Napoleon Bonaparte
Von Stendhal und Arthur Schurig
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Buchvorschau
Napoleon Bonaparte - Stendhal
Epigraph
Inhaltsverzeichnis
Doch Geister gibts, begünstiget vom Himmel,
Die durch sich selbst sind, alles sind und nichts
Dem Ahnherrn schuldig, nichts der Welt. So ist
Der Mann, den ich zum Herren mir erwählte.
Er in der Welt allein verdients zu sein;
Und allen Sterblichen, die ihm gehorchen sollen,
Gab ich ein Beispiel, das mich ehren wird.
Goethe, nach Voltaires Mahomet.
An den Verleger
Inhaltsverzeichnis
(undatiert; aus dem Nachlasse)
In diesem Manuskript, das ich Ihnen anbiete, herrscht keine Schönrederei. An keiner Stelle mache ich hochtrabende Phrasen. Nirgends versengen die Worte das Papier. Die Ausdrücke: Kadaver, scheußlich, erhaben, Greuel, abscheulich, Terror usw. kommen nicht darin vor.
Der Autor hat den Hochmut, niemanden nachzuahmen; um aber nötigenfalls einen Vergleich mit dem Stile dieses oder jenes unter den großen Schriftstellern Frankreichs anzuregen, möchte ich sagen: Ich habe zu erzählen versucht nicht wie die Mode-Autoren von heute, sondern wie Michel de Montaigne oder Charles de Brosses.
An den Leser
Inhaltsverzeichnis
(im April 1837)
Fu vera gloria?
Ai postera l’ardua sentenza.
War echt dein Ruhm?
Die Enkelwelt entscheide dies!
Manzoni, Ode an Napoleon.
Ein Mann hatte Gelegenheit, Napoleon in Saint-Cloud, nach Marengo, in Moskau zu sehen. Jetzt schreibt er Napoleons Leben ohne jeden Anspruch auf schönen Stil. Der Mann verabscheut die Schönrederei als Schwester der Heuchelei, des Modelasters im 19. Jahrhundert.
Nur die kleinen Verdienste mögen die Lüge, die ihnen förderliche. Je bekannter die ganze Wahrheit wird, um so größer wird Napoleon dastehen.
Im Kriegsgeschichtlichen wird der Verfasser fast immer Napoleons eigene Worte nehmen. Derselbe Mann, der die Taten vollbracht, hat sie auch berichtet. Welch Glück für die Wißbegier der kommenden Jahrhunderte! Wer könnte es wagen, nach Bonaparte, die Schlacht bei Arcole zu erzählen?
Ich habe den General Bonaparte zum erstenmal in meinem Leben zwei Tage nach seinem Übergang über den Sankt Bernhard gesehen, am Fort Bard, am 21. Mai 1800, also [heute 1837] vor 37 Jahren. Vierzehn Tage nach Marengo hatte ich ihm in seiner Loge in der Scala, Mailands großem Theater, einen Bericht zu überbringen. Ich war Augenzeuge beim Einzuge Napoleons 1806 in Berlin, ich war 1812 in Moskau, 1813 in Schlesien. Zu allen diesen Zeiten habe ich den Kaiser aus allernächster Nähe gesehen.
Persönlich gesprochen habe ich dreimal mit ihm. Zum ersten Male richtete der große Mann das Wort an mich bei einer Truppenschau im Kreml. Ich bin von ihm durch ein langes Gespräch geehrt worden in Schlesien während des Feldzugs von 1813. Schließlich gab er mir im Dezember 1813 mit kräftiger Stimme eine bis ins einzelne genaue Instruktion während meiner Tätigkeit im Dauphiné unter dem Senator Grafen Saint-Vallier. Mit gutem Gewissen darf ich über viele Lügen lächeln.
*
Ich schreibe dieses Buch, wie ich es von einem Andern geschrieben hätte vorfinden mögen. Mein Ziel ist, den Übermenschen verständlich zu machen. Ich habe ihn geliebt, als er lebte. Jetzt schätze ich ihn aus all der Verachtung, die mir die Zustände nach ihm einflößen.
*
Als Herrscher hat Napoleon schriftlich oft gelogen. Manchmal durchbrach das Herz des großen Mannes den kaiserlichen Hermelin, aber zumeist bereute er es, die Wahrheit geschrieben und zuweilen mündlich gesagt zu haben. Auf Sankt Helena schließlich arbeitete er für die Thronbesteigung seines Sohnes oder für seine zweite Rückkehr, ähnlich der von Elba. Ich bin bemüht, mich nicht irreführen zu lassen.
*
Die Kunst zu lügen hat neuerdings große Fortschritte gemacht. Man lügt nicht mehr wie zur Zeit unsrer Väter in traditioneller Form, sondern in vager Rederei, bei der man den Lügner später schwer fassen und mit präzisen Worten