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Aufruhr im Isartal: Geschichten aus der Stauferzeit
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Aufruhr im Isartal: Geschichten aus der Stauferzeit
eBook305 Seiten4 Stunden

Aufruhr im Isartal: Geschichten aus der Stauferzeit

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Über dieses E-Book

Es ist das Jahr 1158. An der Salzstraße bei den Munichen reckt sich stolz eine neue Brücke über die Isar. Mit ihr will Herzog Heinrich von Braunschweig seinem Lehen Baiern wirtschaftlichen Aufschwung verschaffen - und die eigene Kasse füllen. Dies zum großen Verdruss von Bischof Otto von Freising, dessen Brücke kurz darauf in Flammen aufgeht. Er ahnt sofort, wer hinter diesem Anschlag steckt, und sinnt auf Vergeltung. Den folgenden Machtkampf schürt auch Burgherr Klef von Chlefsheim kräftig an, der eigene Interessen an der neuen Brücke verfolgt. Doch als dann eine Frau tot in der Isar gefunden wird, gerät seine Welt völlig aus den Fugen. Ein spannender Roman um die Stadtgründung Münchens, den Autor H. S. Laube mit viel Liebe zum Detail in ein buntes Gemälde mittelalterlichen Lebens verwandelt. Augenzwinkernd gewährt er dabei kundig Einblick in Freud und Leid des Ritterlebens.
SpracheDeutsch
HerausgeberBuch&media
Erscheinungsdatum14. Sept. 2012
ISBN9783865204585
Aufruhr im Isartal: Geschichten aus der Stauferzeit

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    Buchvorschau

    Aufruhr im Isartal - H S Laube

    1.

    Klef stützte sich mit beiden Ellenbogen auf den grob behauenen Stein. Zwischen zwei der wuchtigen Zinnen beugte er sich etwas über die Brüstung des Turms. So hatte er einen wunderbaren Blick von der Wehrplatte des Bergfrieds auf das Kloster der Benediktiner zur Rechten und auf die kleine Siedlung bei den Munichen. Aber das interessierte ihn kaum. Eher schon die neue Straße auf dem gegenüberliegenden steil ansteigenden Ufer, dem »gachen« Steig. Dahinter erstreckte sich, so weit sein Auge reichte, die bewaldete Landschaft bis zum Horizont, an dem die Straße schließlich verschwand. Näher an seinem Ausguck, unten, unweit der Burg, floss träge, wie es von hier aus schien, die Isar. Aber auch das Wasser zog nicht wirklich seine Aufmerksamkeit auf sich. Es war die Brücke, die dort über den Fluss führte.

    Klefs Oberkörper lehnte auf der Zinne, und er spürte das Amulett, das er auf der Brust trug. Klef drückte es fester an sich und lächelte zufrieden. »Meine Brücke!«, sagte er leise. Stolz und Genugtuung lagen in den beiden Worten.

    An der Stelle, an der sich der Fluss in zwei Arme teilte und eine kleine Insel bildete, stand die neue Brücke. Das Ergebnis anstrengenden Schaffens der letzten Monate. Es war seine Brücke. Natürlich war es nicht wirklich »seine« Brücke, gestand er sich. Frohen Mutes jedoch. Es war die Brücke des Herzogs. Aber er, Klef von Chlefsheim, er hatte über ihre Errichtung gewacht, er hatte sie geschützt. Er hatte dafür gesorgt, dass sie ganz nach den Wünschen des Herzogs entstanden war.

    Die langen Vorbereitungen haben sich bezahlt gemacht, dachte er. Immer noch kann ich nur staunen, welche Weitsicht der »Löwe« bewiesen hat. Und die Wahl des Ortes für die Brücke und der Männer, denen der Herzog das Projekt anvertraut hatte, hätte besser nicht ausfallen können. Genugtuung lag in diesen Gedanken.

    Erfahrene Vermesser hat der Herzog uns im letzten Jahr geschickt, als wir noch nicht einmal ahnten, was das alles werden sollte. In der kleinen Siedlung haben sie Straßen abgesteckt und Parzellen für neue Häuser, die alle unentgeltlich an die Bewohner abgegeben werden sollen. Und vor allem auch freie Flächen für den Markt, nein, von vornherein gleich für ein zweites Handelsareal neben dem eigentlichen Marktplatz, mit dem Rindermarkt. Niemand von uns wusste, was dort entstehen würde, überlegte Klef.

    Natürlich, nicht alle diese Pläne waren auf des Herzogs eigenem Mist gewachsen. Aber schmälerte das seinen Verdienst? War es nicht im Gegenteil ein Beispiel seiner Weitsicht, dass er offensichtlich Bischof Wibald von Corvey mit der Ausarbeitung eines Stadtplans für seine Stadt bei den Munichen beauftragt hatte? Ein Dankschreiben des Herzogs an den Bischof gab es offenbar auch, hatte ihm der Pfalzgraf Otto von Wittelsbach in einer langen, feuchtfröhlichen Nacht erzählt.

    »Wir erweisen Eurer Liebenswürdigkeit verdienten Dank, dass Ihr nach dem Hoftag in Bamberg so eifrig und bereitwillig dem nachdrücklichen Ruf unserer Majestät ohne Zögern oder Aufschub gefolgt seid, um alle unsere noch zu erteilenden Anweisungen bereitwillig auszuführen.«

    Klef erinnerte sich an diese Zeilen. Wenn man die Kunst des Lesens und des Schreibens nicht so beherrschte wie die Mönche, dann funktionierte das Gedächtnis umso besser. Davon war Klef überzeugt.

    Klef war stolz auf die Brücke, eine Meisterwerk an Stabilität und Tragfähigkeit. Und – es war eben doch seine Brücke. Und Rupert, dieses Genie von einem Zimmermann, den er angeworben hatte, der war ihm verantwortlich dafür gewesen, mit seinen Leuten die Pläne des Herzogs in die Tat umzusetzen.

    Wie lange war das alles her? Nun war auch der Ausbau der Straßen vollendet, die dem Anschluss an die alte Salzstraße sowohl im Osten wie auch im Westen einen natürlichen Verlauf zu seiner Brücke vorgaben.

    So, als ob das schon immer so gewesen wäre, musste es den Fuhrknechten jetzt vorkommen, freute sich Klef. Das wäre geschafft. Er rieb sich die Hände. Ein Lächeln überzog sein Gesicht, als er an die Botschaft dachte, die er dem Herzog geschickt hatte: »Herr Herzog, die Brücke bei den Munichen steht!«

    Aber nun musste der nächste Schritt folgen, da bestand für Klef kein Zweifel. Denn, wie er so voller Genugtuung auf seine Brücke hinunterschaute, war ihm auch ein wesentlicher Mangel offensichtlich: Die Straße, die jenseits des Ufers aus dem Wald herankroch, war leer. Noch überquerte kein einziges Fuhrwerk die Brücke, und der Zöllner saß faul und gelangweilt vor seiner Holzhütte. Auch die zwei Wachposten lehnten träge an einem Pfosten und drehten Däumchen. Sie schienen sich gemütlich an der Sonne zu wärmen.

    Keine Fuhrwerke, keine Einnahmen. Klef schüttelte unwillig den Kopf. Die Händler machten in ihrem alten Trott einfach weiter. Sie nahmen den Weg über Föhring, weil sie den kannten, der Übergang über die Isar war ihnen vertraut. Sie wussten noch nicht, welche Möglichkeiten sie jetzt hatten. Das würde sich schnell ändern müssen.

    2.

    Begonnen hatte es mit der Erhebung Heinrichs von Braunschweig aus dem Geschlecht der Welfen zum Herzog von Baiern. Es war eine erhebende Zeremonie gewesen im festlich geschmückten Saal der Kaiserpfalz. Der Kaiser thronte im großen, aufwendig mit Gold und Edelsteinen geschmückten Ornat und den Reichsinsignien: der Kaiserkrone, dem Reichsapfel, dem Reichsschwert und dem Reichszepter, den Zeichen, die ihn als legitimen Herrscher auswiesen. Umgeben waren er und der Herzog von den Großen des Reiches, die ebenfalls ihre aufwendigen Herrschaftsinsignien angelegt hatten. Dann kniete Heinrich vor dem Kaiser.

    »Ich, Friedrich der Erste von Hohenstaufen, von Gottes Gnaden Kaiser des Römischen Reiches, belehne Dich, Heinrich von Braunschweig, Herzog von Sachsen, mit dem Herzogtum Baiern. Du sollst als ein Streiter Gott, dem Kaiser und dem Reich dienen in unverbrüchlicher Treue, das Land ritterlich …«

    Heinrich, den sie wegen seines Wagemuts und seiner Tapferkeit »den Löwen« nannten, hörte nur halb auf das, was der Kaiser da sprach. Mit seiner ernsten, fast andächtigen Miene erweckte er den Eindruck, dass er ergeben den Worten des Kaisers lauschte. Der neuen Würde und vor allem der neuen Macht war er sich nur zu bewusst. Genugtuung erfüllte ihn über das Erreichte. Aber seine Gedanken weilten woanders. Sie waren bereits in seinem neuen Herzogtum, in Baiern. Und sie waren bei den Plänen, die er mit diesem Land hatte.

    »Ich schwöre es, so wahr mir Gott helfe.« Fast automatisch kamen die Worte über seine Lippen, als der Kaiser geendet hatte und ihn mit seiner mit rotem Leder bekleideten Hand auf dem Kopf berührte. Herzog Heinrich küsste die Hand des Kaisers, dann erhob er sich, und der Kaiser umarmte ihn.

    Barbarossas bärtiges Gesicht strahlte. Er war ebenfalls zufrieden. Mit der Belehnung Heinrichs war ihm ein geschickter Schachzug gelungen. Er hatte die lang anhaltenden Streitereien im Süden Deutschlands zu einem guten Ende gebracht.

    Als die vielen Feiern anlässlich der Belehnung Heinrichs vorüber waren, machte sich der neue Herzog von Baiern unverzüglich ans Werk. Er sandte einen Boten an die Weser nach Corvey. Das sächsische Reichskloster gehörte zu den bedeutendsten Klöstern auf deutschem Boden. Ihm stand seit zehn Jahren der Benediktiner Wibald vor. Er war nicht nur ein Fachmann in Fragen des Kirchenbaus, sondern er war dem Herzog als ein erfahrener Planer bei der Anlage von Handelsmärkten bekannt und in Fragen des Wasserbaus sowie des Schutzes und der Versorgung größerer Ansiedlungen. Der Herzog forderte Abt Wibald auf, nach Braunschweig zu kommen.

    Noch am Tag seiner Ankunft legte er dem Abt seine Absichten für Baiern dar. »Ich werde den Handel fördern und in meinem Land zu einer neuen Blüte führen. Dafür müssen wir in Baiern die Verkehrswege verbessern, vor allem die Lebensader des Handels, die Salzstraße, die von Salzburg durch mein Herzogtum führt. Dort befinden sich auch die Ländereien der Wittelsbacher. Pfalzgraf Otto von Wittelsbach muss ich mir warmhalten. Aber er ist ein loyaler und verlässlicher Fürst, das weiß ich. Ich werde ihn zu meinem Vertreter in Baiern bestimmen.«

    Er machte eine Pause in seinen Ausführungen. »Vor allem müssen befestigte Übergänge über die wilden Ströme geschaffen werden, die aus den Bergen Baierns kommen. Inn, Isar und Lech an erster Stelle. An den Übergängen werde ich die vorhandenen Siedlungen ausbauen oder neue gründen und sie befestigen. Der Übergang über die Isar liegt mir besonders am Herzen. Dafür bietet sich eine Insel bei der Ansiedlung bei den Munichen an. Hier, sieh her.«

    Heinrich führte den Abt an einen Tisch mit einer außergewöhnlich großen Tischplatte, auf der eine handgemalte Karte ausgebreitet lag. Hier erläuterte der Herzog mit großen Handbewegungen seine Vorhaben.

    Abt Wibald hörte aufmerksam zu und nickte. »Über die Isar, sagt Ihr, und bei den Munichen. Die Mönche dort sind ebenfalls Benediktiner.«

    »Richtig. Wir haben dort sogar eine Burg stehen. Und das ist nun mein Auftrag an dich, Wibald. Diese kleine Ansiedlung hier neben dem Kloster muss ausgebaut werden. Wenn die Handelskarawanen dort über die Isar ziehen, muss für alles gesorgt sein: Markt, Rastplätze, Lagerhallen, Tavernen, Häuser, die ganze lange Liste von Dingen, die man an einem Handelsplatz an so einem wichtigen Übergang braucht. Und vor allem auch Straßen.«

    Abt Wibald hatte schon bewiesen, dass er davon etwas verstand, zum Beispiel in Höxter, im nördlichen Herzogtum des »Löwen«. Deshalb nickte er wieder. Aber er hatte dennoch einen Einwand. »Ihr erstaunt mich jedoch, Hoheit. Dort, bei den Munichen, führt meines Wissens nur eine Furt über die Isar und keine Brücke. Die Benediktiner dort berichten auch nicht von einem nennenswerten Handels- oder Warenverkehr. Der Hauptstrang der Salzstraße verläuft in einem weiten Bogen im Norden über den Fluss.«

    Herzog Heinrich der Löwe und die Brücke bei den Munichen.

    Mit einer energischen Handbewegung wischte der Herzog das Argument beiseite. »Das lasst meine Sorge sein, Wibald. Ich werde eine Brücke bauen. Und dann sehen wir weiter.«

    Überrascht blickte der Abt den Herzog an, schwieg aber. Dann beriet er sich noch stundenlang mit ihm bis in alle Einzelheiten darüber, was zu tun sei, um die Ansiedlung bei den Munichen nach den Anforderungen Heinrichs auszubauen.

    Schon am nächsten Tag verabschiedete sich der Abt wieder. »Ich werde mich unverzüglich an die Arbeit machen, Hoheit. Und sobald Ihr mich wissen lasst, dass die Arbeiten in Baiern beginnen können, werde ich mich persönlich darum kümmern. Dann haben meine Pläne so weit Gestalt angenommen, dass ich meine Landvermesser in Marsch setzen kann und dazu noch einige kundige Bauleute und erfahrene Handwerker.«

    »Ich verlasse mich auf dich, Wibald. Du weißt, worauf es ankommt.«

    3.

    Klef zog es wieder einmal auf die Wehrplatte des Bergfrieds. Er ließ seinen Blick über die bewaldete Landschaft schweifen. Auch heute stoppte das Auge auf seiner Brücke. Seine Brücke, die er von hier aus wunderbar in ihrer ganzen Länge erfassen konnte. Kühn überspannte sie die Isar unweit der Burg. Jetzt hielten an beiden Auffahrten einige Fuhrwerke, die darauf warteten, dass der Zöllner das Wegegeld in Empfang nahm und seinen Leuten ein Zeichen gab, sie passieren zu lassen. Wie sich die Zeiten doch änderten! Pfalzgraf Otto von Wittelsbach leistete gute Arbeit.

    Er lädt die Fuhrknechte dazu ein, unseren neuen Weg zu nehmen, anstatt die alten, ausgefahrenen, dachte Klef und musste laut darüber lachen. Er lädt sie dazu ein! Wieder lachte er. Wird ihnen wohl nicht viel anderes übrig bleiben, wenn ihnen ihr Leben lieb ist. Klef blickte wieder hinunter. Aber er sah keine weiteren Wagen mehr von Osten her nahen. Tja! Klef zuckte die Schultern. Für die jahrhundertealte Salzstraße hatte es über die Isar bis jetzt halt nur die Brücke des Bischofs von Freising gegeben – und die stand in Föhring. Dem war seine Brücke lieb – und sie war im wahrsten Sinne des Wortes teuer. Sehr teuer sogar. Eine Goldgrube. Der Bischof würde nicht freiwillig auf Einnahmen verzichten.

    Ich bin gespannt, wie lange sich der »Löwe« das noch gefallen lässt. Eigentlich war Herzog Heinrich von Braunschweig nicht gerade für seine Geduld bekannt. Klef lächelte.

    Unsanft wurde Klef aus seinen Gedanken geschreckt. Die schrille Stimme Johannas drang zu ihm herauf.

    »Mechthild, hast du Klef gesehen?«, schrie sie. Klef gab seinen geliebten Aussichtsposten auf, stieg gemächlich die schmale Holztreppe hinunter, stolperte, riss dabei eine Haltestange los, fing sich aber wieder und fluchte laut: »Möchte mal wissen, was der Ortolf den ganzen Tag macht. Hier bricht man sich ja den Hals.«

    Er durchquerte den Korridor und traf Johanna vor der Tür des Wappensaals.

    »Du bist ja so herausgeputzt, Johanna. Willst du ausgehen?«, fragte er.

    »Ach, was. Ich bin nie herausgeputzt. Ich sehe immer so gut aus«, antwortete sie herausfordernd.

    »Stimmt«, erwiderte Klef. Er vermied es, seiner Gemahlin unnötig zu widersprechen. Aber er war tatsächlich immer wieder angetan von ihrer faszinierenden Weiblichkeit. Sie war einfallsreich im Erfinden von Kleidungen, die die Aufmerksamkeit des anderen Geschlechts erregten. »Du hast einen guten Geschmack, Johanna. Du weißt, was dir steht. Mir gefällt dein eng anliegendes Kleid, das deine schlanke Gestalt so richtig zur Geltung bringt. Du gefällst mir, das weißt du doch. Schön auch, dieser kecke Hut mit der roten Feder.«

    Johanna schien seine Komplimente gar nicht wahrzunehmen. »Du kommst vom Wehrturm? Hast du wieder dein Werk bewundert, Klef?«

    Klef fand es nicht gut, dass sie ihn wieder wegen der Brücke hänselte. Aber er hatte nicht vor, sich ärgern zu lassen. »Richtig geraten, Johanna. Die Brücke ist ein Prachtbau. Ich bin stolz auf sie. Und dazu wird sie nicht nur in die Schatulle des Herzogs klingende Münze bringen, sondern auch in unser Säckel.«

    »Ich sage dir, Klef, da hat sich der Herzog geschnitten. Leider. Die ganze Woche über habe ich ein Auge auf die Brücke gehabt, und ich habe nur wenige Fuhren gesehen, die darüber gefahren sind. Es kam mir immer so vor, als ob sich die paar Fuhrleute nur hierher verlaufen hätten. Und der narrische Herzog wird das Nachsehen haben.« Sie kicherte albern. »Ätsch! Kein Zoll, kein Geld. Das geschieht ihm recht – und wir verlieren mit ihm.«

    »Du solltest nicht so abfällig über unseren Herzog reden, Johanna. Wie oft habe ich dich schon darum gebeten.« Er blickte sie missbilligend an. »Wenn das jemand hört! Was soll der denken, wie wir zu Herzog Heinrich stehen?«

    »Ist mir doch egal, ob jemand das hört oder nicht. Meine Meinung sage ich offen heraus. Das lasse ich mir nicht verbieten – auch von dir nicht.« In Johannas Augen glitzerte Kampflust. »Wahr ist‘s doch! Nur die Geldgier von dem Welfen ist der Grund, warum er hier bei den Munichen diese Brücke hat bauen lassen. Und was bringt sie uns? Klingende Münze vielleicht? Doch nur Unruhe. Und die dringt dann von den Hütten, dem Rastplatz und dem Markt herauf bis zu unserer Burg. Wenn es wirklich einmal von Pferden und von Fuhrknechten hier wimmeln sollte, dann werden auch Horden von Dirnen, Bettlern und Gauklern bei uns herumstreunen, von den durchreisenden Händlern und anderem fahrenden Volk gar nicht zu sprechen.« Johanna redete sich mehr und mehr in Rage. »Und die Mönche werden auch nicht davon verschont bleiben. Dann wird auch ihre Ruhe dahin sein. Ich wundere mich sowieso immer, dass sie sich nicht dagegen wehren.« Wenn Johanna einmal so weit war in einem ihrer Temperamentsausbrüche, konnte sie niemand mehr bremsen, auch Klef nicht. Er wusste das, und deshalb ließ er sie einfach reden.

    Im Gegensatz zu seinem Weib hatte Klef nichts gegen den Herzog. Der mächtige Fürst hatte sich hier sogar persönlich umgesehen. Noch bevor sie an den Bau der Brücke gedacht hatten, war er auf die Burg gekommen. Sogar einen Abt hatte er zusammen mit einigen Landvermessern aus dem Norden mitgebracht, Wibald vom sächsischen Reichskloster Corvey. Ein gescheiter Mönch, ein großer Meister der Mathematik. Der Herzog hatte sich mehr für den Fluss interessiert. Er hatte Klef aufgefordert, ihn zu begleiten, als er mit ein paar von seinen Leuten durch die sumpfigen Wiesen gewatet war. Über die Sandbänke war er mit ihm gestapft, hatte die Furt durchschritten und war sogar auf der anderen Seite der Isar den steilen Steig hinaufgestiegen. Dort oben hatte Herzog Heinrich festgelegt, wo die Brücke gebaut werden sollte. Klef hatte er mit der Aufsicht über die Arbeiter und der Bewachung der Brücke betraut.

    Ja, Klef mochte den Herzog. Er war ein energischer, stattlicher Fürst. Temperamentvoll und nicht ohne Humor. Durch seine offene Rede und seine praktischen Ansichten hatte er Klef ganz für sich eingenommen.

    Und selbstverständlich hatte Klef nichts gegen die Brücke. Im Gegenteil. Seine Brücke war in der Tat ein Meisterwerk der Zimmermannskunst. Auf zwölf starken Pfosten überspannte sie die morastigen Wiesen, die unwegsamen Kiesbänke und Rinnsale und schließlich den Fluss. Vom trockenen Ufer auf dieser Seite reichte sie auf der anderen Seite bis an den »gachen Steig«. Der wurde so genannt, weil er so steil aus dem Isartal aufstieg.

    Auch Rupert hatte wirklich gute Arbeit geleistet.

    Rupert war seine Entdeckung gewesen. Der Zimmermann, den er aus dem Kloster drüben dafür geholt hatte. Ein kleines Genie war der. Er hatte die Pläne des Herzogs eins zu eins umgesetzt. Und mit den anderen Zimmerleuten, den Schmieden und den vielen Handlagern war er auch gut zurechtgekommen.

    Wenn Klef jetzt daran zurückdachte, freute er sich immer noch, wie es ihm gelungen war, Rupert aus dem Kloster zu lösen ….

    Klef war selbst zu Abt Heribort gegangen. Auf dem großen Eichentisch im Refektorium breitete er ein Pergament aus. Vier Gewichte hinderten es daran, sich wieder zusammenzurollen. Der Abt beugte sich immer noch einmal über das Pergament, wie um sich zu überzeugen, dass er alles verstanden hatte, was Klef ihm erläuterte. Dann rief er den Bruder Pankratius herbei, der Rupert, den Zimmermann, herbeiholen sollte.

    Unsicher stand Rupert vor seinem Abt. Die Hände hatte er vor seiner ledernen Schürze wie zum Gebet gefaltet. Das sah aber nur so aus, denn Rupert hielt fest mit beiden Händen vor seiner Schürze seinen Hobel. Er war einfach nicht denkbar im Kloster ohne eines seiner Werkzeuge. Rupert war die weltliche Ordnung im Reich des Glaubens. Zimmermann, Schmied, Hausmann, Mann für alles eben.

    Der Abt erläuterte die große Aufgabe, für die Rupert ausgesucht worden war: den Bau einer großen, dauerhaften Brücke über den Fluss. Mit einer ganzen Schar von Handwerkern sollte er es schaffen. Und keine Zeit sollte vergeudet werden, schon in Kürze sollte das Werk fertig gestellt sein.

    »Es fällt mir nicht leicht«, sagte der Abt. »Nur schweren Herzens habe ich mich entschlossen, dich für diese Aufgabe freizugeben, Rupert. Der edle Herr Klef hat mir diese Bitte überbracht. Der Bau der Brücke ist ein Wunsch unseres Herzogs, Heinrich von Braunschweig, der jetzt auch Herzog von Baiern ist. Ich kann mich dem Wunsch nicht entziehen.«

    Erwartungsvoll sah Klef den Zimmermann an. »Also? Passt dir etwas nicht?«

    »Nein, nein«, beeilte sich Rupert zu sagen. »Wenn der Herr Abt auch einverstanden ist …«

    Heribort nickte nur in die Richtung zum Herzogsboten hin. »Dann ist es abgemacht. Der Bruder Prior sucht noch einige Leute aus, die zu den anderen Handwerkern stoßen, und du wirst nach diesem Plan hier anfangen, die Balken und Planken für die neue Brücke zu behauen.«

    »Abgemacht! Wie viele Leute werdet Ihr mir geben für den Brückenbau?« An diese Frage Ruperts erinnerte sich Klef noch genau. Der Mann gefiel ihm. Rupert hatte sich sofort die neue Aufgabe zu eigen gemacht.

    Der Brückenzoll, der für den Herzog erhoben wurde, würde Geld bis in die Burg spülen. Klef hatte gesehen, dass einige Händler bereits Stände an der Straße aufschlugen. Nur sein Weib mochte Heinrich nicht.

    »Heinrich der Löwe! Wenn ich das schon höre. Der Löwe!«, schnaubte Johanna immer wieder. »Der Geldsack stünde ihm besser zu Gesicht.« Johanna hegte einen tief sitzenden Groll gegen den Herzog, den niemand so recht verstehen konnte.

    Es konnte doch wohl nicht diese recht belanglose Geschichte gewesen sein, die ihren Groll hervorgerufen hatte. Oder?

    Als der Herzog das erste Mal auf der Burg weilte, war Johanna fasziniert gewesen von dem »Löwen«. Von jedem Herzog wäre sie wohl fasziniert gewesen, aber Herzog Heinrich war ein Bild von einem Mann. So mächtig, so kräftig, so gut aussehend war er, so männlich. Und so ausgefüllt war der Raum, wenn er ihn betrat. Doch weil Johanna eitel war, wollte sie auch hier gern im Mittelpunkt stehen. Sie verstand es, schon mit ihrer Kleidung die Aufmerksamkeit des männlichen Geschlechts zu erregen. Und damals hatte sie sich große Mühe gegeben. Ihren kostbarsten Schmuck hatte sie angelegt, zwei goldene Armreifen, an jeder Hand trug sie einen Ring mit einem großen Stein, Perlenhänger zierten ihre Ohren, und eine kunstvoll geschnittene Gemme an einem schmalen Lederband schmiegte sich um ihren schlanken Hals. Es war ein kostbares Erbstück ihrer Großmutter und zeigte den Lockenkopf einer hübschen jungen Frau. Ein eng anliegendes grünes Samtkleid mit Schleppe brachte ihre üppigen Formen nicht nur wegen des großzügigen Ausschnitts zur Geltung. Ihre wohlgeformten Schultern und die schlanken Arme erregten immer die Aufmerksamkeit der Männer. Ihr langes, glänzendes schwarzes Haar kämmte sie gern auf einer Seite halb ins Gesicht, dadurch wirkte der Blick aus ihren großen braunen Augen noch geheimnisvoller. Oja, Johanna wusste um ihre Wirkung auf die

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