Lebendige Seelsorge 6/2023: Kirche in Ostmitteleuropa
Von Ute Leimgruber und Bernhard Spielberg
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Über dieses E-Book
In vielerlei Hinsicht scheinen sich die westeuropäische und die mittel- und osteuropäische katholische Kirche besonders fremd zu sein. Gerade die Synodalen Prozesse der einzelnen Länder haben deutliche Unterschiede der kirchlichen Praxis, der theologischen Deutung und der Ansprüche an Kirchenreform an den Tag gebracht. Manchmal scheint es gar, als gäbe es zwei europäische Lager, die sich wechselseitig in ihrer jeweiligen Eigenart stabilisieren.
Schaut man näher hin, herrscht große Unkenntnis und wenig Kontakt zwischen West und Mittelost. Hier setzt dieses Themenheft der Lebendigen Seelsorge an. Es will sehr schlicht farbige Einblicke in das kirchliche Leben der sogenannten post-kommunistischen Länder geben. Ich freue mich, dass Sie mit diesem Heft sehr viele der Länder in Ostmitteleuropa zumindest streifen können: Ungarn, Polen, das Baltikum, aber auch Serbien, Albanien, den Balkan, Kosovo und andere mehr. Wie sieht hier pastoraler Alltag aus? Wie stark wirken postkommunistische Transformationsprozesse auf die Gesellschaften und Kirchen ein? Wo liegen auch Unterschiede der Ortskirchen untereinander? Welche Partner- und Förderbeziehungen bestehen innereuropäisch? Und wie sieht der Blick aus, wenn man von hier nach Westeuropa schaut?
Ich wünsche Ihnen und uns, dass aus mehr Kenntnis voneinander auch ein Abbau der Fremdheit erwächst.
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Buchvorschau
Lebendige Seelsorge 6/2023 - Ute Leimgruber
INHALT
THEMA
Stabilisieren statt Konfrontieren
Reflexionen über die Theologie im postkommunistischen Raum
Von Klara Antonia Csiszar
Papst Franziskus und das theologische Denken in Ostmitteleuropa
Von Mieczyslaw Polak
Papst Franziskus irritiert
Die Replik von Klara Antonia Csiszar auf Mieczyslaw Polak
„Die erhoffte Wirkung". Die eine Erfolgsgeschichte der westlichen Förderinitiativen
Die Replik von Mieczyslaw Polak auf Klara Antonia Csiszar
Unterschiede zwischen der Kirche in Ostmittel- und Westeuropa
Von László Holló
PROJEKT
Zusammenarbeit auf Augenhöhe
Erfahrungen aus der Förderpraxis der Solidaritätsaktion Renovabis
Von Christiana Hägele
INTERVIEW
„Die Erfahrung, andere zu unterstützen, ist ein Reichtum für unser Leben."
Ein Gespräch mit Inese Motte
PRAXIS
Post-Kommunismus
Wasserzeichen in Ostmitteleuropa
Von András Máté-Tóth
Meine Armut – Gottes Chance!
Unterwegs mit jungen Leuten zu Wunden Europas
Von Meinolf Wacker
Katholische Kirche – passé?
Gedanken zur Lage der katholischen Kirche in Südosteuropa
Von Erzbischof Ladislav Nemet SVD
SEELSORGE UND DIASPORA: BONIFATIUSWERK
„Wir Esten leben in einem kritischen Teil der Erde …"
Ein Gespräch mit Bischof Philippe Jourdan
FORUM
Synodalität
Warum gute Argumente wenig wert sind Von Simon Linder
IN SERIE
Von der Suche nach der eigenen Herkunft und dem, was im Leben zählt
Warum es sich lohnt, Orphan Black anzuschauen
Von Hildegard Wustmans
NACHLESE
Buchbesprechung
Impressum
POPKULTURBEUTEL
Defaultclub
Von Stefan Weigand
EDITORIAL
Matthias Sellmann Herausgeber
Liebe Leserinnen und Leser,
die katholische Kirche versteht sich als Weltkirche und lebt auch als Weltkirche. Diese globale Dimension ist sicher einer ihrer größten Reichtümer und fasziniert auch viele nicht-religiös gebundene Menschen.
Allerdings: Weltkirche zu sein und als Weltkirche zu agieren, gehört auch zu den anstrengendsten Prozessen. Dies hat die Weltbischofssynode vom Herbst gezeigt. Und dies zeigen immer wieder die großen Unterschiede im Verständnis von katholischem Glauben und Welt zwischen Nationen und Kontinenten.
In vielerlei Hinsicht scheinen sich die westeuropäische und die mittel- und osteuropäische katholische Kirche besonders fremd zu sein. Gerade die Synodalen Prozesse der einzelnen Länder haben deutliche Unterschiede der kirchlichen Praxis, der theologischen Deutung und der Ansprüche an Kirchenreform an den Tag gebracht. Manchmal scheint es gar, als gäbe es zwei europäische Lager, die sich wechselseitig in ihrer jeweiligen Eigenart stabilisieren.
Schaut man näher hin, herrscht große Unkenntnis und wenig Kontakt zwischen West und Mittelost. Hier setzt dieses Themenheft der Lebendigen Seelsorge an. Es will sehr schlicht farbige Einblicke in das kirchliche Leben der sogenannten post-kommunistischen Länder geben. Ich freue mich, dass Sie mit diesem Heft sehr viele der Länder in Ostmitteleuropa zumindest streifen können: Ungarn, Polen, das Baltikum, aber auch Serbien, Albanien, den Balkan, Kosovo und andere mehr. Wie sieht hier pastoraler Alltag aus? Wie stark wirken postkommunistische Transformationsprozesse auf die Gesellschaften und Kirchen ein? Wo liegen auch Unterschiede der Ortskirchen untereinander? Welche Partner- und Förderbeziehungen bestehen innereuropäisch? Und wie sieht der Blick aus, wenn man von hier nach Westeuropa schaut?
Ich wünsche Ihnen und uns, dass aus mehr Kenntnis voneinander auch ein Abbau der Fremdheit erwächst.
Ihr
Prof. Dr. Matthias Sellmann
THEMA
Stabilisieren statt Konfrontieren
Reflexionen über die Theologie im postkommunistischen Raum
Kaum findet man heute Untersuchungen, die sich dem Theologiebetrieb in und nach der Zeit der kommunistischen Diktatur in Ostmitteleuropa widmen. Will man jedoch die gegenwärtige Situation dieser Ortskirchen Europas besser verstehen, kommt man nicht umhin, einige brennende Fragen zur Lage der Theologie als Wissenschaft bezüglich dieser Region zu stellen: Wie steht es mit Frauen im theologischen Lehrbetrieb? Welche Tendenzen machen sich erkenntlich im theologischen Denken? Klara Antonia Csiszar
Unter dem Titel Pastoraltheologie in Ost(Mittel)Europa veröffentlichten Johann Pock, János Vik und Klara Antonia Csiszar 2021 einen kleinen Tagungsband. Dieser bündelt die wichtigen Beiträge zur Situation der Pastoraltheologie in den postkommunistischen Ländern, die am internationalen Symposium anlässlich des 80. Geburtstages von Paul M. Zulehner zum Thema Papst Franziskus und die Pastoraltheologie in Ost(Mittel)Europa. Bestandsaufnahme und Entwicklungsmöglichkeiten 30 Jahre nach der Wende vorgetragen wurden. Die Tagung fand vom 19. bis 22. November 2019 an der Römisch-Katholischen Theologischen Fakultät der Babeș-Bolyai Universität in Cluj-Napoca statt. Im Rahmen dieser Konferenz verlieh die Universität Paul M. Zulehner die Ehrendoktorwürde für seine wissenschaftliche Arbeit und für die Unterstützung des theologischen Denkens in Ostmitteleuropa in den letzten 30 Jahren.
Die Tagung brachte nicht nur die Weggefährt:innen des Wiener Pastoraltheologen zusammen, sondern auch seine Schüler:innen aus ganz Ostmitteleuropa, die in den letzten dreißig Jahren in Wien im Rahmen des Stipendienprogramms des Pastoralen Forums promovierten oder habilitierten. Beine statt Steine. Solidarität mit den Kirchen in Ost(Mittel)Europa heißt das Stipendienprogramm des Pastoralen Forums, eines gemeinnützigen Vereins, der auf die Gründung des Wiener Kardinals Franz König zurückgeht und zwischen 1992 und 2021 etwa 130 Männer und Frauen auf dem Weg zu ihrer Habilitation und Promotion in Christliche Sozialethik, Pastoraltheologie, Kirchengeschichte, Religionspädagogik, Ostkirchenkunde, Dogmatik, Fundamentaltheologie und Moraltheologie finanziert und wissenschaftlich betreut hat.
Dieses Stipendienprogramm wollte zu einem Erfolgsprojekt werden, zusammen mit vielen anderen Initiativen aus dem deutschsprachigen Raum, um künftige Leader:innen der Kirche in den neueren Demokratien theologisch gut auszubilden und dadurch eine Erneuerung der Kirchen im postkommunistischen Raum im Sinne des Zweiten Vatikanischen Konzils zu unterstützen. Die gegenwärtige Situation der Kirche in den neueren Demokratien zeigt, dass diese Vision dreißig Jahre nach dem Kommunismus nicht die erhoffte Wirkung hatte.
Dr.in theol. habil., Prof.in für Pastoraltheologie und Dekanin an der Fakultät für Theologie und Vizerektorin der Katholischen Privat-Universität Linz; Leiterin des pastoralen Einführungsjahres der Diözese Linz; Forschungsschwerpunkte: Integraler Missionsbegriff, Existenzanalytische Pastoraltheologie und Logopastoral.
Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, wie die theologische Landschaft heute im postkommunistischen Raum aussieht, ob gesellschaftliche und kirchliche Herausforderungen gegenwärtig theologisch bearbeitet und gedeutet werden und welchen (Entwicklungs-)Weg die Theologie im postkommunistischen Raum in den letzten dreißig Jahren gegangen ist. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit wird insbesondere die Situation der Theologie im sogenannten ungarischen Sprachraum unter die Lupe genommen. Damit sind neben Ungarn auch jene Nachbarländer mitgemeint, in denen Theologie in ungarischer Sprache betrieben wird, weil eine große Mehrheit der Katholik:innen dort Ungarisch spricht. Auch in Rumänien, der Slowakei, Serbien und der Ukraine lehren und publizieren also Theolog:innen oft auf Ungarisch, weil sie in ihrem Land der Ungarisch sprechenden ethnischen Minderheit angehören. Die Darstellung der Theologischen Fakultäten und ihres Profils erfolgt hier