Warum Großprojekte scheitern und unsere Gesellschaft immer dümmer wird: Das System und seine Prinzipien
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"Warum Großprojekte scheitern und unsere Gesellschaft immer dümmer wird" erläutert das System des sogenannten New Public Management und zeigt, warum sich Prinzipien aus der freien Marktwirtschaft nicht auf den öffentlichen Sektor anwenden lassen, sondern seine Funktion und seine Leistungen pervertieren.
Dieses Buch ist eine Warnung - aber auch ein Trost für diejenigen, die immer noch glauben, dass ihre unerträglichen Arbeitsbedingungen irgendwie ihre eigene Schuld sind. Und es ist eine dringende Mahnung, dass im öffentlichen Sektor endlich wieder Individualität und Menschlichkeit die Arbeit bestimmen müssen - zum Wohle der Gesellschaft und ihrer Bürger.
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Buchvorschau
Warum Großprojekte scheitern und unsere Gesellschaft immer dümmer wird - Elias Matteo Jakobsson
1. New Public Management:
Funktion und Definition
New Public Management ist ein Phänomen, das sich seit den 1980er Jahren in Europa und weltweit verbreitet hat und inzwischen die öffentlichen Institutionen in vielen Ländern dominiert. Generell lässt sich New Public Management als eine Managementstrategie bezeichnen, die Prinzipien der Privatwirtschaft auf den öffentlichen Bereich überführt. New Public Management wurde in den 80er Jahren vor dem Hintergrund einer neoliberalen politischen Richtung entwickelt, hat sich als Strategie jedoch politisch verselbstständigt und wird mittlerweile gleichermaßen von rechts-, links- und liberal orientierten Regierungen auf den öffentlichen Bereich des jeweiligen Landes angewandt. Es handelt sich allerdings nicht um eine detailliert ausgearbeitete Managementtheorie, sondern um einen Dachbegriff für eine diffuse, in verschiedenen Phasen verlaufende politische und administrative Reform.
Das Paradoxe ist, dass in den Fachkreisen der Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften diese Reformphase der öffentlichen Verwaltung als längst abgeschlossen gilt – ein überwundenes Phänomen der 90er Jahre. Damit wird aber das Faktum geleugnet, dass die Prinzipien und die Denkweise dieser durchgreifenden Verwaltungsreform unser Arbeitsleben heute mehr denn je prägen, wozu nicht zuletzt auch die digitalen Beschleunigungsprozesse beitragen.
Ebenso problematisch ist es in unserem Sprachgebiet, dass sich kein fester Begriff für diese eingreifende Veränderung unseres öffentlichen Sektors durchgesetzt hat. Allenfalls ist in Fachkreisen von „öffentlicher Reformverwaltung, „wirkungsorientierter Verwaltungsführung
oder dem „Neuen Steuerungsmodell" die Rede; im allgemeinen Sprachgebrauch gibt es jedoch keinen Begriff für das New Public Management. Das ist fatal: Ein Phänomen, das man nicht beim Namen nennen kann, existiert im öffentlichen Bewusstsein auch nicht.
Dabei ist es dringender denn je, über dieses Phänomen zu sprechen. Denn seine Folgen prägen nicht nur das Arbeitsleben vieler Millionen Angestellter. Vielmehr treffen sie die ganze Gesellschaft, denn der öffentliche Sektor ist ein unverzichtbarer, allumfassender Teil unseres Alltagslebens: Schulen, Universitäten, Arztpraxen und Krankenhäuser, Polizeiwachen, sämtliche Behörden werden davon bestimmt – und damit unser Leben als Bürger in einer demokratisch organisierten Gesellschaft.
Damit wir das Phänomen der einschneidenden Veränderungen in diesem Sektor endlich fassen und diskutieren können, wählt dieses Buch den international üblichen Begriff dafür: New Public Management (Abkürzung: NPM). Freilich geht es hier nicht um das New Public Management als eine historische Phase der öffentlichen Verwaltung, sondern um die grundlegenden Auswirkungen und die fortwährende Präsenz dieser Managementtheorie in unserem ganz konkreten heutigen Alltag.
Neoliberalismus, Managerialismus – oder New Public Management?
Im anglo-amerikanischen Sprachraum sowie in verschiedenen anderen Ländern ist „New Public Management ein geläufiger Ausdruck. Allerdings werden auch die Begriffe „Neoliberalismus
oder „Managerialismus" mehr oder weniger synonym für diese Managementstrategie gebraucht.
Tatsächlich aber stehen die Begriffe New Public Management, Neoliberalismus und Managerialismus für drei verschiedene Phänomene, die gewisse Schnittmengen aufweisen, aber ihren Fokus auf jeweils unterschiedliche Bereiche richten. Managerialismus ist eine Wirtschaftsideologie, die darauf beruht, dass eine Gesellschaft von Organisationen gesteuert wird, genauer gesagt: vom Management dieser Organisationen. Das Verhältnis und die Transaktionen zwischen den verschiedenen Managern entscheiden, wie die Gesellschaft funktioniert, während das Individuum nur als Mitglied einer Organisation existieren kann. Seit den 1920er Jahren hat die Idee des Managerialismus starken Einfluss sowohl auf die Wirtschaft als auch auf die Politik gehabt. In der Wirtschaft wird der Schwerpunkt dabei primär auf Managementtechniken gelegt, die die Ziele des Unternehmens festlegen (seine „Mission"), und auf Strategien, um diese Ziele zu erreichen – mit dem wesentlichen Motiv, Produktion und Gewinn zu erhöhen. Die Struktur innerhalb der Organisation (hier: des Unternehmens) ist strikt hierarchisch; alle wichtigen Beschlüsse werden an der Spitze getroffen. Darüber hinaus basiert der Grundgedanke des Managerialismus auf der Annahme, dass Organisationen grundsätzlich nach dem gleichen Modell funktionieren, so dass die gleiche Managementstrategie in ganz verschiedenen Unternehmen und Bereichen angewandt werden kann. Daher liegt der Fokus der Strategie stets auf dem Management und nicht auf der Expertise in der eigentlichen Arbeit des jeweiligen Bereichs.
Das Gleiche gilt für eine politische Strategie, die sich nach dem Modell des Managerialismus richtet: Das Management wird als allentscheidender Faktor für eine gute Regierung und Staatsverwaltung angesehen. Bei Führungspersonen kommt es daher vor allem auf „professionelle Führungskompetenzen an und nicht auf spezielle Qualifikation in der Kernarbeit des jeweiligen Bereichs. Top-down-Hierarchien sollen sichern, dass die Leitungsbeschlüsse auf „ergebnisorientierte
Weise ausgeführt werden, das heißt, ohne große Diskussion oder Argumentation. Prozesse verlaufen auf rationalistische Weise, die auf Messungen, Statistiken, Evaluierungen und der Ausarbeitung von „Handlungsstrategien basiert. Die Einführung des Computers in die öffentliche Verwaltung – ein Novum in den 90er Jahren – hat den Rationalisierungsprozess stark befördert und zur Ausarbeitung von „Performance-Indikatoren
, „Strategie-Karten und anderen Messwerkzeugen geführt. Diese Werkzeuge dienen dazu, die „Effizienz
sowohl des Managements als auch der Mitarbeiter zu kontrollieren, aber auch, den Grad der Zufriedenheit der Bürger mit den Leistungen des öffentlichen Bereichs in Zahlen zu fassen.
Die Regierung selbst wird dabei als eine Art „Management" der Gesellschaftsorganisation aufgefasst. Sie arbeitet daher nach den gleichen Prinzipien wie das Management in privaten Organisationen. Nicht auf die Persönlichkeit des einzelnen Politikers kommt es an, sondern auf seine Funktion als oberster Manager in einer Organisation. Entscheidend für seinen Erfolg ist die Arbeit seines Managementstabs. Darum haben die leitenden Ministerialbeamten eine große Macht im Staat, ohne dass sie selbst eine sichtbare politische Position innehaben – und auch kein demokratisches Mandat in Form von Wahlstimmen.
Die Prinzipien des Managerialismus haben ihre stärksten Anhänger bei den politischen Parteien gefunden, die eine neoliberale Haltung verfechten: eine freie Marktwirtschaft mit möglichst geringen Eingriffen von Seiten des Staats. Damit verbunden sind Kürzungen in den öffentlichen Ausgaben, die Privatisierung von öffentlichen Institutionen und Aufgaben, Senkung des Höchststeuersatzes, um einen Anreiz für Investitionen und Entwicklung innerhalb der Privatwirtschaft zu geben, marktgesteuerte Zinssätze, freier Handel und ein freier internationaler Kapitalmarkt wie eine generelle Deregulierung von allem, was Wirtschaft und Marktwettbewerb betrifft. Die politische und gesellschaftliche Entwicklung der letzten fünfundzwanzig Jahre lässt keinen Zweifel daran, dass dieser Neoliberalismus in den demokratischen Gesellschaften weltweit stärker denn je geworden ist.
Das Schlüsselprinzip des New Public Management
New Public Management vereint die genannten Prinzipien des Managerialismus und einer neoliberalen Politik zu einer Managementstrategie, die gezielt auf den öffentlichen Sektor angewandt wird – eine Strategie, derzufolge ein „professionalisiertes Top-down-Management sichern soll, dass dieser Sektor „effizient
und „gewinnorientiert arbeitet. Der Philosophie des New Public Management zufolge ist „Effizienz
eine Kombination von:
■ hoher Qualität,
■ größerer Quantität,
■ geringeren Kosten,
■ geringerem Zeitaufwand für die einzelne Leistung.
Die erhöhte Effizienz soll sowohl den Bürgern als auch dem Staat zugute kommen. Um zu sichern, dass die Effizienz in der einzelnen Institution und ihrem übergeordneten Bereich (Gesundheitswesen, Hochschulen, Schulen, Polizei, öffentlicher Transport usw.) verbessert wird, wird die Anforderdung regelmäßiger Datenerfassung und Dokumentation eingeführt. Ihr Sinn ist es, dass der gesamte öffentliche Bereich und seine Leistungen für die Bürger rationalisiert werden.
Somit ist die „Effizienzsteigerung" des öffentlichen Bereichs die Hauptfunktion des New Public Management. Die Definition dieser Managementstrategie bleibt jedoch vage, da es nicht ein einziges, spezifisches Modell für New Public Management im öffentlichen Bereich gibt. Seit den 1980er Jahren hat sich diese Managementstrategie in vielen Formen und Varianten über den öffentlichen Bereich ausgebreitet, jeweils in Wechselwirkung mit den spezifischen historischen und politischen Bedingungen in den jeweiligen Ländern. New Public Management ist daher eine sehr offene, wandlungsfähige Managementstrategie.
Diese Offenheit ist tatsächlich eine wesentliche Ursache für die große Durchschlagskraft des New Public Management in so vielen Ländern weltweit. Sie ermöglicht die Anpassung der Managementstrategie an sehr unterschiedliche Kulturen und soziopolitische Voraussetzungen. Damit entsteht eine starke Wechselwirkung zwischen der Managementstrategie, der Politik und den historischen Voraussetzungen eines Landes sowie der spezifischen, historisch gewachsenen Mentalität seiner Bevölkerung – was wiederum dazu führt, dass New Public Management in den einzelnen Ländern grundsätzlich als „vernünftige (weil offensichtlich soziopolitisch und kulturell perfekt passende) Strategie erscheint, um den öffentlichen Bereich zu steuern. Jedoch führt die Neigung zur Wechselwirkung mit spezifischen Bedingungen auch dazu, dass New Public Management in manchen Ländern besonders gut greift, während andere Länder und ihre Bevölkerung einen größeren Widerstand gegen die Strategie der allumfassenden „Effizienzsteigerung
aufweisen. Diese nationalen Unterschiede zeichneten sich schon in der frühesten Phase des New Public Management ab, das heißt, bereits in den frühen 90er Jahren (vgl. Hood 1991).
In der wirtschafts- und verwaltungswissenschaftlichen Literatur wird New Public Management oft als eine „Welle oder „Serie
von öffentlichen Reformen beschrieben, häufig mit Hinweis darauf, dass sie meist – aber nicht ausschließlich – unter rechtsorientierten Regierungen eingeführt wurden. Der große Erfolg des New Public Management in den skandinavischen Ländern zeigt dagegen, dass die Managementstrategie ebenso von stark linksgerichteten Regierungen aufgenommen wurde.
Aufgrund seiner chamäleonartigen Anpassungsfähigkeit wird New Public Management in der Literatur meist eher beschrieben als abstrakt definiert:
Der Begriff New Public Management wurde in den frühen 90er Jahren von Christopher Hood geprägt. Er deckt Reformen des öffentlichen Sektors ab, die auf Effizienzsteigerung, mehr Wettbewerb, vermehrten Einsatz von externen Dienstleistern, strukturelles Outsourcing und die Fragmentierung von Organisationseinheiten und –aufgaben in nicht-überlappende Module abzielen. Andere Eigenschaften des New Public Management sind Managementtechniken aus der Privatwirtschaft, ein stärkerer Fokus auf Ergebnisse und eine erhöhte Kunden- oder Nutzer-Orientierung. NPM soll einen schlankeren und effizienteren öffentlichen Sektor schaffen, in dem geschäftsführende Manager die generellen Strategien entwickeln, während untergeordneten Managern und normalen Beamten die Auswahl der Mittel sowie die Organisation des praktischen Arbeitsalltags überlassen wird. Diese untergeordneten Manager und Mitarbeiter werden kontrolliert, evaluiert und belohnt oder bestraft, je nach den Ergebnissen, die sie mit ihrer Arbeit