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Einmal Paraguay und zurück: Auswandern
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eBook241 Seiten3 Stunden

Einmal Paraguay und zurück: Auswandern

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Über dieses E-Book

Die Suche nach dem Sinn des Lebens und der Traum vom Auswandern.
Ein Raumausstatter-Raumdesigner und seine Freundin wandern nach Paraguay in Südamerika aus, um dem als oberflächlich empfundenen Leben in Deutschland den Rücken zu kehren und dort das Glück zu finden. Ihre Erlebnisse erzählt diese wahre Geschichte.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum1. Juni 2010
ISBN9783868506792
Einmal Paraguay und zurück: Auswandern

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    Buchvorschau

    Einmal Paraguay und zurück - Richard Oppermann

    1. Daktari

    Auswandern und sich fern der Heimat auf ein Neues, ganz anderes Leben einzulassen – davon hat wohl jeder schon mal geträumt.

    Für die meisten enden solche Wunschträume dann höchstens in einem verlängerten Mallorca- oder Toskanaurlaub (mit deutschen Würstel con Krauti und Andenkenkitsch auf jeder Piazza). Andere, die sich gern mit akademischen Titeln oder wenigstens einem „Konsul" vor dem Namen schmücken, haben dagegen oft handfeste Gründe, wenn sie mit diskreten, schwarzen Geldköfferchen bewaffnet ein Flugzeug nach Südamerika betreten…

    Wir hatten 1983 weder ein Geldköfferchen mit Schwarzgeld, noch wollten wir „aussteigen". Im Gegenteil: Als Innenarchitekt betrieb ich eine florierende Firma mit drei Angestellten.

    Um das Geschäft am Florieren und die Angestellten bei guter Laune zu halten, musste ich oft im Morgengrauen nach Hamburg aufbrechen, nachmittags dann einen Termin in Stuttgart wahrnehmen und spätnachts schließlich gestresst und todmüde wieder daheim in Frankfurt ankommen – das erschien mir damals der ganz normale Preis für den alltäglichen Wahnsinn zu sein.

    Meine Angestellten hatten sich prima an ihren kollegialen Chef gewöhnt, der selten nein sagen konnte, wenn jemand statt des dargebotenen kleinen Fingers gleich die ganze Hand nehmen wollte.

    Gemeinsame Umtrünke und Abendessen führten letztlich nur dazu, dass manche mich mit meiner spendablen Art wohl für eine Mischung aus Krösus und Trottel hielten. Dabei hatte ich mich im Jahr 1972 mühsam, aber mit der Zeit immer erfolgreicher, als Raumgestalter selbständig gemacht.

    Angefangen hatte ich mit nichts, außer mit meinem Mut und meinem Talent. Nicht einmal ein Auto besaß ich in den Anfangsmonaten meiner Selbständigkeit, von Freunden oder per Taxi musste ich mich damals zu Kunden chauffieren lassen.

    Zehn Jahre lang hatte ich nun ein mittlerweile florierendes Geschäft aufgebaut – mit allen Turbulenzen, die das eben so mit sich bringt: Ärger mit Angestellten, Lieferanten, Kunden etc.

    Trotz der geschäftlichen Erfolge stellte sich dabei langsam ein Gefühl der inneren Unzufriedenheit ein.

    Mit meiner Lebenspartnerin bekam ich immer mehr Probleme. Einfach deshalb, weil ich die Alltagssorgen des Geschäfts mit schöner Regelmäßigkeit mit nach Hause brachte.

    Da half mir auch der flitzigste Sportwagen nicht, mit dem ich – Vollgas und mit 240 Sachen – über die Autobahn donnerte, nur um noch schneller und erfolgreicher zu werden: Meine damalige Freundin und spätere Frau, hatte nicht gerade viel von mir, dem

    „plattfüßigen Hans Dampf in allen Räumen". Außer im Urlaub natürlich. Wir reisten gern, schon um der Hektik des Geschäftsalltag mal für kurze Zeit entfliehen zu können.

    Weg vom ewigen Ärger mit Kunden und Subunternehmern, wenn auch nur für ein paar Tage oder Wochen.

    Das Angebot eines Freundes, der ein Reisebüro besaß´, kam da Anfang April 1983 genau zur rechten Zeit:

    „Ich habe etwas für euch! Wie wär’s mit ein paar Wochen Paraguay? In der Reisegruppe sind gerade zwei Plätze freigeworden, weil ein Pärchen kurzfristig zurückgetreten ist. Siebzehn Tage für 3.500 Mark, zu zweit!

    Das ist doch spottbillig!"

    „Und wo ist der Haken an der Sache?" fragte ich.

    Mein Freund druckste etwas umständlich herum: „Nun ja, es ist da so eine Art Reisebegleitung dabei.

    Die wollen deutschen Interessenten Häuser und Grundstücke dort unten verkaufen. Aber das braucht euch eigentlich gar nicht zu kümmern…"

    Tat es auch nicht. Spontan entschlossen wir uns, die Koffer zu packen. Hauptsache weg von der geschäftlichen Hektik!

    Wir wollten Ferien machen, weiter nichts. Paraguay, das sagte mir damals noch nicht viel. Um ehrlich zu sein: Ich dachte, es ginge zum Meer – wobei ich Paraguay großzügig mit Uruguay verwechselte. Man kann schließlich nicht alles wissen, oder? Dann eben nicht ans Meer, aber schön weit weg…

    In Aschaffenburg lernten wir auf telefonische Einladung einer kurzatmigen Dame bald darauf unseren Reisebegleiter kennen, einen gewissen Herrn Sträter. „Clarence" tauften wir ihn im Stillen, weil er uns stark an den schielenden Löwen in der Fernsehserie Daktari erinnerte: Gleichzeitig konnte er in alle Richtungen gucken und hatte so all seine Gäste ständig im Auge (im wahrsten Sinne des Wortes!).

    Auch seine Lebensgefährtin Wilhelmine war sehenswert: Ein wandelndes Tönnchen mit ausladendem Tomatenhintern.

    Wir konnten uns das Lachen nur schwer verkneifen, zumal Herr Sträter sein zartes Monster auch noch ständig abwechselnd „Wilhelminchen oder „Plankienchen nannte.

    Sträter und sein Wilhelminchen wussten nach einem Blick auf meinen Chevrolet auch gleich über mich und meine allerintimsten Wünsche Bescheid: „Oppermann? Ach wie reizend, dass Sie gekommen sind! Wir haben ja schon telefoniert…. Inzwischen habe ich mir die Mühe gemacht, das Passende für Sie herauszusuchen. Unter uns: Eine Traumvilla in herrlichster Lage, kann ich Ihnen flüstern!

    Und beinahe geschenkt!"

    Der Makler Sträter irrte.

    Erstens hatte ich überhaupt nicht mit ihm telefoniert, sondern mit Wilhelminchen, und zweitens war ich keineswegs an Traumvillen im hintersten Südamerika interessiert. Ganz im Gegensatz zu den anderen Anwesenden übrigens. Die stürzten sich voll Begeisterung auf Filmchen und Prospekte, die das Blaue vom Himmel versprachen.

    Oder wenigstens eine hübsche kleine Steueroase…

    Mit irrer Geschwindigkeit brachte uns ein befreundeter Busfahrer in seinem Mercedes zum Abflughafen der Reise. Meiner Freundin,

    die ohnehin vor jeder Reise mit Reisefieber zu kämpfen hatte, dreht sich bei der tolldreisten Raserei fast der Magen um.

    Schon reichlich gestresst, kamen wir auf diese Weise zu unserem Flugzeug nach Brüssel: Eine klapperige, hundertmal geflickte DC 8 der staatlichen paraguayischen Fluggesellschaft. Den unauffälligen Herren mit den noch unauffälligeren Köfferchen schien das nichts auszumachen.

    In Brüssel waren die Zollkontrollen bekanntlich etwas lascher. Und im Zug ließ sich an der recht offenen EG-Grenze zwischen Deutschland und Belgien so einiges unerkannt transportieren.

    Nur uns wurde ein wenig mulmig beim Anblick der prähistorischen Maschine. Na ja, dachten wir uns, Billigreise eben.

    Sträter und sein Plankinchen waren auf dem Flug über Madrid und Recife nach Asuncion sehr um ihre Reisegesellschaft bemüht.

    Oder genauer: zu sehr. Mit viel Glück durfte man den Gang zur Toilette noch ohne ihre gütige Hilfe unternehmen. Ansonsten erfuhren wir von Sträter alles über Paraguay, was uns vorher nicht die Bohne interessiert hätte: Wie schön das Land sei, und vor allem.

    Wie herrlich das Leben in der deutschen Kolonie dort wäre. Deutsche Kolonie? Mir schwante Übles: Nichts als alte Nazis und steuerflüchtige Konsuln. Doch das entsprach dann Gottlob doch nicht der Realität.

    Die deutsche Kolonie, so erzählte uns Sträter, gab es bereits seit beinahe zwei Jahrhunderten in Paraguay! Da lag es freilich auf der Hand, dass auch die Zeit dort unten ein wenig stillgestanden hatte.

    Doch davon später.

    Belustigt verfolgten wir den ganzen,

    17-stündigen Flug über die geschäftigen Aktivitäten unserer Mitreisenden:

    „Wo kann ich am besten Schafe züchten?"

    „Wie kann ich mein Geld am lukrativsten anlegen?"

    Fragen über Fragen.

    Sträter wusste natürlich für jeden die richtige Antwort.

    Der Whiskey floss in Strömen und heizte die ohnehin schon euphorische Stimmung der Möchtegern-Auswanderer noch zusätzlich an. Pläne und nochmals Pläne wurden geschmiedet. Der Deutsche plant nun einmal am liebsten alles bis ins kleinste Detail im Vorhinein – selbst wenn er im Grunde keine Ahnung hat, was ihn eigentlich erwartet.

    Einen unserer Mitpassagiere erwischte es dann ganz unplanmäßig bereits bei der Zwischenlandung in Madrid.

    Der dortige Zoll staunte nicht schlecht: Die Metalldetektoren piepsten bei jedem Vorübergehen in der Höhe seiner Leibesmitte. Was mochte er da wohl mit sich tragen?

    Sieh einer an: Einen Geldgurt voller Goldmünzen! Offenbar hielt er das für die sicherste Währung der Welt. Die meisten unserer „Auswanderer" stammten übrigens aus Bayern – wohlhabende Bauern, denen es zuhause an fruchtbaren Böden und schönster Landschaft doch an sich wirklich nicht mangelte.

    Oder doch? Ich war offenbar noch immer reichlich ahnungslos. Bis mich einer aufklärte:

    „Für wie blöd hältst’ uns Bauern denn?

    Meinst’ wir haben kein Schwarzgeld?" Stolz verwies er auf sein schwarzes Aktenköfferchen. Alle trugen sie ein solches schwarzes Köfferchen mit sich herum – alle außer uns. Ein Haufen Verrückter, dachten wir uns. Gemessen an der aufgeregten Stimmung im Flugzeug, ging es im Hause Daktari wahrlich geruhsam zu.

    2. Die Kolonie

    Wir wurden bereits erwartet. Am Flughafen von Asuncion, der Hauptstadt Paraguays, hatten sich schon am frühen Morgen – es war viertel vor sieben Uhr Ortszeit – einige Landsleute zur Begrüßung eingefunden.

    Mitglieder - Mitbewohner der deutschen Kolonie, die jeden Zuzug aus der Heimat aufs herzlichste begrüßten. Besonders dann, wenn man so einem ahnungslosen „Gringo" ein Häuschen zum doppelten Preis aufschwatzen konnte…

    Die deutsche Kolonie umfasste, samt etwa fünfhundert Österreichern – die ihre eigene Kolonie bewirtschafteten -, gut 2500 Männer und Frauen, die ein Land von den Ausmaßen des Saarlandes besiedelten.

    „Colonia Independencia, nannte sich das Ganze, das in zwei selbständige Gebiete aufgeteilt war: Sudetia, in Anlehnung an das ehemalige Sudetenland, und die Callos Fandel, die vorwiegend von Österreichern bewohnt wurden. Die deutsche Kolonie „Independencia war natürlich die weitaus größere,

    und verwaltungstechnisch waren ihr die Österreicher mit ihren eigenen Gütern auch eingemeindet, wie man es in Deutschland ausdrücken würde.

    All das hatten wir bereits im Flugzeug erfahren. Auch dass der Lebensstil der Deutschen in Paraguay sich von dem unseren schon zeitlich etwas unterschied: Etwa fünfzig Jahre zurückgeblieben, so sagte man uns, wären die Landsleute dort schon. Wenigstens in ihrem Denken.

    Systematisch wurde jeder von uns Neuankömmlingen bereits am Flughafen in ein Auto von „lieben Landsleuten" verfrachtet.

    Die potenteren Käufer in spe – also die Damen und Herren mit den dicksten Aktentaschen – wurden in noblen Familienkarossen gleich in Privatquartiere gebracht. War man sich noch nicht recht schlüssig über die Liquidität eines Neuankömmlings, dann wurde er erstmal ins so genannte Hotel verfrachtet.

    So gelangten auch wir in einem völlig überladenen, aber neuen Mercedes-Hotelbus zur Kolonie. (Wie wir später erfuhren, hatte den Bus erst kürzlich Alex Tilinski, der Bruder unseres Fahrers aus Deutschland importiert.)

    Berni Tilinski hatte seinen Job ganz offensichtlich bei den Hell Drivers gelernt.

    Wie ein Wahnsinniger bretterte er mit seinem nagelneuen Mercedes-Bus durch die Landschaft. Er veranstaltete ein regelrechtes Autorennen mit den schwächer motorisierten Straßenverkehrsteilnehmern. Von der Natur bekamen wir so nur einen sehr flüchtigen Eindruck: erst flach, dann immer hügeliger, bewaldet und lieblich. Im schnellen Vorbeifahren wirkte es auf uns wie ein Stück Fränkischer Schweiz mitten in Südamerika.

    Die einheimischen Autos, die wir überholten, machten unserem neuen PS-Freund anstandslos Platz. Man war hier an Wahnsinnige auf der Straße offenbar gewöhnt – ganz im Gegensatz zu Deutschland, wo noch die klapprigste Ente gern versucht, wie lange sie wohl auf der Überholspur bleiben kann…

    Unser Fahrer entpuppte sich am Zielort auch als Hotelchef. Berni Tilinski war ein cleverer Geschäftsmann.

    Er sieht aus wie Dumbo, schoss es mir durch den Kopf. Riesige, abstehende Ohren, eine wuchtige Nase in einem schmalen Gesicht und reichlich verfaulte Stoßzähne…

    Die eigentliche Überraschung aber war das so genannte Hotel: Winzige Reihenbungalows in Super-Leichtbauweise.

    Klopfte man am einen Ende, dann konnte man sicher sein, dass der vorderste Bewohner es noch hörte und ahnungslos die Tür öffnete.

    Der Komfort hielt sich auch sonst in Grenzen: Fliegengitter statt Fenster, und dünne Laken auf Gummimatratzen, die etwas streng rochen.

    Uns aber war das alles nach der strapaziösen Reise völlig gleichgültig. Während andere Mitreisende sich gleich ins famose Besichtigungsprogramm stürzten

    („Günstige Rinderfarmen etc.") legten wir uns erst mal schlafen.

    Auch in den folgenden siebzehn Tagen, zeigten wir allen Maklern die kalte Schulter. Und das war gut so.

    Auf Spaziergängen rund um die Kolonie, hörten wir nämlich ganz andere Preise, als unsere euphorischen Auswanderer, die sich reichlich naiv und nur zu bereitwillig von ihren freundlichen „Landsleuten" über den Tisch ziehen ließen.

    Schon am ersten Abend gab es um sechs Uhr einen Empfang: Der deutsche Bürgermeister des Ortes ließ bitten.

    Müde und geschafft, wie wir noch immer von der Reise waren, verschliefen wir den Termin und kamen etwas zu spät. Prompt bekamen wir den ersten Anschiss von Herrn Sträter,

    der die Veranstaltung mitorganisiert hatte.

    Die hoffnungsvollen Neubürger – 17 Leute an der Zahl – lauschten dem Bürgermeister andächtig und ehrfürchtig wie in einer Schulklasse.

    Wir verfolgten das PR-Spektakel mit etwas weniger Ehrfurcht.

    Es kam mir einfach ungeheuer lächerlich vor. Das mag daran liegen, dass mir „Hohe Tiere noch nie besonderen Respekt eingeflößt hatten. (Wer mit Schaudern über so viel schlechten Geschmack jemals einem Regierungschef, Bürgermeister oder Industrieheini die „Bude stilvoll einzurichten versucht, kann das womöglich nachvollziehen!)

    Jedenfalls gehörten wir zu den wenigen Skeptikern, die den Bürgermeister nicht anstarrten, als kämen statt Wörtern Geldscheine aus seinem Mund.

    Soviel Geldgier im Saal amüsierte selbst ihn, der in sehr ironischem Ton sprach.

    Von seinen Zuhörern wagte keiner auch nur einen Mucks, geschweige denn ein aufheiterndes Witzchen – es herrschte also eine weihevolle Atmosphäre, beinahe wie in einer Kirche.

    Des Bürgermeisters bedächtige Warnungen („lieber mal selbst umschauen!") waren bei dieser Klientel so gut wie in den Wind gesprochen.

    Aus jahrzehntelanger Erfahrung wusste er, dass so gut wie alle Neuzuwanderer aus Deutschland Dreck am Stecken hatten. Das hatte ihn recht ironisch im Umgang mit diesen tollen Herrschaften gemacht, wodurch er für uns gleich sympathisch wurde.

    Dafür ließen sich die anderen Einwanderer aber auch sträflich leicht für dumm verkaufen: „Vier Ernten im Jahr: Kartoffeln, Orangen, alles in Hülle und Fülle!" hatte schon Sträter versprochen.

    Alfredo Bachmann, der Bürgermeister, hatte also Übung darin, kleinere und größere Betrüger herzlich in seinem Ort willkommen zu heißen. Wenigstens brachten die Leute ja Geld mit.

    Zufällig kamen wir an Bachmanns Tisch zum Abendessen.

    Die Gegenwart einer ebenso hübschen, wie modisch gekleideten jungen Frau erfreute ihn offensichtlich sehr.

    Kein Wunder, wenn man die alteingesessenen Frauen der Kolonie so betrachtete: Manche gingen noch züchtig gewandet in langen, dunklen Kleidern; andere waren mit der Mode, die sie trugen, gut zwanzig Jahre im Hintertreffen.

    Das Sonntagsvergnügen bestand außerdem in getrenntem Amüsement der Geschlechter: Links saßen die dunkel gekleideten Männer, die alles Wichtige dieser Welt besprachen

    (Fußball, Autos etc.).

    Rechts saßen die Damen mit ihren Kindern, die noch Wichtigeres untereinander besprachen: den neuesten Klatsch und Haushaltsgeschichten.

    Wir hatten gleich einen guten draht zu unserem Bürgermeister – wohl selten hatte er so amüsante, witzige Gesellschaft unter den Einwanderern erlebt…

    Zum Abschluss der alles in allem fürchterlich steifen Zeremonie, sang ein gemischter Chor deutsche Volkslieder.

    Es klang beinahe wie beim Blauen Bock – hätte es den vor fünfzig Jahren schon gegeben…

    „Und jetzt spenden wir alle für den Chor", rief ich am Ende des Vortrags, schon, um die Atmosphäre etwas aufzulockern.

    Doch für Humor hatten die meisten Anwesenden wenig Sinn.

    Während die anderen Mitglieder unserer Reisegruppe in den folgenden Wochen vollauf damit beschäftigt waren, sich Ländereien anzuschauen oder Vorträgen zu lauschen,

    in denen geschildert wurde, wie man erwirtschaftetes Geld am leichtesten wieder aus Paraguay herausscheffeln konnte, hatten wir Zeit und Muse, uns Land und Leute näher zu begucken.

    Herr Sträter hatte schnell gemerkt, dass wir nicht so leicht wie andere zu ködern waren – wir waren eben einfach Unruhestifter in seinen Augen. Folglich kamen wir auf seine ganz persönliche „Abschussliste", was uns ganz recht war.

    Wir lernten auf diese Weise viel mehr vom Land und seinen Leuten kennen, als all die Abenteurer, die nur ans vermeintlich schnelle Geld kommen wollten. Zusammen mit einem Ehepaar aus dem Chiemgau, das für den Traum einer Marmeladenfabrik nicht das nötige Kapital aufbringen konnte, landeten wir zur Essenszeit in unserer Hotelanlage plötzlich am Katzentisch. Bald schon durfte sich keiner der Mitreisenden mehr mit uns unterhalten.

    Verständlich: Mit unserem Wissen hätten wir ja doch nur Sträters Geschäfte gestört.

    Mit allen Tricks versuchte unser verehrter Reiseleiter uns ins Abseits zu bugsieren; erst recht, als er gemerkt hatte, wie gut wir mit Bürgermeister Bachmann zurechtkamen. Tatsächlich hatte Sträter es nicht geschafft, den mir und meiner Freundin eigentlich wohl gesonnenen Bürgermeister gegen uns aufzuhetzen.

    Boshaft und wohl auch neidisch auf unseren freundschaftlichen Umgang

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