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Lapin Flambé: (Flambiertes Kaninchen)
Lapin Flambé: (Flambiertes Kaninchen)
Lapin Flambé: (Flambiertes Kaninchen)
eBook264 Seiten3 Stunden

Lapin Flambé: (Flambiertes Kaninchen)

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Über dieses E-Book

Im Rahmen der Darstellung einer ungewöhnlichen Situation und der Hintergründe, die zu dieser geführt haben, werden ansatzweise aber mit ausreichendem Raum für die Entfaltung der Fantasie des Lesers, die Vielfältigkeit der unterschiedlichen Wahrnehmungen und die voneinander abweichenden Einschätzungen der Realität dargestellt.
Es werden etwa 15 sehr ungewöhnliche Minuten in einem französischen Restaurant aus den sehr persönlichen Blickwinkeln einiger anwesender Gäste und Angestellter beschrieben. In diesen 15 Minuten geschieht Unfassbares. Im Verlauf werden die Hintergründe zu diesem scheinbar zufälligen aber tatsächlich wohlgeplanten Geschehen aufgedeckt und die unterschiedlichen Sichtweisen der notgedrungen Beteiligten auf die Situation selbst verdeutlicht. Durch die Vertiefung der skizzierten Charaktere und die Beschreibung einzelner, wichtiger Aspekte aus der Vergangenheit der Protagonisten, fügt sich nach und nach das Geschehen zu einem Bild zusammen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum5. Mai 2021
ISBN9783347275140
Lapin Flambé: (Flambiertes Kaninchen)

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    Buchvorschau

    Lapin Flambé - Alexander Gerhard

    Der Auserwählte

    Die Begegnung

    Ein ganz normaler Abend im Dezember, kaum gleich einem vorhergegangenen, wie sich später auf verwirrende Art und Weise herausstellen wird; und es geschieht das Unvermeidliche, das nie für möglich gehaltene, aber doch immer vorherbestimmte, erwartete, verfluchte Glück des Augenblicks in der Gestalt des tiefsten Unglücks. Und wie es geschieht, ist es wie die Erfüllung allen Sehnens, ist es der einzige Augenblick allen Wollens, der gemeinsame Sinn aller bisher gedachten Gedanken und das einzig gültige Argument für das Sein an sich und aller Werte des Lebens.

    Aber, so wie die Geschicke des Lebens geregelt sind, zerstört so vortreffliches Glück jeden unglücklichen Menschen, der ohne sein wirkliches Zutun in den Bann der Gegebenheit an sich, in das Inferno der ihm fremden Gefühle und in den nicht enden wollenden Strudel der unverständlichen Wahrheit eines anderen bereits geraten ist. Und letztlich hat doch jede dieser armen Seelen die Möglichkeit der Anpassung und eigener Sichtweisen, die Chance des Reflektierens noch weit vor der endgültigen Verdammnis, deren schwarzes Schild die brutale Ignoranz allen Seins gegenüber allem Sein, in gleichgültiger Demut und für alle Ewigkeit ist.

    Als ich aus dem Albtraum der Realität erwachte, war es vielleicht zu spät, um den betroffenen Menschen, es waren nicht viele, aber doch einige, das unvorstellbare Glück meines Erfahrens zu erläutern. Und so finde ich mich also, an diesem ganz normalen Abend im Dezember, ohne jeden Erklärungsversuch, in meinen Gedanken gefangen, nicht ahnend und nicht wissend, wer ich vor dieser Zeit war, was ich begehrte, kaum mich erinnernd an meine Rolle im Leben, doch immer träumend von ihr und haltlos treibend in einem Universum, das mir real bislang verborgen war und gleichgültig.

    Scheinbar erwacht, gelöst und gerissen aus der bekannten Welt, beginne ich nach nicht bestimmbarer Zeit und langer Ohnmacht, endlich zu fühlen und zu denken. Und so ist es immer wieder betörend, wie sie meinen harten Stoß, begleitet von rhythmischem Wimmern, in eine weiche, weibliche Körperwelle der Leidenschaft überführt, um ihn dann endlich in ihren wohlgeformten Brüsten, als Beben der Liebe ausklingen zu lassen.

    Ohne ihre Gelenkigkeit wäre dieses Erlebnis der Sinne kaum möglich, steht sie doch mit ihren fest geschlossenen Beinen fast senkrecht vor dem Tisch, mit ihrem knackigen Po an die Tischkante gelehnt und ihrem Oberkörper auf der Tischplatte liegend. So dringe ich in sie ein, von vorn, geführt von den Innenseiten der Schenkel, vorbei an ihren rosigen Lippen, hinein in ihre feuchte Spalte der völligen Hingabe, bald tief genug, um sicher die Bewegung zu spüren und bald vorsichtig zögernd, zur Liebkosung ihres Zentrums der Lust.

    Verloren schweben wir dahin, um uns herum verschwimmen die blassen Gesichter und wir ergeben uns in unseren Taumel der Ekstase, wiegen uns im Glück der Vereinigung unserer Körper und Seelen, umhüllt von einer Mischung aus dem Duft unserer Liebe und dem Geruch französischer Küche. Losgelöst von allem Irdischen, nicht fähig, das Reale zu erleben, allein inmitten der vielen Menschen, die um uns herum sich geschart haben und teilweise zeternd, teilweise verstummt, stierend oder sich abgewandt lauschend, unserem Schauspiel hingeben müssen, sind wir eins mit den Tieren, sind wir eins mit den Engeln, eines klaren Gedankens nicht fähig, im Rausch der Sinne vergehend.

    Es war nur ein Blick, ein einziger, kurzer Blick, über die Schulter meiner Frau und über das Feuer eines flambierten Kaninchens am Nachbartisch hinweg, hinüber zu diesem Wesen, nicht von dieser Welt, geboren aus der Tiefe der Sehnsucht und die Erfüllung aller Träume verheißend, in die sinnlichen Augen dieser elfengleichen Gestalt, die das Leben Vieler verändern sollte. Ich war in Gedanken schon längst auf sie zugegangen, nachdem sie meinen Blick erwidert hatte und nach ihrem Lächeln der Verheißung, das mich sofort nicht nur profund in meinem Herzen, sondern auch direkt im Zentrum meiner Lust getroffen hatte.

    Eben noch in stumpfsinnige Gespräche verwoben, war ein neues, völlig unbekanntes „wir" geboren, von einer Sekunde zur anderen gab es keine Menschen, keine bekannten Werte, keine Scham und keine Zurückhaltung mehr, sondern nur noch nacktes Verlangen und Gier nach Körper und Haut; den Wunsch zu sein, in ihr und nur noch in ihr, sofort.

    Es vergingen nur wenige Minuten, die mir wie Stunden erschienen und in denen wir unsere Augen nicht mehr voneinander lösen konnten, gefangen waren in unseren Gedanken an ersten, zärtlichen Sex, als ich fast schmerzhaft das tierische Verlangen in mir wachsen spürte und fühlte, wie Unmengen von Blut in meinen Penis schossen. Dann stand sie auf, unerwartet, aber doch so sehr ersehnt, kam mit langem, wiegendem Schritt zu uns herüber, nicht eine Sekunde den Blick von meinen Augen weichend, wischte mit einer schwungvollen Bewegung das Geschirr von unserem Tisch und stellte sich, ich war inzwischen aufgesprungen und fühlte mein Herz hämmernd in den Schläfen, mit dem Rücken zum Tisch vor mich hin, die Lippen zum Kusse bereit.

    Behutsam begann sie ihren kurzen, schwarzen Rock nach oben zu schieben, immer höher und höher, bis ich sehen konnte, dass sie, da sie nicht nur keine Strumpfhose, sondern auch keine Unterwäsche trug, rasiert war.

    Ohne ein Wort öffnete ich meine Hose, ließ sie fallen und drang ein in die Verkörperung der Unendlichkeit des weiblichen Seins, behutsam, aber bestimmt, als sie mich zunächst küsste und dann ihren Oberkörper langsam nach hinten bog, bis er vollständig auf der Tischplatte lag.

    Ich öffne ihre Bluse, sehe und berühre ihren traumhaft schönen Busen, während ich immer und immer wieder, begleitet vom leisen Beifallsklatschen unserer Körper, in sie eindringe.

    Der Drink

    Ich erinnere mich an meinen letzten Drink, es war ein „Mexicana Quemada". Wie gern wäre ich dabei gewesen, als der spargeldünne Franzose ihn, meinen absoluten Favoriten, zubereitete. Ich lasse das Rezept noch einmal vor meinem inneren Auge erscheinen:

    Zutaten:

    Minze im Shaker zerdrücken. Beide Sorten Tequila, O-Saft und Granatapfelsaft hinzugeben. Shake it. Glas (ca. 0,2 l) zu einem Drittel mit Crushed Ice, Chili- und Muskatpulver füllen. Die Mischung aus dem Shaker (ohne Minze) in das Glas geben. Halbe Limettenschale umstülpen und als Schiffchen aufsetzen. Zucker und Rum in das Schiffchen füllen. Anzünden. Servieren. (Der Drink schmeckt erst, wenn man das Schiffchen versenkt und den Drink gerührt hat.)

    Und ich muss feststellen, kurz bevor ich aus der Erinnerung in das Leben zurückkehre, meine Augen wieder zu sehen beginnen und ich meiner Situation, in der ich zweifellos bin, wieder bewusstwerde, dass Franzosen keine Drinks zubereiten sollten, keine Drinks, niemals, und mit jeder Sicherheit nicht diesen.

    Flambiertes Kaninchen

    Wie unfassbar leidenschaftlich sie meine Bewegung aufnimmt und eins ist mit mir und meinem Gefühl, wird mir erst bewusst, als ich den Geruch gebratenen Kaninchenfleischs wahrnehme und fühle, wie unsere Körper auch diesen Geruch in gleichmäßige Schwingungen versetzt und wellenförmig durch den Raum treibt.

    Diese Frau ist reines Glück. Aus ihr strömt die alles ergreifende Energie der Liebe und ihre Fähigkeit, den Körper wohl nach Belieben formen zu können, macht mich staunen. So dringe ich in sie ein, von vorn, geführt von den Innenseiten der Schenkel, erlebe intensivste Berührung nicht allein für mich, sondern mit ihr, durch sie und gleichsam gemeinsam.

    Wie unwirklich selbst die Lampe über uns zu schimmern beginnt, fast mag ich denken, sie stellt sich ein auf unser Tun; will leuchten, wenn der Körper meiner Göttin zu beben beginnt und will ermatten, wenn sanfte Ruhe unsere Körper umspült.

    Träumend schweben wir dahin, vergessen ist der Ort, an dem wir uns befinden, verloren ist die Zeit, die wir uns nicht hatten und nichts ist wirklich wahr, außer der Vereinigung unserer Körper und Seelen. Schemenhaft die Menschen, gefangen in ihren Welten, erfüllt von allen Zwängen, die sie nicht anders sein lassen können als sie wirklich sind. Um uns gibt es nur Dunkelheit und Wahn. Umso heller leuchtet das Licht des Glücks um unsere Körper und lässt uns erstrahlen wie Engel am Firmament.

    Den Worten meiner Frau lauschend, geriet ich schon lange in die Notwendigkeit der Flucht. So gelang es mir, inmitten ihres Wortschwalls, an das vollkommene Glück einer Pokerrunde mit meinen Freunden zu denken, vermochte den letzten gemeinsamen Abend mit ihnen bildlich zu erleben und strahlte sicherlich auch deshalb, weil ich doch damals so souverän gewonnen hatte. Aber…

    Dann war da wieder die Erinnerung an diesen ersten Blick, warm und fordernd, hindurch durch die Flammen des Kaninchens am Nachbartisch, der mir jede Angst nahm und mich erfüllte mit der Gewissheit, das Schicksal nicht mehr abwenden zu können, nicht abwenden zu wollen. Es verloren sich die Gedanken an andere im Nichts der Belanglosigkeit und beflügelten mich, es noch mehr und noch dringlicher zu wollen.

    Warum flambieren Menschen Kaninchen? Gäbe es darauf eine Antwort, könnte ich vielleicht auch mein eigenes, allgemeines Verlangen ein wenig besser verstehen oder auch nicht.

    Die Zeit schien nicht mehr vergehen zu wollen und meine Anspannung war unermesslich, war doch sicher, dass es, nach diesem Blick, passieren würde. War doch unabwendbar, dass wir unserer Bestimmung gehorchen mussten.

    Die fahrigen Gedanken an den Busen meiner Frau wollte ich zu verdrängen suchen. Dieses Denken an ihre Brüste und an ihre Stimme, die einen so lappig wie die andere so schrill, mich ernüchternd und fordernd wie gewohnt, konnte nicht erreichen, dass ich die Augen ließ - von ihr.

    Sie konnte es nicht sein, die es verhinderte, dass meine Seele schon lange geflohen war vor gefühlskalter Tyrannei hin zu der Hitze reinen Gefühls und die sich in der Phantasie schon tausendfach hingegeben hatte dem Wesen der wahren Liebe.

    Ach, hätte mich doch in diesem Moment nur irgendjemand, ein Mensch dieser Welt oder einer beliebig anderen, gefragt, ob ich das Weib mit diesen Augen nehmen möchte zu meiner ewig Angetrauten, ich hätte ihn erschlagen, aus Angst, er könnte sie vor mir besitzen wollen.

    Mit welch unfassbarer Geste sie die heile Welt aller zerstört hatte, sich entblößte, ohne einen Gedanken an wirkliches Sein und dann vor mir stand ohne ein Wort und doch so laut schreiend, dass mir der Kopf dröhnte.

    Der Mann in ihrer Begleitung, er war inzwischen auch aufgestanden und stand, eine Serviette knetend am Tisch, schrie auch etwas, wollte etwas schreien, schien außer sich aus verständlichem, aber doch nicht erkennbarem Grund, als sie auf mich zugegangen war. Wunderlich schien mir nur, dass er irgendwie kaum zu hören war, trotz all seiner Raserei.

    Sie legte im Gehen nur einmal den Kopf etwas zur Seite, blickte in die Richtung des Rasenden und zischte seinen Namen auf eine Art, die von einer Sekunde auf die andere, das Blut eines jeden hätte gefrieren lassen können.

    „Sebastian!"

    Hätte ich atmen können, wie gern, wie gern!

    Als sie ihren Rock nach oben geschoben hatte und ich ihre Weiblichkeit sehen konnte, wäre ich beinahe in Ohnmacht gefallen, aber es war der Anblick selbst, der mich nicht gehen ließ und mir die Kraft gab, nur noch sehen, sein und fühlen zu wollen.

    Gäbe es eine Blume dieser Schönheit, sie müsste alle Namen der Götter tragen.

    Mögen Stunden verrinnen, mag der Mond die Sonne verfinstern und mögen alle Menschen, einst geboren, irgendwie langsam sterben. Nur die Sicht auf die Dinge selbst lässt Dinge wert sein, lässt sie wiederkehren, wehren oder vergehen, oder nichts von alledem.

    Sebastian schien verstummt, zumindest konnte ich seine Stimme nicht mehr ausmachen, auch wenn die Richtung noch klar schien, aus der sein Zetern hätte dringen müssen. Der Gastraum füllte sich nun mehr und mehr mit den eigenartigsten Geräuschen, mit leisem Tuscheln und merkwürdigem Scharren, auch Seufzen war zu hören, wohl eher von weiblicher Stimme, männliches Grummeln direkt hinter mir, ein Glas fiel um, aber zerbrach nicht, das war in der Küche oder war es eher an der Tür kurz davor? Doch alle Geräusche um uns herum sind etwas leiser, ein klein wenig leiser als wir.

    Der Schicksalslenker

    Es erfasst mich immer wieder mit Staunen, wie wir den Akt der Liebe erleben, wie wenig es zwei Körper sind, die sich in der Unwirklichkeit behaupten und zum größten Glücke treiben, sondern ein einziger Leib mit zwei Seelen, die sich im Zufall gefunden haben, um sich niemals mehr zu lassen.

    Ein Zufall des Schicksals, mit der Endgültigkeit einer Ewigkeit, schweißt unsere Wesen zusammen. Wir sind das Zentrum von allem und nehmen die Macht der Mächte für uns, nur für uns, in Anspruch. Kein Gedanke an zerschmetterte Leichen der möglichen Toten durch unser Tun.

    Wie seidenweich, warm und zitternd Haut doch sein kann, nicht in meinen Träumen war ich beschenkt, dies zu erfahren und nun, an meinen Leib geschmiegt, diese Vertrautheit und Berührung, diese unsägliche Sanftheit - kaum kann ich wagen es zu spüren, so sehr reißt es mich.

    So dringe ich immer wieder in sie ein, ergebe mich dem Wahnsinn meiner Regung, die niemals stärker und einnehmender sein konnte als jetzt und hier.

    Nur erahnen kann ich in ihren Augen, dass es vielleicht auch der turnerische Winkel ist, der sie so sehr verzückt, dass es die Reibung, die Bewegung und das fordernde Drängen meines harten Gliedes selbst sind, die unerhört eigennützig ihre zarte Klitoris stimulieren und das schönste Lächeln in ihr so sehr geliebtes Gesicht zaubern.

    Nicht vorstellbar, ein anderer Ort, nicht denkbar, eine andere Zeit - nur hier und jetzt kann und darf es uns geben. Ohne den Geruch von Knoblauch und Estragon hätte der Schicksalslenker vermutlich kein Glück, für keinen von uns, jemals erlaubt.

    Weit weg von allem Irdischen, nicht fähig, das Reale zu erleben, allein inmitten der vielen Menschen, die um uns herum sich geschart haben und teilweise zeternd, teilweise verstummt, stierend oder sich abgewandt lauschend, unserem Schauspiel hingeben müssen, sind wir eins mit den Tieren, sind wir eins mit den Engeln, eines klaren Gedankens nicht fähig, im Rausch der Sinne vergehend.

    In mich gekehrt, die Dinge geschehen lassend und fast teilnahmslos gewährend, versuchte ich mich zu erinnern, wann, ob und unter welchen Umständen vielleicht ich ein solches Gefühl, ein dermaßen brennendes Verlangen, so dramatischen Schmerz und diesen unbändigen Wunsch, sofort explodieren zu wollen, schon jemals zuvor hatte. In meinen Gedanken verharrend, konnte ich dem blendenden Schein ihrer Augen und dem Liebreiz ihres charismatischen Gesichts nicht mehr widerstehen und küsste sie in Gedanken leidenschaftlich.

    Verloren, ohne Schuld! Nicht ich war es, der hier bestimmte.

    Im Augenwinkel meines rechten Auges glaubte ich meine Frau wahrnehmen zu können; völlig absurd in ihren Bewegungen, aber nur schemenhaft unscharf zu erkennen, schien sie sich, nachdem sie panisch aufgesprungen war, an Tisch und Stuhl klammernd aufrecht halten zu wollen, was ihr, wahrscheinlich wegen ihrer körperlichen Schräglage an sich und der Instabilität der hässlichen Designer-Pumps, nicht endgültig zu gelingen schien.

    Irrelevant, denn vor mir standen die Erfüllung all meiner Träume, meiner Sehnsüchte und der Inbegriff all meines Verlangens.

    Sollte ich an die hungrigen, die gesättigten, die angetrunkenen oder die verstörten Gäste denken oder vielleicht an die Arbeitenden, die sich in diesem Raum befanden? Das fragte ich mich einige Male, musste aufschauen, den Blick von dieser sich so herrlich darbietenden Schönheit nehmen, um verstehen zu können, was wir taten.

    Fremde Gesichter drängten sich mir auf. Die Empfindungen, die viel mehr meinen Kopf als meinen Körper erfüllten, wenn ich in ihre Gedanken, die sie so freigiebig lesbar in ihren Masken trugen, eintauchte, mussten sich vermischen mit der einen Empfindung des Glücks, das so waghalsig wir forderten gegen jede Vernunft. Mir war es nicht möglich, hörte ich mich denken, die Wahrheit der Menschen hier und jetzt zu erfahren, denn meine Sinne waren getrübt und mein Blick fast blind für das so wenig Wichtige. Und es war mir klar, dass ich doch nur nach Entschuldigung, Verzeihung oder wenigstens Toleranz suchte, ohne Hoffnung, sie zu bekommen, war doch niemand außer uns Liebenden in der Lage, den Grund für unser Tun zu verstehen.

    Hätten all diese liebenswerten Menschen doch nur verstehen können, dass keinerlei Schuld uns traf für diesen Moment, sie wären mit offenem Herzen an unseren Tisch getreten und hätten den Rhythmus unserer Leidenschaft aufgenommen in tosendem Beifall und freudiger Melodie. Es gab keine andere Möglichkeit als sich dem Lenker allen Seins zu ergeben, denn nicht aus freien Stücken lagen wir hier fast gänzlich entblößt und mussten uns verschenken mit Haut und Haar. Doch wie nur hätten wir das Sehen der Betroffenen schärfen können, damit sie erkannten und die feinen Drähte sahen, an denen er unsere Körper bewegte und zwang, die unendliche Lust zu erleben? Wir waren doch nur seine Puppen, längst schon des Willens beraubt und hörig seinen Weg zu gehen, der so klar bestimmt vor uns lag, so einfach zu gehen war und so sicher das Glück verhieß.

    Die Leute wussten nichts von ihm, also vergebens jede Mühe, in das rechte Licht zu bringen, unser Treiben.

    Genuss, aber nicht für Jeden

    So scheint mir vollkommene Lust nur dann zu entstehen, wenn alle Bewegung, jede Energie, freier Gedanke und lustvoll reizendes Wollen, ihren psychischen und physischen Fortklang im Körper und auch im Geist des Geliebten finden.

    Schon minimale Veränderungen in der Zweisamkeit der Liebe, mutiges Verkanten, starkes Spannen bestimmter Muskeln oder angestrengtes Kreuzen der Beine zum Beispiel, können mit ungekannten Anstrengungen, aber auch ungeahnten Gefühlsregungen verbunden sein. Füreinander bestimmte Menschen, wie wir es offenkundig zu sein scheinen, müssen solchen Unsinn aber nicht wissen, denke ich mir, während ich ihre Brustwarzen liebkose und die Enge ihrer Schenkel genieße.

    War ich noch anwesend? Hätte ich nicht im Grunde meines Herzens erschrocken sein müssen, ängstlich die Folgen kalkulierend und das Schlimmste in Erwägung ziehend? Oder traf dieses viel mehr auf meine Frau zu, die fast am Boden liegend, sich an den Tisch klammernd und knapp über die Tischplatte glotzend, den prallen Busen meiner Göttin fixierte, ihren Mund weit geöffnet zu einem ihrer gewohnten Schreckensschreie bereit hielt, der ihrer Panik den gebührenden Ausdruck verleihen sollte, sie aber zu keiner Intonation fähig war?

    An ihrer statt waren es andere Wesen, die wie Sirenen heulten und alsbald verstummten, waren es spitze Schreie von überforderten Frauen, die nicht anders konnten, als meinen straffen, zuckenden Po zu bewundern und sich bei unzüchtigen Gedanken ertappten. Oder ihre Männer, die mit bissigem Gegrunze sich selbst projizierten an meine Stelle und die eigene Erregung zu verbergen suchten.

    Die Wortlose war gegangen, aber ich empfand keinerlei Erleichterung, denn eigentlich war sie schon lange nicht mehr präsent gewesen. So geschah es, dass aus einer nur noch nebulös wahrgenommenen Frau eine Leidende wurde, die sich, in meinen Gedanken, der gesamten Tragik ihres Erlebens hingeben musste, um die vollkommene Zerstörung ihres Selbst zu zelebrieren. Meiner eigenen Erwartung, Mitgefühl für sie

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