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PIHOQAHIAK: wie die Inuit den Eisbären nennen
PIHOQAHIAK: wie die Inuit den Eisbären nennen
PIHOQAHIAK: wie die Inuit den Eisbären nennen
eBook350 Seiten4 Stunden

PIHOQAHIAK: wie die Inuit den Eisbären nennen

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Über dieses E-Book

Jim, Tierarzt in der Armee der US Streitkräfte, verbringt seinen Urlaub in Anchorage, Alaska. Er wollte einmal aus seinem Einsatzgebiet in den Tropen entfliehen und kühlere Gebiete kennenlernen. Da er dafür bekannt war, ohne nähere Details zu kennen gefährliche Unternehmungen erfolgreich durchführen zu können, bekam er die Order, in ein vom Erdbeben zerstörtes Gebiet vorzudringen. Ausgerüstet mit einem Jeep, vollgestopft mit Hightech, wurde er mit einem Hubschrauber losgeschickt. Der Spätherbst 1985 wurde in den gemäßigten Landstrichen keineswegs als gefährlich betrachtet. Ein plötzlich einsetzender Wintereinbruch mit Unmengen von Schnee und Eis veränderte Jims Ansichten über harmlose Einsätze im Norden. Seine Begegnung mit einem jungen Eisbären, der um Nahrung bettelte, beeinflusste auch seine Ansicht über die mitgegebene Technik, die nicht mitspielte. Diese Hightech war in der erbarmungslosen Wildnis völlig sinnlos. Robbenfleisch hatte man ihm nicht mitgegeben. Er mußte sich etwas einfallen lassen …
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum9. März 2022
ISBN9783347431911
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    Buchvorschau

    PIHOQAHIAK - Roman Spritzendorfer

    Angst

    Kapitel 1

    Die Dunkelheit brach an als Jim endlich den Platz der Blockhütte gefunden hatte. Die ungewohnte Fahrt mit dem Geländewagen, der immer wieder querende kleine Gewässer zu bewältigen hatte, forderte seine Geduld. Vorangegangen war eine Anreise mit dem Hubschrauber. Jim versperrte den Wagen und setzte die Kaffeemaschine in Gang. Alle Ausrüstungsgegenstände und Lebensmittel waren noch nicht abgeladen worden. Mit ihm hatte er lediglich eine kleine Tasche, die Stablampe und den Schlafsack. Endlich ein Stuhl, ein kleiner Tisch und Frieden. Der Schein der Petroleumlampe verbreitete ein heimeliges Licht. In der Hütte, die für einige Zeit sein Heim sein wird, war niemand lange Zeit anwesend gewesen. Der überall liegende Staub zeugte davon. Nach den ersten Schlucken des brennend heißen Espressos holte er die Karte aus dem Sack. Die Gebiete, die er nun nach dem Erdbeben aufsuchen sollte, waren rotumrandet eingezeichnet worden.

    Man schrieb den Spätsommer 1985, ein plötzliches Erdbeben hatte viele Gebiete zerstört, die nur mit kleinen Flugzeugen erreicht werden konnten. Auch die Funkverbindungen waren unterbrochen worden.

    Jim war bekannt, sich in vielen Situationen zurecht zu finden. Er sollte in diese Gebiete vordringen und Bericht erstatten. Man vertraute auf die herrschenden Wetterbedingungen, packte das Nötigste zusammen und wurde mit einem Jeep losgeschickt, der mit Hightech der letzten Technologie versehen worden war.

    Vor vielen Jahren hatte ein ehemaliger Kamerad hier in dieser Holzhütte bis nahe zu seinem Lebensende die Jahre verbracht. Diese Hütte lag in der Nähe des durch Erdbeben schwer in Mitleidenschaft beeinträchtigten Gebietes. Regelmäßig war der Zustand dieses Gebäudes in all den Jahren überprüft worden. Nun war es für einige Zeit sein Heim.

    Er prüfte den Holzvorrat für den kleinen Ofen, verzichtete auf großartige Säuberung, überließ es der im Jeep installierten Technologie seine Ankunft zu melden und kroch in den Schlafsack. In dem einzigen Raum gab es zu dieser Zeit eine nahe dem Gefrierpunkt liegende Temperatur. Türe und Fenster waren verriegelt, somit stand einem wohltuenden Schlaf nichts im Wege. Er konnte nicht einschlafen. Seine Gedanken wanderten zurück in die Zeit der High School.

    Seine vielfache Begabung hatte niemals zu einem Erfolg beigetragen. Es war ihm zuwider, sich den Ansichten des Lehrkörpers zu unterwerfen. Einigen seiner Mitschüler war dies egal. Sie krochen dem Vortragenden in den Arsch. Dafür erhielten sie gute Noten und wurden auch freundlicher behandelt. Jims Großvater, der sich mit einer Ranch und Pferdezucht seinen Lebensunterhalt verdiente, war für Jim ein achtenswerter Mann. In den Ferien lernte Jim den Umgang mit Pferden. Empfindsamkeit und Respekt den Tieren gegenüber erlaubten Jim auch jene Pferde zu besteigen, an die sich andere nicht heranwagten. Kleine Reparaturarbeiten übernahm sein Großvater mit seinen Mitarbeitern und Jim erwarb jene Fachkenntnisse, die dem Vortragenden in der High school fremd waren. Wer kein Diplom oder einen Doktorgrad sein Eigen nannte, war von vielen Professoren nie akzeptiert worden. Für Jim war dies unverständlich. Seine Mutter mühte sich ab, ihm diese Schule zu ermöglichen. In ihrem Sinn sollte er es im späteren Leben bequemer haben.

    Jim stand vor dem Diplom, wurde aber nicht zu dieser Prüfung zugelassen und musste Wiederholen. In den darauffolgenden Ferien fand Jim durch das Ableben seines Großvaters und dem Verkauf der Ranch eine andere Beschäftigung. Mit dem neuen Führerschein verdingte er sich als Auslieferer verschiedener Waren. Der Sprung in das kalte Wasser des Kommerzes nahm Einfluss auf sein Verständnis des täglichen Lebens. Zurückgekehrt zur Schule war nichts mehr wie früher. Seine Lehrer und neuen Mitschüler erschienen ihm noch seltsamer als je zuvor. Die Schulnachricht an seine Mutter, in der zwischen den Zeilen deutlich zu lesen war, es wäre alle Mühe vergebens gewesen, wenn ihm nun das Diplom nicht gelingen würde, verursachte ein Umdenken. Der Verkauf in den Ferien, in dem manche Waren durch intensive Werbung als das Nonplusultra gelobt worden waren, deren Überprüfung man aber den Käufern überließ, fanden in Jims Gedankengänge Platz. Das Diplom konnte er erwerben. Sein Traum Tierarzt zu werden schien jedoch in eine noch weitere Entfernung entwichen zu sein. Nach dem Ableben seiner Mutter eröffnete ihm der Sachverwalter, er könnte das Studium zum Tierarzt beginnen und auch vollenden. Die einzige Bedingung war, fleißiges Lernen und sich den Gegebenheiten anzupassen. Für seinen Lebensunterhalt und die Studiengebühren sowie den damit verbundenen praxisorientierten Abschnitten gäbe es von einem nicht genannten Gönner ausreichend Geld. Er sollte das überdenken.

    »Wird das Geld auch bis zum Abschluss reichen?« war damals seine neugierige Frage gewesen.

    »Es wird.« Jim zögerte nicht und folgte dem Vorschlag.

    Getrieben von dem Wunsch Tierarzt zu werden und seinen Gönner nicht zu enttäuschen bekam er sein Doktorat.

    Noch bevor er seinen erlernten Beruf auszuüben begann, wollte er die Grundausbildung bei der Armee hinter sich bringen. Während dieser Militärdienstzeit Zeit schwieg er sich über seine Hochschulausbildung aus.

    Fast am Ende seiner Militärzeit begegnete ihm im Areal der Kaserne ein Offizier mit einem Pferd, dessen rechter Hinterlauf einen Hinweis auf Schmerzen zeigte. Der Offizier ritt Jim entgegen und als er nahe genug war, nahm Jim Haltung an, grüßte und sprach den Reiter an. Jim war ein einfacher Soldat und trug auch keine Rangabzeichen. Was Jim aber erstaunte, der Offizier hielt an. Das Pferd setzte seinen rechten Hinterlauf nur vorsichtig auf den Boden auf. Das bestätigte Jims Verdacht. Er sprach darüber zu dem Offizier. Dieser sprang ab und besah sich, was Jim ihm erzählt hatte.

    »Sir, wenn sie es mir erlauben, werde ich mir den Hinterlauf ansehen. Vielleicht kann ich die Ursache erkennen.«

    Der Offizier, schon erstaunt über die Kühnheit, von einem einfachen Soldaten angesprochen zu werden, erlebte nun die Überraschung seines Lebens.

    Jim näherte sich vorsichtig dem Pferd. Das wurde geduldet. Er hob vorsichtig seine Hände zu den Nüstern. Auch das wurde akzeptiert. Dann begann Jim das Pferd zu streicheln. Auch hier erlaubte es das Pferd. Daraufhin ging Jim zum Hinterlauf, der nicht ganz auf dem Grasboden ruhte. Jim streichelte den Lauf.

    Das Zucken bestätigte Jim einen Schmerz im Hufbereich. Vorsichtig hob er den Huf an und konnte einen Nagel erkennen, der tief neben dem Eisen eingedrungen war. Vorsichtig setzte er den Lauf wieder ab. Er erzählte, was er gesehen hatte.

    Auf der Straße kam ein Jeep mit zwei Chargen entgegen. Jim winkte dem Fahrer anzuhalten. Dem folgte der Fahrer nur mit Widerwillen.

    Man wollte die Ursache kennenlernen. Der Anblick des Offiziers ließ den Widerwillen vergessen. Jim fragte nach dem Werkzeugkasten. Er suchte nach einer passenden Zange, fand aber nur einen Seitenschneider. Den entnahm er und ging wieder zum Pferd. Das Tier stand immer noch ruhig. Jim hob wieder den Hinterlauf und entfernte den Nagel. Er bedankte sich bei den Chargen für die Hilfe, übergab ihnen den Seitenschneider, ging zum Offizier und brachte ihm den Nagel.

    »Eine Wundsalbe sollte unbedingt auf jenen Bereich gestrichen werden, aus dem ich den Nagel entfernt habe. Einer Entzündung des Laufes sollte sie entgegenwirken. Das Pferd wird gesund werden und sie werden weiterhin mit dem Hengst viel Freude haben.«

    Sprachlos war der Offizier dem Vorgang gefolgt.

    »Niemand darf sich Bronco unerlaubt nähern.

    Allein schon ihr Erkennen eines unsicheren Auftrittes des Hinterlaufes hat mich erstaunt. Dazu ihr Mut mich anzusprechen. Mehr noch, wie sie sich Bronco genähert haben und akzeptiert worden sind. Sie haben keine Rangabzeichen. Sie sind auch nicht der Jüngste. Wie ist das alles möglich?«

    »Bis jetzt habe ich mich über meine Fachausbildung als Tierarzt ausgeschwiegen und wollte die Grundausbildung als Soldat kennenlernen.«

    »Warum über eine Fachausbildung schweigen?«

    »Ich wollte keine andere Behandlung als alle anderen, die sich zum Militär gemeldet haben. Mein Alter hat oftmals dazu geführt, dringliche Fragen beantworten zu müssen. Diese Fragen konnte ich beantworten. Oftmals gab es Gelächter der Zuhörer. Das hat mich nicht getroffen. Eines habe ich erlernt. Einem Befehl musste man gehorchen. Als Tierarzt beim Militär möchte ich nicht dienen. Auf die Empfindsamkeit der Tiere würde man keineswegs in der Form eingehen, die sie aber verdienen. Sir, darf ich sie an die Wundsalbe erinnern. Ihr Pferd wird ihnen dankbar sein.«

    Der Offizier lächelte und salutierte.

    »Danke«

    Auch Jim hatte Haltung angenommen und grüßte militärisch. Jim setzte seine Schritte zur Unterkunft fort. Es war ein Sonntag und viele seiner Kameraden hatten die gute Witterung genützt und waren mit ihren Freundinnen unterwegs. Jim hatte keine feste Beziehung und die wenigen Studentinnen, die mit ihm das Doktorat erworben hatten, waren in festen Händen.

    Als er in der Unterkunft verschwinden wollte, wurde er vom Adjutanten des Generals angehalten und zum Folgen aufgefordert.

    Sie gelangten in das Kommandogebäude, wo er noch niemals gewesen war. Die Wachen salutierten wie gewohnt. Vor einer Türe musste sich Jim gedulden. Minuten vergingen und er wurde von einer jungen Dame angesprochen und weitergeleitet.

    In den Raum, den er betrat, saßen in einem Halbkreis mehrere Offiziere, die Zigarren rauchten. Jim nahm Haltung an und grüßte. Er durfte bequem stehen. Einer in deren Mitte sprach Jim an, erwähnte die Danksagung seines Freundes und wollte wissen, warum er nie über seine Fachausbildung gesprochen hatte.

    »Sir, meinen Grundwehrdienst wollte ich noch unbedingt abdienen. Ich habe sehr viel dazugelernt. Geld für eine Praxis habe ich nicht. Mein Traum, Tierarzt zu werden ist mir aber in Erfüllung gegangen. Meine Hochschulausbildung ist mir von jemanden bezahlt geworden, den ich nicht kenne.«

    Aus dem Nebenzimmer war ein Hund gekommen, der sich Jim sofort mit Schwanzwedeln näherte. Jim war ohne Hemmungen in die Hocke gegangen und begrüßte den Hund.

    »Also mit meinem Hund haben sie sich auch schon verbrüdert. Das gelingt aber nicht jeden.«

    Das wurde von den anderen mit Schmunzeln betrachtet. Jim war wieder aufgestanden.

    »Nächstes Monat ist ihre Grundausbildung abgeschlossen. Wenn sie nicht beim Militär verbleiben wollen, vielleicht gibt es eine andere Gesellschaft, wo sie willkommen sind. Befehle müssen sie aber auch dort befolgen.«

    Damit war Jim entlassen. Er grüßte, machte eine Kehrtwendung und verließ den Raum.

    Befehlen zu folgen waren die Worte gewesen. Das hatte Jim nie vergessen.

    Nach dem Militär versuchte Jim eine Anstellung zu finden. In den zahlreichen Antwortschreiben war auch eine Einladung der CIA. Ohne irgendeine Ahnung was ihn erwarten würde, kam er der Einladung nach. Eine weitere Ausbildung würde auf ihn zukommen. Sollte er die Abschlussprüfung bestehen, würde man ihm ein Probejahr anbieten. Einer speziellen Ausbildung müsste er aber zustimmen. Sein Fachwissen als Tierarzt könnte ihm dabei behilflich sein. Die Anordnungen, die er zu befolgen hatte, kamen Jim erträglich vor. Er unterschrieb.

    Die ersten Jahre mit den weniger gefährlichen Einsätzen waren bald vorüber. Dann wollte Jim in einer ihm unbekannten Landschaft seinen Urlaub verbringen. Die Wahl fiel auf Anchorage. Nach einer Woche Eingewöhnung, kam mit einem Wettersturz auch das Erdbeben. Man hielt ihn für den geeigneten Mann und schickte ihn los.

    Die Müdigkeit ließ Jim die Augen zufallen. Den aufkommenden Sturm bekam er nicht mit. Mitten in der Nacht wachte er kurz auf, drehte sich um und schlief weiter bis in die Früh. Im Schlafsack war es warm, doch in den kleinen Raum gab es nicht mehr als Minus 5 Grad Celsius. Die Kälte bekam er zu spüren, als er aus dem Schlafsack kroch. Draußen heulte der Sturm und innerhalb der Hütte war es stockdunkel. Er nahm die Stablampe und entfachte den Docht der Petroleumlampe an. Da er am Abend nichts zu sich genommen hatte, spürte er das Verlangen nach etwas Essbarem. Vorerst musste aber der Ofen mit den wenigen Scheitern gefüttert werden. Das gelang. Mit der Wärme und dem Schein der Lampe wunderte er sich über das dämmrige Licht in der Hütte. Das Fenster war durch etwas außerhalb der Hütte verdeckt. Er bereitete sich das karge Frühstück vor und der Espresso half zu einem weiteren Wohlbefinden. Im Raum, der bescheiden eingerichtet war, wurde es wärmer. Mit dem Wasservorrat, den er am Abend noch aus dem Jeep geholt hatte, musste er sorgfältig umgehen. Dennoch gönnte er sich eine Rasur. Anschließend wollte er zum Jeep. Der Sturm hatte sich gelegt, einzelne Böen gab es dennoch.

    Bevor er aber nach draußen ging, streifte er seine vorbereitete Winterkleidung über. Er prüfte den Colt und steckte ihn in den Gürtel. Den Colt zu prüfen war eine Gewohnheit geworden, auf die man in der Ausbildung Wert gelegt hatte.

    Kapitel 2

    Die Fellhandschuhe steckten in den Taschen des Überrockes. Wenn es schon in der Hütte Minusgrade gegeben hat, wieviel werden es draußen sein? Sicherlich weniger. Die Türe zu öffnen gelang ihm nicht. Vermutlich ist ein größerer Ast in der Nacht vom Baum gerissen worden. Während er noch mit größerer Gewalt die Türe öffnen wollte, konnte er durch einen Spalt den Schnee erkennen, den der Sturm zu einer Wechte geschichtet hatte. Er drückte auf die Türe soviel er konnte, der Spalt wurde größer und er gelangte ins Freie. Unter der Wechte war der Jeep verschwunden. Die Wechte reichte bis zum Dach. Das kleine Fenster war zugeweht.

    Der Hubschrauber, der ihn am vorangegangenen Tag über die Ausläufer der Snowcap Mts. mit der höchsten Erhebung von 2713 Metern gebracht hatte, war noch vor dem Blizzard wohlbehalten in Anchorage eingetroffen. Unmittelbar nach seiner Landung verwandelte ein Eisregen die Landebahnen in jenen Zustand, den sich keine Piloten wünschen, jemals zu begegnen. Anschließend legte der Blizzard richtig los. Manche Autofahrer verbrachten die Nacht im Auto. Dort waren sie einigermaßen geschützt.

    Im Büro von der CIA hoffte man, Jim würde es hoffentlich bis zur Hütte geschafft haben. Seine Meldung über seine Ankunft war nie eingetroffen.

    Jim kehrte in die Hütte zurück, holte ein Thermometer und prüfte die Außentemperatur. Gerade dort, wo er den Jeep abgestellt hatte gab es den meisten Schnee. Das Thermometer zeigte ungefähr Minus 10 Grad. Auf einen längeren Aufenthalt im Freien, konnte er verzichten. Die Schneewechte hatte auch eine positive Seite. Die Kälte setzte der Batterie weniger stark zu. Der Jeep musste entladen werden und die mitgegebenen Ketten sollten montiert werden. Einfacher für zwei Mann, sowie ein Untergrund, der den angehobenen Jeep in der Höhe hielt. Jim holte sich eine Schaufel und entfernte den Schnee. Er brachte den Jeep auf die andere Seite. Rechtzeitig bevor wieder heftiger Schneefall einsetzte.

    Zurückgekehrt in die Hütte wartete er einige Zeit, doch der Schneefall hielt an. Er entschied sich Nahrung und Ausrüstung aus dem Jeep in die Hütte zu bringen. Nachdem er auch die medizinische Ausrüstung heil in der Hütte verstaut hatte, suchte er nach einer Möglichkeit auf das Dach zu gelangen. Der Rauchfang musste freigeschaufelt werden.

    Im Fußboden der Hütte gab es einen Abgang in die Tiefe. Vermutlich war das der Kellerbereich. Mit der Stablampe in der Hand ging es hinunter. Eine weitere Petroleumlampe spendete ausreichend Licht. Er fand die trockenen Holzscheiter für den Ofen, Kochgeschirr und eine Leiter. Die holte er hinauf und legte das Fenster sowie den Rauchfang frei. Anschließend bereitete er sich ein warmes Essen zu.

    Nach dem Mittagessen startete er den Jeep und versuchte über das Display eine Verbindung aufzubauen. Doch das gelang ihm nicht. Zurück in die Hütte, versperrte er die Türe und stieg wieder in den Keller hinunter. Nach genauer Durchsuchung fand er ein uraltes Funkgerät. Mit dem allein war es nicht getan. Ohne einem hohen Mast und einem Generator war das Funkgerät nutzlos. Er suchte weiter. Er dursuchte den Keller und fand, geschirmt unter Abdeckungen, einen Generator. Daneben, Teile eines zerlegten Mastes. Ohne den montierten Ketten war ein Weiterkommen nicht möglich. Die Funkverbindung noch vor dem Abend fertigzustellen schien ihm wichtiger als die beschwerliche Arbeit der Kettenmontage. Den zerlegten Mast aufzurichten gelang ihm noch vor Einbruch der Dunkelheit. Nun sollte der Generator auch funktionieren. Jim schleppte den Generator die steilen Stufen hoch. Der Reservekanister stand daneben. Das Glück war ihm hold. Er sprang an und lieferte Strom. Damit stand einer Verständigung nichts im Wege.

    Kurz berichtete er die Wettersituation, den Aufbau der Antenne und den Betrieb des Funkgerätes. Dann holte er den Generator wieder in die Wärme der Hütte. Auf die Spuren im Schnee, die nach der Mastaufstellung deutlich zu sehen waren, hatte er nie geachtet. Als er den Generator in die Hütte schleppte, fielen sie ihm auf. Sie deuteten auf einen Eisbären hin. Verschwitzt und übermüdet maß er ihnen keine Bedeutung zu. Vermutlich sind es Spuren eines anderen Tieres. Mit diesen Überlegungen kehrte er in die Hütte zurück und verriegelte die Türe.

    Der Schein der Petroleumlampe, die entfachten Scheiter im Ofen und vor ihm der Espresso lenkten seine Überlegungen, wie er die Ketten montieren sollte, ab. Der Jeep musste auf festem Untergrund stehen. Das Risiko unter dem Jeep zu liegen zu kommen und nicht mehr hervorkriechen zu können war groß. Mit einem Wintereinbruch hatte man nicht gerechnet. Die Ketten aus widerstandsfähigen Kunststoffmaterial waren im Jeep serienmäßig in dem untersten Teil des Kofferraumes hinterlegt worden. Sie zu montieren war nie vorgesehen worden. Vielleicht gibt es draußen einen Untergrund aus hartem Gestein, waren seine Gedanken während der Zubereitung des Essens.

    Nach dem Abendessen stieg er wieder in den Keller. Er dursuchte ihn genauer und fand in einer Kommode zahlreiche Bücher. Darunter eine Bibel. Alle Bücher waren voll von Staub. In der Bibel war ein Brief eingeklemmt.

    Der Brief war an einen Jim gerichtet. Das bin sicherlich nicht ich, musste er denken als er das Siegel erbrach. Die wenigen Zeilen belehrten ihn eines Besseren. Der unbekannte Schreiber hatte diesen Brief vor zehn Jahren verfasst. Der Brief war an ihn gerichtet. Jim wunderte sich, weshalb niemand vor ihm die Bücher beachtet hatte. Sicherlich war einmal im Jahr jemand zur Kontrolle der Hütte vorbeigekommen.

    Lieber Jim!

    Sicher bin ich mir nicht, ob Du jemals zu dieser Behausung vordringen wirst. Auch nicht, ob Du dir die Bücher ansehen wirst. Wenn deine Mutter mich niemals erwähnt hat, erlaube mir, mich vorzustellen. Aufgewachsen bin ich in West Virginia und kannte deine Mutter vom Sehen. Damals wohnte ich in der Nachbargemeinde. Von deinem Hund Blacky hat sie mir oft erzählt. Nach dem Tode deines Vaters wollte sie niemals wieder heiraten. Schon gar nicht jemanden der ewig auf den Schiffen der Navy diente. Nach Ende des Vietnamkrieges habe ich in der Gemeinschaft eine andere Funktion erhalten. Mein rechter Arm wurde durch eine Prothese ersetzt und schießen lernte ich mit der linken Hand. Damit war ich nicht mehr derjenige, der unversehrt in den Krieg gezogen war. Der Kontakt zu deiner Mutter ist nie abgerissen. Ich erfuhr über deine Tierliebe und den Wunsch Tierarzt zu werden. Zu deiner Ausbildung steuerte ich bei. Ich verbot deiner Mutter davon zu sprechen. Vorsorge traf ich auch beim Notar. Du solltest deinen Traum erfüllen können, aber zielgerecht darauf lossteuern, das war meine Idee gewesen. Der Bericht über deinen Lernerfolg hat mir viel Freude bereitet.

    Warum habe ich Blacky erwähnt? Du hast ihn in einer Holzkiste begraben. Die Gedanken sollen dich an eine Kiste denken lassen, die hier vergraben ist. 43 lang, 40 breit, 12 hoch. Sie liegt 100 tief. Multipliziere alle Zahlen mit zehn. Aber den Platz musst Du selber finden. Wenn das Siegel nie geöffnet worden war, dann gibt es die Kiste. Wer soll sich in dieser Einöde auch für eine Bibel interessieren. Du kannst sicher sein, daß die Kiste noch im Keller ruht. Ich kehre nun im Herbst nach Anchorage zurück. Einen weiteren Blizzard möchte ich hier nicht erleben. In der Kiste findest Du weitere Hinweise für einen Stollen, in dem ein relativ einfacher Abbau zu einem Vermögen beiträgt.

    In dieser Hütte habe ich viele Jahre meiner Pension verbracht.

    Du hast noch drei Jahre bis zu deiner Dissertation. Das werde ich vermutlich nicht erleben. Das Land, wo sich der versteckte Stollen befindet, ist auf deinem Namen grundbürgerlich eingetragen.

    In Liebe John

    Jim las den Brief mehrere Male. Seine Gedanken schweiften zurück zu seinen Eltern und der Farm. John hatte seine Mutter sicherlich sehr gern gehabt und über ihre bescheidenen Einkünfte gewusst. Auch über die Aufgabe der Farm.

    Die alte Eiche wird vielleicht noch stehen, wenn sie nicht einer Verkehrsanbindung weichen musste. Der Gedenkstein an Blacky könnte vielleicht noch existieren. Das wäre im nächsten Urlaub eine Reise wert. Wo aber hat John die Kiste vergraben? Der Keller steht auf der einen Seite nahe zu einem Felsen. Auf der anderen Seite gibt es große Baumstämme und darüber lockeres Erdreich. Jim entschied sich, sein Glück bei der Seite des Felsens zu versuchen.

    Zwei Stunden waren vergangen und Jim war schweißgebadet.

    Im Keller lag das ausgehobene Erdreich, in dem sich große Steine befanden. Nach einer weiteren Stunde vernahm er den Klang von Metall. Nun hielt ihn nichts mehr zurück. Unter einer Metallplatte gab es die Kiste. Diese zu öffnen war im Vergleich zum Graben weniger anstrengend. Darinnen fand er einen Plan, eingewickelt in wasserfestes Papier und darunter Werkzeuge, die Goldsucher verwendeten. In einem kleinen Sack zwei Nuggets beachtlicher Größe.

    Den Rest des Tages verbrachte er damit das Loch wieder zu füllen.

    Die Kiste mit den Werkzeugen wurde weniger tief vergraben. Der Brief, der Plan und der Sack mit der Blechdose und den Nuggets kam zu seiner Ausrüstung. Dazu legte er einen Vermerk:

    Sollte er aus unbekannten Gründen nicht mehr zurückkehren können oder aus anderen Umständen nicht mehr am Leben sein, möge man der Bevölkerung oder denjenigen, die noch am Leben waren, mit den beiden Nuggets ihr Leben erleichtern.

    13 September 1985

    Jim Hanson

    Jim säuberte den Keller und ging schlafen. Das Anlegen der Ketten war für den kommenden Tag geplant.

    Am kommenden Morgen gab es für Jim einige Überraschungen. Noch während des Frühstücks hörte er ein Kratzen an der Türe. Dem maß er keine Bedeutung bei. Als er sich nach Säuberung des Geschirrs für die Kettenmontage vorbereitete, wiederholte sich das Kratzen. Also kein Wind, der einen abgefallenen Ast an der Tür bewegte. Nach Öffnung eines Spaltes erblickte er die Tatze eines Eisbären. Der Eisbär war nach weiterer Öffnung der Türe zurückgewichen. Etwa zehn Meter weiter stand er auf seinen Hinterbeinen und schlug aufrechtstehend die beiden vorderen Pranken zusammen. Jim war sich nicht sicher, aber vielleicht hatte er Hunger. Es war ein junges Tier. Hatte er seine Mutter verloren? Wie war er bis hierher gekommen?

    Der Platz der Hütte war sehr weit weg vom Meer. Jim holte eine Schüssel, erwärmte den Schnee und schüttete aus seinem Vorrat Trockenmilch hinein. Als das Wasser warm geworden war prüfte er es mit seinem Finger und öffnete vorsichtig die Türe. Nun saß der Bär auf seinen rückwärtigen Tatzen und schaute erwartungsvoll auf ihn. Jim wagte sich hinaus, die Schüssel in seiner linken Hand und den entsicherten Colt in der Rechten.

    Nahe der Hütte stellte er die Schüssel in den Schnee und ging vorsichtig nach rückwärts schreitend wieder zur Türe. Der Eisbär näherte sich der Schüssel und begann die warme Milch zu schlecken. Den Colt zu nehmen, das war Unsinn gewesen. Der Eisbär hatte nicht die Absicht gehabt ihn zu verletzen. Jim konnte es nicht begreifen. Als die Schüssel leergeleckt war, richtete sich der Eisbär wieder auf und winkte ihm mit seiner rechten Tatze. Dann lief er weg. Wenn ich das jemanden erzähle, werde ich sicherlich die Lachenden nicht auf meiner Seite haben. Die Kommentare konnte er schon hören. Fern der Zivilisation, Schneechaos und Alkohol führen oft zu unerklärlichen Hirngespinsten.

    Der Jeep musste hochgehoben werden. Er startete den Jeep und rollte ihn dorthin wo unter den rückwärtigen Räderpaaren der Untergrund aus felsigem Gestein bestand. Die aus synthetischem Material gefertigten Ketten über die hintereinanderliegen Räderpaare aufzuziehen gelang mit Mühe.

    Was Jim nicht wusste, da er auf die Umgebung der Hütte nicht achtete, war der Eisbär. Dieser schaute ihm zu, wie er sich abmühte und ins Schwitzen geriet. Ein Rudel Wölfe hatte sich genähert. Doch der Eisbär war ihnen im Weg. Den Eisbär anzugreifen wagten sie nicht. Für die jungen Wölfe war der Eisbär zu groß.

    Als nun die eine Seite mit der Kette ausgestattet war, gönnte sich Jim keine Pause. Wieder hatte es zu schneien begonnen. Der Jeep wurde nun auf der anderen Seite hochgehoben und die Montage fortgesetzt. Als auch das vollendet war, ließ er den Jeep wieder auf den Boden, verstaute die Hilfsmittel im Kofferraum und wollte zur Hütte zurück. Auf dem halben Weg konnte Jim den Eisbären sehen, wie er wieder auf seinen Hinterbeinen stand und die vorderen Pranken zusammenschlug. Und hinter dem Eisbären hatten sich die Wölfe mit erheblichem Abstand im Schnee gemütlich gemacht. Jim schritt ohne Furcht Richtung Türe

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