Gott und Jesus Christus: Orientierungswissen Christologie
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Interkulturelle Kompetenz in der Schule: Religionsunterricht als Ort der Kulturbegegnung Bewertung: 0 von 5 Sternen0 BewertungenKonfessionell-kooperativer Religionsunterricht als Herausforderung: Eine empirische Studie zu einem Pilotprojekt im Lehramtsstudium Bewertung: 0 von 5 Sternen0 Bewertungen
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Buchvorschau
Gott und Jesus Christus - Sabine Pemsel-Maier
1. Auflage 2016
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-023414-7
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-023459-8
epub: ISBN 978-3-17-029024-2
mobi: ISBN 978-3-17-029025-9
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Die Frage nach Jesus als dem Christus führt ins Zentrum des christlichen Glaubens. Zugleich stellen christologische Themen eine besondere Herausforderung dar, nicht nur, weil sich das persönliche Bekenntnis zu Christus jeglicher Vermittlung entzieht, sondern auch, weil die christologische Sprache der Tradition vielfach nicht mehr verstanden wird und einer Übersetzung bedarf. Aus diesem Grund ist die Versuchung groß, sich auf eine - scheinbar einfachere - 'Jesulogie' zu beschränken, statt sich an den zentralen theologischen Fragen abzuarbeiten. Im Gegensatz dazu möchte die Darstellung Zugänge zur Christologie besonders für den Kontext Schule eröffnen. Sie ist an christologischen Grundthemen ausgerichtet, bezieht die in der empirischen Forschung erhobenen Deutungen von Kindern und Jugendlichen ein und eröffnet didaktische Perspektiven für die Unterrichtspraxis.
Prof. Dr. Sabine Pemsel-Maier lehrt Kath. Theologie/Religionspädagogik mit dem Schwerpunkt 'Dogmatik und ihre Didaktik' an der PH Freiburg.
Inhalt
Vorwort
Zum Anliegen einer »Christologie elementar«
Aufbau und Strukturierung der Kapitel
Konfessionelle und konfessionsübergreifende Perspektiven
1. Einführung: Was ist und was will Christologie?
1.1 Jesus Christus: Historische Person und theologische Deutung
1.2 Christologie als Auslegung des Christusbekenntnisses
1.2.1 Im weiten Sinn: Bezeichnung vielfältiger Christus-Interpretationen
1.2.2 Im engen Sinn: als lehrmäßige Reflexion
1.2.3 Nicht »die eine« Christologie
1.2.4 Die Christologie im Gefüge der Theologie
1.3 Der Weg der Christologie: Vom verkündigenden Jesus zum verkündigten Christus
1.3.1 Die Auferweckung als Dreh- und Angelpunkt
1.3.2 Keine zeitliche Aufspaltung
1.4 Christologische Zugänge
1.4.1 Implizite und explizite Christologie
1.4.2 Christologie »von unten« – Christologie »von oben«
1.5 Christologie und Soteriologie
1.6 Christologische Perspektiven der Gegenwart
1.6.1 Neuere Ansätze
1.6.2 Erfordernisse
1.7 Christologie im Religionsunterricht
1.7.1 Herausforderungen
1.7.2 Auf der Suche nach einer Christologiedidaktik
1.7.3 Zwischen Fachwissenschaft und Subjektorientierung
1.7.4 Christologie als Soteriologie
1.7.5 Von der christologischen Erkenntnis zum christologischen Bekenntnis
2. »Wenn es den Typen gegeben hat, war er geil.« Wie sich Schüler/-innen Christologie aneignen
2.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
2.2 Religionspädagogische Herausforderungen
2.3 Christologisches Basiswissen
2.3.1 Christologische Zugänge von Kindern
2.3.2 Christologische Zugänge von Jugendlichen
2.3.3 Konstruktionen der Schüler/-innen und wissenschaftliche Christologie
2.4 Didaktische Perspektiven
3. »Ist das wirklich so passiert?« Geschichtliche Überlieferung und Glaubensüberlieferung
3.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
3.2 Religionspädagogische Herausforderungen
3.3 Christologisches Basiswissen
3.3.1 Außerbiblische römische und jüdische Quellen aus der Zeit Jesu
3.3.2 Biblische Quellen
3.3.3 Außerkanonische Quellen
3.3.4 Methoden der Rekonstruktion historischer Überlieferung
3.3.5 Geschichtliche Daten zur Person Jesu
3.4 Didaktische Perspektiven
4. »Was weiß man wirklich sicher über ihn?« Die Frage nach dem historischen Jesus und seine Zeit
4.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
4.2 Religionspädagogische Herausforderungen
4.3 Christologisches Basiswissen
4.3.1 Die Leben-Jesu-Forschung und ihr Scheitern
4.3.2 Die neue Rückfrage nach dem historischen Jesus und
4.3.3 Vom »historischen« zum »erinnerten« Jesus
4.3.4 Zum Verhältnis von Glaube und Historie: Thesen
4.3.5 Jesus der Jude
4.3.6 Zeit und Umwelt Jesu
4.3.7 Religiöse und politische Gruppierungen zurzeit Jesu
4.4 Didaktische Perspektiven
5. »Was wollte der eigentlich genau?« Die Botschaft und das Handeln Jesu
5.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
5.2 Religionspädagogische Herausforderungen
5.3 Christologisches Basiswissen
5.3.1 Die Gottesherrschaft: Im Horizont vielfältiger Erwartungen
Alttestamentliche Verheißungen
Unterschiedliche Vorstellungen zurzeit Jesu
5.3.2 Die Botschaft Jesu: Die Gottesherrschaft ist angebrochen
Eine Proklamation
Im Modus von Anknüpfung und Abgrenzung
In der Polarität von Gabe und Aufgabe, »jetzt schon« und »noch nicht«
5.3.3 Bilder und Gleichnisse
Ungebremste Freude und Wachstum
Eine Kostbarkeit
Der andere Maßstab Gottes
»Alles oder nichts«
5.3.4 Jesu Handeln im Dienst des Reiches Gottes
Übereinstimmung von Wort und Tat
Jesuanische Ethik
Der Umgang mit der Thora
5.3.5 Heilungen und Dämonenaustreibungen
5.4 Didaktische Perspektiven
6. »Mit ihm hat sich die Welt doch nicht wirklich geändert!« Zum erlösenden Handeln Jesu Christi
6.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
6.2 Religionspädagogische Herausforderungen
6.3 Christologisches Basiswissen
6.3.1 Die Zusage von Heil und Erlösung im Alten und Neuen Testament
6.3.2 Reich Gottes als Inbegriff von Heil und Erlösung
6.3.3 Erlösung unter den Bedingungen dieser Welt
6.3.4 Innerweltliche (Er)lösungen und die große Hoffnung auf Erlösung
6.4 Didaktische Perspektiven
7. »Wer fand denn damals den Jesus gut?« Vom Volk Israel zum neuen Volk Gottes
7.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
7.2 Religionspädagogische Herausforderungen
7.3 Christologisches Basiswissen
7.3.1 Die Sammlung Israels
7.3.2 Der Zwölferkreis
7.3.3 Menschen im Gefolge Jesu
Der Ruf in die Nachfolge
Die Jüngergemeinschaft
7.3.4 Die Rolle der Frauen
7.3.5 Von der Jesus-Bewegung zur Kirche aus Juden und Heiden
7.4 Didaktische Perspektiven
8. »Warum musste er sterben, wo er doch nichts Schlimmes getan hat?« Auf dem Weg zum Kreuz
8.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
8.2 Religionspädagogische Herausforderungen
8.3 Christologisches Basiswissen
8.3.1 Der Weg zum Kreuz
Jesu Auftreten und Botschaft: Religiöse und politische Provokationen
Die Zuspitzung des Konflikts in Jerusalem
8.3.2 Rechnete Jesus mit seinem Tod?
8.3.3 Verurteilung und Kreuzigung
8.3.4 Jesu Tod in theologischer Perspektive
8.3.5 »Hinabgestiegen in das Reich des Todes«
8.4 Didaktische Perspektiven
9. »Merkten die Leute damals, dass er etwas Besonderes war?« Auf den Spuren impliziter Christologie
9.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
9.2 Religionspädagogische Herausforderungen
9.3 Christologisches Basiswissen
9.3.1 Spuren impliziter Christologie in der Botschaft und im Handeln Jesu
9.3.2 Der Grund für Jesu Anspruch und Vollmacht
9.3.3 »Mehr als ein Rabbi« – »mehr als ein Prophet«
9.4 Didaktische Perspektiven
10. »Dass einer tot ist und wieder lebt, das glaub ich nicht!« Die Botschaft von der Auferweckung
10.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
10.2 Religionspädagogische Herausforderungen
10.3 Christologisches Basiswissen
10.3.1 Auferweckungszeugnisse im Neuen Testament
10.3.2 Kein »Beweis«, sondern Gegenstand des Glaubens
10.3.3 Die Machttat Gottes schlechthin
10.3.4 Vorwegnahme der allgemeinen Auferweckung von den Toten
10.3.5 Grundlagen des Auferstehungsglaubens
Das leere Grab
Die Erscheinungen
Der Jüngerwandel
10.3.6 Glaubensaussagen im Umfeld des Bekenntnisses zur Auferstehung
»am dritten Tag«
»aufgefahren in den Himmel« – »er sitzt zur Rechten Gottes«
10.4 Didaktische Perspektiven
11. »Diese Namen verstehe ich nicht.« Christologische Würdetitel
11.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
11.2 Religionspädagogische Herausforderungen
11.3 Christologisches Basiswissen
11.3.1 Zeugnisse der Inkulturation
11.3.2 Messias/Christus und weitere judenchristliche Titel
11.3.3 Sohn Gottes
11.3.4 Logos
11.3.5 Von der funktionellen Christologie zur Wesenschristologie
11.3.6 Hoheitstitel und metaphorische Christologie
11.4 Didaktische Perspektiven
12. »Ich kenn ganz viele Geschichten von ihm.« Christologische Konzepte im Neuen Testament
12.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
12.2 Religionspädagogische Herausforderungen
12.3 Christologisches Basiswissen
12.3.1 Knappe christologische Bekenntnisformeln
12.3.2 Die narrativen Christologien der Evangelien
Das Markusevangelium: Der leidende und gekreuzigte Messias
Das Matthäusevangelium: Mit Jesus Christus hat sich die Schrift erfüllt
Das Lukasevangelium: Jesus Christus, der Heiland und Heiler
Das Johannesevangelium: Gottessohn von Ewigkeit her
12.3.3 Christologische Modelle »von oben«
Erniedrigung und Erhöhung
Präexistenz
Inkarnation
12.4 Didaktische Perspektiven
13. »Wegen mir hätte er nicht sterben müssen!« Die Heilsbedeutung des Todes Jesu
13.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
13.2 Religionspädagogische Herausforderungen
13.3 Christologisches Basiswissen
13.3.1 Theologische Deutung als Möglichkeit der Bewältigung
13.3.2 Zur »Schriftgemäßheit« des Todes Jesu
13.3.3 Der Heilstod Jesu im Kontext von Erlösung – Sündenvergebung – Versöhnung
13.3.4 Die Deutung des Todes Jesu als Opfer
13.3.5 Deutungen des Todes Jesu als Sühne für die Sünden
Forensische Sühnevorstellungen
Sühne durch Satisfaktion
Biblisches Sühneverständnis: Die Ermöglichung eines neuen Anfangs
13.3.6 Deutungen des Todes Jesu als Stellvertretung
Wesentliches Prinzip des Christentums
Das neutestamentliche Zeugnis: »Gestorben für«
Der Stellvertreter als Platzhalter und die Notwendigkeit der Nachfolge
13.4 Didaktische Perspektiven
14. »Also wirklich sündigen, wie jemand umbringen und so, tu ich nicht!« Erlösung von der Sünde
14.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
14.2 Religionspädagogische Herausforderungen
14.3 Christologisches Basiswissen
14.3.1 Sünde und Freiheit
14.3.2 Elemente des biblischen Sündenverständnisses
14.3.3 Sünde als Tat und Haltung
14.3.4 Erbsünde: Die universale Macht der Sünde
Zur Begrifflichkeit
Biblische Wurzeln
14.3.5 Auslegungen der Rede von der Erbsünde
Traditionelle Auslegungen und ihre Kritik
Neuere Ansätze in der Erbsündentheologie
14.3.6 Der veränderte Horizont der Frage nach Erlösung
14.3.7 Erlösungstheologische Konzepte der Gegenwart
14.4 Didaktische Perspektiven
15. »War er Mensch oder Gott?« Grenzziehungen der alten Kirche
15.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
15.2 Religionspädagogische Herausforderungen
15.3 Christologisches Basiswissen
15.3.1 Neutestamentliche Grundlagen
15.3.2 Der Streit um die Göttlichkeit Christi und das Konzil von Nicäa (325)
15.3.3 Der Streit um das Menschsein Jesu Christi
15.3.4 Das Zueinander von Göttlichkeit und Menschsein: Deutungsversuche
15.3.5 »Vollkommen Gott und Mensch«: Die Zwei-Naturen-Lehre
15.3.6 Weitere theologiegeschichtliche Entwicklungen
15.3.7 »Ganz Gott«: Katholische Auslegungen
15.3.8 Kein Gott, sondern messianischer Mensch – Ebenbild Gottes – Teilhaber an der göttlichen Herrschaft: Eine evangelische Auslegung
15.4 Didaktische Perspektiven
16. »Ich kann mir nicht vorstellen, wie das zusammengeht.« Wahrer Mensch und wahrer Gott
16.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
16.2 Religionspädagogische Herausforderungen
16.3 Christologisches Basiswissen
16.3.1 Wahrer Gott als wahrer Mensch: Der Ansatz von Karl Rahner
16.3.2 Christologie als vollendete Anthropologie nach Karl Rahner
16.3.3 Weiterführungen in der neueren katholischen Christologie
16.3.4 Andere Ansätze
16.4 Didaktische Perspektiven
17. »Wieso sollte er noch einmal kommen?« Die Erwartung von Wiederkunft und Gericht
17.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
17.2 Religionspädagogische Herausforderungen
17.3 Christologisches Basiswissen
17.3.1 Die Naherwartung Jesu und die Verzögerung der Parusie
17.3.2 Theologische Deutungs- und Bewältigungsmuster
17.3.3 Die Unzulänglichkeit zeitlicher Kategorien angesichts der Ewigkeit Gottes
17.3.4 Die Gerichtsbotschaft Jesu
17.3.5 Appell und Ruf in die Verantwortung
17.3.6 Aufdeckung und Klarheit
17.4 Didaktische Perspektiven
18. »Im Innern ist er noch da, auch wenn er längst tot ist!« Die bleibende Gegenwart Jesu Christi im Geist
18.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
18.2 Religionspädagogische Herausforderungen
18.3 Christologisches und pneumatologisches Basiswissen
18.3.1 Biblische Grundlagen
18.3.2. Jesu Wirken im Zeichen des Geistes
18.3.3 Die Gegenwart des Auferstandenen im Geist
18.4 Didaktische Perspektiven
19. »Wenn Gott Gott ist und Jesus auch göttlich ist – wie passt das zusammen?« Von der Christologie zur Trinität
19.1 Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge
19.2 Religionspädagogische Herausforderungen
19.3 Trinitarisches Basiswissen
19.3.1 Vom alttestamentlichen Monotheismus zum trinitarischen Bekenntnis
19.3.2 Stationen auf dem Weg zur Trinitätslehre
19.3.3 Ein göttliches Wesen in drei Personen
19.3.4 Alte und neuere Versuche der Versprachlichung
19.3.5 Der christliche Gott – eine Dreiergemeinschaft
19.4 Didaktische Perspektiven
20. Jesus Christus – die nicht mehr zu überbietende Offenbarung Gottes
20.1 Gottes Offenbarung als Selbstmitteilung
20.2 Der Ort der Offenbarung: Die Geschichte
20.3 Jesus Christus: Die endgültige Offenbarung Gottes
20.3.1 Universale concretum: Eine Provokation?
20.3.2 Theologische Klärungen
Literatur
Register
Vorwort
Zum Anliegen einer »Christologie elementar«
Ziel dieses Bandes ist es nicht, den zahlreichen vorliegenden und in jüngster Zeit erschienenen Einführungen in die Christologie eine weitere hinzuzufügen. Ziel ist es vielmehr, die Darstellung an christologischen Grundfragen und Perspektiven auszurichten, die sich in besonderer Weise im Kontext Schule stellen. Auf diese Weise sollen Lehrkräfte befähigt werden, eine adäquate Theologie bzw. Christologie für Kinder und Jugendliche bereit zu stellen. Damit ist Konzentration und Reduktion gefordert, so dass bestimmte Aspekte der Christologie in den Mittelpunkt gestellt werden und umgekehrt auf Inhalte und theologiegeschichtliche Entwicklungen innerhalb der Theologiegeschichte verzichtet wird, die sich nicht unmittelbar für den Unterricht als relevant erweisen. So werden beispielsweise nicht alle christologischen Hoheitstitel thematisiert, sondern diejenigen, die für den Religionsunterricht eine besondere Rolle spielen. So werden etwa die altkirchlichen christologischen Dogmen mit ihrer Genese relativ kurz dargestellt; dafür findet ihre Fortschreibung in der neueren Theologie entsprechende Berücksichtigung. So wird die mittelalterliche Satisfaktionstheorie zur Deutung des Todes Jesu nur kurz skizziert; stattdessen nehmen Überlegungen breiteren Raum ein, welche Plausibilität Sühne und Stellvertretung in der Perspektive von Kindern und Jugendlichen haben.
Die Darstellung orientiert sich am Prinzip der Elementarisierung, wie es im Anschluss an Wolfgang Klafki von Karl Ernst Nipkow und Friedrich Schweitzer für die Religionspädagogik konzipiert wurde und in beiden Konfessionen zur Strukturierung und Planung von Unterricht Verwendung findet. Entsprechend sind alle fünf Dimensionen – elementare Zugänge, elementare Erfahrungen, elementare Strukturen, elementare Wahrheiten und elementare Lernformen – im Blick, wenngleich in unterschiedlicher Intensität, wie die nachfolgende Strukturierung der Kapitel zeigt.
Aufbau und Strukturierung der Kapitel
Abgesehen vom ersten und letzten Kapitel, die als Einführung und Abschluss konzipiert sind, sind alle Kapitel analog angelegt:
Am Beginn stehen jeweils Theologische und wissenschaftstheoretische Zugänge:
Sie fokussieren zum einen thematisch bezogene Perspektiven der Fachwissenschaft und der Methodologie, zum anderen die Frage nach der existentiellen Relevanz der nachfolgenden Überlegungen. Hier ist der Ort für den Aufweis, wie theologische Aussagen gewonnen und begründet werden, welche Zugänge gewählt werden und welche wissenschaftlichen Leitlinien dominieren. Damit dienen die Ausführungen der theologischen Selbstvergewisserung und geben Rechenschaft über die gewählten theologischen und christologischen Ansätze. Ziel dieses Teilkapitels ist jeweils eine Stärkung der reflexiven Kompetenz von Lehrkräften.
Im Anschluss folgen Religionspädagogische Herausforderungen:
Diese können sich als Problemanzeige präsentieren, insofern Schüler/-innen zu einem Thema nur schwer Zugang bekommen, es von ihren Verstehensvoraussetzungen her möglicherweise zunächst missverstehen, das Thema außerhalb ihrer Interessenshorizonte liegt u. a. m. Solche Problemanzeigen machen Lehrkräfte im Vorfeld auf mögliche Schwierigkeiten, Lernbarrieren und Missverständnisse bei der Erschließung christologischer Themen und Aussagen aufmerksam. Herausforderungen können aber auch in einer besonderen Zugänglichkeit oder Anschlussfähigkeit des jeweiligen christologischen Themas bzw. der jeweiligen christologischen Fragenstellung an die Fragen und Interessen der Schüler/-innen bestehen. Dann erweisen sie sich nicht als sperriges Hindernis, sondern vielmehr als besondere Chance, die im Unterricht nicht verspielt werden sollte. Bisweilen sind Problemanzeigen und Anschlussmöglichkeiten gar nicht zu trennen. In jedem Fall halten sie vor Augen, wie Kinder und Jugendliche sich christologische Inhalte aneignen. Mit dieser Logik der Aneignung, die von der Sachlogik des jeweiligen Themas zu unterscheiden ist, eröffnen sie den Horizont, innerhalb dessen Christologie im Religionsunterricht betrieben werden muss.
Die religionspädagogischen Herausforderungen greifen grundlegende entwicklungspsychologische Erkenntnisse auf sowie die Ergebnisse neuerer empirischer Studien zur Christologie von Kindern und Jugendlichen. Beide sind unverzichtbar für die Entwicklung didaktischer Perspektiven und die Begründung didaktischer Entscheidungen. Die vorliegenden einschlägigen empirischen Studien werden knapp zusammengefasst mit dem Ziel, konvergierende Tendenzen vorzustellen. Im Sinne des Elementarisierungsprinzips berücksichtigen sie besonders die elementaren Zugänge und Erfahrungen von Kindern und Jugendlichen. Ziel der jeweiligen Teilkapitel ist eine Stärkung der hermeneutischen Kompetenz von Lehrkräften.
Auf dieser Grundlage wird Christologisches Basiswissen entfaltet:
Bezogen auf das Programm der Elementarisierung decken diese Teile elementare Strukturen in Verbindung mit elementaren Wahrheiten auf. Die jeweiligen Inhalte werden weder nur aus der theologischen Fachwissenschaft noch nur aus den empirischen Befunden abgeleitet, sondern sowohl im Blick auf die religionspädagogischen Herausforderungen als auch in Abstimmung mit den theologischen und wissenschaftstheoretischen Reflexionen entfaltet. Vom Umfang her nimmt dieser Teil innerhalb der einzelnen Kapitel den größten Raum ein. Dabei wird auf den Forschungsstand der biblischen Exegese Bezug genommen, ohne in den einzelnen Kapiteln eine ausführliche exegetische Sachdarstellung an den Beginn zu stellen. Vertiefendes erscheint in kleinerem Druckbild. Ziel der jeweiligen Teilkapitel ist die Stärkung der fachwissenschaftlichen Kompetenz von Lehrkräften.
Abgerundet wird jedes Kapitel durch Didaktische Perspektiven:
In diesem Teil werden für das jeweilige Kapitel relevante christologiedidaktische Perspektiven entwickelt, im Rückgriff auf Anregungen aus der einschlägigen Literatur. Das Ziel ist es nicht, Hinweise auf einzelne Methoden, Medien oder Materialien gegeben, die in entsprechenden Unterrichtshilfen und Methodenkompendien leicht zu finden sind. Vielmehr werden im Sinne der Elementarisierung hier die Auswahl und der Einsatz elementarer Lernformen vorbereitet. Es werden inhaltliche Leitlinien eröffnet, die den Zugängen und Erfahrungen, aber auch den Schwierigkeiten und potentiellen Missverständnissen von Schüler/-innen Rechnung tragen. Als Leitlinien sind sie kognitiv ausgerichtet und verzichten auf literarische, poetische, bildhafte und künstlerische Konkretisierung, ohne deswegen die Notwendigkeit ästhetischer, symbolischer, narrativer und liturgischer Lernformen zu bestreiten. Ziel der jeweiligen Teilkapitel ist eine Stärkung der fachdidaktischen Kompetenz von Lehrkräften.
Die für die einzelnen Kapitel grundlegende Literatur ist ebenso wie die dort zitierte Literatur in den Anmerkungen vermerkt und am Ende ausführlich verzeichnet. Die Abkürzungen richten sich nach dem Abkürzungsverzeichnis des Registerbandes des Lexikons für Theologie und Kirche (2011). Literatur zum Weiterlesen ermöglicht einen Blick über den fachspezifischen Tellerrand hinaus.
Keine Berücksichtigung in dieser Christologie finden die Jesusbilder anderer Religionen. Zwar wird die Stellung Jesu im Judentum angedeutet, doch eine Darstellung der Sicht Jesu im Islam fehlt. Der Grund dafür ist nicht, dass diese Thematik nicht hinreichend wichtig erschiene, sondern dass sie den vorgegebenen Rahmen sprengen würde. Hier sei auf den nachfolgenden Band in dieser Reihe »Gott und die Religionen« verwiesen.
Konfessionelle und konfessionsübergreifende Perspektiven
Der Band wurde von einer katholischen Theologin geschrieben und rekurriert darum in den systematischen Teilen vorwiegend, wenngleich nicht ausschließlich, auf katholische Literatur. Mein evangelischer Kollege an der PH Karlsruhe, Prof. Dr. Joachim Weinhardt, hat innerhalb des »Christologischen Basiswissens« in bewährter Manier die Perspektive der anderen Konfession dort eingebracht, wo bestehende konfessionelle Differenzierungen benannt werden mussten. Dafür danke ich ihm herzlich! Von ihm stammt auch die evangelische Auslegung in Kap. 15.3.8.
Die exegetischen und religionspädagogischen Ausführungen stützen sich auf die Literatur beider Konfessionen, da in diesen Bereichen seit Jahren konfessionsübergreifend geforscht wird.
Danken möchte ich nicht zuletzt Dipl.-Theol. Martin Hoerder für seine Rückmeldungen zu den didaktischen Perspektiven und den Hilfskräften Charlotte Wilkens und Natalie Drescher für ihre Unterstützung bei der Manuskripterstellung.
Freiburg, im Mai 2015
Sabine Pemsel-Maier
1. Einführung: Was ist und was will Christologie?
1.1 Jesus Christus: Historische Person und theologische Deutung
»Jesus Christus« ist kein Name, sondern ein Bekenntnis: Jesus ist der Christus. Dieses Bekenntnis führt ins Zentrum des christlichen Glaubens und ist sein Spezifikum. Es verbindet eine geschichtliche Aussage mit einer Glaubensaussage (vgl. Kap. 3): Mit Hilfe des Begriffes Christus, griechisch christos, hebräisch meschiach, »der Gesalbte«, deutet es die historische Person Jesus von Nazareth, seine Botschaft und sein Handeln, sein Leben und Sterben als den im Ersten Bund verheißenen Heilsbringer, Retter und Erlöser. Mit Jesus als historischer Gestalt kann sich jede und jeder befassen, ohne gläubig zu sein; das Interesse für ihn mündet nicht zwangsläufig in die Christologie. Jesus als Christus zu bekennen, ist dagegen Ausdruck des Glaubens. Dieses Bekenntnis markiert den Unterschied zu den anderen monotheistischen Religionen, die Jesus als Propheten anerkennen, aber nicht als endgültigen Heilsbringer, sowie zu anderen Weltanschauungen, die ihn als ethisches Vorbild, Friedensaktivist, Weisheitslehrer oder Sozialrevolutionär würdigen, in ihm aber nicht mehr sehen als einen bedeutsamen Menschen.
Die Frage nach Jesus Christus ist angesichts dessen unter zweifacher Perspektive zu entfalten: zum einen als historische Frage, zum anderen als Glaubensfrage. Die historische Frage fragt nach dem geschichtlichen Jesus von Nazareth, der zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten kulturellen Kontext gelebt hat und gestorben ist (vgl. Kap. 4 und 8) und blickt in die Vergangenheit; die Glaubensfrage fragt nach seiner geglaubten theologischen Bedeutung für die Gegenwart (vgl. Kap. 7). Die historische Frage zielt ab auf geschichtliche Objektivität, soweit diese überhaupt möglich ist; die Glaubensfrage zielt ab auf die persönliche, existentielle Beziehung zu Jesus Christus. Beide Fragen haben ihre Berechtigung: Keine ist wichtiger als die andere. Beide müssen jedoch klar voneinander unterschieden werden: Die Frage nach Jesus als geschichtlicher Person kann nicht mit dem Hinweis auf den Gottessohn beantwortet werden, sowenig wie sich die Frage nach dem Christus des Glaubens klärt, indem auf den Wanderprediger Jesus von Nazareth verwiesen wird. Und beide Perspektiven müssen aufeinander bezogen werden: Der Weg zur Christologie hängt wesentlich daran, ob es gelingt, aufzuweisen, dass die theologischen Deutungen Anhalt finden im geschichtlichen Jesus von Nazareth.
1.2 Christologie als Auslegung des Christusbekenntnisses
1.2.1 Im weiten Sinn: Bezeichnung vielfältiger Christus-Interpretationen
Christologie ist theologische Rede (von griechisch logos = Wort, Rede, Lehre) von Jesus als dem Christus. Sie entfaltet dieses Bekenntnis von den Anfängen im NT durch die verschiedenen Epochen hindurch bis in die Gegenwart und legt es für Menschen in verschiedenen Kontexten, Kulturen und Altersstufen aus, auch für Kinder und Jugendliche. Die gegenwärtige Theologie bezieht den Terminus Christologie nicht nur auf die lehrmäßig-rationale Reflexion des Christusereignisses, sondern verwendet ihn in einem weiten Sinn zur Bezeichnung vielfältiger Christusinterpretationen. So spricht sie von neutestamentlicher Christologie, obwohl das NT im strengen Sinn keine Lehre über Jesus Christus bietet, sondern von ihm auf vielfältigste Weise spricht – als Verkündigung, Erinnerung, Erzählung (vgl. Kap. 12). In der Religionspädagogik werden die theologischen Konstruktionen von Kindern und Jugendlichen, die aus ihrem Nachdenken über Jesus Christus erwachsen, ebenfalls als Christologie bezeichnet, ohne dass diese immer sich stringenter Reflexion verdanken und den Anspruch erheben, »Lehre« zu sein.
Wie alle Theologie bewegt sich auch die Christologie auf der Ebene gedanklicher Konstruktionen und Modelle (vgl. Kap. 15 und 16). Sowenig wie die Theologie sagen kann, wie Gott ist, sondern wie Menschen sich Gott vorstellen und über ihn sprechen, so wenig erfasst die Christologie, wer und wie Jesus Christus »wirklich« war, sondern vielmehr, welche Sicht auf ihn die Menschen zu verschiedenen Zeiten und Epochen hatten und nach wie vor haben. Eine zentrale hermeneutische Voraussetzung für den Zugang zur Christologie ist die erkenntnistheoretische Einsicht, dass jegliche Wahrnehmung perspektivisch ist und dass entsprechend auch die Christologie eine deutende Sicht auf Jesus Christus verfolgt. Christologie erfordert darum das Einnehmen einer Metaebene, auf der es möglich ist, sich die Voraussetzungen dieser spezifischen Perspektive auf Jesus als den Christus bewusst zu machen und mit zu bedenken.
1.2.2 Im engen Sinn: als lehrmäßige Reflexion
Christologie im engen Sinn als rational begründete und an der Vernunft ausgewiesene Lehre von und über Jesus Christus ist eine Disziplin der Systematischen Theologie. Diese hat die Aufgabe, die Verantwortbarkeit des christlichen Glaubens vor dem Forum der Vernunft zu prüfen, seinen Wahrheitsanspruch vor dem Wahrheitsbewusstsein der jeweiligen Zeit zu verantworten und so den christlichen Glauben in die jeweilige Zeit hin auszulegen. Sie tut dies nicht, um den christlichen Glauben zu rationalisieren, sondern um seine Glaubwürdigkeit, auch und gerade im öffentlichen Diskurs, zu erweisen und gegenüber kritischen Einwänden zu verteidigen. Auf diese Weise macht sie Ernst mit 1 Petr 3,15 »Seid jederzeit bereit, Rede und Antwort zu stehen über die Hoffnung, die Euch erfüllt.«¹
Christologie leistet damit einen Verständigungs- bzw. Übersetzungsprozess zwischen zwei Polen, die zueinander in einem gewissen Spannungsverhältnis stehen. Der eine Pol ist die Glaubensbotschaft, die in der Bibel ihren Niederschlag gefunden hat. Als Gründungsurkunde des christlichen Glaubens kommt ihr in beiden großen christlichen Konfessionen normative Bedeutung zu. Darum bedürfen alle christologischen Aussagen des Rückbezugs auf die Schrift; darum ist Christologie nicht ohne neutestamentliche Bibeltheologie und Exegese und nicht ohne historisch-kritische Forschung zu betreiben. Nach evangelischem Verständnis ist die Schrift die einzige Glaubensquelle; nach katholischem Verständnis bilden Schrift und Tradition zwei einander ergänzende Glaubensquellen.² Der andere Pol, an dem sich die Systematische Theologie orientiert, ist die jeweilige Gegenwart mit ihren Themen, (An)fragen, Interessen, sind die »Zeichen der Zeit« – so die wegweisende Formulierung des Zweiten Vatikanischen Konzils, die es zu beachten gilt.
In diesem Sinne bringt die Christologie das neutestamentliche Zeugnis in einen Dialog mit der jeweiligen Gegenwart. Sie arbeitet den bleibenden Sinn der neutestamentlichen Aussagen über Jesus Christus heraus und erhellt sie in ihren jeweiligen Bezügen. Im Blick auf christologische Konzepte der Vergangenheit erfasst sie die Herausforderungen und die spezifischen Perspektiven der Epochen und entschlüsselt bzw. übersetzt jene Aussagen, die im heutigen Kontext nicht mehr verständlich sind. Im Hören und Achten auf die Zeichen der Zeit legt sie die Vernunftgemäßheit des Christusglaubens im Heute dar, begibt sich auf die Suche nach neuen Denk- und Sprechformen und entwickelt bestehende christologische Ansätze weiter. Nicht zuletzt fragt sie kritisch, inwieweit das im NT normativ bezeugte Christuszeugnis in der weiteren Überlieferungsgeschichte neu ausgelegt oder möglicherweise verfälscht, verstellt, verkürzt wird.
1.2.3 Nicht »die eine« Christologie
Da Christologie nur im Dialog mit der jeweiligen Zeit, ihren Fragen, Zweifeln und Interessen betrieben werden kann, gibt es nicht die eine allgemein oder überzeitlich gültige Christologie, sondern Christologie nur in je unterschiedlicher Gestalt. Diachron durch die Theologiegeschichte hindurch, von den neutestamentlichen Texten bis zum theologischen Diskurs der Gegenwart, wie synchron in verschiedenen Kulturräumen begegnet darum eine Vielzahl von Christologien, die zugleich alle in Jesus Christus ihre Mitte haben. Verbunden damit sind verschiedene soteriologische Konzepte in Entsprechung zu den jeweiligen Heilserwartungen der einzelnen Epochen. In Abhängigkeit vom zeitlichen, geographischen und kulturellen Kontext verwenden sie unterschiedlichen Sprech- und Denkformen (vgl. Kap. 11).
Die Judenchristen, die in Jesus den verheißenen Messias sahen, griffen auf die ihnen vorliegende Terminologie zurück; seine Identifizierung mit »Messias« ist das prägnanteste Beispiel dafür. Wo die Bedeutung Jesu im heidnischen Kontext erschlossen werden sollte, bediente man sich der im hellenistischen Kulturraum zur Verfügung stehenden Kategorien, wie der vom »Gottessohn«. Die Christologie der alten Kirche und die altkirchlichen christologischen Dogmen artikulierten das biblische Zeugnis von Jesus Christus in der Sprache und Denkwelt der griechischen Philosophie. Die mittelalterliche Christologie machte Anleihen bei der Begrifflichkeit des damaligen Rechts und des Lehenswesens. Christologie im ausgehenden 20. Jahrhundert ist nur von der anthropologischen Wende in der Theologie zu verstehen. Ebenso integrieren afrikanische oder indische Christologie Elemente der in diesen Räumen beheimateten Kulturen und Religionen. Lateinamerikanische Christologie ist unmittelbar verbunden mit der Erfahrung der Unterdrückung und Ausgrenzung. Veränderte Erfahrungs- und Verstehenshorizonte erforderten je neue christologische Modelle.
1.2.4 Die Christologie im Gefüge der Theologie
Innerhalb der Systematischen Theologie ist die Christologie einerseits ein Themenbereich neben anderen; andererseits kommt ihr besondere Bedeutung als Mitte und Strukturprinzip der Theologie zu. So tritt sie nicht additiv-ergänzend zu einer in sich geschlossenen Gotteslehre hinzu, sondern spezifiziert die christliche Rede von Gott als demjenigen, der sich in Jesus von Nazareth auf unüberbietbare Weise selbst mitgeteilt hat (vgl. Kap. 20). Sie mündet in die Trinitätslehre, die an der für das Erste Testament so zentralen Einzigkeit und Einzigartigkeit Gottes festhält und sie zugleich als Drei-Einigkeit von Vater, Sohn und Geist auslegt (vgl. Kap. 19). Sie steht in Bezug zur Anthropologie (griechisch anthropos = Mensch), insofern die theologische Lehre vom Menschen nicht ohne den Blick auf den Gott-Menschen Jesus Christus konzipiert werden kann, in Bezug zur Schöpfungstheologie, insofern nach christlichem Glauben die Schöpfung in Jesus Christus an ihr Ziel kommt, sowie in Bezug zur Sakramentenlehre, weil die Sakramente an das Wirken Jesu rückgebunden sind. Über das Bekenntnis zur Auferweckung Jesu Christi von den Toten und die Erwartung seiner Wiederkunft und des Gerichts (vgl. Kap. 17) ist die Christologie verknüpft mit der Eschatologie, der Lehre von den »letzten Dingen« (griechisch eschaton = das Letzte), über die Frage nach dem Wirken des Geistes in Jesus Christus, dem Geistträger schlechthin, mit der Pneumatologie (griechisch pneuma = Geist). Insofern sich mit der Person Jesu Christi zugleich die Frage nach der Gestalt des eigenen Lebens in seiner Nachfolge stellt, erweist sich die Christologie auch als für die Ethik relevant.
1.3 Der Weg der Christologie: Vom verkündigenden Jesus zum verkündigten Christus
1.3.1 Die Auferweckung als Dreh- und Angelpunkt
Jesus von Nazareth verkündete die Botschaft vom Anbruch des Reiches Gottes (vgl. Kap. 5) und stellte nicht seine Person in den Vordergrund. Nach seiner Auferstehung wurde er jedoch selbst zum Gegenstand der Verkündigung. Der Auferstehung kommt insofern für die Christologie eine Schlüsselfunktion zu, als sich mit ihr der Überstieg von der historischen Person Jesus von Nazareth zum Christus des Glaubens bzw. vom verkündigenden Jesus zum verkündigten Christus ereignet (vgl. Kap. 10). Mit der Auferstehung beginnt etwas Neues, wird die vorösterliche Perspektive überschritten; die Geschichtsschreibung mündet ins Bekenntnis. Dass Jesus gelebt hat, was und wie er verkündete und handelte, kann auch Nichtglaubenden zugänglich werden. Das Bekenntnis, dass er von den Toten auferstanden ist, setzt dagegen die Haltung des Glaubens voraus. Erst nachösterlich, im Anschluss an die Auferweckung, erschloss sich seinerzeit seine besondere Bedeutung, konnten seine Anhänger verstehen, zumindest anfanghaft begreifen, wer er war, beginnt die christologische Bekenntnisbildung. Erst mit der Auferweckung gibt es also Christologie in einem vollen, ausdrücklichen, entfalteten Sinne.
Damit erweist sich die Auferstehung als Dreh- und Angelpunkt. Denn durch die Auferweckung rücken Jesus, sein Leben und sein Tod in ein neues Licht. Mit ihr klärt sich die Frage, wer der Mann aus Nazareth war; mit ihr bestätigt sich, dass er nicht eigenmächtig einen besonderen Anspruch erhoben hat, sondern dass Gott hinter ihm stand, dass er nicht im eigenen Namen sprach, sondern im Namen Gottes, dass er nicht aus eigener Vollmacht handelte, sondern bevollmächtigt durch seinen Vater, dass sein Tod kein Scheitern war, sondern der Beginn eines neuen Lebens bei Gott. Die Auferweckung freilich ist selbst Gegenstand des Glaubens.
Auch wenn das Auferstehungsereignis und die mit ihm verbundenen Erfahrungen die Initialzündung für die christologische Bekenntnisbildung darstellen, sind doch alle christologischen Aussagen auf die Botschaft, das Leben und Handeln des Jesus von Nazareth verwiesen. Er ist ihr bleibender Ausgangs- und Anhaltspunkt, an ihm haben sie sich auszuweisen. Der nachösterlich entfalteten Christologie liegt damit eine zweifache Erfahrung zugrunde: zum einen die vorösterliche Erfahrung mit Jesu Botschaft, seinem Leben und Sterben, zum anderen die Oster- bzw. Auferstehungserfahrung.
1.3.2 Keine zeitliche Aufspaltung
Die Trennung zwischen der historischen Rückfrage nach Jesus von Nazareth einerseits und der Glaubensfrage nach dem auferstandenen Christus hat ihre Berechtigung. Als verhängnisvoll erweist es sich, wenn sie methodisch so gestellt und inhaltlich so verstanden wird, als seien Leben, Wirken und Sterben Jesu nur unter historischer Perspektive zu betrachten. Dies führt zu einer zeitlichen Aufteilung bzw. Zweiteilung, als sei Jesus während seines Lebens ein gewöhnlicher Mensch wie andere gewesen und sei erst später mit und durch die Auferstehung zum Christus geworden. Doch die beiden Teile des Bekenntnisses »Jesus ist der Christus« lassen sich nicht im Sinne von Vorher und Nachher verstehen. Der christliche Glaube ist der Überzeugung, dass Jesus von Nazareth von Beginn seines Lebens an der verheißene Christus war. Auch wenn beide Perspektiven unterschieden werden müssen, lassen sie sich nicht völlig trennen. Denn der christliche Glaube glaubt, dass kein anderer als der Wanderprediger Jesus von Nazareth der Christus ist.
1.4 Christologische Zugänge
1.4.1 Implizite und explizite Christologie
Christologie begegnet als implizite und als explizite Christologie (vgl. Kap. 9). Den Unterschied zwischen beiden markiert die Auferstehung: Implizite ist vorösterliche und explizite nachösterliche Christologie.
Explizite Christologie bekundet sich im ausdrücklichen Bekenntnis zu Jesus als dem Christus. Damit setzt sie die Erfahrung der Auferweckung bzw. die Erfahrungen der Gegenwart des Auferweckten und seiner Anwesenheit im Geist notwendigerweise voraus. Sie zeugt vom Bemühen um sprachlich adäquate Formulierungen des Christusgeheimnisses und findet ihren Ausdruck in Bekenntnisformeln, christologischen Hoheits- bzw. Würdetiteln und unterschiedlichen Konzepten einer narrativ-erzählenden Christologie.
Vorösterliche implizite Christologie ist dagegen unausdrückliche und unausgesprochene Christologie. Sie setzt an beim Reden und Handeln Jesu von Nazareth, in dem etwas aufschien, das außergewöhnlich war und die bekannten Kategorien sprengte. Sie legt noch kein ausdrückliches christologischen Bekenntnis ab, sondern lebt von der Ahnung, dass Jesus anders ist als andere Menschen und »mehr« sein könnte, »mehr« als ein Mensch überhaupt. Dabei ist sie noch nicht zu einem abschließenden Ergebnis gekommen, sondern steht erst