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Brandwunden: La Gomera-Krimi
Brandwunden: La Gomera-Krimi
Brandwunden: La Gomera-Krimi
eBook303 Seiten3 Stunden

Brandwunden: La Gomera-Krimi

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Über dieses E-Book

Zwei Monate nach den Bränden auf La Gomera findet Richard die Leiche des Drogendealers Walter. Der hat ein Loch in der Stirn. War das Abfackeln seines Drogendepot der Auslöser für das Brandspektakel?
Klaus Kleber setzt auf ein sauberes La Gomera. Sein Motto lautet: Die Freaks müssen weg. Seither herrscht Krieg auf der Insel. Zwei Tage später findet Richard den Zottelkopf Erwin in Tagaluche, ebenfalls mit einem Loch in der Stirn.
Richard spielt Detektiv. Aber nicht er, sondern der Freund Georg wird angeschossen und in eine Nobelanlage verschleppt. Ein Befreiungsversuch misslingt. Tags drauf liegt Georg tot im Wohnwagen eines Galleristen. Er ist an einem Knebel erstickt. Wer steckt hinter diesen Schweinereien? Die Drogenmafia? Klaus Kleber, der Immobilienmakler Alonso oder der Gallerist? Zu den Verdächtigen hat sich Pedro gesellt. Der hat sein Geld durch eine Baupleite in den Sand gesetzt. Wer von denen ist der Drogenbaron?
Richard will Georgs Tod rächen. Hilft ihm der verdeckt ermittelnde Fernando? Oder steckt der selbst im Drogensumpf und hält die Hände auf? Die Lage spitzt sich zu, denn bei einer Hetzjagd durch die Anlage geraten Richard und seine Freunde in Lebensgefahr.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum31. Mai 2017
ISBN9783743923324
Brandwunden: La Gomera-Krimi
Autor

Klaus Rose

Klaus Rose, Jahrgang 1946, kam als Flüchtling über Berlin und Lübeck ins Dreiländereck. Nach dem Studium in Köln verlebte er als Produkt der 68-ziger seine Flower Power Phase in München. Später kehrte er nach Aachen zurück und heiratete. Er wurde zweifacher Vater und engagierte sich in der Kommunalpolitik. Dann die Scheidung, eine neue Partnerschaft und ein Herzinfarkt. Aber auch der hinderte ihn nicht am Verwirklichen seiner Reiselust mit dem Höhepunkt einer Weltreise. Seine zweite Heimat wurde La Gomera und die freie Zeit verbringt er mit dem Schreiben seiner Romane.

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    Buchvorschau

    Brandwunden - Klaus Rose

    1

    Hocherfreut über den wolkenlosen Himmel über Teneriffa ruckele ich am Arm meiner schlafenden Partnerin.

    „Wach auf, Anna. Wir landen", flüstere ich ihr ins Ohr, schon setzt die Boeing auf der Landebahn auf.

    Mit der gebotenen Eile holen wir unsere Koffer vom Gepäckband, dann fahren wir mit dem Linienbus nach Los Cristianos, wo ich beim Fußmarsch zum Hafen unverschämt anmachende Blicke registriere, ausnahmslos von Männern. Witzig finde ich die nicht.

    Ich verspüre so was wie Wut im Bauch und quäle mich an den dreist Glotzenden vorbei, dabei strapaziere ich mein Wahrnehmungsvermögen mit allerlei Fragen.

    Was wollen diese blöden Gaffer von uns?

    Das ist eine der Fragen. Und die anderen bewegen sich auf ähnlichem Niveau.

    Bin ich zu flippig angezogen? Trage ich zu warme Klamotten? Steht gar mein Hosenstall offen?

    Ich lechze nach Aufklärung, deshalb schaue ich an mir runter. Okay, an meinem Outfit liegt es nicht, stelle ich zufrieden fest. Ich scheide als Anschauungsobjekt aus. Meine Kleidung ist urlaubsgerecht und frei von Mängeln.

    Es ist wohl eher so, dass mich das hiesige Mannsvolk um meine Begleiterinnen beneidet, mit denen ich durch die hässliche Hotelansammlung eile. Auch auf Tenerif-fa wecken attraktive Weiber die sexuellen Sehnsüchte der Dreibeiner. Das ist eine Tatsache. Warum auch im-mer gönnt mir die Machocouleur keine der hübschen Grazien.

    Ich fluche leise: „Sakrament! Fehlt euch irgendwas?"

    Doch prompt wird mir klar, wo ich hier bin, und ich nehme mich zurück.

    Never mind, denke ich, langsam sehe ich Gespenster. Oder bin ich vom Stress überempfindlich und dadurch gereizt? Eigentlich sind mir die Machos oder Toreros piepegal, solange sie’s beim Gaffen belassen und nicht zum Angrabschen übergehen.

    In Los Cristianos reihen sich die Hotelbauten wie Schriftzeichen auf Gebetsteppichen aneinander. Im Rekordtempo hat man unzählige Bettenburgen aus dem Boden gestampft. Die recken sich gen Himmel, wie die Pappeln, die man als Windschutz angepflanzt hat. Dazu wimmelt es von greisen Engländern, die ihre schwabbeligen oder ausgemergelten Körper würdelos zur Schau tragen. Der Rollstuhl und die Betonklötze dominieren das Paradies für Pauschalreisende, was keinesfalls unserem Urlaubsgeschmack entspricht. Los Cristianos ist für uns ein denkbar ungeeigneter Platz.

    Jedem das Seine, denke ich.

    Dennoch, der Fluchtinstinkt meiner Partnerin Anna, der blondgelockten Karla, des Turteltäubchens Vera und von mir, dem fünfzigjährigen Ingenieur Richard, treibt uns nach La Gomera. Die Berichte der Heimatpresse über die Brände haben uns nicht abgeschreckt.

    Stattdessen hat die Vorfreude gesiegt, denn unser Ziel ist es, die Seele baumeln lassen. Den Aufenthalt auf der Insel der Glücksseligkeit nutzen wir dazu, den Horror der Welt auszublenden, zum Beispiel die Dramatik um die Griechen, den ansteigenden Rechtsradikalismus und die erbarmenswürdige Flüchtlingszahl.

    Diese Themen und andere Alltagsquerelen müssen raus aus dem Kopf. Der gesamte Mist hat uns an den Rand der Belastbarkeit getrieben.

    Da ist es gegenüber den Politikwirren ein Klacks, dass man die Seeroute von San Sebastian zum Hafen in Vueltas im Valle Gran Rey stillgelegt hat. Den Benchijigua-Express gibt es nicht mehr. Für immer? Das weiß hier keiner. Jedenfalls ist die zeitsparende Weiterreise mit dem Expressboot ein Vergangenheitsrelikt und schuldig ist die länderübergreifende Finanzkrise.

    Die Anreise mit dem Flieger aus Belgien war preiswert und kurz. Wir sind nachts vier Uhr aufgestanden, dann hat uns meine Ex-Frau mit unserem Citroen Berlingo zum Flughafen in Lüttich gebracht. Den behält sie für die zwei Wochen unserer Abwesenheit, dann holt sie uns wieder ab. Tja, auf der freundschaftlichen Ebene klappt es wunderbar mit uns. Das war in der Ehe leider selten der Fall, trotz gemeinsamer Kinder. Aber das Scheitern ist Schnee von gestern.

    Ich liebe den Sonnenschein und das milde Klima auf den vor der afrikanischen Küste gelegenen Kanaren. Uns bleibt eine Stunde bis zur Abfahrt der Fähre nach San Sebastian. Und wir haben Glück, denn wir finden auf der Hafenterrasse einen schattigen Tisch und harren der Dinge, die da kommen.

    Hungrig esse ich ein mit Schinken belegtes Brötchen, dazu gönne ich mir einen Kakao mit Sahne. Meine Begleiterinnen schlürfen ihren Cappuccino. Da sie allesamt Lehrerinnen sind, scheint das Gesöff eine Lehrerkrankheit zu sein.

    Um uns herum erkennen wir vertraute Gesichter, denen nicken wir zu. Man kennt sich vom Valle Gran Rey. Im Tal des großen König ist das Treiben überschaubar. Doch in diesem Jahr sind’s wenige Mitreisende. In den Ferien der Vorjahre waren mehr Gleichgesinnte an Bord. Es fehlen die treuen Stammgäste, die im Valle eine zweite Heimat sehen.

    Halleluja, das ist für die Vermieter der Unterkünfte eine Farce. Durch die Brandkatastrophe geht die Zahl der Touristen im Valle Gran Rey den Bach runter. Das aber ist nicht verwunderlich, denn viele Wanderstrecken führen über verbrannte Erde, durch niedergebrannte Waldregionen und angekokelte Dörfer. Große Flächen des Nationalparks sind zerstört. Das Trauerspiel will sich der Wanderfreak aus Germany nicht antun.

    Tja, wie sieht’s jetzt auf der Bananeninsel aus?

    Das haben wir uns während der Anreise gefragt. Hoffentlich ist La Gomera nach der Apokalypse wenigstens stellenweise noch üppig grün und damit liebenswert?

    Wir sind gespannt auf das Ausmaß der Feuersbrunst. Die hatte bis hinunter ins Valle gewütet. Das Vernichten der Häuser und Vegetation hat unsere Trauminsel nicht verdient.

    Aber wie kam es zu dem Szenario? Welche Mächte wollen La Gomera schaden? Womöglich hat ein Trottel mit einer weggeworfenen Zigarette das Inferno verursacht? Oder liegt doch die zu vermutende Brandstiftung in der Luft?

    Ermittlungserfolge lassen auf sich warten. Nach Pressemitteilungen gibt es keine Festnahmen. Ist die verheerende Aufklärungsquote auf miserable Polizeiarbeit zurückzuführen? Wir haben keinerlei Einfluss auf die laufenden Ermittlungen. Und dass das mit der Beschaulichkeit auf La Gomera ein Traum bleibt, und wir uns mit Mord und Todschlag herumschlagen werden, das ahnt keiner von uns auch nur ansatzweise.

    Seit zwanzig Jahren treibt es mich und meine Lebensgefährtin an die Playa. Alljährlich zu Ostern und zur Zeit der Herbstferien. Zwar haben sich einige Anlagen angesiedelt, zum Beispiel in Borbolan, in La Puntilla und auch einige in Playa, am befestigten Weg zur Playa del Ingles, doch dessen Menge hält sich in Grenzen. Zudem sind es keine geschmacklosen Betonsilos, siehe Teneriffa, die den Charakter der Landschaft verschandeln.

    Nein, gottbewahre, die im kanarischen Stil gestalteten Wohnanlagen fügen sich zurückhaltend in die wunderschöne Küstenregion ein.

    Anna und ich bevorzugen ein Studio an der Uferpromenade in Playa. Es bietet das beruhigende Meeresrauschen und einen Balkon mit bezaubernder Aussicht aufs Meer und den Strand. Von dem beobachten wir das komplette Wirrwarr um uns herum und fühlen uns mittendrin im Geschehen. Und einen weiteren Vorteil hat das Studio: Von dem kann ich vor dem Frühstück ins Wasser springen und ein paar Meter schwimmen.

    Auf das ist die Freude riesengroß, aber noch sind wir auf Teneriffa und es ist viertel vor zwei. Die Nachmittagsfähre biegt ins Hafenbecken ein. Dann wendet sie und legt sie an der Kaimauer an. Das Anlegemanöver ist immer wieder ein beglückendes Schauspiel.

    Eine Menge Autos fahren aus dem Bauch des Katamarans, als wir die Seitengangway zum Oberdeck nutzen, zuvor hatten wir das Hin- und Rückfahrtticket käuflich erworben. In dem Riesenpott ist die einstündige Überfahrt bei bewegter See ein Kinderspiel, und das sogar für Seekrankheitsanfällige, aber wehe, das Meer wird rau, doch an den Extremfall will ich nicht denken.

    Während der Überfahrt quatsche ich mit Karla und Vera. Meine Partnerin schläft oder sie tut so. Dann legt die Fähre pünktlich im Hafen der Hauptstadt San Sebastian an, wo wir erwartungsfroh von Bord staksen. Endlich betreten wir den von uns heißgeliebten La Gomera Boden.

    Wir holen unser Gepäck aus dem Transportwagen und gehen damit zum wartenden Carlos mit seinem Taxi. Den hatte Manuel, Karlas einheimischer Freund, in den Hafen beordert. Er wird uns auf der Fahrt über die Bergkämme ein Bild über die Schäden der Brände im Parque Nacional de Garanjonay liefern. Carlos wäre der beste Führer auf der Insel. Mit derlei Lobhudelei hatte Manuel die Qualitäten des Taxidrivers unserer Karla angepriesen.

    Vor zwölf Jahren sahen wir Karla am Schalter in der Abflughalle des Brüsseler Flughafens. Damals flogen wir per IBERIA über Madrid nach Teneriffa. Sie stand da in ihren Wanderstiefeln und ich wusste sofort: Aha, die Schönheit ist eine La Gomera Urlauberin.

    Beschnuppert haben wir uns als Fahrgemeinschaft im Taxi von San Sebastian ins Valle. Die mündete in eine wunderbare Freundschaft. Und so kam es, das La Gomera zum gemeinsamen Lebensfixpunkt wurde.

    Die Prophezeiung Manuels kommt hin, denn wir sind kaum in der zerfurchten und zerklüfteten Bergwelt La Gomeras unterwegs, schon hält Carlos einen detailgetreuen Vortrag über die Dramaturgie der Brandtage. Auf Spanisch natürlich. Ich habe Mühe, dem Erguss zu folgen. Er stoppt sein Taxi an gruseligen Stellen mit den scheußlichsten Brandwunden und erläutert das Ausmaß. Es dauert hundert Jahre, bis sich der Nationalpark wieder in seiner Urwüchsigkeit präsentiert.

    Nun ja, das Zeitfenster ist wahrscheinlich übertrieben, denke ich, dennoch überfällt mich ein Gänsehaut-Feeling. Das Verherrlichen ihres Archipels mit seiner herrlichen Flora und Fauna liegt den Nachfahren der Guanchen im Blut. Carlos vergöttert jede Palme, jeden Bergund Stausee, jedes malerische Bergdorf, und den über eintausendvierhundertachtzig Meter hohen Garanjonay. Wie alle Gomeros ist er vernarrt in jeden Quadratmeter der berauschenden Landschaft, bestehend aus Regenoder Lorbeerwald. Besonders stolz ist er auf die Ausstrahlung des Valle Gran Rey. Tal des großen König bedeutet das auf Deutsch.

    Doch brennend interessiert mich begeisterten Krimileser etwas anderes, und das ist die Brandkatastrophe.

    Carlos spekuliert vogelwild: „Für mich liegt der Beginn der Brände in der Nähe der Ortschaft Alajero. Ich gehe felsenfest von absichtlicher Brandstiftung aus."

    Oho?

    Ich bin kribbelig und spitze die Ohren. Absichtliche Brandstiftung? Hol mich der Henker. Hat da tatsächlich jemand Feuer gelegt? Und wenn ja, warum?

    Und Carlos behauptet weiter: „Gut möglich ist auch das Abfackeln zum Vertuschen einer Schweinerei."

    Hm, abwegig klingt das nicht, denke ich. In Südeuropa ist Brandroden eine beliebte Methode zum illegalen Landgewinn. Aber wer macht das hier auf La Gomera und dann in den Bergen? Da sind Grundstücksspekulationen ähnlich normal wie in der Antarktis. Aber es muss einen Grund geben, den Brand mit katastrophalen Folgen zu legen, aber welchen?

    Betrifft es die rapide angestiegene Kriminalitätsrate auf La Gomera? Die Insel ist längst nicht mehr so unbefleckt, wie sie es vor etwa zwanzig Jahren mal war.

    Das ganze Drumherum stimmt mich nachdenklich. Früher hatten wir auf La Gomera göttliche Zustände. Mit leuchtenden Augen erinnere ich mich an die achtziger Jahre. Die Zeit war phantastisch. Das Zusammenleben war friedlich und von gegenseitiger Achtung getragen. Das Verhältnis der Freaks zu den Wanderern war in Ordnung. Das kann man guten Gewissens behaupten. Die Zustände waren von Harmonie geprägt, denn der Massentourismus war weit entfernt und stand nicht in voller Blüte.

    Als wir seinerzeit auf der Insel der Glücksseligkeit aufkreuzten, da gab’s keine Polizeistation der regionalen Polizei, geschweige denn eine Niederlassung der Guardia Civil. Doch mit und mit wurde das Hippietreiben durch die Ottonormalverbraucher an den Rand gedrückt. Natürlich gehörte auch lichtscheues Gesindel zu den Neuankömmlingen. Prompt war der berauschende Traum von der freien Liebe und ähnlichen Errungenschaften restlos ausgeträumt.

    Jetzt, da der Handel mit Drogen und deren Gebrauch in die Höhe geschnellt ist, bestimmen Polizeikontrollen die Abläufe. Auf einmal ist der Mix an Drogen den Geschäftemachern ein Dorn im Auge. Wer aber verdient seinen Zaster mit der Drogenkacke?

    Wir kennen einen Kleindealer, den Walter aus der Eifel. Der trägt sein langes Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden. Lebt das Schlitzohr von der Dealerei?

    Ich verachte den Kerl und mache um ihn einen Bogen. Er ist mir durchweg unsympathisch. Wir haben Walter über Karla kennengelernt, denn in die hatte er sich bis weit über seine abstehenden Ohren verknallt. Dem Mistkerl würde niemand eine Träne nachweinen, wäre er von der Insel verschwunden.

    *

    Der Taxitrip über die Höhenstraße führt uns vorbei am Alto del Contadero und an La Laguna Grande, dem Einheimischengrillplatz. Die Luft riecht muffig und ranzig, total verbraucht. Der Gestank verbrannter Erde und verkohlter Reste des Bewuchses liegt wie eine Käseglocke über der Insel. Unterirdische Brandherde werden weiterhin von Feuerwehrleuten überwacht. Die bleiben als Vorsichtsmaßnahme in Alarmbereitschaft.

    Nach dem Abzweig Vallehermoso fahren wir durch Arure. Der Ort dient als Eingangstor zum Valle Gran Rey. Und nach dem Weg zum Mirador dos Santo biegen wir ins Tal der Palmen ein. Nun geht’s in Serpentinen abwärts, dabei durchfahren wir zwei lange Tunnel.

    Und den zweiten Tunnel hinter uns wird uns mulmig. Im einzigartigen Tal der Terrassen und Palmen verblüfft uns die große Anzahl an verbrannten Palmstämmen. Doch es gibt den Silberstreif am Horizont, denn aus den Kronen ragen frische Büschel Palmzweige heraus. Auch das nachwachsende Schilf im Barranco erfreut uns mit leuchtendem Grün.

    Carlos erzählt, dass die Evakuierung des oberen Tals wie bei einem Wunder vonstatten ging. Zwar hätten nicht alle Maßnahmen geklappt, doch die Menschen konnten sich rechtzeitig retten. Niemand kam zu Schaden. Nur die in ihre Ställe eingesperrten Tiere, seien es die Ziegen, die Schafe oder das Federvieh, kamen jämmerlich in den Flammen um. Sogar die Esel und die Pferde unterhalb der Ermita waren vom Verbrennungstod bedroht.

    Aber ein Hoch auf die Solidarität. Die Geflüchteten fanden problemlos Unterschlupf bei Fluchthelfern, und das waren nicht nur Verwandte. Die Bewohner rückten eng zusammen. Ein Segen für die Brandbekämpfung war die Bruchsteinmauereinfassung des Barranco bei La Calera, die aus EU-Mitteln finanziert wurde, und der böige Wind vom Meer, das alles hatte das Vordringen der Feuerwalze bis hinunter an die Playa verhindert. Durch den Kahlschlag im Bereich der Baustelle fand das Feuer keine Nahrung, somit hatte die Finanzspritze aus Brüssel auch mal eine gute Seite.

    „Bravo, Carlos, entfährt mir ein Lob. „Die Schilderungen sind irre interessant.

    Hat mich Carlos verstanden?

    Ein Lächeln huscht über seine Mundwinkel, trotzdem geht er nicht auf mich ein. So erreichen wir hinter Lomo del Balo, Retamal und Casa de la Seda mit El Guro ein schmuckes Hangdorf.

    Der Ort ist in deutscher Künstlerhand. In der Esoterikerhochburg hatte das Feuer besonders erbarmungslos gewütet.

    Carlos stoppt sein Taxi auf dem Parkstreifen unterhalb der Wohnbebauung.

    „Bum, „bum, gestikuliert er.

    Wie bei einem Bombardement oder Silvesterfeuerwerk hatte es sich angehört. Explosionen erschütterten das Valle, erzählt er weiter. Als Propangasflaschen in den Küchen der Häuser explodierten, da glich das dem oft prophezeiten Weltuntergang. Mehrere Künstlerklausen wurden zerstört. Von denen sind nur zerfallene Ruinen übriggeblieben, aber an einigen sieht man Fortschritte des Wiederaufbaus.

    Wir setzen unsere Fahrt bis La Calera fort. Dort steigt Karla aus, denn sie wohnt bei Manuel. Uns Verbliebene fährt Carlos hinunter bis vor die Casa Maria. Wir bedanken uns gestenreich, dann eilt Vera ein kleines Stück zurück ins Casa Domingo, und meine Freundin und ich watscheln krumm und lahm in den Ausschank. Die Sitzerei fordert ihren Tribut, sei’s im Flieger, in der Fähre oder im Taxi.

    Von Pepe, er ist der Chef der Casa Maria und gleichzeitig unser Vermieter, erhalten wir die Schlüssel zum Studio, danach ergötzen wir uns an der Superbreite des Strandes. Der präsentiert sich makellos bis hinüber nach La Puntilla.

    Es herrscht reger Seegang. Die Wassermassen donnern mit Karacho auf den schwarzen Sand, oder zerschellen an der Mauer zur Promenade. Gigantisch bäumen sich die Wellen auf und bersten in salzhaltigen Elemente. Es ist die sich ständig wiederholende Szenerie einer begeisternden Dramaturgie. Aqui tenemos el paraiso, hier haben wir das Paradies. Zurecht behaupten das viele Einheimische.

    Nun gut, es war eine dreizehnstündige Anreise, von unserer Haustür bis an die Playa. Wir reißen uns vom Atlantikanblick los und staksen in die vertraute Bleibe hinauf, dort verstauen wir die Klamotten im Schrank und hasten zum Einkaufen in den Supermercado.

    Und den Einkauf in die Küchenzeile gekramt, geduscht und in frische Klamotten geschmissen, treffen wir uns mit Vera. Wir gehen zum Abendessen in die Yaya-Bar. Ich bevorzuge die kanarische Küche und esse mein Lieblingsgericht. Die Chocos à la plancha mit papas arrugadas sind phantastisch, dazu genießen wir die Show der Sonnenuntergangsanbeter. Ein beliebtes Ritual auf den Kanaren. Mit Feuerspektakeln feiert die bunte Schar vor der Casa Maria das faszinierende Szenario am fernen Horizont.

    Wir sind zwar hundemüde, nichtsdestotrotz wechseln wir von der Yaya Bar zum Szenelokal hinüber. Es ist ein absolutes Muss für die tanzwütige Vera. Sie steht auf jede Form von Salsa und zelebriert ihre Tanzauftritte bei cooler Live Musik. Spötter nennen sie Kanaren-Polka.

    Vera ist übrigens frisch verliebt. In drei Tagen erscheint ihre Neuerwerbung aus Köln hier im Valle. Wir kennen ihn nicht, daher sind wir mächtig gespannt auf diesen Georg.

    Aber nun zurück ins Hier und Jetzt.

    Pepe lässt zum Gitarrenspektakel mit Gesangsuntermalung aufspielen. Durch den begnadeten Sänger Esteban haben die Auftritte eine stattliche Fangemeinde, obwohl die Songs über Liebe, Trauer und Schmerz vor Schmalz nur so triefen.

    Andererseits haben die Interpreten ein Lob verdient, denn ihre Evergreens servieren sie hochklassig. Wie bei allem gilt folgendes: Entweder man mag die Dudelei auf Volksmusikniveau, oder man bleibt weg.

    Auch unsere Freundin Karla ist mit ihrem langjährigen Freund Manuel aus La Calera zu uns vor die Casa Maria heruntergeeilt. Er vermietet Apartments oben in seiner Umgebung, noch dazu ist er als Friedensrichter eine Institution im Valle.

    Wir lauschen den akustischen Gitarrenklängen und der begeisternden Stimme Estebans, doch trotz des Geräuschpegels und der anhaltenden Begeisterung zeigt mir Karla einen mir unbekannten Mann, natürlich von Manuel unbemerkt.

    „Der Mann sieht gut aus, oder?, flüstert sie mir ins Ohr. „Sei ehrlich. Der hat was.

    Und ich frage ungläubig zurück: „Meinst du den mit dem schütteren Haar und dem Schwänzchen?"

    Bei den Männern hat Karla einen merkwürdigen Geschmack.

    „Ja, der. Er ist aus Teneriffa und der Schwager vom Oberkellner. Sein Name ist Fernando. Er gehört zu der Einheit der Geheimpolizei, die nach dem Brandstifter forscht. Er arbeitet praktisch als verdeckter Ermittler."

    „Aha, so eine Art Spion im Untergrund", erwidere ich, dabei muss ich schmunzeln.

    „So ist es, Richard, beteuert Karla. „Lache nicht über mich, denn ich finde ihn toll. Sehr charismatisch. Aber sei vorsichtig was du sagst, denn er spricht deutsch.

    „Woher weißt du das?"

    „Mein Freund Manuel erfährt in seiner Funktion natürlich alles, klärt mich Karla auf. „Außerdem sind hier Hinz und Kunz verwandt. Nichts kannst du geheim halten.

    Ein mit viel Herzschmerz vorgetragener La Gomera Song erzeugt lautstarke Emotionen bei den Einheimischen. Das hat orkanartigen Beifall aus Geklatsche und Getrampel zur Folge, sodass das Gespräch schwierig wird.

    Ich ziehe mich unauffällig zurück und überlege. Das Thema mit dem Geheimagenten hat meine kriminalistische Ader geweckt. Dieser Fernando mischt sich also unters Volk, denke ich an den Spion. Aber was will der ausrichten, da ihn jeder kennt? Mit seinem Grad der Bekanntheit wird er den Hintergrund des Brandes nie aufklären, wenn er’s überhaupt vorhat.

    In Gedanken gleite ich zu der gerade in Spanien nicht unbekannten Korruption ab, dabei denke ich an die vielen unübersehbaren Baupleiten. Verbirgt sich hinter der Brandattacke eine Interessenüberschneidung? Ist das logisch, oder sehe ich Gespenster?

    Ja klar, denke ich unkompliziert. Im Korruptionssumpf liegt der Hase im Pfeffer. Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, so sagt man dazu, und besser ausgedrückt, irgendwie stecken hier alle unter einer Decke.

    Ein Griff an meinen rechten Arm schreckt mich auf. Anna ist mir gefolgt und reißt mich aus meinen Gedanken, daher kehre ich mit ihr zu den anderen zurück.

    Neben alten Bekannten hat sich ein Stuttgarter Pärchen in die Runde gesellt. Wir begrüßen sie, denn Petra und Rainer kennen wir seit Ewigkeiten. Meistens meiden wir sie, denn wie so oft haben sie Krach und das nervt.

    Doch da sie bereits eine Woche vor Ort sind, stelle ich ihnen die bedeutsame Frage: „Wo treibt sich dieser Walter herum?"

    Petra ist nicht überrascht und antwortet: „Der Dealer? Den Arsch habe ich den ganzen Urlaub nicht gesehen. Er ist wie vom Erdboden verschluckt."

    „Man munkelt, mischt sich Rainer ein, „die Guardia Civil hat ihn festgesetzt. Aber was Genaues weiß keiner.

    „Was du so erzählst, wird Petra prompt zickig. „Du weißt gar nichts. In Alajero wird er sein, wo sonst.

    Ihre Streiterei bahnt sich erneut den Weg.

    Ich wage den Versuch sie abzulenken, und stelle die spekulative Frage: „Von Alajero aus könnte sich das Feuer nach Nordwesten durch die Berge gefressen haben? Was wisst ihr darüber?"

    Worauf Karlas Freund, der zugehört hatte, für beide in schlechtem Deutsch antwortet: „Das sein Vermutung. Niemand kann wissen. La Policia in Dunkel tappen. Sagt man bei euch so?"

    Oh jemine. Niemand ist im Bilde, denke ich. Der Ermittlungsstand zur Brandstiftung

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