »Glaubenden« (vgl. Röm 1,16; 3,22; 4,11; 1 Kor 2,5; 15,14 u. a.). Im Unterschied zum allgemeinen griechischen Sprachgebrauch und auch zur LXX finden sich im Neuen Testament darüber hinaus recht häufig zudem die Wortverbindungen »pisteuein eis« oder »pisteuein hoti« (glauben an bzw. dass). Diese Aussagen sind in der Regel als Antworten auf die urchristliche Missionspredigt zu verstehen. Sie binden den Glauben inhaltlich an Gott bzw. an sein Handeln in Christus oder direkt an Jesus als den Christus bzw. als den Herrn²² sowie an grundlegende Ereignisse des Geschicks Jesu.

    Christlicher Glaube als Glauben an den Messias Jesus ist grundlegend von der Ostererfahrung bestimmt, insofern pointiert als Osterglaube zu bezeichnen. Im Licht der Auferstehung wird das scheinbare Scheitern Jesu am Kreuz neu verstanden, »mit dem Osterglauben (wird) … das Ärgernis des Fluches, der den Gekreuzigten nach jüdischem Urteil getroffen hatte (vgl. Gal 3,13), überwunden, ja verwandelt«.²³ Dadurch wird Jesus, ursprünglich Heiler, Lehrer und »Träger der Botschaft … jetzt selbst in die Botschaft einbezogen …, ist ihr wesentlicher Inhalt.«²⁴ Dementsprechend kommt sowohl dem Glauben Jesu wie auch dem Glauben an Jesus als dem Christus und als Herrn grundlegende Bedeutung zu.

    Jesu Glaube ist durch eine besondere Betonung der Nähe Gottes gekennzeichnet, wie sie in seinen Gebeten, vor allem im Unser-Vater (Mt 6,9ff), prägnant zum Ausdruck kommt. Dieser den Menschen nahe Gott ist zugleich der Weltenschöpfer, auf dessen Leben erhaltendes Wirken gegen alle Selbst-Sorge unbedingt vertraut werden darf (vgl. Mt 6,25ff; 10,29f). Sein gebietender Wille im Gesetz fordert Gehorsam und Rechenschaftspflicht, wobei derjenige, der seine Schuld bereut und »umkehrt zu ihm … seiner vergebenden Güte gewiss sein«²⁵ kann (vgl. Lk 15,11ff; 18,9ff u. a.). In der Überlieferung der Taten und Worte Jesu spielt der Bezug auf den Glauben vor allem in den Wundergeschichten eine zentrale Rolle. In den Heilungsgeschichten kann der Glaube sogar als »Teilhabe an Gottes Macht gekennzeichnet«²⁶ werden, und Jesus bestätigt wiederholt den von ihm vorgefundenen Glauben bei Heilung suchenden Menschen. Auf der anderen Seite bewirkt fehlender Glaube, etwa die Ablehnung Jesu in Nazareth, dass er nur wenige Taten wirken kann (vgl. Mk 6,5f), insofern ist »das heilende und rettende Tun Jesu auf Glauben angewiesen«²⁷. Auch in den Reden Jesu spielen der Hinweis auf die durch den Glauben eröffnete Verbindung zu Gott und die sich daraus für den Glaubenden ergebenden »unbegrenzten Möglichkeiten«²⁸ eine bedeutende Rolle. In diesem Sinn ruft Jesus zum Glauben auf und die ihm Nachfolgenden dürfen sich getragen von diesem Glauben mit ihren Bitten vertrauensvoll an Gott wenden (vgl. Mk 11,24f u. a.).

    Im Johannesevangelium und in der johanneischen Literatur bezeichnet der Glaube insbesondere das Vertrauensverhältnis zwischen Jesus und denen, die ihm nachfolgen, welches Rettung (vgl. Joh 3,16–18 u. a.) und ein Leben in Fülle (vgl. Joh 10,10) schenkt. Die durch Jesus eröffnete Gemeinschaft mit Gott führt zu einem Leben im umfassenden Sinn, welches auch den Tod überwindet und bei Gott zu einer endgültigen Erfüllung kommt. Dieser Glaube eröffnet eine eigene Form des Erkennens, welche im Sinn der »Entweltlichung … die Zerbrechung aller menschlichen Maßstäbe und Wertungen«²⁹ bedeutet. Der Glaube vollzieht somit den »Übergang in die eschatologische Existenz«³⁰, d. h. die »Glaubende(n sind) … innerhalb der Welt dem weltlichen Sein entnommen«³¹. Dies bedeutet, dass sie von der Macht und den Verblendungen der Sünde befreit sind, um in der Wahrheit zu leben. Entscheidend für den Glauben ist das »Bleiben« in dieser Gemeinschaft, um in der eigenen Lebensführung Frucht zu bringen, wie es in der Rede vom Weinstock (vgl. Joh 15,1ff) prägnant zum Ausdruck kommt.

    Den Glauben als vertrauensvolle Verbindung zu Jesus dem Christus betont schließlich in besonderer Weise Paulus und die von ihm geprägte Tradition, wonach Jesus Christus »Quelle und Grund des Glaubens und als solcher ebenfalls Gegenstand des Glaubens«³² ist. In der paulinischen Terminologie ist es die aus dem Glauben empfangene Gerechtigkeit, die das Verhältnis zwischen Gott und Mensch wieder neu werden lässt. Dabei bezeichnet die Gerechtigkeit, die bei Paulus den »Charakter des Heilsgutes«³³ gewinnt, keine Eigenschaft des Menschen, sondern eine »Relation«³⁴: Der Mensch wird durch seinen Glauben, d. h. durch sein Vertrauen auf die durch Christus bewirkte Versöhnung, von Gott als gerecht anerkannt. Dementsprechend ist die Gerechtigkeit »ein Geschenk der Gnade«³⁵. Jede Form des menschlichen Selbstruhms ist ausgeschlossen (vgl. Gal 3,10ff). Die Gerechtigkeit als Grundlage der erneuerten Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch ist durch Christus verbürgt, der als auferstandener Herr bekannt wird (vgl. Röm 10,9). Somit lassen sich die Anerkennung Christi als »Herr« (kyrios) und das neue Selbstverständnis des Menschen, sich allein der Gnade Gottes verdankt zu wissen, im Sinn eines »einheitliche(n) Glaubensbegriff(s)«³⁶ verstehen. Aus dem Glauben, d. h. aus dem »Indikativ des Gerechtfertigtseins«³⁷, folgt bei Paulus die Aufforderung, darauf mit einer entsprechenden Gestaltung der Lebensführung im Geist der Liebe zu antworten.

    Ein solches Glaubensverständnis ist seit Anbeginn für das Christentum charakteristisch. Der Glaube umfasst den Akt des Vertrauens auf Gottes Handeln in Christus und ist damit zentral auf bestimmte, geschichtlich bezeugte Tatsachen über das Leben, Sterben und Auferstehen Jesu Christi bezogen. Dieses Vertrauen ist darin begründet, dass Gott primär aktiv geworden ist: »Dass Gott sich den Menschen vertraut macht, ist die Bedingung der Möglichkeit menschlichen Gottvertrauens und geht aller menschlichen Aktivität des Gottvertrauens oder Gottnichtvertrauens voraus.«³⁸ Glaube in diesem Sinn bedeutet eine grundlegende Existenzbestimmung des Menschen, da das bisherige, von Selbstsorge und Selbstruhm geprägte Selbstverständnis des Menschen durch den Ruf zur in Christus realisierten Versöhnung mit Gott preisgegeben wird.³⁹ Der Glaube führt zu einer Neuausrichtung des Lebens, die von einem unbedingten Sich-Verlassen-Können auf Gott, wie er in Christus gehandelt hat, geprägt ist. Insofern sind zwei Dimensionen des Glaubensverständnisses zu unterscheiden: Christlicher Glaube ist wesentlich eine von Vertrauen geprägte Grundeinstellung im Sinn einer Hingabe an die Gnade Gottes. Diese Dimension wird in der theologischen Lehrbildung als Glaubensakt, Vollzug oder auch Hingabe (fides qua) bezeichnet. Dieser Glaubensakt ist nicht beliebig und ohne Grund, sondern auf die biblischen Überlieferungen, insbesondere auf die Botschaft und das Geschick Jesu Christi bezogen. Er ist inhaltlich qualifiziert (fides quae) und durch eine entsprechende Grundhaltung zur Wirklichkeit bestimmt, jedoch nicht im Sinn einer Doktrin, die ein verobjektivierbares Verständnis von Gott oder der Welt vermitteln will.

    Vor diesem Hintergrund ist die These der zwei Glaubensweisen von Martin Buber, die einen Gegensatz von jüdischem Glaubensverständnis als Vertrauen (»‘aman«) und dem christlichen Glaubensmerkmal im Sinn eines Für-Wahr-Haltens (»pistis«) aufzuweisen versucht hat, zu problematisieren. Buber hat die »Wesensverschiedenheit« beider Glaubensweisen typologisch wie folgt dargestellt: Die »‘aman« ist eingebunden in die geschichtliche und ethnische Tradition des jüdischen Volkes und grundlegend auf den Bund Gottes mit Israel bezogen. Diesen Glauben beschreibt Buber, wie es den Überlieferungen der hebräischen Bibel entspricht, als personales Vertrauensverhältnis. Demgegenüber sieht er die Charakteristik des christlichen Glaubensverständnisses in der – etwa durch Karl Barth prominent betonten – Anerkennung⁴⁰ von im Neuen Testament überlieferten Sachverhalten, letztlich in dem Für-Wahr-Halten von sog. Heilstatsachen. Damit ist bei Buber allerdings kein grundsätzlicher Gegensatz bezeichnet, da »der Kontakt im Vertrauen … zur Akzeptation dessen, was von dem ausgeht, dem ich vertraue«, führe und umgekehrt »die Akzeptation der von mir anerkannten Wahrheit … zum Kontakt mit dem führen«⁴¹ könne, der diese Wahrheit kommuniziert. Allerdings bleibe es nach Buber bei der Unterscheidung der zwei Glaubensweisen, da für die jüdische Glaubensweise der Kontakt primär sei, in der christlichen Glaubensvorstellung »die geschehene Akzeptation.«⁴² Zudem verstehe sich der christliche Glaube universal und ist auf die ganze Menschheit bezogen. Er ziele auf Mission und Konversionen, wobei sich in erster Linie einzelne Menschen in einer bewussten Entscheidung dem christlichen Glauben zuwenden sollen. Als große, beide Glaubensweisen verbindende Zielperspektive formuliert Buber schließlich die Hoffnung, dass alle Menschen einst aus den »Exilen der ›Religionen‹ in das Königtum Gottes«⁴³ versammelt werden.

    Buber betont zu Recht den historischen und ethnischen Bezug des jüdischen Glaubens wie auch die grundlegende Bedeutung der darin zum Ausdruck kommenden personalen Beziehungsebene. Letztere ist jedoch kein grundsätzlicher Differenzpunkt zum christlichen Glaubensverständnis⁴⁴, auch wenn Bubers »Kritik an einem doktrinär verengten Verständnis christlichen Glaubens«⁴⁵, wie es zu bestimmten Zeiten der Kirchengeschichte dominant gewesen ist, zumindest teilweise zutrifft.⁴⁶ Grundsätzlich ist jedoch die personale Beziehungsebene und damit der »Kontakt« für das Verständnis der »pistis« ebenso grundlegend, auch wenn das neutestamentliche Glaubensverständnis – wie es die Wortverbindungen »pisteuein eis« und »pisteuein hoti« andeuten – den Bezug auf konkrete Sachverhalte beinhaltet.

    Für den christlichen Glauben ist »durch das Auferstehungsgeschehen, seit Ostern, Jesus als Zeuge des Glaubens zum Grund des Glaubens«⁴⁷ geworden. In dieser Perspektive gehören das Sich-Verlassen auf Gottes Handeln in Christus, das erzählend vergegenwärtigt wird, als Eröffnung eines personalen Vertrauensverhältnisses und die fundamentale Neuausrichtung des menschlichen Selbstverständnisses untrennbar zusammen.

    I.1.1.2  Glaube als vertrauensvolle Gottesbeziehung

    Die Vertrauensdimension des biblischen Glaubensverständnisses ist mit besonderer Prägnanz von Martin Luther aufgenommen worden. In seiner Auslegung des ersten Gebots im »Großen Katechismus« betont er eindrücklich den existenziellen Grundzug des Glaubens: »Also dass einen Gott haben nichts anders ist, denn ihm von Herzen trauen und glauben … alleine das Trauen und Glauben des Herzens macht Gott und Abgott. Ist der Glaube und Vertrauen recht, so ist auch dein Gott recht, wiederum, wo das Vertrauen falsch und unrecht ist, das ist auch der rechte Gott nicht.«⁴⁸ Nur eine wahrhaftige, vertrauensvolle Gottesbeziehung wird als Glaube gewürdigt, Glaube und Gott stehen in einem untrennbaren Wechselverhältnis. Luther spricht somit nicht theoretisch »›über‹ Gott«, sondern »weist das Gott-Haben an der Selbst- und Welterfahrung des Menschen auf.«⁴⁹ Umgekehrt gilt, dass die »Abhängigkeit von den endlichen Gütern und dem eigenen Selbst«⁵⁰ Unfreiheit bedeutet und damit ein scheinbares Vertrauen auf »Geld und Gut«⁵¹ eine verfehlte Form des Vertrauens bedeutet. Dementsprechend hat derjenige, der darauf oder auf andere Dinge sein Vertrauen setzt, »auch einen Gott, aber nicht diesen rechten einigen Gott.«⁵² Luther drückt hier klassisch die Erfahrung aus, dass menschliches Leben ohne eine grundlegende Vertrauensbeziehung letztlich nicht denkbar ist.⁵³

    Den engen theologischen Zusammenhang von Gott und Glaube hat Luther im Anschluss an Augustinus und in Aufnahme der in der lateinischen Sprache möglichen Wortverbindungen von credere (glauben) und Deus (Gott) in dreifacher Hinsicht näher ausgeführt: Während »credo deum« (ich glaube, dass (ein) Gott ist) sich auf die Annahme der Existenz Gottes bezieht, bedeutet »credo in deum« (ich glaube an Gott), dass man auf die Verlässlichkeit seines Handelns setzt und sich uneingeschränkt und unbedingt auf ihn verlässt. Diese Formulierung findet sich dementsprechend auch in den lateinischen Fassungen der klassischen Glaubensbekenntnisse der antiken Kirche, des Apostolicums und des Nizänokonstantinopolitanums (vgl. II.2.1.), die den Glauben an den dreieinigen Gott im Sinn eines »Sich-existenziell-Überantworten(s)«⁵⁴ verstehen. Im Rahmen der Wortverbindung »credo deo« (ich glaube ihm, Gott) legt sich das Verständnis nahe, dass man ihm und seinem Wort glaubt im Sinne eines Vertrauens auf seine Verheißungen.⁵⁵

    In der theologischen Tradition ist im Sinn solcher Differenzierungen häufig zwischen der »fides« und der »fiducia« unterschieden worden: »Fides« bezeichnet den Glauben als eine begründete Überzeugung, die eine Gemeinschaft trägt, die gemeinsam bekannt und gelehrt wird und der die/der Einzelne zustimmen kann. »Fiducia« steht für das persönliche Vertrauen der Einzelnen, die sich in ihrem Leben ganz und gar auf Gott verlassen. In systematischer Weise und lehrbuchmäßig ist das Glaubensverständnis in Aufnahme dieser Unterscheidung durch die Begriffe »notitia«, »assensus« und »fiducia« präzise zum Ausdruck gebracht. Basal ist hier die Wahrnehmung und Kenntnis (notitia) über den Glauben im Sinne eines Wissens von Glaubensinhalten. Dem folgt idealtypisch eine Entscheidung nicht nur in der Form der Akzeptanz, sondern der existenziellen Zustimmung (assensus) zum Glauben, welche einhergeht mit dem Vertrauen (fiducia) als der im Herzen begründeten Gewissheit und einer das Leben prägenden Grundhaltung. Dabei ist »nach reformatorischer Überzeugung … allein das Vertrauen … heilswirksamer, rechtfertigender Glaube, fides justificans⁵⁶

    Glauben bezeichnet in diesem prägnant theologischen Sinn eine unbedingte Vertrauensbeziehung gegenüber Gott, der sich als vertrauenswürdig und treu erweist. Dieses Vertrauen prägt das Grundvertrauen des Menschen in einer ihm in letzter Konsequenz undurchschaubaren Wirklichkeit. Glaube als Vertrauen in diesem personalen Sinn stabilisiert auch das Vertrauen in alltäglichen Situationen, wenngleich es weit darüber hinausreicht.⁵⁷ Während Vertrauen auf funktionale Abläufe im Sinn eines »Mechanismus zur Reduktion sozialer Komplexität«⁵⁸ durch ein hohes Maß an Erwartbarkeit und Regelmäßigkeit sowie durch mathematisch darstellbare Regeln mit einer gewissen Risikoabschätzung und einer entsprechenden Verlässlichkeit geprägt ist, bedeutet personales Vertrauen immer ein Wagnis. Im Akt personalen Vertrauens lässt man sich auf ein Gegenüber und auf dessen Zuverlässigkeit ein. Dabei steht das Gegenüber mit seinem Wort und seinem Versprechen für dieses Vertrauen ein. In diesem Sinn zeigt sich in biblischer Perspektive exemplarisch die unbedingte Tragfähigkeit des Vertrauensverhältnisses zwischen Gott und seinem Volk bzw. zwischen Jesus und den an ihn Glaubenden.

    Diese besondere Form des Vertrauens im Sinn des biblischen »Glaubens« (pistis) ist »nicht jedermanns Ding« (2 Thess 3,2), auch wenn ein Bezug auf »Glauben« keine exklusiv religiöse oder gar christliche Dimension des Lebens bedeutet. Vielfach wird Glaube in allgemeiner Weise als eine Grundhaltung von Menschen bezeichnet, die ihnen eine innere Festigkeit sowie ein tiefes Überzeugt-Sein von dem, was man als sinnvoll erachtet, verleiht und damit eine gewisse Sicherheit der Lebensorientierung vermittelt. In diesem Sinn hat z. B. Erich Fromm vom Glauben als einem Charakterzug der »Gesamtpersönlichkeit«⁵⁹ gesprochen und damit die Fähigkeit bezeichnet, ein eigenes Ziel zu verfolgen und sich auf eine Gemeinschaft, auf andere Menschen und vor allem auf sich selbst verlassen zu können. Diese allgemein-menschliche Form des Glaubens hat Fromm als rationalen Glauben verstehen wollen, dessen Grundlage »unsere eigene Produktivität«⁶⁰ ist. Dieser Glaube ist Ausdruck eines aktiven Selbstbezugs, wie er gegenwärtig etwa von Motivationstrainern vermittelt, bisweilen auch beschworen wird. Der Mensch soll für sich und für seinen Glauben selbst einstehen und daraus Kraft für sein Handeln gewinnen.

    Aktuell hat Martha Nussbaum für die Notwendigkeit eines säkularen Glaubens angesichts grassierender Ängste in den gesellschaftlichen und kulturellen Umbruchprozessen der Gegenwart plädiert. Nur ein Glaube, in Verbindung mit Hoffnung, Liebe und der Vision einer besseren Zukunft, könne Menschen vor irrationalen Ängsten mit einer latent aggressiven Abgrenzung gegenüber allem, was als fremd empfunden wird, bewahren.⁶¹ In eine ähnliche Richtung weist schließlich das von Hartmut Rosa aufgezeigte Verständnis von »Resonanzen«: Im Resonanzgeschehen werden Menschen affiziert, zu einer Antwort herausgefordert und verändern sich in diesem Prozess, wie es sowohl für Begegnungen zwischen Menschen wie auch in einer resonanzhaften Beziehung zur Musik, zu einem Buch oder zu einer Landschaft geschehen kann. Resonanzen sind, in ähnlicher Weise wie das christliche Glaubensverständnis, unverfügbar⁶², so dass in formaler Hinsicht erstaunliche Parallelen zwischen Rosas Resonanzverständnis und Beschreibungen des christlichen Glaubens aufgezeigt werden können.⁶³

    Zwischen diesen Formen eines allgemeinen, rationalen oder säkularen Glaubens und dem christlichen Glauben bestehen Gemeinsamkeiten und Differenzen.⁶⁴ Ein allgemeines Glaubensverständnis hat formal durchaus eine Ähnlichkeit mit dem christlichen Verständnis, steht dazu jedoch in seiner Grundausrichtung in einer Spannung. Glaube in christlicher Perspektive ist, anders als in den Konzeptionen Fromms und Nussbaums, gerade nicht Ergebnis eigener Anstrengung oder Produktivität. Er bezieht sich nicht grundlegend auf die Kräfte des eigenen Selbst. Stattdessen erleben die Glaubenden die Eröffnung der Gemeinschaft mit Gott als ein ihm zufallendes Ereignis, als Geschenk, allein aus Gnade – sola gratia. Glaube in christlicher Perspektive vermittelt sich durch das Hören auf das Wort Gottes. Weil Gott den Menschen anspricht, indem er Menschen sendet, die sein versöhnendes Handeln verkündigen (vgl. Röm 10,14⁶⁵), werden andere zum Glauben gerufen. Im Glauben eröffnet sich ihnen eine neue Sicht auf die Wirklichkeit und ihre eigene Existenz.⁶⁶ Dabei ist das Wort Gottes, auf das sich die Glaubenden stützen, grundlegend: Es ist eine externe Bezugsgröße und keine Form des bloßen Selbstbezugs.

    Insbesondere ist der christliche Glaube inhaltlich prägnant bestimmt: Er ist das Versprechen der heilsamen Nähe und Begleitung Gottes, das diesem Glauben Grund und Orientierung verleiht: Gottes Zusagen stiften dieses Vertrauensverhältnis, befreien Menschen durch das Evangelium von ihrer Schuld und beauftragen die Glaubenden zu einem konkreten Tun in Entsprechung zum göttlichen Willen. Der Mensch erfährt die Anrede Gottes somit als Freispruch und zugleich als Beauftragung zu einem Leben in Freiheit⁶⁷, auf welches er sich in dem vertrauensvollen Gottesverhältnis einlässt.

    Der anthropologische Ort des Glaubens ist nach biblischer Auffassung das »Herz« des Menschen: Auf das ihn anredende Wort reagiert der Mensch, indem er mit dem »Herzen glaubt« (vgl. Röm 10,9f). »Herz« im biblischen Sprachgebrauch ist nicht mit dem Gefühl gleichzusetzen⁶⁸, sondern »Herz« meint den gesamten Menschen, der leiblich, geistig und seelisch durch das »Herz« in seiner Gesamtausrichtung bestimmt wird. In diesem Sinn ist das Herz am ehesten als das Willens- und Strebenszentrum des Menschen zu verstehen, das dem Leben eine Grundorientierung verleiht. In diesem sein gesamtes Streben fundierenden Willen des Menschen sind kognitive und emotionale Dimensionen untrennbar verwoben. Die Grundausrichtung des Willens ist auch mit Gefühlen verknüpft, aber nicht allein auf die affektive Ebene⁶⁹ des Menschen bezogen.

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