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Das 1900 Seiten Fantasy Paket August 2023
Das 1900 Seiten Fantasy Paket August 2023
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eBook2.136 Seiten27 Stunden

Das 1900 Seiten Fantasy Paket August 2023

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Über dieses E-Book

Das 1900 Seiten Fantasy Paket August 2023



von Alfred Bekker, Margret Schwekendiek, Pete Hackett



Der Umfang dieses Buchs entspricht 1900 Taschenbuchseiten.





Dieses Buch enthält die Romane:



Alfred Bekker/Pete Hackett: König Ghaderich

Alfred Bekker/Margret Schwekendiek: Die Gefährten des Elbenkriegers 1: Lirandil und der Zauberer

Alfred Bekker: Angriff der Orks

Alfred Bekker: Der Fluch des Zwergengolds

Alfred Bekker: Die Drachen-Attacke

Alfred Bekker: Sturm auf das Elbenreich

Alfred Bekker: Überfall der Trolle

Alfred Bekker: Die Magie der Zwerge

Alfred Bekker: Die Zauberaxt der Zwerge

Alfred Bekker: Die Dracheninsel der Zwerge

Alfred Bekker: Der Kristall der Zwerge

Alfred Bekker: Das Elbenkrieger-Profil



Geschichten um Elben, Orks und Zwerge – in unserer und in anderen Welten.

Eine einzigartige Fantasy-Abenteuer Sammlung von Alfred Bekker, dem Autor der Zyklen um DAS REICH DER ELBEN, die ELBENKINDER, GORIAN, die DRACHENERDE-SAGA und viele andere mehr.

Das Zwischenland ist in großer Gefahr. Um sie abzuwenden, folgt der Elbenkrieger Lirandil einer alten Prophezeiung. Drei Zwergenkinder muss er finden: Eines ist ein Zauberlehrling, eines kennt die Zukunft und eines hat die Kraft und das Geschick eines Schmieds. Diese drei ahnen noch nicht, dass nur sie allein die Macht haben, ihre Welt vor dem Untergang zu bewahren. Wird ihnen das gelingen?
SpracheDeutsch
HerausgeberAlfredbooks
Erscheinungsdatum4. Aug. 2023
ISBN9783745232448
Das 1900 Seiten Fantasy Paket August 2023
Autor

Alfred Bekker

Alfred Bekker wurde am 27.9.1964 in Borghorst (heute Steinfurt) geboren und wuchs in den münsterländischen Gemeinden Ladbergen und Lengerich auf. 1984 machte er Abitur, leistete danach Zivildienst auf der Pflegestation eines Altenheims und studierte an der Universität Osnabrück für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen. Insgesamt 13 Jahre war er danach im Schuldienst tätig, bevor er sich ausschließlich der Schriftstellerei widmete. Schon als Student veröffentlichte Bekker zahlreiche Romane und Kurzgeschichten. Er war Mitautor zugkräftiger Romanserien wie Kommissar X, Jerry Cotton, Rhen Dhark, Bad Earth und Sternenfaust und schrieb eine Reihe von Kriminalromanen. Angeregt durch seine Tätigkeit als Lehrer wandte er sich schließlich auch dem Kinder- und Jugendbuch zu, wo er Buchserien wie 'Tatort Mittelalter', 'Da Vincis Fälle', 'Elbenkinder' und 'Die wilden Orks' entwickelte. Seine Fantasy-Romane um 'Das Reich der Elben', die 'DrachenErde-Saga' und die 'Gorian'-Trilogie machten ihn einem großen Publikum bekannt. Darüber hinaus schreibt er weiterhin Krimis und gemeinsam mit seiner Frau unter dem Pseudonym Conny Walden historische Romane. Einige Gruselromane für Teenager verfasste er unter dem Namen John Devlin. Für Krimis verwendete er auch das Pseudonym Neal Chadwick. Seine Romane erschienen u.a. bei Blanvalet, BVK, Goldmann, Lyx, Schneiderbuch, Arena, dtv, Ueberreuter und Bastei Lübbe und wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt.

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    Buchvorschau

    Das 1900 Seiten Fantasy Paket August 2023 - Alfred Bekker

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author 

    © dieser Ausgabe 2023 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen 

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Folge auf Facebook:

    https://www.facebook.com/alfred.bekker.758/

    Folge auf Twitter:

    https://twitter.com/BekkerAlfred

    Erfahre Neuigkeiten hier:

    https://alfred-bekker-autor.business.site/

    Zum Blog des Verlags!

    Sei informiert über Neuerscheinungen und Hintergründe!

    https://cassiopeia.press

    Alles rund um Belletristik!

    Das 1900 Seiten Fantasy Paket August 2023

    von Alfred Bekker, Margret Schwekendiek, Pete Hackett

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 1900 Taschenbuchseiten.

    ––––––––

    Dieses Buch enthält die  Romane:

    Alfred Bekker/Pete Hackett: König Ghaderich

    Alfred Bekker/Margret Schwekendiek: Die Gefährten des Elbenkriegers 1: Lirandil und der Zauberer

    Alfred Bekker: Angriff der Orks

    Alfred Bekker: Der Fluch des Zwergengolds

    Alfred Bekker:  Die Drachen-Attacke

    Alfred Bekker: Sturm auf das Elbenreich

    Alfred Bekker: Überfall der Trolle

    Alfred Bekker: Die Magie der Zwerge

    Alfred Bekker: Die Zauberaxt der Zwerge

    Alfred Bekker: Die Dracheninsel der Zwerge

    Alfred Bekker: Der Kristall der Zwerge

    Alfred Bekker: Das Elbenkrieger-Profil

    Geschichten um Elben, Orks und  Zwerge – in unserer und in anderen Welten.

    Eine einzigartige Fantasy-Abenteuer Sammlung von Alfred Bekker, dem Autor der Zyklen um DAS REICH DER ELBEN, die ELBENKINDER, GORIAN, die DRACHENERDE-SAGA und viele andere mehr.

    Das Zwischenland ist in großer Gefahr. Um sie abzuwenden, folgt der Elbenkrieger Lirandil einer alten Prophezeiung. Drei Zwergenkinder muss er finden: Eines ist ein Zauberlehrling, eines kennt die Zukunft und eines hat die Kraft und das Geschick eines Schmieds. Diese drei ahnen noch nicht, dass nur sie allein die Macht haben, ihre Welt vor dem Untergang zu bewahren. Wird ihnen das gelingen?

    König Ghaderich

    Der Thron von Cambalar 2

    von Pete Hackett & Alfred Bekker

    nach einem Exposé von Alfred Bekker

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 90 Taschenbuchseiten.

    Der Graue Tod hat den kleinen Prinzen, der als Opfer für den Totengott bestimmt, in seine Obhut genommen. König Ghaderich erfährt, wer sich hinter diesem Namen verbirgt und weiß, dass er noch immer nicht die Gnade der Götter wiedererlangt hat. Um einen Krieg zu vermeiden, versucht er zu einer Übereinkunft mit den Sandlingern und Barbaren zu gelangen.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author

    nach einem Exposé von Alfred Bekker

    COVER:  STEVE MAYER NACH MOTIVEN VON JOHN MARTIN

    © dieser Ausgabe 2021 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen 

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    Folge auf Twitter:

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    Alles rund um Belletristik!

    Prolog

    Die Welt von Cambalar ist sehr trocken und zu vier Fünfteln mit Land bedeckt. Es gibt zwei Binnenmeere, ein großes und ein kleines. Diese sind durch einen Fluss, den sogenannten Strom der Unendlichkeit miteinander verbunden. Er entspringt in einem für irdische Verhältnisse gewaltigen, unbesteigbaren und angeblich bis in die luftlose Dunkelheit des Kosmos emporragenden Gebirges, dessen Gipfel als Sitz der Götter der Unendlichkeit gilt. Von dort aus fließt der ‘Strom der Unendlichkeit’ zunächst in das Große Meer und anschließend in das Kleine Meer. Danach verliert er sich irgendwo in der Unendlichkeit einer steinigen Ödnis und Wüste. (Es gibt extreme Jahreszeiten und starke klimatische Schwankungen: Die Wüste darf man sich nicht wie die Sahara vorstellen, sondern eher wie die Gobi oder die Salzwüste von Utah, in der im Winter Schnee auf den Kakteen liegt.) Niemand weiß, wo der Strom der Unendlichkeit endet, denn die große Ödnis wird von nichtmenschlichen Kreaturen bewohnt, während sich die Menschen um die beiden Meere und die Flussverbindung dazwischen gruppieren.

    Und niemand weiß, was jenseits des Gebirges ist. In den Höhenzügen unterhalb der Sphäre der Götter leben asketische Einsiedler-Mönche, die als Heilige gelten, sowie Kreaturen, die angeblich ohne Luft leben können: Geister, Dämonen und Gnome. Es hat diese Wesen aber kaum jemand je gesehen.

    In der Wüste leben die Sandlinger - Menschen mit Echseneigenschaften, die offenbar sehr wenig Wasser brauchen. Sie kommen auch zum Handeltreiben in die Menschenreiche - oder zum Plündern. Man sieht nie ihre Gesichter, denn ihre Kleidung lässt kaum mehr als die Augen frei.

    Das größte Reich auf dieser Welt ist das Reich von Cambalar. Cambalar ist der Name der Hauptstadt, die auf einer Insel mitten im Großen Meer liegt. Die gesamte Küste dieses Meeres wird von Cambalar beherrscht. Dieses Imperium muss nahezu ständig verteidigt werden: Gegen Barbaren am Rande der Ödnis, die sich manchmal mit den Sandlingern zusammentun oder auch gegen die Freien Städte am Kleinen Meer und das Königreich Tolvanea am Strom der Unendlichkeit.  Die Bewohner Cambalars sind auf die Einfuhren aus ihren Kolonien rund um das Große Meer angewiesen.

    Es wäre unmöglich für Cambalar, sich gegen alle Gegner an allen Grenzen auf einmal zu verteidigen. Aber erstens gehen die selten koordiniert vor (und sind untereinander fast immer verfeindet) und zweitens gehören die Könige Cambalars dem Geschlecht der Dwannuach an. Unter ihnen ist die Gabe der Voraussicht weit verbreitet. Die Grenze zwischen tatsächlicher seherischer Begabung und ausgeprägtem strategischen Denken ist dabei fließend. Manche Angehörige des Dwannuach-Adels vermögen zu sehen, was im nächsten Augenblick geschieht, andere sehen bis zu einem Monat weit in die Zukunft, wobei diese Zukunft kein unabänderliches Schicksal darstellt, sondern eher eine wahrscheinliche Möglichkeit.

    Diese Fähigkeit ist Voraussetzung, um in Cambalar König sein zu können. Denn der König muss vorhersehen können, wo das Reich als nächstes angegriffen wird. Nur dann kann er seine Truppen rechtzeitig per Schiff an den richtigen Ort schicken und den Angriff abwehren.

    Die Existenz des Reiches hängt davon ab, alle wissen dies.

    Doch die Dwannuach-Könige von Cambalar regieren keineswegs nur aus eigener Herrlichkeit. Sie sind ihrerseits auf eine Truppe von Kriegern angewiesen, die als die Unsterblichen bezeichnet werden.

    Und das sind sie tatsächlich! Durch eine magische Prozedur, die mit der Einnahme eines Tranks verbunden ist (die aber niemand genau kennt, der nicht dazugehört), verändern sich die aufgenommenen Neumitglieder. Sie werden unempfindlich gegen Schmerz und Verwundung. Ihre Kraft und ihre Schnelligkeit nimmt über menschliches Maß zu. Ihre Haut wird weiß und pergamentartig, die Haare schlohweiß oder grau. Nach einiger Zeit sind sie nur noch sehr schwer zu töten, denn ihre Selbstheilungskräfte lassen Verwundungen sofort heilen. Abgetrennte Arme und Beine wachsen innerhalb von Stunden nach. Man muss sie regelrecht zerstückeln oder köpfen, wenn man sie umbringen will.

    Ihre Körper altern nicht, ihre Schwertarme kennen keine Müdigkeit.

    Man nennt sie die Diener von Tason, dem Totengott - denn ihm opfern sie in einem Ritual ihre Seele, um Unsterblichkeit und (nahezu) Unverwundbarkeit für ihre Leiber zu bekommen. Dieser Schwur wird hoch oben im Gebirge abgelegt, nachdem bei den Neulingen (von denen es nicht viele gibt, da die Verluste bei den Unsterblichen gering sind) die Veränderung bereits so weit fortgeschritten ist, dass ihnen auch die dünne Luft nichts ausmacht. 

    Neulinge ersetzen bei den Unsterblichen die wenigen Gefallenen. Sie werden nach bestimmten, geheimen Merkmalen erwählt.

    Die Unsterblichen werden von  Hochmeister Damlak kommandiert, der enorme Macht ausübt. Auf Grund seines langen Lebens hatte er viel Zeit, ein Netzwerk zu knüpfen, das ihn nach dem König zum mächtigsten Mann des Reiches von Cambalar macht. Und doch ist er auf den König angewiesen, denn ohne dessen Fähigkeit zur Voraussicht wäre Cambalar verloren.

    Der König wiederum weiß, dass er auf den Hochmeister angewiesen ist, der das Wissen um die Magie der Unsterblichkeit bewahrt.

    Die Götter verbieten es allerdings, dass jemals ein König in den Genuss dieser Unsterblichkeit gelangt. Denn eigentlich sind die Eigenschaften göttlich, die damit verbunden sind. Und der Totengott Tason, der dieses Geheimnis offenbarte, wurde deswegen auch von den anderen Göttern vom Gipfel des Götterberges verbannt und muss dem Mythos nach seitdem im Inneren des Berges leben. Es gibt allerdings dunkle Legenden darüber, dass Dwannuach-Könige sich trotzdem in den Besitz der Unsterblichkeit bringen wollten - mit jeweils katastrophalen Folgen.

    1

    Das vereinte Heer der Sandlinger und Barbaren, geführt von ihren Anführern, dem Fürsten Endrubal sowie dem Häuptling Solo Hasradun, war von der zerstörten Stadt Drongdal aus an der Grenze des Reichs von Cambalar nach Osten gezogen und hatte eine blutige Spur des Todes hinterlassen. Sie nutzten es unerbittlich und gnadenlos aus, dass die Menschen in den Städten und Dörfern geradezu sträflich in ihrer Wachsamkeit nachgelassen hatten, nachdem seit langer Zeit keine Überfälle mehr erfolgt waren. Das rächte sich nun bitter.

    König Ghaderich hatte zwar veranlasst, dass nach seiner Landung in Ascolan, der Hafenstadt in der großen Bucht, Boten ausgesandt wurden, die die Bevölkerung vor dem verfeindeten Heer warnen sollten, doch das Reich war groß, und es gab viele Städte, Dörfer, Weiler und einzelne Gehöfte, die die Boten aufzusuchen hatten.

    Solo Hasradun hatte drei Spione in die Hauptstadt des Reichs auf der Insel im großen Meer gesandt, denn es war zu befürchten, dass König Ghaderich aufgrund seiner seherischen Fähigkeiten längst vom Marsch des feindlichen Heers auf sein Reich informiert war. Was aus seinen drei Krieger geworden ist, wusste der Barbarenführer nicht. Sicher war nur, dass sie nicht zurückkehrten, was die Ahnung nährte, dass sie aufgeflogen und entweder getötet worden waren oder in einem Verlies in Cambalar darbten.

    Das war auch der Grund, aus dem das vereinte Heer nicht direkt nach Süden gezogen war. Endrubal und Solo Hasradun befürchteten, von einer schlagkräftigen Streitmacht erwartet zu werden. Und weil das so war, hatten sie eine Handvoll Kundschafter nach Süden geschickt, die das herausfinden sollten.

    Es war Abend, das Heer lagerte in einer Ebene, die von sanft geschwungenen, grasbewachsenen Hügeln begrenzt wurde. Hier war das Land noch steppenartig, es gab kaum Bäume und Sträucher. Alle dreihundert Schritte hatten die Feldherren auf den Anhöhen Doppelwachposten aufgestellt, die das Lager nach allen Himmelrichtungen zu sichern hatten. Sie wollten vor unliebsamen Überraschungen gewappnet sein.

    Endrubal und Solo Hasradun saßen zusammen mit ihren Unterführern und Unterhäuptlingen um ein großes Feuer herum, das mit dem Geäst verdorrter Sträucher genährt wurde. Es war finster, der Himmel war, wie schon seit Tagen, von dichten Wolken und dem Qualm der brennenden Städte und Dörfer verdeckt. Das Wechselspiel von Licht und Schatten, das die züngelnden Flammen produzierten, ließ die Augen glitzern und veränderte die Gesichter zu grotesken, dämonisch anmutenden Fratzen.

    Ein Trinksack aus Ziegenleder machte die Runde. In ihm befand sich Wein, den sie erbeutet hatten. Manchmal fielen ein paar gemurmelte Worte, ansonsten herrschte Schweigen. Sie waren den ganzen Tag über marschiert, hatten gekämpft, und nun waren sie erschöpft. Die Wirkung des Weins tat ein Übriges, um ihre Zungen schwer werden zu lassen und ihnen die Münder zu verschließen.

    Das Feuer brannte herunter, der eine oder andere in der Runde war einfach umgefallen, lag nun reglos auf der Erde und schnarchte. Im Lager wurde es ruhig.

    Die Wachposten hingegen mussten hellwach sein. Die Sicherheit des Heeres hing von ihrer Wachsamkeit ab. Wachvergehen wurden von den Heerführern mit dem Tod bestraft. Sie bohrten ihre Augen in die Dunkelheit hinein, lauschte angespannt dem Säuseln des Windes, dem Heulen der Wölfe und dem Jaulen der Kojoten. Die Finsternis war dicht und mit den Blicken kaum zu durchdringen. Die Geräusche, die vom Lagerplatz auf die Hügel geweht waren, wurden leiser und leiser. Die Krieger erholten sich vom Marschieren, vom Kämpfen, vom Töten und vom Plündern. Am Rand des Lagerplatzes stand ein Dutzend Fuhrwerke, auf denen die Beute befördert wurde. Die Zugpferde waren an ihnen mit langen Seilen festgebunden. Die Krieger, die ein Pferd besaßen, hatten dieses neben ihrem Nachtlager angepflockt.

    „Hörst du das?, stieß plötzlich einer der Wächter hervor. Er hatte das Ohr in den Wind, der von Süden kam, gedreht und atmete ganz flach. „Das sind Hufschläge. Jemand nähert sich auf einem Pferd.

    Der andere lauschte angestrengt. „Ja, murmelte er, „ohne Zweifel, da reitet jemand schnell wie der Wind. Vielleicht ein Bote unseres Spähtrupps. Alarmieren wir vorsichtshalber das Lager.

    Der Posten eilte in die Nacht hinein, und bald schon waren seine Rufe zu hören, mit denen er die anderen Wachen und schlafenden Krieger alarmierte. Sein Geschrei pflanzte sich fort, Flüche und wütende Rufe wurden laut, doch die Krieger, mochten sie noch so schlaftrunken sein, versetzten sich unverzüglich in Kampfbereitschaft.

    Lauter und lauter quoll das Hufgetrappel durch die Finsternis heran, das Hämmern der Hufe erinnerte an das Donnern von Brandungswellen. Schließlich spuckte die Nacht einen einzelnen Reiter aus. Einige Krieger verließen das Lager und rannten ihm, das Schwert oder die Axt in der Faust, entgegen. Er kam angejagt, riss das Pferd vorne hoch und drehte es auf der Stelle. Im nächsten Moment krachten die Vorderhufe auf den Boden, und einer der Krieger, die den Reiter eingekreist hatten, griff nach dem Kopfgeschirr, um das Tier mit eiserner Faust festzuhalten. Es röchelte und röhrte, seine Flanken zitterten.

    „Bringt mich zu Solo Hasradun!, schrie der Reiter heiser und völlig außer Atem. „Ich bin Cal Rudus, einer der Späher, die in Cambalar waren, und habe eine wichtige Meldung zu machen.

    Die Krieger liefen, das verausgabte Pferd mit dem erschöpften Reiter zwischen sich, zum Lager, wo Solo Hasradun und Endrubal im Kreis ihrer Unterführer darauf warteten, zu erfahren, wer sich ihrem Lager genähert hatte.

    Nachdem gemeldet worden war, dass es lediglich ein einzelner Reiter war, der den Alarm ausgelöst hatte, war sofort ein Feuer angezündet worden. Nun schlugen die Flammen bereits hoch und der Lichtschein breitete sich aus.

    Der Reiter ließ sich vom Pferd gleiten und trat mit unsicheren, vom langen, wilden Ritt steifen Beinen vor seinen Heerführer hin.

    „Cal Rudus, du!, stieß Solo Hasradun hervor. Raunen und Murmeln ging durch die Reihe der Unterführer. „Wo sind deine Gefährten? Warum kommst du alleine?

    „Man hat uns in der Hauptstadt erkannt, keuchte der Bote. „Ich konnte mit Mühe und Not entkommen, indem ich ins Wasser sprang. Während meine Gefährten die Wachen des Königs in einen Kampf verwickelten, gelang mir die Flucht. Ich habe unser Boot erreicht, schaffte es, das Meer zu überqueren und nahm einem Bauern das Pferd weg.

    „Sind deine Gefährten den Häschern des Königs lebend in die Hände gefallen?", fragte der große, breitschultrige Barbarenhäuptling mit den muskulösen Armen und den schulterlangen, schwarzen Haaren lauernd.

    „Ich habe keine Ahnung, mein Herr, erhielt er zur Antwort. „Wir konnten allerdings beobachten, dass viele Langboote zum Auslaufen fertig gemacht worden sind. Man hat sie mit Vorräten und Trinkwasser für ein großes Heer beladen. Während meiner Flucht habe ich sie einmal auf dem Meer von Weitem gesehen. Es handelt sich um eine große Flotte, die nach Norden unterwegs war.

    „Also werden wir erwartet, zog Solo Hasradun den einzigen für ihn in Frage kommenden Schluss. „König Ghaderichs hellseherische Begabung hat uns verraten. Es war klug von uns, nicht in direkter Linie nach Süden vorzurücken, sondern erst einmal die Städte und Dörfer an der Grenze zu schleifen.

    „Wir müssen das Heer aufteilen, sagte Endrubal, „und in weit auseinander gezogener Linie die einzelnen Gruppen nach Süden marschieren lassen. Eine Feldschlacht gegen das Heer der Unsterblichen, das sich uns in den Weg stellen wird, können wir nicht gewinnen.

    „Wir sind nicht nach Cambalar gezogen, um zu sterben, rief Solo Hasradun. „Wir sind hier, um reiche Beute nach Hause zu bringen.

    Zustimmendes Geschrei erhob sich aus der Schar der Krieger.

    Der rechte Arm des Barbarenführers zuckte hoch, das Stimmendurcheinander versickerte. Er sagte: „Es ist anzunehmen, dass eine Gruppe der Krieger auf die Streitmacht des Königs trifft. Sie wird das königliche Heer mit ihren Schleudern aus dem Hinterhalt attackieren und es zwingen, zu lagern und sich zu verbarrikadieren. Das verschafft den anderen Gruppen ausreichend Zeit, an der Streitmacht Ghaderichs vorbei gen Süden zu ziehen."

    „Städte werden in einem weiten Bogen umgangen, denn um sie anzugreifen ist eine einzelne Gruppe zu schwach, fügte Endrubal hinzu. „Dörfer, Weiler und Gehöfte werden vernichtet.

    Von Solo Hasradun kam kein Widerspruch. Alles war mit Endrubal für den Fall der Fälle längst abgesprochen worden, sodass zwischen ihnen Einigkeit bestand.

    Am Morgen wurde das Heer in zwölf Gruppen gegliedert, und jedem dieser Trupps wurde ein Fuhrwerk zugeteilt. Den Befehl über die verschiedenen Rotten erhielten die Unterführer. Schließlich ließ Endrubal zum Aufbruch blasen.

    Die verschiedenen Kampfgruppen setzten sich nach Süden zu in Bewegung, fächerten aber mehr und mehr auseinander, und zwei Stunden später waren sie so weit verstreut, dass ein Trupp vom anderen nicht einmal mehr den aufgewirbelten Staub sehen konnte.

    *

    Von Süden marschierte das Heer des Königs von Cambalar in Richtung Grenze. Die Späher, die König Ghaderich ausgesandt hatte, waren noch nicht zurückgekehrt. Manches Mal erspähte die Vorhut hoch oben im Norden aufgewirbelten Staub, aber das war wohl der Wind, der ihn in die Höhe riss und mit sich forttrug.

    Die vier Zenturien marschierten in Blöcken. Der Streitwagen des Königs und seine Leibwache folgten der zweiten Hundertschaft.

    Die Landschaft hatte sich verändert. An die Stelle der Steppe mit bis zu hüfthohem Gras war fruchtbares Land getreten, dessen Bewohner von der Landwirtschaft lebten. Es gab weitläufige Wälder, Flüsse und Bäche, deren Ufer von dichtem Gebüsch und alten Pappeln gesäumt waren.

    Sie waren nun seit vier Tagen auf dem Marsch. Die wenigen Ortschaften, die an ihrem Weg gelegen hatten, waren bereits alarmiert gewesen. Die Boten aus Ascolan hatten sie gewarnt. Die Dörfler sowie die Bewohner der Weiler und einzelnen Gehöfte waren in die Städte geflohen und hatten so viel wie möglich von ihrem Hab und Gut in Sicherheit gebracht. In den Städten herrschten Angst und Verzweiflung. Mit Schaudern erinnerten sich die Älteren an die zahlreichen Einfälle der wilden, barbarischen Horden aus dem hohen Norden. Die schlimmsten Schauergeschichten wurden erzählt und so die Furcht geschürt.

    Das cambalarische Heer näherte sich einem hügeligen Terrain. Aus den Kuppen der Hügel erhoben sich hier und dort bis zu haushohe Felsen. Die Abhänge waren von dichten Buschgruppen bewachsen. Es war schwül, von der Sonne war wegen der dunklen Wolken, die den Himmel bedeckten, nicht mehr als ein verschwommener, gelber Fleck zu sehen. Myriaden von kleinen Stechmücken setzten den Kriegern, dem König und den Pferden zu.

    Die Vorhut, bestehend aus zehn Berittenen, zog zwischen die Hügel. Es war ein hervorragender Platz für einen Überfall, doch nichts deutete auf Gefahr hin. Die Blicke der Krieger huschten über die Hügelkuppen hinweg und tasteten die Buschgruppen sowie Felsformationen ab. Die Hufschläge schluckte das Gras, das den Boden bedeckte. Manchmal klirrte es, wenn ein Huf gegen einen Stein schlug. Im Abstand einer Viertelmeile folgten die vier Zenturien mit dem König und seiner Leibgarde.

    Plötzlich zischten von den Höhen herunter, aus der Deckung der Felsen und Büsche, Steine von der Größe einer halben Männerfaust. Die Reiter der Vorhut und auch die Pferde wurden getroffen. Wildes Geschrei erhob sich, Pferde wieherten schrill und trompetend und stiegen auf die Hinterhand, brachen vorne ein, gingen zu Boden und keilten voll Panik mit den Hufen aus. Im Handumdrehen wälzte sich ein Knäuel ineinander verkeilter Pferde und Krieger am Boden.

    Beim nachfolgenden Heer war der Überfall nicht verborgen geblieben. Die vorderste Zenturie erhielt den Befehl, der Vorhut zu Hilfe zu kommen, und die Soldaten näherten sich im Laufschritt den Hügeln.

    Die zehn Krieger der Vorhut, alles Unsterbliche, bluteten aus zahlreichen Wunden. Am Boden lagen drei tote Pferde. Die anderen Tiere liefen kopfscheu hin und her, peitschten nervös mit den Schweifen, prusteten und schnaubten aufgeregt.

    Die Krieger der Zenturie hielten ihre Schwerter in den Fäusten und trugen am anderen Arm die Schilde. Der Zenturio brüllte seine Befehle und die Schar teilte sich auf, stürmte die Abhänge zu beiden Seiten und vor ihnen empor, und die Krieger verschwanden hinter Strauchwerk und Felsen, wo die Wegelagerer gelauert hatten.

    Unverrichteter Dinge kamen sie wenig später zurück, denn die Angreifer hatten sich abgesetzt, es war, als hätte sie der Erdboden geschluckt. Doch das war ganz sicher nicht der Fall. Es gab in der Runde tausend Möglichkeiten, sich unsichtbar zu machen. Wahrscheinlich lauerten die Sandlinger und Barbaren in Mulden, hinter Bodenerhebungen und Felsen sowie unter dichtem Strauchwerk darauf, dass ihnen ein Unsterblicher vor das Schwert oder die Axt lief, um ihm den Kopf vom Rumpf zu trennen oder ihn in Stücke zu hacken.

    Die Wunden, die die Steine den Kriegern der Vorhut zugefügt hatten, hatten sich sogleich wieder geschlossen. Sie sammelten ihre Pferde ein, der Zenturio, der die Hundertschaft zwischen die Hügel geführt hatte, ritt, begleitet von vier Kriegern, zurück. Das übrige Heer hatte angehalten. Die drei Zenturien standen in Reih und Glied, bereit, auf Befehl loszustürmen oder sich zur Verteidigung zu formieren.

    Beim königlichen Streitwagen angekommen saß der Zenturio ab, verneigte sich und meldete: „Es kann sich nur um eine kleine Gruppe unserer Feinde gehandelt haben, mein König. Sie haben drei Pferde getötet und sich nach ihrer Attacke sofort zurückgezogen, um irgendwelche Verstecke aufzusuchen."

    König Ghaderich nagte an seiner Unterlippe und ließ den versonnenen Blick über die Hügel schweifen. „Werden sie uns erneut angreifen, wenn wir durch das hügelige Terrain ziehen?", fragte er schließlich.

    „Das ist zu erwarten, mein König, antwortete der Zenturio. „Ich vermute, dass sich jener Spion, der den Wachen in der Hauptstadt entkommen konnte, durchgeschlagen und das feindliche Heer erreicht hat. Deren Führer wissen also, dass ihnen Euer Heer entgegenzieht, mein König, und sie haben ihre Streitmacht kurzerhand aufgeteilt. Nun ziehen mehrere marodierende Gruppen getrennt voneinander durchs Land und verbreiten Angst und Schrecken.

    „Das wird wohl so sein, murmelte der König. Dann hob sich seine Stimme und er rief: „Wir durchkämmen die Hügel nach feindlichen Kriegern. Tötet jeden, den ihr aufstöbert. Danach werden wir unser weiteres Vorgehen festlegen. Ich befehle daher für heute Abend alle Kommandanten zu mir. Es dürfte nämlich wichtig geworden sein, weiter nach Norden zu ziehen. Ich befürchte, dass wir dort oben nur noch niedergebrannte Dörfer und Städte vorfinden.

    „Zu Befehl, mein König."

    Der Zenturio schwang sich wieder auf sein Pferd und trieb es an. Er gab den Befehl des Königs an die anderen Offiziere weiter, und schon wenig später setzten sich die Kohorten auf die Hügel zu in Bewegung. Noch marschierten sie im Gleichschritt. Dort, wo das hügelige Terrain begann, lösten sich die Hundertschaften auf, und die Krieger schwärmten in kleinen Gruppen aus, um Feinde aufzustöbern und zu töten.

    Als es dunkel wurde, sammelte sich das Heer wieder vor den Hügeln. Der König gab den Befehl, hier zu lagen und Schanzen zu errichten. Man hütete sich, als die Dunkelheit kam, Feuer anzuzünden. Die Zenturionen fanden sich bei König Ghaderich ein, einer meldete: „Unseren Kriegern ist nicht ein einziger Echsenmensch oder Barbar in die Hände gefallen, mein König. Sie verstehen es, eins zu werden mit ihrer Umgebung. Als die Dunkelheit kam, mussten wir die Suche abbrechen."

    „Ich glaube, erwiderte Ghaderich, „ich habe die Taktik dieser Wüstenmenschen durchschaut. Aber wir werden uns von einer Handvoll dieser minderwertigen Kreaturen nicht aufhalten und festnageln lassen, sondern selbst Kampfgruppen bilden und in weit auseinander gezogener Linie zur Küste zurückkehren.

    „Es sieht so aus, als hätten die Eindringlinge zwischen hier und der Grenze schon großen Schaden angerichtet", murmelte einer der Offiziere.

    „Dafür werden sie zu büßen haben, prophezeite der König. „Sollten mir ihre Anführer in die Hände fallen, werde ich sie vierteilen lassen. Das schwöre ich bei Tason und all den anderen Göttern, die auf den Gipfeln der Berge im Heiligen Gebirge ihre Wohnstätten innehaben.

    „Euer Leben steht auf dem Spiel, mein König, gab einer der Zenturien zu bedenken. „Die Steine, die die Sandlinger und Barbaren mit ihren Schleudern verschießen, können einen Menschenkopf glatt durchschlagen oder ihn zerschmettern. Euren unsterblichen Kriegern können sie kaum etwas anhaben. Es besteht jedoch die Gefahr, dass Ihr von einem Stein getroffen und verletzt oder gar getötet werdet.

    „Die Soldaten meiner Leibgarde werden mich mit ihren Schilden schützen", erwiderte Ghaderich.

    „Auch die Schilde Eurer Leibwache sind keine Garantie dafür, dass Ihr nicht getroffen werdet."

    „Was wollt Ihr damit zum Ausdruck bringen, Zenturio?", fragte König Ghaderich.

    „Dass wir erst weiterziehen sollten, wenn Euch keine Gefahr mehr droht."

    „Sie ist allgegenwärtig, solange einer der feindlichen Schleuderer am Leben ist", versetzte Ghaderich.

    „Ihr erkennt das sehr richtig, mein König, sagte der Offizier. „Darum dürfen wir Euren Plan, Kampfgruppen zu bilden, die die Trupps der Feinde stellen und niederkämpfen sollen, erst dann umsetzen, wenn hier der letzte der Gegner tot zu unseren Füßen liegt.

    „Das verschafft den anderen feindlichen Kriegerscharen Zeit, um weiter in meinem Reich zu morden, zu plündern und zu brandschatzen, stöhnte der König. „Mein Volk wird mich hassen, denn ich beschütze es nicht.

    „Dem Schicksal und den unerforschlichen Ratschlüssen unserer Götter habt auch Ihr nichts entgegenzusetzen, mein König. Doch Euer Leben darf nicht in die Waagschale geworfen werden. Es ist höher zu bewerten als jedes andere Leben im Reich."

    Ghaderichs Miene überschattete sich für einen Moment. Er dachte daran, dass es den Königen aus dem Geschlecht derer von Dwannuach genommen war, Unsterblichkeit zu erlangen. Sein Sohn Jylan kam ihm in den Sinn, dessen grässlicher Tod, der Frevel und die Strafe der Götter, die ihm die geliebte erste Frau namens Zereen genommen hatten. Nun sollten sie durch das Opfer, das der Hauptmann seiner Leibgarde, Shenan Gal, in die Höhle am Heiligen Berg Tasons zu bringen den Auftrag erhalten hatte, besänftigt werden.

    Das Opfer war sein eigen Fleisch und Blut, sein Sohn Carraq. Seine junge Gemahlin, Heres, war vor einigen Tagen von ihm und einem weiteren Sohn entbunden worden, doch Carraq war mit dem Zeichen des Gottes Tason gebrandmarkt gewesen. Also gehörte er Tason!

    Nachdem das Lager aufgeschlagen, die Schanzen rundherum fertig waren, der König sein karges Abendmahl zu sich genommen und sich auf seinem harten Lager ausgestreckt hatte, versuchte er einen Blick in die Heiligen Berge zu erhaschen. Er wusste nicht, ob Shenan Gal seine Mission hatte erfüllen können. Diese Unsicherheit nagte und fraß in ihm. Wenn es ihm gelang, einen Blick in die nächste Zukunft des Offiziers zu werfen, würde er wissen, ob er erfolgreich gewesen war oder nicht.

    So sehr er sich anstrengte – der Blick in die Heiligen Berge blieb ihm verwehrt.

    Verhinderten die Götter, dass er erfuhr, was sich dort abspielte? Hatte Shenan Gal den Gefahren, die ihn dort erwartet hatten, nicht trotzen können und den Gnomen, Dämonen, Orks und Berggeistern nicht standgehalten?

    Schwer trug Ghaderich an seiner Verunsicherung, an seiner quälenden Unwissenheit und den düsteren Ahnungen, die ihn immer wieder beschlichen.

    2

    Tage waren vergangen, seit Shenan Gal von einem Felsen aus den Grauen Tod tief unten im Tal gesehen hatte. Er war sofort von dem Felsen gestiegen und in die Ebene geeilt, doch der Graue Tod, bei dem es sich seiner Überzeugung nach um Segol, den Ausgestoßenen, den Verfemten, handelte, war verschwunden, als hätte er sich in Rauch aufgelöst.

    Vergeblich suchte Shenan Gal nun schon drei Tage nach ihm. Nun saß der Unsterbliche zwischen den Felsen an einem Wasserloch. Die Sonne, die den ganzen Tag über das Mensch und Tier mit sengender Hitze gequält hatte, war im Untergehen begriffen. In weiter Ferne sah er den Heiligen Berg, aus dem in gleichmäßigen Abständen der feurige Atem des Totengottes stieg.

    Nur einmal war Shenan Gal einem Einsiedlermönch begegnet, doch der konnte ihm über den Verbleib des Gesuchten keine Auskunft erteilen.

    Der Unsterbliche überlegte, in welche Richtung er sich am folgenden Tag wenden wollte, als ein bedrohliches Knurren heranwehte. Schon eine ganze Weile hatte er Wolfsgeheul vernehmen können; langgezogene, klagende Heultöne, in die des Öfteren andere Wölfe eingestimmt hatten. Es hatte sich oftmals zu schrillen Misstönen gesteigert, war verstummt, um wenig später aufs Neue zu erklingen, jedes Mal ein wenig deutlicher und intensiver, was dem Unsterblichen verriet, dass sich die Wölfe seinem Lagerplatz näherten.

    Seit einiger Zeit schwiegen nun die Wölfe, und der Unsterbliche fragte sich, ob sie bereits um seinen Lagerplatz herumschlichen, oder ob es sich um ein anderes Tier handelte, dessen Knurren er vernommen hatte. Er dachte an Berglöwen, von denen einer den Gnom Helmward zerfetzt hatte, der für den Prinzen Ziegenmilch beschaffen sollte. Der Mönch, der ihm und Roderich vom Tod des Gnoms berichtete, hatte behauptet, dass der Berglöwe einem Dämon als Wirtskörper gedient hatte. War auch er, der Unsterbliche, von Biestern umzingelt, die mit unseligem Dämonenleben erfüllt waren?

    Ihr Götter, steht mir bei, bat er, erhob sich und zog das Schwert. Dort, wo die Sonne versunken war, hatte sich der Himmel schwefelgelb verfärbt. Einige Wolken, die sich vor diese Kulisse geschoben hatten, schienen in diesem intensiven Licht zu erglühen.

    Geduckt und lauernd stand der Unsterbliche neben dem Wasserloch, angespannt lauschend, bereit, jeden Angriff – wer immer es auch war, der ihn ausführte – abzuwehren. Sein Gesicht war eine starre Maske, in dem nur die Augen zu leben schienen.

    Wieder ertönte das leise Knurren.

    Shenan Gal war sicher, dass der Angriff jeden Moment erfolgen würde. Er biss die Zähne zusammen und steigerte seine Bereitschaft. Da huschte auch schon ein großer, grauer Wolf mit geschlitzten, gelben Augen zwischen den Felsen hervor. Der ausdruckslose Blick des furchterregenden Tieres war auf den Krieger gerichtet. Zwei, drei weitere kräftige, zottige Körper schälten sich aus der Dunkelheit und glitten in die Mulde, die Shenan Gal zu seinem Lagerplatz auserkoren hatte. Wahrscheinlich wollten sie zum Wasser, und nun hatten sie feststellen müssen, dass das Wasserloch von einem menschlichen Wesen besetzt war. Die Tatsache, dass sie Wasser brauchten, stimmte den Unsterblich zuversichtlich, dass es sich um weltliche und nicht um dämonische Wesen handelte.

    Läufe scharrten im Sand, entblößte Reißzähne schimmerten fahl in der Dämmerung, das Knurren wurde lauter und zorniger, Lefzen hoben sich über den mächtigen, Achtung gebietenden Fängen, und Shenan Gal glaubte den hechelnden, heißen Atem der Bestien sogar zu spüren.

    Geduckt kamen sie näher, den Krieger nicht aus den Augen lassend. Plötzlich drückte sich der vorderste mit einem urgewaltigen Satz vom Boden ab und flog Shenan Gal direkt an die Kehle. Der Krieger schlug zu. Aufheulend überschlug sich der Wolf, lag am Boden, kam wieder auf die Hinterbeine, rutschte ein Stück nach vorn und brach winselnd zusammen. Blut pulsierte aus seinem Hals.

    Doch das bekam der Unsterbliche gar nicht mit, denn die anderen Bestien griffen an. Die Klinge in der Faust Shenan Gals begann zu wirbeln. Er traf eines der Tiere, es begann wie irrsinnig zu kreiseln, fiel auf die Seite und verendete. Ein anderer Wolf flog auf den Krieger zu und brachte ihn zu Fall. Er verlor das Schwert. Seine Hände griffen zu und verkrallten sich am Hals des Untiers. Der schale Atem der Bestie streifte Shenan Gals Gesicht, knapp vor seiner Kehle schlugen die scharfen Zähne zusammen. Geifer spritzte gegen den Hals und ins Gesicht des Unsterblichen. Der Krieger wälzte sich mit dem schweren Rüden auf dem Boden. Die Wolfslichter schillerten, und der Unsterbliche glaubte die blanke Mordlust in ihnen zu erkennen. Tatsächlich aber war es wohl der Hunger, der ihm entgegenblickte.

    Mit dem linken Arm drückte er den Kopf des Wolfes zurück, seine rechte Hand ertastete den Dolch am Gürtel. Es gelang ihm, ihn zu ziehen und die Klinge dem Untier in die Seite zu rammen. Der Wolf heulte kläglich auf, die Augen brachen und er rollte zur Seite.

    Behände kam der Unsterbliche auf die Beine. Der letzte Wolf des Rudels sprang an ihm hoch, wurde mit einem kräftigen Stoß des linken Armes von Shenan Gal abgewehrt, federte mit zwei Sprüngen zurück, machte aber sofort wieder kehrt und schoss schnurgerade auf den Krieger zu.

    Shenan Gal spießte ihn mit dem Dolch regelrecht auf und schleuderte ihn kraftvoll zur Seite. Der Wolfskörper krachte auf den Boden, die Beine zuckten noch einige Male, ein verlöschendes Winseln, dann herrschte Stille.

    Nein, diese Wölfe waren nicht von Dämonen besessen gewesen.

    Shenan Gal wischte sich den Geifer aus dem Gesicht und vom Hals, holte sein Schwert und versenkte den Dolch in der Scheide. In dem Moment, als er einen der reglosen Vierbeiner an den Hinterläufen packte, um ihn zwischen die Felsen zu schleifen, vernahm er ferne gutturale Rufe, die sich aber schnell näherten, sie vermischten sich mit deutlicher werdenden, trampelnden Schritten, und Shenan Gal fragte sich, wer da wohl auf der Spur der Wölfe kam.

    Er ließ das tote Tier los, sprang zum Wasserloch, riss seinen Rucksack an sich und floh in eine Felsspalte, schmiegte sich im Schutz eines Felsvorsprungs hart an das raue Gestein und harrte dessen, was sich anbahnte. Es ließ nicht lange auf sich warten. Auf seinen Lagerplatz drängten vier, fünf riesige Wesen, anderthalb mal so groß wie er, der Unsterbliche, stark behaart und muskulös, ein Zwischending zwischen Affe und Mensch. Aus ihren Mündern ragten gewaltige Hauer, sie waren mit Keulen bewaffnet und begannen nun beim Anblick der toten Tiere erregt aufeinander einzuschreien. Dabei schauten sie sich mit wilden Blicken um, drehten sich auf der Stelle und stießen Laute aus, wie sie eher einem Tier als einem Menschen zuzuordnen waren.

    Shenan Gal war sicher, dass es sich um Orks handelte, von denen er wusste, dass sie seit einiger Zeit im Gebirge hausten. Selten zuvor hatte er hässlichere Kreaturen gesehen. Sie waren den Wölfen gefolgt, um sie zu erjagen und zu verspeisen. Sich mit diesen fünf Riesen auf einen Kampf einzulassen, erschien dem Unsterblichen nicht ratsam, denn wenn sie ihn zu packen bekämen, wäre seine letzte Stunde angebrochen. Diese bärenstarken Wesen würden ihn in Stücke reißen.

    Sie beruhigten sich. Einer kniete bei einem der toten Wölfe nieder, griff mit beiden Händen zu und riss den Leib des Tieres mit einem Ruck in zwei Teile. Seine linke Hand verschwand in einer dieser Hälften, umklammerte warmes Fleisch und zuckte zurück. Als sie wieder zum Vorschein kam, hielt sie einen blutenden Fleischbrocken umklammert. Der Ork grunzte und schmatzte, dann schob er ihn sich in den Mund und begann zu kauen.

    Shenan Gal fand, dass es an der Zeit war, sich leise zu verabschieden und sich einen anderen Platz zum Nächtigen zu suchen.

    Er zog sich zurück. Der Felsspalt wurde breiter, die Felsen traten immer weiter auseinander, und der Unsterbliche befand sich in einer Schlucht, der er folgte. Sie endete bei einem Hochtal, das von Gebirgsketten begrenzt wurde.

    Vages Mond- und Sternenlicht ermöglichte es dem Krieger, seine Umgebung einigermaßen wahrzunehmen. Er lief in das Tal hinein, erreichte eine Gruppe von Felsen und beschloss, zwischen ihnen die Nacht zu verbringen.

    Am folgenden Morgen setzte er seine Suche nach Segol, dem Grauen Tod, fort. Einer inneren Stimme folgend kehrte er zum heiligen Felsen zurück und erklomm ihn. In der Höhle angekommen empfing ihn ein furchtbarer Gestank, und die Ursache dafür sah er am Höhlenboden verstreut herumliegen. Es waren die schon in Verwesung übergegangenen Leichen der Gnome, die dem Grauen Tod zum Opfer gefallen waren, als sie sich Prinz Carraq holen wollten.

    Von dem Säugling fehlte jede Spur.

    Shenan Gal war ziemlich ratlos. Er hielt die Luft an und ging tiefer in die Höhle hinein, folgte dem pulsierenden roten Schein an ihrem Ende und erreichte die Schlucht, auf deren Grund ein Strom aus glühender Lava floss.

    Shenan Gal kehrte um. Tausend Fragen stürmten auf ihn ein, doch er fand auf keine eine befriedigende Antwort. Der Prinz war spurlos verschwunden. Hatte ihn sich Tason geholt? Wo waren die Gnome hergekommen? War ihm Roderich, entgegen seiner Beteuerung, ihn in Ruhe zu lassen, mit einer kleinen Schar seiner Gnomenkrieger gefolgt?

    Er ging von einem Leichnam zum anderen und schaute sich die hässlichen Gesichter an. In den weit aufgerissenen, gebrochenen Augen glaubte er noch das Entsetzen und den letzten Schrecken ihres Lebens erkennen zu können. Roderich war nicht unter den Toten.

    War Tason für ihren Tod verantwortlich?

    Der Gestank war geradezu bestialisch, und selbst Shenan Gal, bar so ziemlich jeglicher menschlicher Empfindung, ertrug ihn nicht länger. Er verließ die Höhle, atmete tief durch und – erstarrte. Etwas Scharfes, Kaltes drückte unvermittelt seitlich gegen seinen Hals, und eine Stimme erklang: „Wolltest du den Prinzen wieder holen, Unsterblicher?"

    Shenan Gal schielte nach unten und sah die Spitze sowie ein Stück einer schmalen Schwertklinge, die an seinem Hals lag. Niemand musste ihm sagen, dass hinter ihm der Graue Tod stand. Langsam wandte er sich um. Die Klinge wurde nicht von seinem Hals genommen. Leicht ritzte sie seine Haut, doch die Wunde schloss sich sogleich wieder.

    „Hast du die Gnome getötet, Namenloser?", fragte er und schaute seinem Gegenüber in die Augen, die ihn ausdruckslos fixierten.

    Das Gesicht des namenlosen Wanderers war, wie schon bei ihrer ersten Begegnung, vermummt, in der linken Hand hielt er den langen Stock, der zugleich die Scheide für sein Schwert war.

    „Ja. Sie nennen mich den Grauen Tod."

    „Und ich nenne dich Segol, stieß Shenan Gal hervor. „Du lebst also. Hast du Prinz Carraq aus der Höhle geholt?

    „Ja. Ich werde ihn großziehen und auf ihn meinen Hass gegen König Ghaderich übertragen."

    „Dich dürstet es also nach wie vor nach Rache", versetzte Shenan Gal.

    „Eine Rache, die ich vollziehen werde."

    „Um das zu verhindern habe ich dich gesucht."

    „Nicht du hast mich gefunden, Shenan Gal, sondern ich dich. Ich muss dich töten, denn ich muss verhindern, dass du König Ghaderich warnst."

    „Warum dieser Hass?, fragte Shenan Gal. „Du warst schuld, dass Jylan, der Thronfolger von Cambalar, einen viel zu frühen, grässlichen Tod starb. Bist du nicht der Meinung, dass es gerecht war, dich dafür zu bestrafen?

    „Mein Hass ist gerechtfertigt. Du sprichst von Gerechtigkeit? Ein sarkastisches Lachen folgte, dann: „Der Gerechtigkeit wird dann erst Genüge getan sein, wenn Ghaderich sein Leben ausgehaucht hat. – Du gehst jetzt vor mir her, Shenan Gal. Versuche nicht, das Blatt zu wenden. Ich würde dich mit meinem Schwert in zwei Teile zerschneiden.

    „Wohin bringst du mich?"

    „Zu meinem Lager. Du sollst die Wahrheit erfahren, damit sie wenigstens einer aus Cambalar kennt. Allerdings wirst du sie mit dir ins Grab nehmen."

    Shenan Gal überlegt kurz, ob es Sinn machte, sich zu wehren. Aber Segol würde nicht zaudern, ihn entweder zu köpfen oder ihn tatsächlich in zwei Teile zu zerschneiden. Dadurch, dass er ihn zu seinem Lager bringen wollte, verschaffte ihm Segol jedoch Zeit. Sollte sich eine Chance abzeichnen, ihn zu überwältigen, würde er, Shenan Gal, sie ohne zu zögern ergreifen.

    „In Ordnung, Segol. Ich weiß, wann ich verloren habe." Nach diesen Worten drehte sich Shenan Gal um und marschierte los.

    Einen halben Tag lang dirigierte ihn Segol durch das Labyrinth aus Felsen und Schluchten, dann erreichten sie die Höhle, in der der Eremit hauste. Es gab hier nur eine Schlaf- und eine Feuerstelle.

    „Wo ist der Prinz?", erkundigte sich Shenan Gal.

    „Bei einem Mönch, der mir freundlich gesinnt ist."

    „Prinz Carraq trägt das Mal des Totengottes auf der Stirn, sagte Shenan Gal. „Der Prinz ist sein. König Ghaderich hat es so bestimmt. Du hast Tason seines Opfers beraubt.

    „Tason und die anderen Götter waren nicht gerecht zu mir, entgegnete Segol. „Sie hätten den niederträchtigen Verrat, den König Ghaderich an mir begangen hat, nicht zulassen dürfen. Ich habe mich von ihnen abgewandt.

    „Du sprichst von meinem Herrn und Gebieter, dem ich treu ergeben bin", fauchte der Krieger aus Cambalar.

    „Dein Herr und Gebieter ist verlogen und feige, versetzte Segol. „Für seine Falschheit wird er mit seinem Leben büßen. Setz dich dorthin. Segol wies mit der Schwerklinge auf eine Stelle an der Höhlenwand. „Und dann höre die Wahrheit, Shenan Gal."

    3

    Shenan Gal hatte sich auf den ihm zugewiesenen Platz niedergelassen, Segol saß ihm gegenüber auf der anderen Seite der Höhle. Zwischen ihnen loderte ein kleines Feuer, das die Düsternis ein wenig lichtete. Segol hatte die Tücher von seinem Gesicht genommen. Nun war deutlich, dass er ein Unsterblicher war. Die Haut war kalkig weiß und ledrig, seine schulterlangen, strähnigen Haare waren ebenfalls weiß.

    Er musste sich seiner Sache ausgesprochen sicher sein, denn er hatte Shenan Gal das Schwert und den Dolch belassen. Sein eigenes Schwert steckte wieder in dem langen Stock, den er auf seinen Wanderschaften durch das Gebirge stets dabei hatte. Er saß im Schneidersitz, der Stock lag quer über seinen Oberschenkeln.

    Shenan Gal ließ ihn keinen Augenblick aus den Augen. Er fürchtete Segol nicht, und sein Entschluss, den ehemaligen, hasserfüllten Trunkmeister auszulöschen, um König Ghaderich vor seiner Rache zu bewahren, war unumstößlich. Sobald sich eine Gelegenheit bot, würde er ihn umsetzen. Das Risiko für sich wollte er allerdings so gering wie möglich halten. Unterschätzen durfte er den Verfemten auf keinen Fall.

    „Ich warte", stieß er hervor.

    Segol starrte gedankenvoll in die züngelnden Flammen des kleinen Feuers. Es war, als würden vor seinem inneren Auge Bilder den Nebeln der Vergangenheit entsteigen, die ihn bannten. „Du weißt, dass es die Götter den Königen von Cambalar untersagt haben, Unsterblichkeit anzustreben", sagte er schließlich, als sich bei ihm der Bann gelöst hatte.

    „Dieses Gesetz hast du gebrochen, indem du den Thronfolger unsterblich machen wolltest", erwiderte Shenan Gal.

    „Es war die Idee König Ghaderichs", erklärte Segol.

    „Du lügst!"

    „Es ist die Wahrheit. Die jahrtausendealte Trennung zwischen Königsthron und Unsterblichkeit sollte ein Ende finden. Für sich wollte der König die Unsterblichkeit nicht, aber sein Sohn sollte die Fähigkeit des Sehens und Unsterblichkeit in sich vereinen. Der König hat mich, seinen Trunkmeister, dazu überredet, für Jylan den Trunk zu brauen, der ihn unsterblich machen sollte. Er versprach mir das Amt des Hochmeisters. Ich hatte Bedenken, denn es war gegen göttliches Gesetz, was Ghaderich vorhatte. Aber dann ließ ich mich zu dem Frevel überreden. König Ghaderichs Ziel war es, die Dynastie der Dwannuach für alle Ewigkeit in Cambalar zu etablieren. Sein Sohn sollte für Jahrtausende auf dem Thron sitzen und die Geschicke von Cambalar leiten."

    Segol schwieg jetzt.

    Auch Shenan Gals Lippen waren wie versiegelt. Von seinen Zügen war nicht abzulesen, was hinter seiner Stirn vorging.

    Das Holz im Feuer knackte, hin und wieder sprühten Funken, langsam sanken die Flammen in sich zusammen, die Düsternis in der Höhle nahm wieder zu.

    Nach einer ganzen Weile ergriff wieder Segol das Wort, indem er sagte: „Wir vollzogen hier im Heiligen Gebirge, an einem geheimen Ort, mit Jylan das magische Ritual und ich gab ihm den Trunk, den ich gebraut hatte, zu trinken. Danach kehrten wir nach Cambalar zurück. Als wir ankamen, war Jylan dem Tod näher als dem Leben. Er wand sich vor Schmerzen, verfiel mehr und mehr und starb schließlich."

    „Ein Zeichen, das die Götter gesetzt haben, stieß Shenan Gal hervor. „Sie ließen es nicht zu, dass ein Dwannuach, der für den Königsthron bestimmt war, Unsterblichkeit erlangte, und haben ihr Gebot durchgesetzt.

    Segol schüttelte den Kopf. „Nein, ich ..., er tippte sich mit dem Daumen seiner Linken gegen die Brust, „... habe einen Fehler begangen. Ich weiß jetzt auch welchen, denn ich war, nachdem ich den Schergen Ghaderichs entkommen bin, nicht untätig. Er wird mir nicht mehr unterlaufen.

    „Was heißt das?"

    „Dass der König, der nach Ghaderich den Thron von Cambalar besteigt, unsterblich sein wird. Es wird ein Dwannuach sein, er wird die Fähigkeit des Sehens besitzen, und er wird bis ans Ende aller Tage über das Reich herrschen."

    „Prinz Carraq!", brach es aus Shenan Gals Kehle.

    „Sehr richtig, bestätigte Segol. „Ihn werde ich zum unsterblichen König erheben – zu meinem König. Mit ihm zusammen werde ich Cambalar regieren. Ghaderichs Gebeine aber werden verrotten, und nichts wird an ihn erinnern, denn ich werde die Erinnerung an ihn auslöschen.

    „Der nächste König ist Thorazan", wandte Shenan Gal ein.

    „Auch er wird tot und die Herrschaft der sterblichen Könige aus dem Geschlecht der Dwannuach beendet sein. Ghaderich hat mich zum Schuldigen erklärt, als sein Sohn Jylan gestorben war. Sein Wort hat gegen das meine gestanden. Ihm glaubte man, mich stellte man als Lügner hin. Den Rest kennst du. Ich habe Rache geschworen, und ich werde meinen Racheschwur vollziehen."

    „Es sei denn, du wirst daran gehindert", sagte Shenan Gal.

    „Wer will mich daran hindern? Du etwa?" Hohn glitzerte in den Augen Segols.

    „Möglich", war die lakonische Antwort.

    Jetzt lachte Segol schallend auf. „Du bist in meiner Hand. Ich werde dich töten, denn die Kunde, dass ich lebe, darf König Ghaderich nicht erreichen."

    „Was du vorhast, ist vermessen, ich möchte fast sagen, größenwahnsinnig, Segol. Wie ist es dir damals gelungen, den Kriegern zu entkommen, die dich zu Tason bringen sollten? Hattest du Helfershelfer?"

    „Nein. Sie waren Sterbliche, ich aber war unsterblich. Es gelang mir, einem von ihnen die Axt zu entwinden. Der Rest war einfach."

    „Hast du den Gedanken, dich an König Ghaderich zu rächen, nie aufgegeben?, fragte Shenan Gal. „Es ist lange her, dass er dich beschuldigte und verurteilte. Man sagt, die Zeit heilt Wunden.

    „Mein Hass auf ihn hat mir geholfen, seine Helfershelfer auszuschalten, die mich dem Gott opfern sollten. Er hat mir geholfen, mich hier zwischen Gnomen, Orks, Dämonen und Geistern zu behaupten, er hat mich sozusagen am Leben erhalten. Er war unstillbar, doch wusste ich nicht, wie ich meine Rache vollziehen sollte. Ich wäre sicherlich nicht weit gekommen, wenn ich mich nach Cambalar geschlichen hätte, um den Herrscher zu töten."

    „Jetzt weißt du es?", fragte Shenan Gal.

    „Ja, denn ich traf dich, und du hast mir die Geschichte von Prinz Carraq erzählt. Da war mir klar, was zu tun war. Ich bin dir gefolgt, ohne dass du es bemerkt hast. Ich habe die stinkenden Gnome erschlagen und den Prinzen aus der Höhle geholt. Die nächsten Jahre werde ich darauf verwenden, ihn großzuziehen und ihm unablässig und mit aller Intensität klarzumachen, dass er für den Thron von Cambalar bestimmt ist und als erster unsterblicher Herrscher das Reich regieren wird."

    Shenan Gal war nachdenklich geworden. Er sagte: „Wenn die Geschichte stimmt, dass sich der König mit dir gegen göttliches Gesetz verschworen und dich dann schmählich verraten hat, dann kann ich verstehen, dass du Vergeltung forderst. War Hochmeister Damlak eingeweiht?"

    „Ich denke es. Damlak ist intrigant. Ich weiß, dass er eigene Wege geht und hinter dem Rücken des Königs seine Macht im Reich mehr und mehr stärkt. Möglicherweise ist er für das Reich Cambalar und Ghaderich ein gefährlicherer Feind als die Sandlinger und Barbaren, die deinem Bekunden nach gegen Cambalar ziehen."

    „Du scheinst gut informiert zu sein", stellte Shenan Gal fest.

    „Durch den befreundeten Mönch, bei dem sich im Moment der Prinz befindet, ist meine Verbindung nach Cambalar nie völlig abgerissen. Was ich aus deinem Mund jedoch vernehmen musste, war mir jedoch neu. Es ist viele Monde her, dass Sandor Kunde aus Cambalar überbringen konnte."

    „Ich hielt dich, Segol – natürlich nur unter der Voraussetzung, dass du noch lebtest, was allen anderslautenden Vermutungen zum Trotz der Fall ist –, für den gefährlichsten Feind des Königs."

    „Ja, ich bin sein Feind. Ich versichere dir, Shenan Gal, dass alles genauso gewesen ist, wie ich es dir erzählt habe. Der König wollte für seinen Nachkommen beides: Den Königsthron und die Unsterblichkeit. Als es schief ging, stempelte er mich zum einzig Schuldigen und verurteilte mich dazu, Tason geopfert zu werden. Mit dem Opfer wollte er den Totengott besänftigen. Ghaderich hat jedoch zwei Dinge nicht bedacht: Tason war von den anderen Göttern wegen seines Verrats des göttlichen Privilegs der Unsterblichkeit aus ihrem Reich verstoßen worden und fristet sein Dasein nun in dem Berg mit der Opferhöhle. Er hat viel von seiner Macht verloren. Die anderen Götter aber blieben unversöhnlich. Der Missbrauch, den der König begangen hatte, ist unverzeihlich. Sie haben Ghaderich ihre Gunst entzogen und lassen ihn für sein lästerliches Vergehen bezahlen. Dass einer seiner Söhne mit dem Zeichen Tasons auf der Stirn geboren wurde, ist ein Zeichen der Götter."

    „Hast du denn keine Furcht, dass sie dich furchtbar strafen, wenn du den Frevel an Prinz Carraq wiederholst?", fragte Shenan Gal.

    „Wie? Die Unsterblichkeit können sie mir nicht nehmen. Alles andere hat man mir bereits genommen. Bei Carraq werde ich nicht den Fehler begehen, der mir bei Jylan unterlaufen ist. Kein Gott irgendwo dort oben auf den Bergen wird mich daran hindern können, Prinz Carraq zur Unsterblichkeit und zum Königsthron zu verhelfen."

    „Und du willst die graue Eminenz an seiner Seite sein, Segol. Befürchtest du nicht, falls dein Plan gelingt, dass dich Carraq eines Tages dafür hasst, weil du seine Seele an Tason verschenkt hast?"

    „Ich werde ihn in meinem Sinn erziehen, Shenan Gal. Er wird in mir einen Vater sehen, mich ehren, respektieren und auf meinen Rat nicht verzichten. Kennst du einen Unsterblichen, der nach Sterblichkeit strebt? Strebst du nach Sterblichkeit?"

    „Ich habe mich dafür noch nicht interessiert, antwortete Shenan Gal. Dann schürzte er die Lippen und endete: „Nein, ich strebe nicht danach.

    „Unsere Seelen gehören Tason."

    „Er ist mein göttlicher Gebieter, Ghaderich mein weltlicher. Und nach Ghaderich werde ich Thorazan ohne wenn und aber dienen. Du aber wirst von ewiger Finsternis umgeben sein, denn ich töte dich. Und dann hole ich Prinz Carraq von dem Mönch und bringe ihn zurück in die Höhle des Totengottes, damit Tason bekommt, was sein ist."

    „Obwohl du verstehen kannst, dass ich auf Rache erpicht bin, willst du mich töten?" Segol sprach absolut gelassen, als würde er sich mit Shenan Gal über ein völlig nebensächliches Thema unterhalten.

    „Ich habe König Ghaderich die Treue geschworen, und zu diesem Schwur stehe ich. Mag sein, dass der König den Zorn der Götter auf sich gezogen und mit dir ein falsches Spiel getrieben hat, sodass er zu Recht deine Rache fürchten muss. Ich bin Hauptmann seiner Leibgarde und schütze sein Leben. Das habe ich geschworen, und der Schwur ist mir heilig. Wer dem König nach dem Leben trachtet, ist mein Feind, und ich bekämpfe ihn."

    „Auch, nachdem du weißt, dass Ghaderich ein Lügner und Lästerer der Götter ist?"

    „Das spielt für mich keine Rolle", erklärte Shenan Gal, erhob sich und griff nach seinem Schwert. Es glitt mit einem leisen, hellen Schaben aus der Scheide. Shenan Gal machte zwei schnelle Schritte auf Segol zu, holte mit dem Schwert aus und zielte auf dessen Hals.

    Die Klinge, die Segol aus seinem Wanderstab zog, blinkte matt in der Düsternis und zuckte in die Höhe. Es klirrte metallisch, als Segol den Hieb Shenan Gals parierte. Funken sprühten. Geschmeidig, mit einer gleitenden Bewegung, kam der Verfemte hoch. Wieder kreuzten sich ihre Klingen mit hellem Klirren, wieder und wieder. Die Attacken der beiden Unsterblichen wurden mit aller Wucht ausgeführt, keiner bot dem anderen eine Schwachstelle. Sie waren sich ebenbürtig. Ihre Arme ermüdeten nicht, ihre Bewegungen waren geschmeidig. Mal wurde der eine zurückgedrängt, dann wieder der andere. Jeder war von dem geradezu dämonischen Willen besessen, zu siegen und den anderen zu töten.

    Aber dann gewann Segol mehr und mehr die Oberhand. Er trieb Shenan Gal vor sich her, hinaus aus der Höhle und bis zum Rand eines etwa zwanzig Klafter (ca. 36 Meter) tiefen Abgrunds. Unten türmten sich vor Urzeiten in die Tiefe gestürzte Felsblöcke übereinander, dazwischen lag Geröll.

    Shenan Gal wehrte sich mit dem Mut der Verzweiflung. Er fintierte, wich den Hieben Segols aus oder wehrte sie ab, dennoch zeichnete es sich mehr und mehr ab, dass er diesen Kampf verlieren würde. Als ihn Segol zu sehr bedrängte, sah er keine andere Chance, als sich mit einem Sprung in die Tiefe zu retten. Also stieß er sich nach hinten ab, verlor den Boden unter den Füßen und sauste in die Tiefe. Auf einer Felsleiste schlug er auf und blieb benommen liegen. Aber sein Blick klärte sich schnell, er schüttelte die Betäubung ab und kämpfte sich auf die Beine.

    Doch da landete Segol ebenfalls auf dem Felsvorsprung. „Ich kann dich nicht leben lassen, Bruder!", stieß der ehemalige Trunkmeister des Königs von Cambalar hervor. In seiner Stimme lag fast eine Spur von Bedauern. Er schlug zu, und die scharfe Klinge trennte mit einem einzigen Hieb das Haupt Shenan Gals vom Rumpf. Der blutende Kopf rollte über den Boden und blieb an der Felswand liegen. Ehe der leblose Körper zusammenbrechen konnte, beförderte ihn ein Tritt Segols über den Rand der Felsleiste. Er landete ein Stück weiter unten zwischen den übereinander getürmten Felsklötzen. Dunkles Blut sprudelte aus dem Halsstumpf und versickerte zwischen dem Geröll.

    Segol beugte sich nach vorne und schaute nach unten. Mitgefühl war ihm fremd. Wenn auch infolge der Unsterblichkeit, die sie beide verband, bei ihm eine Art von Zusammengehörigkeitsgefühl vorhanden gewesen war, so hatte ihn das nicht gehindert, Shenan Gal in die ewige Finsternis, den Alptraum aller Seelenlosen, zu befördern. Er hätte ihm gefährlich werden und seine Pläne vereiteln können, und daher musste er sterben.

    Segol wandte sich ab und kehrte in die Höhle zurück. Als er sie wenig später wieder verließ, war sein Gesicht vermummt, und sein Schwert steckte in seinem Wanderstab. An Shenan Gal verschwendete er keinen einzigen Gedanken mehr.

    Er durchquerte eine tiefe Schlucht, betrat einen schmalen Pfad, der zwischen den Felsen in Windungen nach oben führte, und erreichte eine Höhle, deren Eingang so niedrig war, dass ein normal großer Mann auf allen vieren hineinkriechen musste.

    Segol duckte sich vor dem Loch und rief in die Höhle: „Sandor!" Der Berg, in den die Höhle führte, und die Dunkelheit, die in ihr herrschte, schienen das Wort zu schlucken.

    Doch schon bald sickerten schabende Geräusche ins Freie, eine glatzköpfige Gestalt, die in eine ehemals weiße, zerschlissene Kutte gehüllt war, kroch aus der Höhle und blieb auf allen vieren liegen. Es war einer der Einsiedlermönche. Sein Gesicht war krankhaft eingefallen, die in tiefen, dunklen Höhlen liegenden Augen glühten wie im Fieber. „Dem Knaben geht es gut. Er ist gesättigt und schläft." Die Stimme des Mönchs klang klar und kräftig, was seine ausgemergelte Gestalt nicht vermuten ließ.

    „Bring ihn mir, Sandor. Ich habe erledigt, was zu erledigen war, und nehme den Prinzen mit mir."

    Der Mönch namens Sandor verschwand wieder in der Höhle. Jetzt konnte Segol leises Weinen vernehmen. Gleich darauf kam der Mönch mit dem weinenden Säugling unter dem Arm zurück, erhob sich und reichte Segol das Bündel.

    „Er wird immer ein Gezeichneter sein, murmelte Sandor. „Sollte er irgendwann einmal das Heilige Gebirge verlassen und in die Welt der Menschen nach Cambalar oder in die freien Städte am Kleinen Meer oder in das Königreich Tolvanea am Strom der Unendlichkeit gehen, wird man ihn entweder als einen Gott verehren, oder ihn als einen von Tason Verfluchten erkennen und ihn erschlagen.

    „Er ist kein Gott, versetzte Segol. „Entgegen der Meinung des Königs von Cambalar und seines Hochmeisters ist er auch kein von Tason Verfluchter. Er ist von Tason dazu auserwählt, einmal über das Königreich Cambalar zu herrschen. Und ich bin berufen, ihm den Thron zu sichern.

    „Seit wann weißt du von dieser Berufung?", fragte der Mönch.

    „Seit ich von dem Knaben weiß", erwiderte Segol, dessen Namen auch die Mönche nicht kannten, die weit unterhalb der Sphäre der Götter in den Heiligen Bergen ein kümmerliches Dasein fristeten. Auch sie sprachen nur vom Grauen Tod oder vom Gesichtslosen.

    Segol machte kehrt und ging mit ausholenden Schritten, den weinenden Prinzen auf dem Arm, davon.

    4

    Das Heer des Königs lag vor den Hügeln fest. Seit Tagen wurde es von den Gegnern, die blitzschnell zuschlugen und wieder in der Weite und Unübersichtlichkeit verschwanden, attackiert.

    Den Unsterblichen, aus denen sich das Heer rekrutierte, drohte von den Schleuderern keine Gefahr. Die Steine, die heranpfiffen und sie trafen, schlugen ihnen zwar tiefe Wunden, doch diese schlossen sich innerhalb weniger Augenblicke wieder und verheilten. Den König aber konnten die Geschosse töten. Seine Leibgardisten taten alles, um einen Treffer zu verhindern. Sobald die Steine geflogen kamen, bildeten sie mit ihren Schilden einen Wall, der König Ghaderich schützte.

    Dennoch war ein Zufallstreffer nicht ausgeschlossen.

    Die Zenturionen und der König berieten sich und kamen zu dem Schluss, dass sie erst weiterziehen würden, wenn von den Guerillas, die mit ihren Steinschleudern auf fünfzig Klafter (90 Meter) einem Menschen oder einem Pferd den Kopf zerschmettern konnten, keine Gefahr mehr ausging.

    Die Schanzen wurden erhöht, die Wachen verstärkt, und jeden Tag zogen Patrouillen hinaus in die Wildnis, um Echsenmenschen und Barbaren aufzustöbern, zu töten oder gefangen zu nehmen.

    Es war der vierte Tag, an dem sie vor dem hügeligen Terrain lagerten. Der Morgen graute. Seit zwei Tagen hatten sich die dunklen Wolken verzogen. Von morgens bis abends waren der König und seine Krieger einer glühenden Sonne preisgegeben. Die Wasservorräte und auch die Marschverpflegung der Krieger gingen langsam zur Neige. Sie mussten sich etwas einfallen lassen, wenn sie hier nicht elend verdursten und hungers sterben wollten, denn essen und trinken mussten auch die Unsterblichen. Sie waren trotz des Privilegs, ewiges Leben zu besitzen, Menschen aus Fleisch und Blut, deren Körper Nahrung und Flüssigkeit forderte.

    Der Morgendunst, der überall zwischen den Büschen und Hügeleinschnitten lagerte, war ein Vorbote der kommenden Tageshitze. Weit hinten, über den Hügeln, kam der erste fahle Schimmer des neuen Tages hoch. Vögel begannen zu zwitschern, denn die Jäger der Nacht hatten sich zur Ruhe begeben und von ihnen ging für die kleinen, gefiederten Sänger keine Gefahr mehr aus.

    Fünf Gruppen von jeweils zehn Kriegern, jede Gruppe unter der Führung eines alten, erfahrenen Unterführers, verließen das Lager, um die Umgebung nach Feinden abzusuchen. Die Soldaten, deren Blicke ihnen aus dem Lager folgten, sahen sie an verschiedenen Stellen zwischen die Hügel marschieren.

    König Ghaderich war von einer kaum zu zähmenden Ungeduld erfasst worden. Solange er mit seinem Heer hier festsaß, konnten die Kampfgruppen seiner Gegner in seinem Reich schalten und walten, wie sie wollten.

    Er konnte sein Volk nicht schützen. Bis die Kunde vom Wüten des Heeres aus dem hohen Norden die Hauptstadt erreichte und Hochmeister Damlak weitere Truppenverbände dem Feind entgegenschickte, würden Sandlinger und Barbaren sein halbes Reich verwüstet und die Menschen seiner Städte, Dörfer, Weiler und Gehöfte abgeschlachtet haben.

    Ringsum herrschte Stille. Am östlichen Horizont begann sich der Himmel von Rosa zu Gelb zu verfärben, und bald brach mit prachtvollem Licht der Tag an. Was er bringen würde, konnte allenfalls der König in Erfahrung bringen, wenn er die Gabe des Sehens, die er ja beherrschte, einsetzte.

    Er saß inmitten seiner Leibwache auf einer Decke am Boden und meditierte. Sein Kinn war auf die Brust gesunken, er hatte die Beine überkreuzt, die Hände lagen in seinem Schoß. Sein Geist verließ die reale Welt, die ihn umgab, und sein inneres, das visionäre Auge wurde aktiv. Zuerst sah er nur Nebel, doch dann kristallisierte sich in seinem Kopf das Bild eines Säuglings heraus, der in einer Höhle am Boden lag und schlief. Das Kind war in graue Tücher gewickelt, die nur das kleine, friedliche Gesicht freiließen. Der König spürte das Entsetzen, das in ihm hochkroch und sich in seiner Kehle staute, als er das Zeichen Tasons auf der Stirn des Säuglings wahrnahm, nämlich die zu einer Kralle gekrümmte Hand. Der Knabe war – Carraq. Sein Sohn Carraq, von dem vor einigen Tagen erst seine Gattin Heres entbunden worden war und den Shenan Gal zum Berg des Totengottes bringen sollte, damit er diesem als Opfer diente.

    War es die Höhle im Heiligen Berg, in der er den Prinz liegen sah?

    Wenn ja, dann hatte der Hauptmann seiner Leibgarde seine Mission erfolgreich ausgeführt.

    Doch jetzt betrat eine hohe, hagere Gestalt die Höhle. Sie war mit einer zerschlissenen, dunkelgrauen Leinenkutte bekleidet, deren Saum am Boden schleifte. Ihr Kopf war von einer Kapuze bedeckt, das Gesicht mit grauen Tüchern vermummt. Der König sah ein glitzerndes Augenpaar.

    Das war nicht Shenan Gal.

    War es Tason, der Totengott, dem die Unsterblichen ihre Seelen überlassen hatten? War es der von den anderen Göttern aus ihrem Olymp Verstoßene, weil er das Geheimnis der Unsterblichkeit, dieses göttliche Privileg, an die Sterblichen verraten hatte?

    Die grau gekleidete Gestalt beugte sich über den Prinzen. Der schlug jetzt die Augen auf und schaute in das vermummte Gesicht. Das kleine Gesicht mutete an, als würde der Knabe einer Stimme lauschen.

    Der Graue richtete sich auf.

    Diese hohe, hagere Gestalt! König Ghaderich fragte sich, wo er sie schon einmal gesehen hatte. Ihre ganze Haltung, jede ihrer Bewegungen ... Der König erschrak bis in seinen Kern, das Blut drohte ihm in den Adern zu gefrieren.

    Segol!

    Der Name zuckte wie ein Blitz durch sein Bewusstsein. Sein Kopf ruckte hoch, er war aus dem Zustand der Trance erwacht und die Bilder, die ihn so sehr in Panik versetzt hatten, waren wie weggewischt.

    Ghaderich spürte, dass er zitterte. War das nur ein böser Traum gewesen, ein Albtraum, oder war das, was er gesehen hatte, Realität. Dann war Segol am Leben, und er hatte Prinz Carraq in seiner Gewalt.

    „Dafür wirst du büßen, König Ghaderich!" Das waren damals die letzten Worte Segols gewesen, ehe ihn die sterblichen Krieger zum Hafen gezerrt hatten, um ihn ins Heilige Gebirge zu bringen und Tason zu opfern.

    Wenn Segol lebte, dann gewann dieser Schwur eine völlig neue Bedeutung.

    Es sei denn, das, was er, König Ghaderich gesehen hatte, war nur ein böser Traum gewesen. Hatte ihm sein Unterbewusstsein einen Streich gespielt? Er hatte immer behauptet, sicher zu sein, dass Segol tot war. Tief in seinem Innern aber hatten sich Zweifel eingenistet. Außerdem wusste er nicht, ob es Shenan Gal gelungen war, den Prinzen mit dem Zeichen Tasons auf der Stirn in die Höhle auf dem Heiligen Berg zu legen, damit ihn sich der Totengott als Opfer holte.

    Prinz Carraq und Segol. Das waren die beiden Namen, um die sich sein

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