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Weisheit, die aus dem Ewigen fließt: Heilige Texte aus vier Jahrtausenden
Weisheit, die aus dem Ewigen fließt: Heilige Texte aus vier Jahrtausenden
Weisheit, die aus dem Ewigen fließt: Heilige Texte aus vier Jahrtausenden
eBook268 Seiten3 Stunden

Weisheit, die aus dem Ewigen fließt: Heilige Texte aus vier Jahrtausenden

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Über dieses E-Book

Hier wird eine Sammlung von Weisheitstexten vorgelegt, vom Weltschöpfungslied des Rigveda, ausgewählten Upanishaden und den Hymnen Zarathustras über gnostische und hermetische Texte bis hin zu Gedichten von Goethe, Schiller und der Großen Invokation von Alice Bailey. Damit wird eine rund 4000jährige Einweihungs-Tradition dokumentiert, mit Zeugnissen aus Europa und Indien, die sich durch Gedankentiefe und poetische Schönheit gleichermaßen auszeichnen. Die zum Teil sehr seltenen Texte des Bandes werden vom Autor reichhaltig kommentiert und somit dem Verständnis des modernen Menschen neu erschlossen. So entsteht das Panorama einer esoterischen Weisheitsreligion, die als die 'Religion der Wissenden' einen unverzichtbaren Bestandteil der abendländischen Kulturgeschichte darstellt.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum3. Jan. 2022
ISBN9783347524781
Weisheit, die aus dem Ewigen fließt: Heilige Texte aus vier Jahrtausenden
Autor

Manfred Ehmer

Dr. Manfred Ehmer hat sich als wissenschaftlicher Sachbuchautor darum bemüht, die großen kulturgeschichtlichen Zusammenhänge aufzuzeigen und die archaischen Weisheitslehren für unsere Zeit neu zu entdecken. Seine thematischen Schwerpunkte sind Hermetik, Neuplatonismus, westliche Mysterien, Theurgie, spirituelle Ökologie, Kultplätze und Mutter-Erde-Verehrung in Europa. Seit 2023 veröffentlicht der Autor seine Werke in dem von ihm gegründeten Verlag Theophania.

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    Buchvorschau

    Weisheit, die aus dem Ewigen fließt - Manfred Ehmer

    Uralte Weisheit – neu entdeckt

    Würde man aber die Spuren der Weisheit bei den Alten (….) sichtbar machen, so zöge man das Gold aus dem Schlamm, den Diamanten aus dem Berg und das Licht aus der Finsternis, und das wäre in der Tat perennis quaedam philosophia (eine gleichsam ewige Philosophie). Gottfried Leibniz

    Weisheit, die aus dem Ewigen fließt – sie hat keinen Begründer oder Stifter; anfangslos präexistiert sie seit dem Urbeginn aller Zeiten, und sie wird fortdauern bis an das Ende aller Tage. Dabei wird sie wohl ihre Form ändern, die konkrete Art ihrer Ausformulierung, aber ihre wesenhafte Essenz wird unverändert bleiben – denn sie ist nicht menschliches, sondern göttliches Wissen, das einst in gottgeeinter Schau »gesehen« wurde.

    Das »Wissen« der Ewigen Weisheit gründet auf geistige Schau; es kann nicht durch Intellektdenken, sondern nur dadurch erworben werden, dass des Menschen Geist aus den Beschränkungen von Raum und Zeit heraustritt und sich mit dem ewigen und überzeitlichen Sein Gottes vereint. Er wird dann in den Rang von Gottwesenheiten aufsteigen und selbst, zumindest ansatzweise, das Wissen dieser »Götter« besitzen.

    Die Ewige Weisheit heißt nicht deshalb so, weil sie etwa selber ewig wäre – sondern deshalb, weil sie den Ewigkeitsgedanken konsequent in den Mittelpunkt stellt. Sie betrachtet schlechthin alles sub specie aeternitatis, unter dem Gesichtspunkt der Ewigkeit, sieht alles Irdische im Licht des Überzeitlich-Göttlichen. Es geht hier also um die Schau des Ewigen – des göttlichen All-Einen, des menschlichen Selbst und der ewig sich selbst erneuernden Schöpfung.

    Im Sinne einer solchen Geistesschau wollen wir hier nun eine Sammlung von Weisheitstexten vorlegen, vom Weltschöpfungslied des Rigveda, ausgewählten Upanishaden und den Hymnen Zarathustras über gnostische und hermetische Texte bis hin zu Gedichten von Goethe, Schiller und der Großen Invokation von Alice Bailey. Damit wird eine rund 4000jährige Einweihungs-Tradition dokumentiert, mit Zeugnissen aus Europa und Indien, die sich durch Gedankentiefe und poetische Schönheit gleichermaßen auszeichnen. Die zum Teil sehr seltenen Texte des Bandes werden ausführlich kommentiert und somit dem Verständnis des modernen Menschen neu erschlossen. So entsteht das Panorama einer esoterschen Weisheitsreligion, die als die »Religion der Wissenden« einen unverzichtbaren Bestandteil der menschheitlichen Kulturgeschichte darstellt.

    Im folgenden Teil werden sieben Axiome gegeben, die wesentliche Grundlagen der Ewigen Weisheit bilden, die Goldenen Worte der Esoterik. Diese Axiome sind der Menschheit nicht deshalb übergeben worden, damit Verstandesmenschen ihre philosophische Neugier daran befriedigen und Anlass zu mehr Spekulationen bekommen. Sie wenden sich vielmehr an alle wahrhaft spirituell Suchenden, damit sie Einblick in die Prozesse der Schöpfung bekommen und dadurch die Natur Gottes besser zu verstehen lernen.

    Goldene Worte der Esoterik

    Eins ist Alles;

    Wie oben, so unten;

    Wie Innen, so Außen;

    Stirb und Werde!

    Erkenne Dich selbst!

    Das bist Du;

    Die Welt ist Klang.

    Die Goldenen Worte der Esoterik sind Wahrworte, Perlen des Geistes, die zur Selbst- und Gott-Erkenntnis anregen wollen. Wenn man diese Merksätze in der Tiefenmeditation durchdenkt, wird man vor dem geistigen Auge eine große lebendige Einheit erschauen, in der alles ineinandergreift, alles miteinander zusammenhängt, die von der Gottheit durchdrungene Schöpfung. Es gibt sieben solcher Goldenen Sätze der Esoterik, die wie die sieben Farben des Spektrums erscheinen, nämlich fließend ineinander übergehend.

    Eins ist Alles

    Eins ist Alles – denn aus dem Schoß des göttlichen All-Einen ist die Welt hervorgegangen, und dorthin wird sie dereinst wieder zurückkehren. Aller Vielheit, allem Wandel, allem Sinnentrug dieser Wirklichkeit liegt eine letzte, große, lichterfüllte Einheit zugrunde, in der Welt und Gott – nur scheinbar getrennt! – zusammenschmelzen zu einer geisterfüllten Ganzheit. Alles Einzeldasein, in welchen und wie vielen Formen es sich kundgeben mag, ist enthalten im Netzwerk der Schöpfung und somit Teil der göttlichen All-Einheit, die immer war und ist und sein wird. Das Bewusstsein des Einzeldaseins ist Illusion; es gibt nur All-Bewusstsein, All-Dasein, All-Einheit; und das Göttliche – namenlos, gestaltlos, reines Sein – ist das einheitsstiftende Band, das alle Dinge dieser wandelbaren Welt der Vielheit inwendig und geheim zusammenhält. Das Eins ist Alles ist ein Mysterienwort aus uralter Zeit. Noch bei Heraklit von Ephesos (535-470 v. Chr.) klingt es an, wenn er sagt: »Verbindungen gehen ein: Ganzes und Nichtganzes, Übereinstimmendes und Verschiedenes, Akkorde und Dissonanzen; und aus Allem wird Eines und aus Einem Alles.«¹

    Kraft der All-Einheit des Seins ist nichts in der Welt zufällig; alles hängt mit allem zusammen: vor allem jene beiden Seinsbereiche, die bisher immer als getrennt gegolten haben – Natur und Geist, Welt und Gott, Immanenz und Transzendenz, die nur zwei Seiten derselben Münze bilden. Alle Dualitäten sind eigentlich nur Polaritäten; und das Gesetz der Bipolarität durchwaltet die ganze Schöpfung. Das Göttliche als das All-Eine ist jene allumfassende, alle Wirklichkeit begründende Über-Realität, die Allem innewohnt und so die Ganzheit allen Seins in sich beschließt.

    Ein treffendes Sinnbild für den Gedanken der All-Einheit ist das Gleichnis vom Netz Indras. Der Gott Indra besaß in seinem himmlischen Palast ein wundersames, mit sich gegenseitig reflektierenden Perlen besetztes Netz. In jeder einzelnen Perle spiegeln sich alle übrigen Perlen; und eine Perle erscheint auch in allen anderen. So ergibt sich eine ins Unendliche fortgehende Reflexion einer jeden Perle in allen übrigen und damit wieder in sich selbst. Was auf einer Perle erscheint, das erscheint gleichzeitig auf allen anderen; und wird eine Perle in ihrem So-Sein verändert, so verändern sich alle übrigen. Jede Perle befindet sich in einer Situation universeller Verantwortung; denn keine besteht außerhalb dieses Netzes. Man könnte es auch so ausdrücken: Das göttliche All-Eine spiegelt sich in allen Dingen; da diese sich gegenseitig spiegeln, so reflektieren sie nicht nur sich selbst, sondern auch das Göttliche.

    Wie oben, so unten

    Es gibt ein allwaltendes Weltgesetz, dem wir alle unterstehen: das Gesetz der Analogie von Oben und Unten, der wechselseitigen Entsprechung von Makrokosmos und Mikrokosmos. Stets ist das Kleine ein Abbild des Großen, das Untere ein Abbild des Oberen, der Mensch als geistbeseeltes Wesen ein Abbild des Universums. So ist es einerlei, ob man sagt: Der Mensch ist ein Universum im Kleinen, ein Abbild des Welten-Organismus, oder ob man sagt: Das Universum ist ein Mensch im Großen, das Urbild des Menschenwesens. Der Mensch ist ein kosmisches Wesen, und umgekehrt der Kosmos ein dem Menschen analoges Wesen.

    Man nennt diesen Satz auch den »Hermetischen Satz« oder das Analogieprinzip. Die niedere Welt der Stofflichkeit, gebildet aus den vier Elementen und dem feurigen Äther, und die höhere Welt, d. h. die astrale und geistig-göttliche Welt mit allen ihren Sphären, Hierarchien und Bewohnern – sie bilden einen engen Zusammenhang. Es besteht ein enger, unauflöslicher Wechselbezug zwischen den oberen und den unteren Welten, denn überall waltet das Prinzip, der Analogie, der Entsprechung. Den physischen Naturgesetzen entsprechen geistige Schöpfungsgesetze; dem sinnlich Wahrnehmbaren liegen geistige Urbilder zugrunde. In der Erkenntnis dieser geistigen Urbilder, der geistigen Schöpfungsgesetze, die das All durchwalten, besteht die eigentliche Aufgabe der Esoterik, die sich nicht damit begnügen darf, bloß die niedrigsten Verdichtungsstufen des Schöpfungsganzen geistig zu durchdringen.

    Statt Wie oben, so unten kann man auch sagen: Wie im Himmel, so auf Erden. Mit der Erde ist hier das Reich der grobstofflichen Materie gemeint, mit dem Himmel jene höheren, unsichtbaren, »okkulten« Seins- und Wirklichkeits-Ebenen, die für den Verstandesmenschen bloße Phantasieprodukte, für den Esoteriker aber lebendige Geist-Realitäten sind. Alles Irdische ist vor- und urgebildet im Himmlischen.

    Der Satz »Wie oben, so unten« lässt sich gut nachweisen am Beispiel der Analogie zwischen Mensch und Kosmos. Der Kosmos, esoterisch aufgefasst als Makroanthropos [Großer Mensch], besitzt Weltkörper, Weltseele und Weltgeist – alle drei aber innig miteinander verwoben und ein geist-lebendiges Ganzes bildend. Der Weltkörper des Kosmos zunächst ist angefüllt von den zahlreichen Himmelskörpern, die das physisch sichtbare Universum bevölkern, wobei jeder davon selbst wieder einen Makroanthropos oder »vergrößerten Menschen« darstellt. Denn auch das verlangt das Gesetz der Analogie, dass die Himmelskörper im All menschenähnliche Wesen sind: nicht ihrer Gestalt, aber wohl ihrer Wesenszusammensetzung nach. Die Weltseele des Kosmos umfasst ebenfalls unzählige Welten, nur eben feinstoffliche, astrale, die unser physisches Auge nicht wahrzunehmen vermag. Der Weltgeist schließlich ist jenes denkende Universalbewusstsein, das den Kosmos und alles Belebte darin durchdringt.

    Wie Innen, so Außen

    Alles, was außen ist, befindet sich in Wahrheit in den Tiefen des Inneren; und alles Innere wird wiederum außen wahrgenommen; denn Innen und Außen sind Eins. Auch für Gott ist es kein Widerspruch, Innen und Außen zugleich zu sein; denn der Immanente Gott, der Gott in uns, von dem die Heiligen Schriften der Hindus ebenso künden wie die Zeugnisse der westlichen Mystiker, ist ungeschieden von dem Kosmischen Gott, der die Welt mit seinen schöpferischen Energien durchdringt; Innenwelt und Außenwelt bedingen einander, entsprechen einander. Unter »Außen« wird üblicherweise die Welt von Materie, Raum und Zeit verstanden, unter »Innen« unser eigenes Bewusstsein. Aber gibt es überhaupt Materie, Raum und Zeit außerhalb unseres Bewusstseins? Sind sie nicht vielmehr nur nach außen projizierte Muster unserer inneren Strukturen? Novalis schrieb einmal in einem seiner Fragmente: »Wir träumen von Reisen durch das Weltall; ist denn das Weltall nicht in uns? Die Tiefen unseres Geistes kennen wir nicht. – Nach Innen geht der geheimnisvolle Weg. In uns, oder nirgends ist die Ewigkeit mit ihren Welten, die Vergangenheit und die Zukunft.«²

    Stirb und Werde!

    Zu den ewigen Schöpfungsgesetzen, die das sichtbare wie auch das unsichtbare All durchwalten, gehört auch das Gesetz des Stirb und Werde. Es gibt kein Leben ohne Tod, aber auch kein Sterben ohne Neugebären; alles im All ist nur Metamorphose, Gestaltenwandel, wobei ein und dasselbe unauslöschliche Leben in unendlichen Ketten der Verwandlung durch alle nur denkbaren Seinsformen hindurchgeht.

    Die Betrachtung der Natur lässt nur allzu deutlich erkennen, dass der Tod nichts Endgültiges, Absolutes ist; Tod, Regeneration und Geburt sind im Grunde genommen eines. Alles in der Natur bewegt sich in dem großen Zyklus des Stirb und Werde, so wie Tag und Nacht, Wachsein und Schlaf, Frühling und Winter aufeinander folgen im ewigen Wechselschritt. Nur scheinbar ist der Winter eine öde und kalte Welt des Todes und der Vernichtung; in Wahrheit sind auch zu Winterszeiten unterirdisch mächtige Regenerationskräfte am Werk, die das Kommen des neuen Frühlings vorbereiten. Nur scheinbar ist der Schlaf eine Zeit der Bewusstseinstrübung; in Wahrheit dauert auch im Schlaf ein unterschwelliges Bewusstseinsleben fort, das Gewesenes verarbeitet und sich vorbereitet für den neuen Tag. Alles in der Natur besteht in bipolarer Gestalt, wie Hell und Dunkel, Männlich und Weiblich, Tag und Nacht. Es ist dies die grundlegende Bipolarität allen Seins, welche die alten Chinesen ausdrückten im Symbol des Ineinandergreifens von Yin und Yang. Leben und Tod sind zwei Seiten derselben Münze! Wie es schon Goethe sagte:

    Und solang du das nicht hast,

    dieses: Stirb und Werde!

    Bist Du nur ein trüber Gast

    auf der dunklen Erde.³

    Erkenne Dich selbst!

    Über den Pforten des Tempels zu Delphi stand der Satz: Erkenne Dich selbst! In den alten Mysterientempeln musste das Antlitz der Götter immer verhüllt bleiben; kein Sterblicher durfte es wagen, den Schleier zu heben. Wer aber wirklich den Schleier hinwegzieht, der wird in dem unverhüllten Antlitz des Gottes das Spiegelbild seines eigenen höheren Selbst erkennen. Denn die höchste Form der Selbsterkenntnis ist die Erkenntnis des Ewigen in uns, die plötzlich in einem mystischen Erlebnis in uns auffluten oder nach langer Einübung in eine meditative Geisteshaltung erreicht werden kann. Der göttliche Urfunke, der sich selbst erkennt, sieht sich als gottgeeint und Teil des großen Welten-Allgeistes.

    Das bist Du!

    Aus uralter Zeit klingt uns ein Mysterienwort entgegen, gesprochen in Sanskrit, der heiligen Priestersprache Indiens, und dies Wort lautet: tat twam asi – zu deutsch: Das bist Du! Es bedeutet das Gefühl der All-Einheit als höchsten Grad der Erleuchtung, das Einssein mit allem Lebendigen. Dies Wort ist das Grund-Mantra des kosmischen Bewusstseins. Der Dichter Hölderlin hat es einmal so ausgedrückt: »Eines zu sein mit allem, was lebt, in seliger Selbstvergessenheit wiederzukehren ins All der Natur, das ist der Gipfel der Gedanken und der Freuden, das ist die heilige Bergeshöhe, der Ort der ewigen Ruhe, wo der Mittag seine Schwüle und der Donner seine Stimme verliert und das kochende Meer der Woge des Kornfelds gleicht.«⁴

    Das Wahrwort Tat twam asi stammt aus der Chandogya-Upanishad, wo dargestellt wird, wie der Brahmane Aruni seinen Sohn Svetaketu in Gleichnissen über den Urgrund der Welt belehrt. Da lesen wir folgendes: »Uddalaka Aruni belehrte seinen Sohn Svetaketu. ‚Bringe mir eine Frucht von dem Feigenbaum dort.‘ ‚Hier ist sie, Erhabener.‘ ‚Spalte sie.‘ ‚Sie ist gespalten, Erhabener.‘ ‚Was siehst du dort?‘ ‚Diese fast atomgroßen Kerne.‘ Spalte einen von diesen.‘ ‚Er ist gespalten, Erhabener.‘ ‚Was siehst du darin?‘ ‚Gar nichts, Erhabener.‘ Da sagte (der Vater) weiter zu ihm: ‚Dieses ganz Feine, das du nicht mehr wahrnimmst, mein Lieber, aus diesem (erwachsen) steht der große Feigenbaum da. Glaube mir, mein Lieber, aus diesem Feinen besteht die ganze Welt. Das ist das Wahre, dies ist der atman, das bist du (tat tvam asi), o Svetaketu.‘«⁵

    Die mystische All-Einheitserfahrung des tat twan asi wird in der Vedanta-Philosophie des klassischen Indien in virtuoser Weise entfaltet. Die Lehre des Vedanta stellt den Gedanken der Identität von Ich, Welt und Gott in den Mittelpunkt. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, das »Ich« sei eine isolierte, von der Welt losgelöste Bewusstseinsblase. Eigentlich sind Ich und Welt eines; nur Irrtum und Verstrickung hindert das Ich daran, dies zu erkennen. Und wenn das Ich sein Einssein mit der Welt erkannt hat, dann hat es auch die Einigung mit dem All-Gott vollzogen, der nicht als ein transzendenter Schöpfergott, sondern als ein immanenter Weltengott aufgefasst wird. Wahre Selbsterkenntnis geschieht nur durch All- und Kosmos-Erkenntnis, die zugleich wahre Gott-Erkenntnis bedeutet, im Sinne einer wesensmäßigen Einswerdung mit Gott.

    Das All-Einheits-Bewusstsein des tat twam asi ereignet sich nur auf jenen Ebenen des Seins, die noch jenseits der Mentalebene liegen; dort entfällt endgültig jede Illusion der Getrenntheit. Annie Besant schreibt hierüber: »Die Bruderschaft der Menschheit, nein, die Bruderschaft aller Dinge hat ihre feste Grundlage in den geistigen Ebenen, der atmischen und der buddhischen, denn hier allein besteht Einheit, und nur hier ist vollkommenes Mitgefühl zu finden. Der Verstand ist das trennende Prinzip im Menschen, das scharf zwischen 'Ich' und 'Nicht-Ich' unterscheidet; er ist sich seiner selbst bewusst und sieht alles andere als außer ihm stehend und fremd an. [….] Mit dem Eintritt in die buddhische Welt wird sofort Einheit fühlbar.«⁶

    Die Welt ist Klang

    Dieser Satz, der die Essenz aller Esoterik in sich trägt, bedeutet: Die Welt ist Ton, Musik, Schwingung. Sowohl »Energie« als auch »Materie« sind nichts anderes als »Schwingung«. Die Welt ist ein von Harmonie erfülltes Ganzes, in dem jedes Einzelwesen auf seiner Schwingungsfrequenz tönt, ganz auf seine Weise, aber zugleich sich mit allen anderen Wesen im All zu einem universalen Weltengesang vereint. In der überirdischen Macht der Musik offenbaren sich geistige Urgesetze; denn in der Musik wirken dieselben harmonikalen Schwingungsgesetze, die überall im Kosmos anzutreffen sind. Musik ist ein Bestandteil der Schöpfungsordnung. Die Musik, die hier im Irdischen unser Ohr erreicht, kündet von einer noch schöneren, geistigen oder überirdischen Musik. In der Tat: Die Welt ist Klang – ein tönendes, klingendes, in unerreichbaren Harmonien schwingendes Organ: ein Instrument, dessen Saiten mitschwingen zum Klang jener Weltenmelodie, die der eine große Tonkünstler – der göttliche Harfner – seit Ewigkeit immer neu variierend darauf spielt.

    In gewisser Weise könnte der Kosmos auch mit einem Lied verglichen werden, das der Schöpfer allen Seins seit Urzeiten komponiert und singt, ohne dass es dabei jemals einen Anfang oder ein Ende gäbe. Es ist ein ewiges Lied, und sein Rhythmus entspricht dem Zyklus des Entstehens, Vergehens und Neugebärens; seine Strophen entsprechen den großen Schöpfungszyklen; seine Verse den zahlreichen Zyklen und Runden; seine Zeilen den augenfälligen Rhythmen der Natur, etwa den vier Jahreszeiten oder den Mondphasen. Wer wollte abstreiten, dass Rhythmus immer mit Melodie zusammengeht? So könnte es sein, dass hinter allen Naturrhythmen ein großer Weltengesang stehen mag, den wir freilich mit bloß materiellen Ohren nicht wahrzunehmen vermögen.

    Die Melodie der Welt ist indes eine Musik der Seele; und mit den Ohren der Seele hören wir auch jene Sphärenharmonie, die uns überall in der Natur entgegenklingt. In der Natur ist ein Zaubergesang; den können wir erwecken und zum Ertönen bringen, wenn wir selbst aus dem irdischen Traumschlafe zu jener unsterblichen Seele erwachen, die wir in jedem Moment unseres Seins tatsächlich sind. Die unsterbliche Seele ist nämlich selbst ein Instrument – ein Resonanzboden, der den Gesang des Kosmos aufnimmt und in sich widerhallen lässt; oder vielleicht auch eine Harfe, die von allein zum Klingen kommt, wenn ein geisterfüllter Wind darüberstreicht. »Wenn immer du fähig bist, dein Bewusstsein mit einer der sieben Saiten des 'universalen Bewusstseins' harmonisch zu

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