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Mehr Mut (E-Book): Engagiert und weitsichtig Bildung gestalten
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eBook354 Seiten3 Stunden

Mehr Mut (E-Book): Engagiert und weitsichtig Bildung gestalten

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Über dieses E-Book

Dieses E-Book enthält komplexe Grafiken und Tabellen, welche nur auf E-Readern gut lesbar sind, auf denen sich Bilder vergrössern lassen.

Zwei Drittel unserer Kinder werden 2035 in Berufen arbeiten, die es in jener Form heute noch nicht gibt. Wie bereiten wir sie darauf vor? Wie gelingt es, uns im Bildungswesen auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren und nicht nur getrieben zu werden? Was müssen wir tun, damit unsere Bildung wirkungsvoller wird? Erfahren Sie, wohin die Reise geht, was Sie selbst tun können, und lassen Sie sich von mutigen Beispielen inspirieren.
SpracheDeutsch
Herausgeberhep verlag
Erscheinungsdatum1. Apr. 2023
ISBN9783035521733
Mehr Mut (E-Book): Engagiert und weitsichtig Bildung gestalten
Autor

Renato C. Müller Vasquez Callo

Prof. Dr. rer. oec. Renato C. Müller Vasquez Callo, Jahrgang 1976, ist Prorektor Ausbildung, stellvertretender Rektor und Dozent an der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen. Zudem unterrichtet er angehende Lehrpersonen der Sekundarstufe II in Fachdidaktik «Wirtschaft und Recht» an der Pädagogischen Hochschule Thurgau und lehrt an der Universität Bern. Weiter doziert er in verschiedenen Kaderkursen. Im Familienunternehmen, der Eduard Müller AG, ist er Mitglied des Verwaltungsrats. Er war 13 Jahre lang Lehrer für Wirtschaft und Recht an einem Gymnasium, wo er das Ergänzungsfach sowie das Grundlagenfach (Wirtschafts- und Rechtsethik) unterrichtet hat. Vor seinem Wechsel ins Hochschulwesen war er über 15 Jahre lang Unternehmensberater mit den Schwerpunkten Personal- und Organisationsentwicklung sowie Digitalisierung. Kontakt: Dr. Renato C. Müller Vasquez Callo, Sprensenbühlstrasse 4, CH-8032 Zürich, rcmueller@rcmueller.ch, www.rcmueller.ch

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    Buchvorschau

    Mehr Mut (E-Book) - Renato C. Müller Vasquez Callo

    Kapitel 1

    DER REALITÄT INS AUGE BLICKEN

    1.1. EMMA UND LIAM

    Stellen Sie sich vor, dass heute Morgen Zwillinge geboren wurden. Sie heissen Emma und Liam. In vier Jahren werden die beiden die Vorschule besuchen und mit sechs Jahren dann in die Primarschule wechseln, bevor sie mit 12 Jahren in die Sekundarschule eintreten werden und schliesslich in fünfzehn Jahren ihre obligatorische Schule abschliessen. In knapp zwanzig Jahren werden Emma und Liam die Sekundarstufe II beendet haben und ein Hochschulstudium aufnehmen oder einen Beruf erlernen.

    Wie können wir Emma und Liam auf ihrer Bildungsreise optimal unterstützen, sodass die beiden ein erfülltes und erfolgreiches Leben führen können? Bevor wir diese Frage beantworten können, müssen wir zuerst Fakten sammeln, strukturieren und interpretieren. Dabei müssen wir der Wirklichkeit nüchtern ins Auge blicken, ohne uns von Wünschen, Illusionen oder Überzeugungen blenden zu lassen.

    Bereits 2035 werden zwei Drittel unserer Kinder in Berufen arbeiten, die es so heute noch gar nicht gibt. Emma und Liam werden wahrscheinlich in ihrer beruflichen Laufbahn bis zur Pensionierung kurz vor der Jahrhundertwende 2100 fünf bis acht total unterschiedliche Berufe bei bis zu 20 verschiedenen Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern ausgeübt haben. Vielleicht machen sie sich auch selbstständig oder arbeiten als Teil der Gig Economy[1].

    Emma und Liam müssen sich in der Zukunft permanent wandeln und neu erfinden. Dazu benötigen sie Ideen, Wissen und die Kompetenz, dieses Wissen anzuwenden. Sie müssen mit anderen Menschen kooperieren und kommunizieren können. Und nicht zuletzt müssen sie komplexe und unübersichtliche Herausforderungen meistern und daraus lernen. Individuelle Qualitäten wie Mut, Zuversicht und Resilienz können sich positiv auswirken.

    1.2. GETRIEBEN ODER AM STEUER?

    Gelingt es Ihnen, genügend Zeit dafür zu verwenden, um in Ihrem Wirkungsbereich so Einfluss zu nehmen, dass Emma und Liam dem Ziel eines erfüllten und erfolgreichen Lebens näherkommen? Haben Sie das Gefühl, dass Sie in Ihrem Alltag wirklich steuern oder eher, dass Sie nur noch reagieren können und getrieben werden? Fokussieren Sie auf das, was wirklich zählt?

    Gemäss Studien verlieren wir den Fokus immer häufiger und lassen uns dauernd ablenken. Im Jahr 2000 konnten wir uns noch zwölf Sekunden konzentrieren, heute sind es nur noch acht Sekunden. Ein Goldfisch kann sich übrigens neun Sekunden lang konzentrieren … Wir leben heute – Dank unserer digitalen Vernetzung – in einer Aufmerksamkeitsökonomie. Deren Ziel besteht darin, unsere selektive und begrenzte Aufmerksamkeit auf jene Inhalte / Kanäle / Anbieter zu lenken, welche am aufdringlichsten und attraktivsten erscheinen.

    Mittels Push-Nachrichten werden beispielsweise die Zugriffszahlen von Online-Newsportalen erhöht, was sich positiv auf den Werbeverkauf auswirkt. Der Schriftsteller und Unternehmer Rolf Dobelli stellt berechtigterweise die Frage, welche Relevanz die rund 20 000 Kurznachrichten haben, die wir jedes Jahr lesen. Im Schnitt lesen wir pro Tag 60 bis 90 Minuten lang Kurzmitteilungen und verwenden also zusammengerechnet einen Arbeitstag pro Woche für unseren Newskonsum. Ist das angemessen oder reine Zeitverschwendung? Verstehen wir dadurch die Welt wirklich besser? Aufgrund der Verschiebung der Werbebudgets weg vom Printgeschäft hin zu Online-Medien und der Tatsache, dass immer weniger Menschen bereit sind, für Nachrichten zu bezahlen, haben sich die Nachrichten zu Unterhaltungsangeboten mit geringem Relevanzgrad gewandelt und Dobelli empfiehlt daher eine radikale News-Diät.

    Mit ausgeklügelten Algorithmen wird alles dafür gemacht, dass man auf den nächsten Beitrag oder das nächste Video klickt und ja dabeibleibt. In der digitalen Welt ist die Gefahr gross, dass die Menschen systematisch beeinflusst und manipuliert werden. Die Wirtschaftswissenschaftsprofessorin Shoshana Zuboff spricht von Überwachungskapitalismus. Bereits kleinste Kinder werden – z. B. mit dem Spiel «Pokémon Go» – wie eine Herde zusammen- und herumgetrieben, um Spielwarenläden, Eisdielen, Restaurants usw. zu besuchen.

    Die Auswirkungen sind folgenschwer: Es dauert mehr als 23 Minuten, um uns wieder auf eine Aufgabe zu fokussieren, nachdem wir unterbrochen worden sind. Wichtiges bleibt liegen, Zeit für engagiertes Gestalten bleibt nicht, nur die nötigsten Anpassungen werden noch vorgenommen. Eine unerwartete Frage, die dabei aufkommt: Können wir uns überhaupt noch langweilen? Langeweile hat interessanterweise durchaus seinen Wert: Gelangweilte Probandinnen und Probanden haben in Studien Probleme kreativer gelöst als nichtgelangweilte Personen. Welche psychologischen Effekte hat die stets perfekte Online-Welt auf den Social-Media-Kanälen unserer Freundinnen und Berufskollegen auf uns? Wir und auch unsere Kinder sind heute derart eng auf einer digitalen Ebene verflochten, dass wir Gefahr laufen, uns vom realen analogen Leben zu entkoppeln und in einer virtuellen Parallelwelt zu leben. Jugendliche nutzen ihr Smartphone an einem Wochentag täglich über drei Stunden und am Wochenende sogar täglich rund fünf Stunden lang. Ich möchte hier die Digitalisierung und die damit einhergehenden Möglichkeiten überhaupt nicht verteufeln. Mir geht es darum, dass wir uns der Effekte bewusst werden und so unseren Umgang damit reflektieren können.

    Auch in unserem Arbeitsalltag lauert der Fokussierungsverlust: Eine Studie hat ausgerechnet, dass wir nur 39% unserer Arbeitszeit produktiv und zielgerichtet arbeiten und die anderen 61% unserer Zeit dafür aufwenden, um zu kommunizieren und zu kollaborieren, also unsere Arbeit zu organisieren. Sind wir ineffizient? Sind die vielen Besprechungen wirklich nötig und hilfreich? Wie steht es mit der ständigen Erreichbarkeit? Ablenkung lauert auch bei den E-Mails, die Produktivität wird gemäss der Studie beispielsweise signifikant erhöht, wenn nur noch wenige Male pro Tag das Postfach fokussiert bearbeitet wird. Das hat übrigens auch positive Auswirkungen auf Ihren Stresslevel.

    An dieser Stelle passt das Sprichwort «den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen»: Wir müssen uns wieder auf den Wald konzentrieren und nicht nur auf die vielen interessanten einzelnen Bäume!

    1.3. WO GEHT DIE REISE HIN?

    An einem modernen Arbeitsplatz sind die obigen Herausforderungen schon heute weit verbreitet. Wie bereiten wir uns und insbesondere die Menschen, welche zukünftig in einer solchen Umgebung arbeiten werden, auf diese Herausforderungen vor? Wie schon Abraham Lincoln gesagt hat, ist der beste Weg, die Zukunft vorherzusagen, sie selbst zu gestalten. Dafür ist es hilfreich, wenn wir beobachtbare Entwicklungstendenzen bei unseren weiteren Überlegungen berücksichtigen.

    Als Tiefenströmung des Wandels werden sogenannte Megatrends bezeichnet. Vier zentrale Merkmale zeichnen diese aus:

    Dauer: Halbwertszeit von mindestens 50 Jahren

    Ubiquität: Betreffen alle Lebensbereiche

    Globalität: Sind ein weltweites Phänomen

    Komplexität: Sind mehrschichtig und mehrdimensional

    Das von Matthias Horx gegründete Zukunftsinstitut hat folgende zwölf Treiber des Wandels herausgefunden, welche die Megatrend-Kriterien erfüllen:

    Gender Shift: Veränderung der Rollenmuster und aufbrechende Geschlechterstereotypen

    Gesundheit: Wurde zum Synonym hoher Lebensqualität und prägt sämtliche Lebensbereiche

    Globalisierung: Vielleicht wichtigster Treiber des menschlichen Fortschritts

    Konnektivität: Digitale Vernetzung verändert Leben, Arbeit und Wirtschaft grundlegend

    Individualisierung: Selbstverwirklichung innerhalb einer einzigartig gestalteten Individualität

    Mobilität: Mobilität von Morgen definiert sich durch das Ineinandergreifen von Arbeit, Wohnen und Freizeit

    New Work: Verschwimmen der Grenze zwischen Leben und Arbeit

    Neo-Ökologie: Etablierung eines neuen Werte-Sets auf der Basis des Nachhaltigkeitsparadigmas

    Sicherheit: Empfinden für Risiken und Gefahren nimmt zu

    Urbanisierung: Städte werden zum wichtigsten Lebensraum der Zukunft

    Silver Society: Demografischer Wandel mit mehr älteren und fitten Menschen

    Wissenskultur: Bildungsstand wächst, Bildung wird digitaler und das Wissen über das Wissen (Entstehung, Verbreitung) nimmt zu

    Der Bildungsbereich wird stark von der Globalisierung, der Konnektivität, der Individualisierung, der Neo-Ökologie und der Wissenskultur beeinflusst. Aber auch aktuelle Geschehnisse können grossen Einfluss nehmen, so gesehen an der Corona-Pandemie und dem Krieg in der Ukraine.

    Im «2021 EDUCAUSE Horizon Report» werden 15 Trends und sechs Schlüsseltechnologien und Praktiken vorgestellt, die die Zukunft des Lernens und Lehrens prägen werden.

    Gesellschaft

    Fernarbeit / -studium

    Vergrösserung der digitalen Kluft

    Fragen der psychischen Gesundheit

    Umwelt

    Klimawandel

    Verringerung des Arbeitsweges

    Nachhaltige Entwicklung

    Technologie

    Weitverbreitete Einführung von hybriden Lernmodellen

    Verstärkte Nutzung von Lerntechnologien

    Entwicklung zu digitalen Fakultäten

    Politik

    Zunahme der digitalen Vernetzung / Online-Globalisierung

    Aufkommen des Nationalismus

    Öffentliche Finanzierung der Hochschulbildung

    Wirtschaft

    Sinkende Finanzierung der Hochschulbildung

    Nachfrage nach neuen / anderen Qualifikationen der Arbeitskräfte

    Ungewissheit der Wirtschaftsmodelle

    Schlüsseltechnologien und Praktiken

    Künstliche Intelligenz (KI)

    Gemischte und hybride Kursmodelle

    Lernanalytik (Learning Analytics)

    Microcredentials[2]

    Offene Bildungsressourcen (OER)

    Qualitatives E-Learning

    Wie kann eine gute Mischung zwischen analogen und digitalen Lerngelegenheiten angeboten werden? Wie kann die Kontaktzeit Face-to-Face auf einem möglichst hohen Niveau stattfinden? Dazu finden Sie in den folgenden Kapiteln dieses Buches Antworten.

    Welche neuen Technologien uns in Zukunft beeinflussen werden und wie diese einzuschätzen sind, können wir dem Gartner Hype Cycle entnehmen. Darin werden Technologien hinsichtlich ihrer Aufmerksamkeit (also der Erwartung in diese) und der Zeit seit der Bekanntgabe der Technologie in einem Diagramm abgebildet. Der Hype Cycle unterteilt sich in fünf Abschnitte:

    Technologischer Auslöser (Innovation Trigger)

    Gipfel der überzogenen Erwartungen (Peak of Expectations)

    Tal der Enttäuschungen (Trough of Disillusionment)

    Pfad der Erleuchtung (Slope of Enlightenment)

    Plateau der Produktivität (Plateau of Productivity)

    Ein bekanntes Beispiel für diesen Hype-Cycle ist das Internet. Zu Beginn unterschätzt, dann völlig überschätzt (Dotcom-Blase) und jetzt auf einem stetig produktiveren Niveau.

    2022 präsentiert Gartner 25 Innovationen, die sich in drei Hauptthemen unterteilen lassen:

    Weiterentwicklung / Erweiterung immersiver Erfahrungen

    Technologien ermöglichen mehr Kontrolle der eigenen Identität, der eigenen Daten, Erfahrungen an virtuellen Orten und Ökosystemen (z. B. Metaverse) und die Integration digitaler Währungen. So können neue Kundinnen und Kunden erreicht und damit neue Einnahmequellen erschlossen werden.

    Beschleunigte Automatisierung durch KI (Künstliche Intelligenz):

    Technologien, wie autonome, lern- und handlungsfähige Systeme, ermöglichen eine Weiterentwicklung von Produkten und Dienstleistungen, sodass genauere Vorhersagen und Entscheidungen getroffen werden können.

    Optimierte Bereitstellung durch Technologieexperten

    Technologien, wie Cloud-Datenökosysteme, fokussieren auf den Aufbau eines digitalen Geschäfts. Mit einer kohärenten Datenmanagementumgebung verfügt man so über umfassende Funktionen, die einfach implementiert, optimiert und gewartet werden können.

    Gartner Hype Cycle (Gartner 2022)

    Der Investor und Autor Matthew Ball freut sich besonders auf die Anwendungsmöglichkeiten für die Bildung im Metaversum, das seiner Meinung nach nicht mehr abwendbar ist. Damit kann die Reichweite von guten Lehrpersonen und guten Unterrichtseinheiten vergrössert werden, sodass auch Lernende davon profitieren können, die beispielsweise in einem finanzarmen Teil des Landes oder der Welt wohnen und zur Schule gehen.

    Damit wir in der Zukunft auch auf Gefahren vorbereitet sind, ist es hilfreich diese Risiken zu kennen. Der «Global Risks Report 2021» nennt folgende zehn globale Risiken aufgrund ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und ihrer Auswirkung:

    ökologisch gesellschaftlich technologisch geopolitisch wirtschaftlich

    Interessant ist weiter, dass die Erosion des sozialen Zusammenhalts als besorgniserregendes Risiko genannt wird. Es braucht Verständnis für die Unterschiede, Werte und Verhaltensweisen untereinander, sodass das Zusammenleben besser gelingt.

    Damit Emma und Liam mit den Megatrends, den neuen Technologien und den globalen Risiken umgehen können, werden sie, gemäss dem «Future of Jobs Report 2020», folgende Kompetenzen benötigen:

    Analytisches Denken und Innovationsfähigkeit

    Aktiv zu lernen und Lernstrategien zu entwickeln

    Komplexe Probleme zu lösen

    Kritisches Denken und Analysefähigkeit

    Kreativität, Originalität und Initiative

    Führungsqualitäten und sozialer Einfluss

    Technologieeinsatz, -überwachung und -kontrolle

    Technologieentwicklung und -programmierung

    Belastbarkeit, Stresstoleranz und Flexibilität

    Denkvermögen, Problemlösungsfähigkeit und Ideenreichtum

    Emotionale Intelligenz

    Störungsbehebung und Benutzererfahrung

    Serviceorientierung

    Systemanalyse und -bewertung

    Überzeugungskraft und Verhandlungsgeschick

    Diese sich verändernden Anforderungen an die Mitarbeitenden führen bereits heute dazu, dass die Hälfte aller Arbeitnehmenden zusätzliche oder andere Fähigkeiten benötigen. Bei 40% wird sich sogar die Haupttätigkeit verändern.

    1.4. VERÄNDERUNG ALS EINZIGE KONSTANTE

    Wohin sich die Gesellschaft entwickelt, wissen wir nicht mit Sicherheit. Was wir jedoch mit Sicherheit wissen, ist, dass – wie es bereits der griechische Philosoph Heraklit treffend formuliert hat – die einzige Konstante im Universum die Veränderung ist. Insbesondere disruptive Kräfte führen zu instabilen, komplexen und chaotischen Umweltbedingungen, die die Markt- und Wettbewerbsbedingungen wandeln. Die Ursachen sind gemäss Andreas P. Wenger und Norbert Thom die gewaltige weltweite Urbanisierung, der Umfang, das Ausmass und die Wirkung des technologischen Wandels, der demografische Wandel sowie die Globalisierung. Dies führt zu einer hochgradig arbeitsteiligen und vernetzten Wirtschaft mit einer hohen Änderungsdynamik. Grosse Heterogenität, Komplexität und Unsicherheit gehen damit einher.

    So spricht man heute davon, dass wir in einer VUCA-Welt leben. VUCA steht für Volatilität (V, Unbeständigkeit), Unsicherheit (U), Komplexität (C, Complexity) sowie Ambiguität (A, Nichteindeutigkeit). Emma und Liam müssen also in der Lage sein, sich erfolgreich in der VUCA-Welt zu bewegen. Dies gelingt den beiden, wenn sie offen, flexibel, kommunikativ, proaktiv, mutig, vielseitig, kreativ, achtsam und authentisch sind. Das lebenslange Lernen wird dabei eine Schlüsselfunktion übernehmen, um kontinuierlich voranzukommen.

    Allerdings entspricht eine ständige Weiterentwicklung nicht der eher trägen menschlichen Natur (Entropie[3]). Evolutionsbedingt haben wir ein grosses Bedürfnis nach geordneten, entspannten Abläufen und Mustern. Diese Muster mit neuen Ideen und Abläufen aufzubrechen, kann herausfordernd sein. Deshalb fällt es Menschen manchmal schwer, neue Projekte mit Begeisterung mitzutragen. Aufgrund des Widerstands der Menschen scheitern sehr viele Projekte. In Veränderungsprojekten ist es daher essenziell, dass die Menschen nach Möglichkeit miteinbezogen werden. Eine aufgedrückte Veränderung von aussen kommt in der Regel nicht gut an. Vertrauen bildet einen weiteren Schlüsselfaktor. Es hilft Komplexität in sozialen Systemen zu reduzieren.

    1.5. WAS WOLLEN WIR BEWIRKEN?

    Was ist das übergeordnete Ziel, auf welches Emma und Liam fokussieren sollten? Hauptziel ist sicher, die beiden zu befähigen, ein eigenständiges, selbstverantwortliches Leben zu führen und verantwortungsbewusst und selbstständig am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben und mitzuwirken. Dafür stellt Bildung den entscheidenden Hebel dar. Deshalb formulieren auch die Vereinten Nationen in ihrer globalen Nachhaltigkeitsagenda, dass für alle Menschen bis 2030 eine chancengerechte und hochwertige Bildung sicherzustellen ist. Alle Menschen sollen mit Fähigkeiten und Werten ausgestattet werden, sodass sie verantwortliche Weltbürger sein können, die die Menschenrechte und die Gleichberechtigung der Geschlechter achten und sich ökologisch nachhaltig verhalten. Der persönliche Bildungsprozess sollte offen sein und aktiv selbst gestaltet werden können und somit auch die Möglichkeit zum lebenslangen Lernen bieten. Die benötigten finanziellen, zeitlichen und personellen Ressourcen sollten dabei möglichst wirkungsvoll eingesetzt werden.

    LESEN SIE NUN IM ZWEITEN KAPITEL, OB DAS BILDUNGSWESEN FÜR DIE HEUTIGE UND ZUKÜNFTIGE REALITÄT BEREIT IST.

    Kapitel 2

    IST DAS BILDUNGSWESEN BEREIT FÜR DIESE REALITÄT?

    2.1. AKTUELLE ZAHLEN, DATEN, FAKTEN

    Unser Bildungssystem gehört zweifelsohne zu den besten der Welt. Das verdanken wir den engagierten Lehrpersonen auf allen Stufen. Die Schweiz ist auch eines der wettbewerbsfähigsten Länder der Welt (International Institute for Management Development 2021: Platz 1), die Arbeitslosen- und die Jugendarbeitslosenquote ist tief (2022 unter 3%) und die Erwerbsquote hoch (knapp 70%). Die Menschen sind sehr zufrieden mit ihrem Leben (7.5 auf einer Skala von 0 bis 10, der OECD-Durchschnitt liegt bei 6.5). Nur in Finnland, Norwegen und Dänemark sind die Menschen noch etwas zufriedener. Was in der obligatorischen Schule gelernt wird, hat im Berufsleben später eine hohe Relevanz (78%), in der tertiären Ausbildung ist diese noch leicht höher (82%). Diese Werte sind ebenfalls weltweit spitze. Die öffentliche Hand investierte 2019 knapp 40 Milliarden Franken (5.5% des Bruttoinlandprodukts oder 17.4% der Gesamtausgaben) in die Bildung.

    Mit 21 Milliarden Franken gehörte die Schweiz 2017 zu den Ländern, die am meisten für Forschung und Entwicklung aufwenden. Dies zahlt sich beispielsweise auch in den Anzahl Patenten aus. Pro Million Einwohnerinnen und Einwohner sind wir mit 150 Patentfamilien (alle weltweit angemeldeten Patente zum Schutze einer und derselben Erfindung) das aktivste OECD-Land vor Japan. Diese Investitionen lohnen sich also.

    Seit dem Jahr 2000 untersucht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) mit dem PISA-Test die Lesefähigkeit sowie die mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen von 15-jährigen Schülerinnen und Schülern. Die letzten Daten wurden 2018 erhoben. Bei den mathematischen Kompetenzen (Platz 11) schneiden die Schweizer Jugendlichen über dem Durchschnitt aller 79 Länder gut ab. Bei der naturwissenschaftlichen Grundbildung belegen sie Platz 24, ebenfalls über dem Durchschnitt. Das Leseniveau liegt hingegen unter dem Durchschnitt (Platz 29) und hat in den letzten Jahren eher noch abgenommen. Zum Vergnügen liest heute weniger als die Hälfte der Jugendlichen ein Buch. Das Smartphone hat sicher einen wesentlichen Einfluss auf diesen Befund. Einen weiteren Einfluss hat der Stellenwert Schweizer Bibliotheken. Als grosser Finnlandfan bin ich begeistert zu sehen, welche Unterschiede es in finnischen Bibliotheken gibt. Bibliotheken werden dort als erweitertes Wohnzimmer der Menschen verstanden, die zum Verweilen, Lesen, Arbeiten, Spielen oder Basteln einladen. Es ist nicht nur ein Ort, an dem man Bücher ausleiht. Kinder verbringen viel Zeit in Bibliotheken und werden von Geburt weg und in der Schule an die Bücher herangeführt, sodass sie das Lesen als etwas lustvolles erfahren. Das gute Abschneiden der finnischen Kinder in der Lesekompetenz hat vermutlich einen massgeblichen Zusammenhang mit der wertvollen Ergänzung der Schulen durch die ansprechenden Bibliotheken.

    Die Freude am Lesen soll mit Frühförderungsprogrammen wieder erhöht werden. Es wirkt sich positiv auf die Lesefähigkeit aus, wenn Eltern ihren Kindern im Vorschulalter vorlesen. Die PISA-Studie wird kritisiert, da sie sich nur auf drei Bereiche konzentriert. Die in der Zukunft wichtigen 4K-Kompetenzen werden z. B. noch nicht berücksichtigt. Zudem wird argumentiert, dass die in der Schweiz für den PISA-Test aufgewendeten mehr als drei Millionen Franken anderswo im Bildungswesen besser investiert wären.

    Persönlich vermute ich aufgrund meiner langjährigen unterschiedlichsten Einblicke ins Bildungswesen, dass – trotz der teilweise sehr beeindruckenden Zahlen – das gesamthaft in die Bildung investierte Geld sogar noch effektiver eingesetzt werden könnte. Diese Hypothese zu prüfen ist jedoch komplex und beinahe unmöglich. Bevor wir die Effizienz der Input-Variablen genauer untersuchen können, muss die Antwort auf die Frage, ob die Inputs für den Output überhaupt relevant sind, geklärt werden. Es könnte nämlich im schlimmsten Fall sein, dass etwas, das für die Zukunft von Emma und Liam keine Relevanz hat, sehr effizient angeboten wird …

    Bildungsökonominnen und Bildungsökonomen weisen darauf hin, dass nach wie vor aktuell zu wenig aussagekräftige Daten vorliegen. Z. B. müsste man Kompetenzmessungen der Lernenden zu unterschiedlichen Zeitpunkten

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