Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Die letzten Tage des Marschalls von Sachsen: Historischer Roman
Die letzten Tage des Marschalls von Sachsen: Historischer Roman
Die letzten Tage des Marschalls von Sachsen: Historischer Roman
eBook199 Seiten2 Stunden

Die letzten Tage des Marschalls von Sachsen: Historischer Roman

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Hermann Stegemann (1870-1945) war ein deutsch-schweizerischer Journalist und Schriftsteller. Hermann Stegemann verfasste neben seinen journalistischen Arbeiten zahlreiche Romane, Erzählungen, Gedichte und Theaterstücke. Aus dem Buch: "Da Herr von Bauffremont als Gouverneur von Vendôme gestorben war, glich das Städtchen einem Heerlager. Der König hatte je zwei Kompagnien der Fußregimenter Dauphin und Orléans und je ein Pikett der Reiterregimenter Royal-Piemont, Royal-Pologne und La Morlière mit den Standarten ausrücken lassen und als Ehrengeleit nach Vendôme entsandt. Es waren die Truppen, die sich im Treffen von Betoux zwei Tage lang der Armee des Fürsten von Waldeck entgegengestemmt und das Feld behauptet hatten. Der König hatte noch mehr getan. Er hatte auf die Bitte der Marquise von Pompadour den Stamm des Regiments La Couronne in Marsch gesetzt und als Ehrentruppe zur Leichenparade abgeordnet. Das alte Regiment zog gerade in der Stärke von vier Kompagnien von Senlis heran, als der Graf von Sachsen über die Loirebrücke ritt, und die entspannten Trommeln von La Couronne schlugen dumpf und schwer in das hellere Geläut der Kirchenglocken."
SpracheDeutsch
HerausgeberSharp Ink
Erscheinungsdatum8. Aug. 2016
ISBN9788028257941
Die letzten Tage des Marschalls von Sachsen: Historischer Roman

Ähnlich wie Die letzten Tage des Marschalls von Sachsen

Ähnliche E-Books

Historienromane für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Die letzten Tage des Marschalls von Sachsen

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Die letzten Tage des Marschalls von Sachsen - Hermann Stegemann

    I

    Inhaltsverzeichnis

    Moritz Graf von Sachsen ging auf den Arm seines Generaladjutanten, des Herrn von Espagnac, gestützt, mit bleischweren Sohlen im buntbelaubten Park des Schlosses Chambord spazieren. Der Oktober hatte Gehölze und Alleen mit Bronzetönen angehaucht, und die nackten Nymphen, die in der großen Buchsbaumrotunde vor dem Pavillon Dianas aufgestellt waren, glänzten taubeperlt. Von der Loire herüber wehte ein feuchter Hauch und beschlug die vierhundert Fenster des Schlosses, daß sie in allen Farben des Regenbogens schillerten.

    Der Marschall hatte hohe filzgefütterte Stiefel angezogen, die zu dem Samt des bequemen Hauskostüms schlecht paßten, aber es war gerade niemand da, um dessen böse Zunge oder schöne Augen er sorgte, und er ließ sich in den letzten Wochen ein wenig gehen, beinahe schwermütig und ganz von Groll gegen die Beschwerden frühen Alterns erfüllt, gegen die kein Wehren mehr half. Wohl war er nicht unschuldig an dem vorzeitig hereingebrochenen Verfall, aber dieser kränkte ihn trotzdem wie eine ihm von der Natur angetane Unbill.

    Als er am Arme Espagnacs die Stufen zum Pavillon Dianas emporstieg, klang von den Wasserbecken das Larilarido eines Campagneliedes herüber. Es schwamm trotz seiner leichtbeschwingten Weise unsäglich traurig in der klaren Luft und erhöhte die Stille des herbstmüden Parkes.

    »Mein Gott, wie traurig!« murmelte Moritz. »Ich sterbe an Langeweile, am Nichtstun, am Erkalten aller großen Gefühle. Kein Feldzug mehr, keine Eifersucht, nicht Liebe noch Haß, nichts, nichts als eine Tafel, von der Medici und Medikaster jede Gaumenlust verbannt haben, und die Gewißheit, daß man nicht an einer Krankheit, sondern am Leben stirbt. Bei meiner Ehre, dieses Leben ist nur ein Traum. Und dazu noch ein kurzer Traum, kurz, kraus und erst faßbar, wenn man ihn ausgeträumt hat. Vielleicht träumen wir ihn gar nicht selbst, Espagnac, vielleicht werden wir geträumt, sind wir nicht einmal Herr über eine einzige Stunde. Hören Sie, wie der Sänger seine Stimme in die Höhe schraubt und säuselnd ins Falsett steigt, als wär's ein Alkovenliedchen! Ich wette, es ist der kleine Ballaincourt, der Frau von Crenay im Muschelkahn zu Füßen sitzt und mit leichten Fingern auf ihren Knien den Tambour markiert. Der Junge geht mir auf die Nerven. Ich werde ihm diese Nacht die Offizierswache zuteilen lassen, um ihn abzukühlen.«

    Espagnac schwieg. Er weilte schon seit dem Frühling in Chambord, um mit dem Marschall die Geschichte der Feldzüge in Flandern vorzubereiten, und wußte, daß diese Stimmungen rascher verflogen, wenn man sich zurückhielt und dazu schwieg. Er war zu klug, sich einer Laune dienstbar zu machen, die plötzlich in herrische Lustgefühle umschlagen konnte.

    Moritz erwartete auch keine Gegenrede. Er hielt Selbstgespräche wie ein Einsiedler, seit er, um seine Anwartschaft auf Kurland und einen westindischen Königstraum betrogen, in Chambord seinem bunten, schönen Leben nachsann und, in seine Gloriole gehüllt, mehr mit seinen Erinnerungen als mit hübschen Tänzerinnen schlafen ging.

    Sie hatten die Vortreppe erstiegen. Der Marschall atmete tief auf, löste die Hand vom Arme seines Begleiters, bedeutete diesem, zurückzubleiben, nahm den Krückstock zu Hilfe und ging, von eilfertig auftauchenden, rasch wieder verschwindenden Dienern geleitet, durch die Empfangsräume in den Salon, der nach dem Bilde der Gräfin Aurora von Königsmark benannt worden war.

    Das volle Abendgold lag in dem hohen, von großen Fenstertüren erhellten Gemach und ließ die lachsfarbenen Seidenpolster, die reichen Bronzebeschläge und die venezianischen Spiegel in den sattesten Tönen erglänzen.

    Das Bild der Gräfin stand in sanftem Licht. Der französische Künstler, der es nach dem Schenkschen Kupferstich gemalt hatte, war der Mode zu Hilfe gekommen und hatte die junonische Gestalt der schönen Aurora zarter umrissen als der sächsische Meister und das dunkle Lockengebäude, in dem die Mondsichel als Diadem glänzte, durch einen Puderhauch aufgehellt, sonst aber nichts geändert. Ernst blickte Aurora, nach links enteilend, über die Schulter, und ihre großen, dunkeln, von feingezogenen Brauen überwölbten Augen hafteten gleichsam fragend an dem Sohn, der, den Hut in der Hand, schwer auf den Stock gestützt, dem Bilde seine Reverenz erwies.

    Moritz sprach zu diesem Bilde wie zu einem lebenden Menschen.

    »Ich bin heute von noch größerer Misanthropie gequält als vor drei Tagen, gnädigste Mutter. Blicken Sie nicht so erstaunt! Ich weiß, daß Sie solche Launen nie gekannt haben. Selbst in Quedlinburg nicht, als Sie, von dem flatterhaftesten aller Fürsten vernachlässigt, sich nur noch um meine Amouren sorgten. Aber glauben Sie mir, die Welt ist heute nicht mehr so von Lust und Kraft geschwellt wie zu jener Zeit, da Sie aus dem Köcher, den Sie so anmutig auf der Schulter tragen, die nimmer fehlenden Pfeile schossen. Ich bin mit vierundfünfzig Jahren bereit, in den Nachen Charons zu steigen. Nach Cythere bringt mich keine Barke mehr, und Ruhm, Mama, Ruhm – König Ludwig, der Vielgeliebte, bedarf keines selbstherrlichen Feldherrn mehr. Man wird die Generale künftig in den Alkoven ernennen, und sie werden mit dem Schäferstecken zu Felde ziehen. Beklagen Sie mich, gnädigste Mutter, schönste, königlichste Frau!«

    Er schwang den Hut zur Seite, verneigte sich, trat rückwärts, verneigte sich noch einmal und ließ sich dann vor dem Schreibtisch nieder, der auf vergoldeten Löwentatzen, von bräunlichem Licht überronnen, mit Bronzen und Silberrahmen bedeckt, mitten im Zimmer stand und noch den majestätischen Geschmack des Sonnenkönigs spiegelte.

    Der Schritt Espagnacs, der den Pavillon umwandelte, knirschte auf dem Kies der Terrasse, drei zierliche Uhren versuchten vergebens ihre Pendel im Takt zu schwingen, sonst war nichts zu hören als der schwere Atem des Marschalls von Sachsen, der das Haupt stützte und die Blicke ziellos über die Erinnerungszeichen und die kleinen Kunstwerke auf der Platte des Schreibtisches schweifen ließ.

    Plötzlich schärfte sich sein Blick und blieb an der köstlichen Miniatur einer Nymphe haften, die, von zwei Satyrn am Gewand gepackt, sich hastig aus der Hülle reißt, um den Bocksfüßen zu entgehen. Er griff danach, zog ein geschliffenes Glas aus der Weste, betrachtete das zierliche Bild durch den vergrößernden Kristall, und der bittere Zug, der seine Mundwinkel gekrümmt hatte, löste sich über dieser Betrachtung allmählich zu einem lüsternen Lächeln.

    Er hatte sich so in die Betrachtung der schönen Nymphe versenkt, daß er das Scharren an der Tür und den Eintritt Espagnacs überhörte. Aber er zürnte nicht, als der alte Waffengefährte sich ihm mit einer Entschuldigung näherte, sondern rief lebhaft:

    »Erinnern Sie sich noch des Tages, da ich dieses köstliche Bildchen erhielt? Und meines Staunens über die Ähnlichkeit dieser Waldgöttin mit Frau von Bauffremont, einer der schönsten Damen des Hoflagers? Mein Gott, wie lange ist das her! Und doch steht dieses Bild mir noch so nahe, daß es lebendig zu mir spricht. Nur was wir nicht besessen, kann uns so gegenwärtig bleiben!«

    Espagnac erwiderte bedächtig: »Ich erinnere mich sehr wohl des Tages, Herr Marschall. Es war der 30. März 1747. Wir waren auf dem Wege nach Brüssel und fuhren durch Valenciennes. Die Armee war noch ungeordnet, kaum aus den Winterquartieren aufgestanden, aber der Feind schon rege, als wüßte er, daß der Marschall von Sachsen wieder an der Wassersucht leide, was doch im eigenen Lager so gut verhehlt wurde, daß selbst der König nichts davon erfuhr.«

    »Ach, lassen wir das, ich denke jetzt nicht an die Pinte Wasser, die man mir damals aus dem Leib zog, es war ja nicht die erste. Der Anfall, der Uns vor Fontenoy beinahe um die Führung der Schlacht gebracht hätte, war schlimmer. Nun, Wir sind dem Cumberland, dem Waldeck und dem Batthiany doch noch zuvorgekommen und haben ihnen Anno 1747 den Rückweg von Antwerpen nach Mastricht gezeigt – ich erinnere mich lieber des Urbilds dieser seltsamen Ähnlichkeit und des Zufalls, der mir das wundervolle Werkchen in die Hände spielte. Sie sehen es nicht zum erstenmal in meiner Hand, seit wir hier Historie treiben. Ich komme nicht los von ihm und von den Erinnerungen, die es beschwört. Der Reiz einer unausgelebten Leidenschaft und der Duft eines nie gelüfteten Liebesgeheimnisses umschweben dieses zauberische Bild.«

    Er legte das Vergrößerungsglas beiseite, stellte den Rahmen an seinen Platz, lehnte sich zurück und schaute versonnen vor sich hin. Sein welkes Gesicht hatte sich leicht gerötet, die Wangenmuskeln strafften sich, die Flügel der schmalen, gebogenen Nase, die trotz der Entstellung durch den übertriebenen Tabakreiz ihren kühnen Schwung bewahrt hatte, bebten leise; und in den blauen, hochmütig blickenden Augen glomm das Feuer des Blickes so stark, daß die gedunsenen Lider sich hoben und die Iris sich mit lauterem Glanz füllte. Die rechte Hand begann auf der kühlen Rosenholzplatte des Schreibtisches das reizende Campagnelied »Le roi fait battre tambour« zu trommeln, die linke aber strich die grauen, weißgepuderten Schläfenlocken zurück und preßte die schmerzende Stirn, in der wilde Stiche zuckten und den Sohn Augusts des Starken an die Vergänglichkeit seines schönen, tollen, abenteuerlichen Lebens mahnten.

    Espagnac wagte seinen geliebten Herrn nicht zu stören. Er barg das große gesiegelte Schreiben, das ihm die königliche Staffette soeben zur eiligen Beförderung übergeben hatte, im Ärmelaufschlag und wartete auf eine schicklichere Gelegenheit, es in die Hände des Marschalls zu legen.

    »Wissen Sie noch, Espagnac, wie der Jude im Schloßgäßchen sich an die Karosse drängte und um Schonung seiner Budike bat, in der die Herren von Auvergne übel hausten, als wir in der Kutsche durch Valenciennes fuhren? Wissen Sie noch, wie er mir dieses Kleinod auf die Knie legte, um meinen Schutz zu erwirken? Ich hatte übel Lust, mich um ihn zu kümmern, denn der Soldat will seine Freiheiten haben, wenn er die Haut zu Markte trägt, und ich hatte Besseres zu tun, als einen Judenkram vor ihren Fäusten zu retten, aber das Bild bestach mich mit der ergreifenden Ähnlichkeit – ich glaubte sie selbst zu besitzen, die schöne Nymphe, die uns bislang so kalt widerstanden, und der Jude trug seinen Schutzbrief im Triumph davon.«

    Da Espagnac schwieg, fuhr Moritz voll Bitterkeit fort:

    »Ich war in keiner guten Verfassung und der König hätte dem Marschall von Noailles den Befehlsstab übergeben, wenn er gewußt hätte, daß Sachsen wieder voll Wasser steckte wie ein kretischer Schwamm, aber es gelang Uns, Unsere Leiden zu verhehlen, bis Uns der Einstich Erleichterung verschaffte. Seltsam, daß Wein zu Wasser wird und Liebesglut zu Schüttelfrost und der Ruhm am lautesten im dürrgewordenen Lorbeer raschelt!«

    Der Aufschwung seines Wesens war in jähem Absturz zusammengebrochen. Die rechte Hand hatte aufgehört, den Takt zu schlagen, die Stirn sank wieder in die aufgestützte Linke, der letzte Abendglanz fiel, wie aus Blut und Gold gewoben, durch das hohe Fenster und legte sich schwer auf Haupt und Schultern des Gealterten.

    Da zog Espagnac den Brief des Generalquartiermeisters Sr. allerchristlichsten Majestät Ludwigs XV. aus dem Ärmel.

    Moritz blickte erstaunt auf.

    »Man erinnert sich des Einsiedlers von Chambord? Ist der Aachener Traktat gebrochen oder den Briten eine Insel in Westindien feil geworden? Erweist mir die Marquise von Pompadour, geschiedene d'Etioles, geborene Poisson die Ehre, den Marschall von Sachsen ihrer allerhöchsten Ungnade zu versichern, wie dies dem Staatssekretär Maurepas geschah?«

    Mit hartem Griff löste er Siegel und Schnüre und schlug den gekniffenen Brief auf der Tischplatte glatt.

    Espagnac sah ihn erst erblassen, dann einen Augenblick den Kopf tief auf das Papier senken und darauf langsam sich erheben. Nun stand er hochaufgerichtet, in soldatischer Haltung und langte nach seinem Hut.

    »Eine Ahnung ließ mich heute nach diesem Bilde greifen. Die Toten melden sich. Der König fordert den Marschall von Sachsen zur Führung des Trauergeleites des Generalmajors Marquis von Bauffremont, der vor zwei Tagen zu Vendôme an Entkräftung verschieden ist. Der Sieger von Fontenoy und Laafeld sei dem Sieger von Betoux solche Ehre schuldig.«

    »Dem Sieger von Betoux?«

    Mit einem Ruck wandte Moritz sich um.

    »Bauffremont hat sich bei Betoux mit zwei Regimentern Infanterie, vierzehn Schwadronen und zehn Stücken zwei Tage behauptet und die ganze Armee des Fürsten von Waldeck in Schach gehalten. Er hat zwar ein Drittel seines Bestandes auf dem Felde liegen gelassen, aber keine Fahne, keine Kanone verloren und mir den Rücken gedeckt, bis ich den Fluß überschritten und die Bewegung zur Einschließung der Festung Bergen op Zoom vollendet hatte. Dies ist eine Kriegshandlung, die einer Victoria mit nichten nachsteht. Moritz von Sachsen schuldet Herrn von Bauffremont die Führung des Leichenkondukts.«

    »In diesem Zustand? Ohne Zustimmung der Ärzte?«

    »Ist dieser Zustand betrüblicher als am Tage von Fontenoy, Herr von Espagnac? Fragt des Königs Dienst danach? Ich führe den Kondukt, auch wenn ich Kettenkugeln an den Beinen schleppte!«

    Espagnac verbeugte sich, nahm auf einen Wink des Marschalls den Brief an sich und bot Moritzen dann die Stütze seines Armes.

    Er lächelte vor sich hin. Nichts half dem Marschall besser zu neuen Säften als ein starker Antrieb seiner Adern.

    Sie schickten sich an, den Pavillon zu verlassen.

    Doch plötzlich verhielt Moritz den Schritt und fragte leise, ein wenig unsicher:

    »Wo weilt die Marquise? Sie hat seit der Trennung von ihrem Gemahl die Abtei von St. Sulpice nicht mehr verlassen. Ihr zu begegnen wird mir schmerzlich sein – schmerzlich und beglückend.«

    Unwillkürlich suchte sein Auge die von Satyrn verfolgte Nymphe und blieb zärtlich, verlangend, entsagend daran haften.

    Espagnac bemühte sich um eine farblose Antwort.

    »Frau von Bauffremont hat St. Sulpice, so mir bekannt, in der Tat nicht mehr verlassen, seit der Marquis sich von ihr geschieden hat, aber sie ist sicher schon nach Vendôme unterwegs, ihm die letzten Liebesdienste zu erweisen.«

    »Sagen wir die letzte Pflicht zu erfüllen,« verbesserte Moritz von Sachsen seinen Adjutanten. »Frauen wissen genau zu unterscheiden, wenn ihr Herz sie nicht verwirrt. Die schöne Nymphe von Valenciennes ist Herrn von Bauffremont nicht mehr schuldig geworden.«

    Er brach kurz ab und kehrte ins Schloß zurück, um sich zur Reise zu rüsten.

    König Ludwig XV. hatte dem Marschall von Sachsen nach Beendigung des Krieges erlaubt, das Reiterregiment Sachsen nach Chambord mitzunehmen und den Bau der Reiterkaserne aus seiner eigenen Schatulle bezahlt. Das Regiment war in Chambord nicht zur Ruhe eingegangen, sondern wurde täglich auf dem Exerzierplatz geschwenkt, und es galt als eine Ehre, unter seinen Standarten zu dienen. Aber es fehlte den Sachsenreitern auch nicht an Kurzweil, denn das Schloß war mit einem Hofstaat fröhlicher Kavaliere und schöner Frauen angefüllt, und Moritz ließ es weder an Theateraufführungen noch an Bällen und Schäferspielen mangeln. Königlicher Prunk umgab den Sohn Augusts des Starken, der weder im Felde noch auf seinem Ruhesitz der Musik, der Frauen, der Liebe und des Genusses entbehren konnte und sein Leiden zu betrügen suchte, indem er ihm immer neue Vorteile in die Hand stieß. Tag für Tag hallte die Reitbahn, hallten der Park und der Wald vom Peitschenknall, Hurraruf und Paukenschlag, stöckelten leichtgeschürzte Schönen, von scharwenzelnden Kavalieren begleitet, unter den verschwiegenen Bosketten, knarrten die Schaukeln, auf denen sich seidenbestrumpfte, spitzenumwogte Damen in die Wipfel der Rotbuchen schwangen, flogen die Federbälle auf dem smaragdgrünen Rasen, klirrten die Degen in der Fechtschule, griff Moritz von Sachsen, der die Schaukel nicht mehr in Bewegung halten und das

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1