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Erosion des Glaubens?
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eBook150 Seiten1 Stunde

Erosion des Glaubens?

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Über dieses E-Book

Stefan Knobloch liefert einen knappen, mutigen, gut lesbaren Wurf, der sich mit der These der „Erosion des Glaubens“ nicht anfreunden kann. Er argumentiert gegen das Ergebnis einer Befragung des Allensbacher Instituts vom Dezember 2021. Das Glaubenspotenzial des Menschen darf nicht unterschätzt werden, auch wenn sich der Habitus des Glaubens verändert.
Dieses Buch ist eine interessante Lektüre, deren Ziel es ist, den Leser über die Religion nachdenken zu lassen.
Knobloch hatte von 1988-2002 die Professur für Praktische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz inne.
Seine letzten Publikationen waren „Uneindeutig glauben. Von der Vielfalt der christlichen Botschaft“ (Ostfildern 2022); „Grautöne der Transzendenz bei Peter Handke und Martin Walser. Theo-poetische Nachgedanken“ (München 2021).
 
Stefan Knobloch, geb. 1937, ist Mitglied der Deutschen Kapuzinerprovinz. Von 1988-2002 war er Professor für Praktische Theologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz.
In seinen Publikationen befasst sich Knobloch vor allem mitdenTransformationsprozessenundderPluriformität des christlichen Glaubens. So in den Publikationen „Gottesleere? Wider die Rede vom Verlust des Göttlichen“ (2013); „Wesentlich werden! Für eine Theologie und Kirche an den Brennpunkten des Lebens“ (2018); „Uneindeutig glauben. Von der Vielfalt der christlichen Botschaft“ (2022).
Seinen Ruhestand verbringt Knobloch in Passau.
SpracheDeutsch
HerausgeberEuropa Edizioni
Erscheinungsdatum25. Mai 2023
ISBN9791220140911
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    Buchvorschau

    Erosion des Glaubens? - Stefan Knobloch

    Vorwort

    In mir sträubte sich etwas, dem Ergebnis einer Befragung des Allensbacher Instituts vom Dezember 2021 Glauben zu schenken, wir hätten es in unserem Land mit einer „Erosion des christlichen Glaubens" zu tun.

    Propositionale Sätze des Glaubens abzufragen ist das eine. Mit den Denkpotenzialen des Glaubens der Menschen zu rechnen aber ist das andere. Die Denkpotenziale des Glaubens sind nicht einfach verschüttet, selbst wenn es Menschen subjektiv gar nicht merken, dass sie sich von ihnen in ihrem Leben motivisch leiten lassen. Kein Zweifel, heute spielen die social media eine erhebliche Rolle, deren Informationsflut den Menschen um die Ohren geschlagen wird, in die sich manche aber auch gern verlieren. Nur selten aber dürften die Menschen von ihnen so in Beschlag genommen sein, dass sie für tiefere Sinnkorridore unempfänglich wären.

    Sinnkorridore zu erschließen war eine den Kirchen zugetraute Aufgabe. Heute aber kann man den Eindruck haben, als ließen die Kirchen in ihrer institutionellen Befangenheit bzw. Selbstbeschäftigung die Erfahrungen der Menschen unbeachtet liegen, als trauten sie es sich nicht mehr zu, sie in die tieferen Fragen des Lebens hinein zu begleiten. Für viele kommen die Kirchen nicht mehr als gemeinschaftsverbürgende Resonanzräume und als kollektive Deutungsinstanzen in Betracht. Das aber darf nicht als Verlust der personalen Glaubenspotenziale verrechnet werden. Viele leben heute ihr Leben in einer individualisierenden Lebenshaltung, ihre Sozialkontakte beschränken sich auf die Gestalt der „Inklusion", das heißt auf eine Form, die immer wieder den Rückzug in den eigenen Lebensraum sucht. Aber diese Inklusion entbehrt nicht der Glaubenspotenziale.

    Es zeichnen sich Veränderungen und Entwicklungen im Habitus des „Glaubenslebens" ab. Immer wieder aber bricht es zum Beispiel bei der Verarbeitung aufwühlender Terrorakte hervor, die das Leben erschüttern. Da legen Menschen Blumen nieder, stellen Fotos und Kerzen auf, schreiben Abschiedsworte, Worte der Betroffenheit und Anteilnahme. Der Glaube ist nicht am Ende. Der holländische Theologe Edward Schillebeeckx sprach schon vor Jahren vom Phänomen der unthematischen Rechtgläubigkeit der Menschen, die weithin mit propositionalen Sätzen des Glaubens ihre Schwierigkeit haben.

    Dass es vor diesem Hintergrund heute nicht um eine Erosion des Glaubens geht, der der Glaube über kurz oder lang zum Opfer fällt, davon handelt dieses Büchlein. Es will aufbauen, es will ermutigen, aus dem Kapital des Denkpotenzials des Glaubens zu leben und zu glauben. 

    Passau im Herbst 2022

    Der Verfasser

    1. Erosion des christlichen Glaubens?

    Pünktlich zu Weihnachten 2021 veröffentlichte das Allensbacher Institut für Demoskopie¹ eine Umfrage vom Dezember 2021 zur Situation des Christentums in Deutschland.² Thomas Petersen machte in einem Bericht darüber in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit der Frage auf, ob wir im Jahr 2021 Weihnachten vielleicht zum letzten Mal mit einer christlichen Bevölkerungsmehrheit feiern. Es spreche vieles dafür, dass im Laufe des Jahres 2022 die Christen und Christinnen gegenüber der nichtchristlichen Bevölkerung in Deutschland die Mehrheit verlören. Zugrunde lag eine Umfrage vom 1.15. Dezember 2021 unter 1069 Befragten. Eine gering erscheinende Befragtenzahl. Das Umfrageergebnis aber sei nach dem Institut für Demoskopie Allensbach repräsentativ.

    Rekapitulieren wir fürs erste die zahlenmäßigen Ergebnisse der Umfrage, bevor wir auf die Deutung dieser Zahlen durch das Institut kommen. Von den befragten Katholiken und Katholikinnen gaben 23 Prozent an, sie fühlten sich in ihrem Glauben der Kirche eng verbunden. Bei den Protestanten lag deren Anteil bei 12 Prozent. In beiden Kirchen nehmen die meisten Befragten durchaus für sich eine gewisse Bindung an die Kirche in Anspruch, wenn auch nicht ohne kritische Abstriche. Manche äußerten, die Kirche bedeute ihnen nicht viel. Manche wüssten gar nicht, was sie glauben sollten; sie bräuchten

    eigentlich keine Religion. Jede dritte Person dachte schon mal daran, aus der Kirche auszutreten. Fasst man zahlenmäßig das Gesamtbild ins Auge, dann machen die Christen und Christinnen der evangelischen Kirche mit 28 Prozent und die der katholischen Kirche mit 25 Prozent zusammen 53 Prozent der Gesamtbevölkerung in Deutschland aus. Sie stellen also noch die Mehrheit gegenüber den 47 Prozent dar, die keiner Kirche oder keiner kirchenähnlichen Vereinigung angehören. Das kann sich in der Tat in 2022 ändern.

    Diese Ergebnisse spiegeln sich in den Zahlen der Kirchenaustritte in der katholischen Kirche, die das Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz jährlich veröffentlicht. Fassen wir lediglich die Entwicklung innerhalb der Jahre von 2018 bis 2021 ins Auge.³ Im Zeitraum 2018/19 traten 216.078 Katholiken und Katholikinnen aus der Kirche aus, 2019/20 waren es 272.771 und 2020/21 waren es 221.390. Der vermeintliche Rückgang in 2020/21 gegenüber 2019/20 ist offensichtlich auf die verschiedenen Lockdowns und auf andere Einschränkungen infolge von Sars-CoV-2 zurückzuführen. Er darf nicht für eine Wende auf hohem Niveau gehalten werden. Und für 2021 wurde der bisherige Höchststand von 360.000 Austritten aus der katholischen Kirche gemeldet.

    Ergebnisdeutungen einer Umfrage

    Wie aber deutet nun Allensbach die Umfrageergebnisse vom Dezember 2021? Die Skandale der letzten Jahre in den Kirchen, Finanzskandale, Kindesmissbrauch und

    deren zögerliche Aufklärung reichten zur Begründung der nachlassenden Kirchenbindung und der steigenden Zahlen von Kirchenaustritten nicht aus. Es deute sich schon lange eine tieferliegende Problematik an. Es handle sich „um eine zwar schleichende, deswegen im Alltag nicht auffällige, aber dennoch fundamentale Veränderung der Gesellschaft."⁴ Allensbach identifiziert diese Entwicklung als „Erosion des christlichen Glaubens."⁵ Der Glaube sei nicht mehr tief verankert. Die Dezember-Umfrage bediente sich der Vorlage von Karten, mit deren Hilfe Glaubensinhalte erfragt wurden. Dass Jesus der Sohn Gottes sei, glaubten demnach im Dezember 2021 37 Prozent der Befragten gegenüber 56 Prozent 1986 (in Westdeutschland). An die Dreifaltigkeit glaubten damals in Westdeutschland 39 Prozent, heute seien es 27 Prozent. Die Auferstehung der Toten ist gegenüber früher 38 Prozent heute noch für 24 Prozent der Befragten ein Thema.

    Von diesen Ergebnissen her scheint die Rede von der „Erosion des christlichen Glaubens gerechtfertigt zu sein. Damit aber reiben sich andere, gewissermaßen offenere Ergebnisse, wie die Frage nach der Seele. 61 Prozent der im Dezember 2021 Befragten glaubten an eine Seele. Für 52 Prozent gibt es Wunder. Ebenso viele glauben, dass in der Natur „alles eine Seele hat, auch Tiere und Pflanzen. Gefragt, ob sie an Gott glauben – eine Frage, die wie definitionsorientiert einherkommt -, bejahen 46 Prozent diese Frage. Während das irgendwie wabernde Fragen sind, obwohl sie den Eindruck erwecken, mit eindeutigen Sachverhalten zu tun zu haben, ist die

    Frage nach der Bedeutung und dem Gewicht der Kirchen eine relativ griffige Frage. Die beiden Kirchen befinden sich in der Reihe von 18 Platzierungen auf den letzten beiden Plätzen. Aber auch da zeigt sich eine gewisse Ambiguitätstoleranz der Befragten. Denn die Frage, ob es wichtig sei, die Kinder religiös zu erziehen, bejahten im Dezember 2021 43 Prozent der Befragten. Das ist exakt dieselbe Prozentzahl wie vor mehr als zwanzig Jahren, im Jahr 1995.

    In Summe stehe es heute um die Inhalte des Glaubens schlecht. Immerhin räumt die Auswertung ein, dass „die christliche Tradition zumindest bis zu einem gewissen Grad auch von denen weitergetragen (werde), die mit dem Glauben

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