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Sündenbock und Heiliger Henker: Das Judentum als Zerrbild im Spiegel der christlichen Religions-Mythologie
Sündenbock und Heiliger Henker: Das Judentum als Zerrbild im Spiegel der christlichen Religions-Mythologie
Sündenbock und Heiliger Henker: Das Judentum als Zerrbild im Spiegel der christlichen Religions-Mythologie
eBook192 Seiten2 Stunden

Sündenbock und Heiliger Henker: Das Judentum als Zerrbild im Spiegel der christlichen Religions-Mythologie

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Über dieses E-Book

Woher kommt der Judenhass? Warum ist er überhaupt in der Welt? Welchen Anteil hat das paulinisch geprägte Christentum an der Entstehung und dem Fortwirken dieses uralten Konfliktes? Warum besteht eine ständige Ambivalenz zwischen dem Hass auf die Juden und der Angst vor den Juden?

Eine schier unermessliche Materialfülle ist zu diesem Thema bereits veröffentlicht worden. Trotzdem wird der Antisemitismus selbst bisher kaum verstanden. Die Vorstellungen davon, wie er entsteht und funktioniert, wie er zu analysieren ist, bleiben trotz vieler Versuche unterentwickelt. Es sollte aber möglich sein, einzelne Ursachen für dieses Phänomen zu erkennen und zu beschreiben.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum31. Aug. 2021
ISBN9783347391994
Sündenbock und Heiliger Henker: Das Judentum als Zerrbild im Spiegel der christlichen Religions-Mythologie

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    Buchvorschau

    Sündenbock und Heiliger Henker - Hermann Schröder

    Das Bild von den Juden

    Ein Antisemit ist jemand, der Juden noch weniger mag, als es allgemein üblich ist. Antisemitismus ist ein „Weltkulturerbe. Beides sind Zitate von Henryk Broder. Und Kurt Tucholsky wusste: „Der Kleinbürger hat drei echte Leidenschaften: Bier, Klatsch und Antisemitismus. Man kann alles als Satire oder ironische Aussagen kommentieren, aber sie enthalten die Essenz des Antisemitismus. Diese feine Ironie findet sich auch bei Erasmus, der sagte: „Wenn es wirklich christlich ist, die Juden zu hassen, dann sind wir alle hervorragende Christen."

    Jeder macht sich ein Bild von den Juden. Meist sind es Idealbilder oder Zerrbilder, selten aber entsprechen sie der Realität. Vor diesem Hintergrund gewinnt die alttestamentliche Aussage „Du sollst dir kein Bildnis machen" eine ganz neue Dynamik. Denn dieses Bilderverbot gilt nicht nur bezogen auf Gott, sondern nicht zuletzt auch auf alle Menschen.

    Im Allgemeinen bedeutet Antisemitismus einfach Hass auf die Juden. Es ist kein Hass auf die Semiten. Hitler war kein „Antisemit – er war einfach ein Judenhasser. Der Begriff „Antisemitismus ist aber in der Welt. Mit diesem Ausdruck wurde dem Judenhass ein pseudowissenschaftlicher genetischer oder rassistischer Anstrich gegeben.

    Adorno nannte den Antisemitismus »das Gerücht über die Juden«, und Jahrhunderte lang lieferte dieses Gerücht in Europa den Vorwand für deren Ausgrenzung, Verfolgung und Ermordung. Der neue Antisemitismus ist das Gerücht über Israel. Wenn die UNO Israel öfter verurteilt als den Rest der Welt zusammen, dann streut sie ein antisemitisches Gerücht. Wenn Medien und Politiker Israel dämonisieren und mit anderen Standards messen als andere Staaten, streuen sie ein antisemitisches Gerücht. Wer die Existenz des jüdischen Staates anficht, ficht die Existenz des gesamten Judentums an.

    Was wir aus der Vergangenheit gelernt haben, zeigt sich nicht daran, wie oft wir der toten Juden gedenken, sondern ob wir den lebenden beistehen – auch und vor allem jenen in Israel.

    Herkunft und Ableitung des Namens

    Juden nennen sich auch „Israeliten. Das ist verständlich. Daß sich die Juden „Juden nennen, ist eher seltsam, wenn man die religiöse Legitimationsgrundlage der Juden betrachtet, die Hebräische Bibel. „Abrahamiten" könnten sich die Juden ebenfalls nennen, denn ihr erster Stammvater war Abraham, Israel beziehungsweise Jakob nur der dritte. Abrahams Nachwuchs war allerdings einzig beziehungsweise winzig. Abraham und Sara hatten bekanntlich nur einen Sohn, Isaak. Für den Stammvater einer Stammesgemeinschaft deutlich zu wenig. Das gilt auch für Isaak, den Vater von Esau, dem erstgeborenen Zwilling, der sein Erstgeburtsrecht dem zweitgeborenen Bruder, Jakob, verkaufte.

    Für einen namensstiftenden Stammvater war der biblische Isaak zu blass und ungeprägt. Ganz anders Jakob, später „Israel genannt, der „Gottesstreiter. Er war eine Mischung aus Feinfühligkeit, Schlitzohrigkeit und Kraftfülle, anders als sein Bruder Esau, nicht nur Kraftprotz, sondern auch geistig kraftvoll und (entscheidend) gottesfürchtig. Mit Ausnahme seines Bruders fürchtete er keinen Menschen, und sogar den Kampf mit Gott oder dessen Engel nahm er auf.

    Juda war einer der zwölf Söhne Jakobs - nicht einmal der Erstgeborene. Das war Ruben. Juda, hebräisch „Jehuda, war Jakobs vierter Sohn. Seine Mutter war nicht die von Jakob heißgeliebte Rachel, sondern Lea, Jakobs zweite Wahl, die er wegen der List seines hinterhältigen Schwiegervaters Laban zuerst heiraten mußte. Genesis 29,35: „Abermals wurde sie schwanger und gebar einen Sohn. Da sagte sie: „Diesmal will ich dem Herrn danken. Darum nannte sie ihn Juda (Dank). Dann bekam sie keine Kinder mehr. heißt es in der Einheitsübersetzung.

    Wie so oft wurde nicht ganz richtig übersetzt, denn „Dank heißt auf Hebräisch „Toda. Für „Gott steht in diesem Text das Tetragramm JHWH, also „Jehova. Aus Jehova plus den „Wurzelbuchstaben des Wortes „Dank („Toda) wird „Jehuda. Ganz genau: Aus Leas Worten „Hapaam odeh et JHWH entsteht der Name „Jehuda. Jetzt muß man sich allerdings fragen, wie und warum aus dem vierten Sohn der Frau zweiter Wahl der erste, der Hauptname der Juden wurde.

    Dazu die folgenden Geschichtsdaten: Der Großteil der alttestamentlichen Texte wurde ungefähr zwischen 500 und 300 vdZ. verfasst. Sie basierten oft auf älteren Überlieferungen. Zu diesen dürfte die Genealogie Jakobs gehört haben. Hier war Juda beziehungsweise Jehuda die Nummer vier. Von 721 bis 586 vdZ. gab es nicht mehr zwölf jüdische Stämme in zwei jüdischen Königreichen, Israel und Judäa (plus Benjamin), sondern nur noch eines: Das Königreich Jehuda beziehungsweise „Judäa. 586 vdZ. zerstörte Babylons König Nebukadnezar sowohl Judäa als auch den Ersten, den Salomonischen Tempel. Das erste Exil folgte. 518 vdZ. hatten die Perser und Kyros Babylon besiegt und den „Juden die Rückkehr nach „Zion" erlaubt. Zion, das war ungefähr identisch mit Jerusalem und dem Rest des einstigen Königreiches Judäa.

    Seit 721 vdZ. war also der Stamm des viertgeborenen Jakob-Sohnes Juda der einzig verbliebene der einstigen Zwölferschar. Auf dem Weg vom Mythos zur jüdischen Geschichte blieb von zwölf Söhnen und Stämmen nur noch einer, Juda/Jehuda. Immer wieder wird in den Legenden auf die „10 verlorenen Stämme hingewiesen. Tatsache ist allerdings, daß sich die Spur für die Mehrzahl der israelitischen Stämme im Exil in Assyrien verliert. Außer dem Stamm Juda umfassten die „Juden jetzt nur noch Teile vom Stamm Benjamin und vom Priesterstamm Levi. Dazu die Nachfahren von Aahron – die Kohanim.

    Nur diese „Juden" wurden später ins Exil nach Babylon verbracht und durften im Jahr 516 vdZ. zurückkehren. Erst nach dieser Rückkehr wird unter Esra eine republikanische Theokratie errichtet. Grundlage wird das Gesetz Moses, ausgelegt von Schriftgelehrten und Priestern. Juda – Judäa, das ist von nun an alles Jüdische, alles, was Juden und Judentum ist und betrifft. Aus zwölf wird eins. Juda genießt das Monopol und wird sozusagen zum Erstgeborenen.

    Eine Kollektivdeutung ist im Prinzip schon angelegt durch den Namen, wie man ihn auch im zweiten Jesaja-Buch findet, der wird mit Jakob identifiziert und Jakob erhält in der Situation, in der er mit einem nächtlichen Wesen gekämpft hat, den Namen Israel. Jakob wird mit Israel identisch, also ein Einzelner bekommt den Volksnamen. Das ist natürlich theologisch voller Absicht. In dem Moment, wo das Volk zusammensteht und sich um die Gebote des Ewigen schart, da wird sozusagen aus den vielen einer - Jakob/Israel wird Knecht des Ewigen. Deswegen ist das Kollektiv für die jüdische Tradition von elementarer Bedeutung und Wichtigkeit.

    Zusätzlich spielt bei der Namensgebung die positive Persönlichkeitsveränderung (die Teschuwa) von Juda eine große Rolle. Aus dem kühl kalkulierenden und gefühlskalten Menschen, der sogar seinen eigenen Bruder Josef zugunsten der eigenen Vorteile verkauft, wird später der mitfühlende und mitleidende Bruder, der bereit ist, für seinen jüngsten Bruder Benjamin ins Gefängnis zu gehen. Juda ist jetzt ein Mensch, der in der Lage ist, sein verkehrtes Handeln zu bereuen und den Weg der Teschuwa (der Umkehr) anzutreten. Und erst jetzt wird aus dem individuellen Egoisten, Israel - das Gottesvolk. Höhepunkt des ebenso historischen wie theologischen Legitimierungsweges ist der Jakobssegen in Genesis 49,8 ff.: „Juda, dir jubeln die Brüder zu, deine Hand hast du am Genick deiner Feinde. Deines Vaters Söhne fallen vor dir nieder … Nie weicht von Juda das Zepter, der Herrscherstab von seinen Füßen, bis der kommt, dem er gehört, dem der Gehorsam der Völker gebührt." Das kann, im Sinne der Propheten, allein Gott sein.

    Das Gesetz zum Zusammenleben dieses Volkes nur als Religion darzustellen, ist eine Verkürzung seiner komplexen Lebensrealität, die ihren Ursprung in der Antike hat, genauer gesagt in der Zeit nach der Rückkehr einer judäischen Oberschicht aus dem babylonischen Exil. Dafür, was wir heute unter Religion verstehen, kennen weder Griechen noch Hebräer ein eigenes Wort. In seiner Studie „The Beginnings of Jewishness schreibt Shaye J. D. Cohen: „Die Juden (Judäer) der Antike bildeten ein Ethnos, eine ethnische Gruppe. Sie waren eine mit einem Namen, der mit einem spezifischen Territorium verbunden war, bezeichnete Gruppe. Ihre Mitglieder teilten ein Gefühl gemeinsamer Ursprünge, erhoben Anspruch auf eine gemeinsame und besondere Geschichte bzw. Schicksal, besaßen ein oder mehrere besondere Charakteristika und ein Gefühl kollektiver Einzigkeit und Solidarität. Die Summe dieser besonderen Charakteristika wurde mit dem griechischen

    Wort Ioudaismos bezeichnet… Die eigentümlichste Besonderheit der Juden war die Art, in der sie ihren Gott verehrten, was wir heute ihre Religion nennen würden. Aber der Begriff Ioudaismos, der Vorläufer des englischen Wortes Judaism, bedeutet mehr als nur Religion. Für die antiken Griechen ist „Religion nur eine von vielen Einzelheiten, die eine Kultur oder eine Gruppe unterscheidbar machen.

    Bedeutung der Alphabetschrift

    Um zu verstehen, warum die Semiten von den sie umgebenden Völkern als ein „Abgesondertes Volk" angesehen wurden, muß man weit in die Genealogie zurückgehen. Viele Menschen, darunter auch akademisch Gebildete, glauben immer noch, Semiten wären eine Rasse. Daraus wird dann oft der Schluss gezogen, daß Araber gar keine Antisemiten sein könnten, weil sie ja selber Semiten wären.

    Tatsächlich ist Sem, einer der Söhne Noahs, aber ein mythologischer Vorfahre. Er ist ein Vorfahr von Abraham und war tatsächlich jemand mit außerordentlichen Fähigkeiten. Er ist der erste, der ein Lehrhaus gründete. Ein Lehrhaus, in dem in einer Alphabetschrift Religion und Recht gelehrt wurde. Teilnehmen konnten alle Menschen, die bei ihm lernen wollten.

    Sem ist also der Schöpfer einer Schriftkultur, in der jeder Mensch, jede Frau und jeder Mann lesen und schreiben lernen konnte. Auch das Recht wurde verschriftet und zwar in der Alphabetschrift, die allen Menschen zugänglich war. Vorher gab es zwar schon Hieroglyphen, Keilschriften und andere Bilderschriften, aber die neue Alphabetschrift hatte einen entscheidenden Vorteil. Mit den bis zu 30 Einzelbuchstaben sorgte sie für den entscheidenden Durchbruch bei der Lese- und Schreibfähigkeit aller Schüler. Die vorher bekannten Schreib- und Lesesysteme bestanden oft aus hunderten oder tausenden von Schriftzeichen, zu denen der Großteil der Bevölkerung keinen Zugang fand.

    Die Menschenrechtserklärungen, das Grundgesetz, alle unsere anderen Texte, die ganze Kultur und die Wissenschaft wären ohne dieses Schriftsystem nicht in der gleichen Weise möglich gewesen. Die geniale Erfindung einer einfachen Schrift hat die gesamte Kultur erst ermöglicht.

    Die elementare Bedeutung dieser Schrift wurde übrigens von den Nationalsozialisten klar erkannt und es wurde alles versucht, Gegenargumente aufzubauen. Die Lösung war der „Arier-Mythos. Die Definitionen als „Arier oder „Jude in den Rassegesetzen der Nationalsozialisten waren keine rassischen Kriterien oder biologische Merkmale – dieser offizielle Bezug hatte ausschließlich propagandistische Gründe. Das einzige Kriterium für die Einstufung war die Zugehörigkeit zur Religion, und zwar nicht die eigene, sondern die der Vorfahren. In diesem Zusammenhang wurde dann die von Friedrich Schlegel am Anfang des 19. Jahrhunderts entstandene Behauptung populär gemacht, die indische Sprache sei älter als alle europäischen Sprachen und vor Urzeiten nach Europa gekommen. Nicht das Hebräische sei die „Ursprache, sondern das Indische bzw. das Indogermanische. Damit wurde die jüdische Abstammung des ganzen Menschheitsgeschlechtes verneint und durch die Konstruktion eines anderen Ursprunges ersetzt.

    Gründung des Judentums

    Für die Herausbildung des Judentums mit seinen strikten Religionsgesetzen ist die Zeit der „Babylonischen Gefangenschaft" maßgeblich. Diese währte für die Bevölkerung aus Judäa insgesamt 47 Jahre (von 586 bis 539 vdZ.). Ein Großteil der Bewohner Israels wurde dagegen bereits ab 721 vdZ. zwangsumgesiedelt. Die Deportation der Oberschichten war eine übliche Methode antiker Großreiche, um eroberte Länder zu befrieden.

    Im Exil (es waren wahrscheinlich etwa 40.000 Juden aus beiden Reichen) gelang es den Juden, einen großen Teil ihrer nationalen und religiösen Ideen trotz des babylonischen Kulturdrucks zu bewahren. Das lag u.a. aber auch daran, daß kein Zwang zur Ablegung des jüdischen Glaubens herrschte. Äußerlich bestanden für die Juden in Babylon durchaus komfortable Lebensumstände. Juden konnten ohne Zwang Handel, Landwirtschaft und Häuserbau betreiben. Dies führte naturgemäß auch zu einer starken

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