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4 Krimis: Hass und Sühne
4 Krimis: Hass und Sühne
4 Krimis: Hass und Sühne
eBook453 Seiten

4 Krimis: Hass und Sühne

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Über dieses E-Book

4 Krimis: Hass und Sühne
von Thomas West

Über diesen Band:

Dieser Band enthält diese Krimis:

Thomas West: Triebfeder Hass
Thomas West: Ein Anschlag wird geplant
Thomas West: Der Alptraum dauerte eine Nacht
Thomas West: Kein Verbrechen ohne Sühne

Der Prozess gegen drei Verbrecher aus der Belucci-Familie soll beginnen, doch vorher wird die kleine Tochter des zuständigen Richters entführt. Damit steht nicht nur der Prozess auf der Kippe, das FBI muss sich beeilen, um das Kind lebend zu befreien. Bronco Belucci schreckt auch vor einem der schrecklichsten Verbrechen nicht zurück, um seine Familie vor dem Gesetz zu bewahren. Aber in diesem Fall gibt es besondere Umstände.
SpracheDeutsch
HerausgeberAlfredbooks
Erscheinungsdatum24. Feb. 2020
ISBN9783745211795
4 Krimis: Hass und Sühne

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    4 Krimis - Thomas West

    4 Krimis: Hass und Sühne

    von Thomas West

    Über diesen Band:

    Dieser Band enthält diese Krimis:

    Thomas West: Triebfeder Hass

    Thomas West: Ein Anschlag wird geplant

    Thomas West: Der Alptraum dauerte eine Nacht

    Thomas West: Kein Verbrechen ohne Sühne

    Der Prozess gegen drei Verbrecher aus der Belucci-Familie soll beginnen, doch vorher wird die kleine Tochter des zuständigen Richters entführt. Damit steht nicht nur der Prozess auf der Kippe, das FBI muss sich beeilen, um das Kind lebend zu befreien. Bronco Belucci schreckt auch vor einem der schrecklichsten Verbrechen nicht zurück, um seine Familie vor dem Gesetz zu bewahren. Aber in diesem Fall gibt es besondere Umstände.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books, Alfred Bekker, Alfred Bekker präsentiert, Casssiopeia-XXX-press, Alfredbooks, Uksak Sonder-Edition, Cassiopeiapress Extra Edition, Cassiopeiapress/AlfredBooks und BEKKERpublishing sind Imprints von

    Alfred Bekker

    © Roman by Author /COVER FIRUZ ASKIN

    © dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

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    Alles rund um Belletristik!

    Triebfeder Hass

    Krimi von Thomas West

    Der Umfang dieses Buchs entspricht 111 Taschenbuchseiten.

    Eine Reporterin verschwindet, aber vorher konnte sie noch mitteilen, woran sie arbeitete. Eigentlich recherchierte sie über uneheliche Kinder, doch etwas anderes war herausgekommen: Ein geplantes Attentat im Basketballmilieu. Ein heißes Eisen! Das Verschwinden der Reporterin ruft das FBI auf den Plan. Jesse Trevellian, eigentlich schon im Urlaub, wird von einer alten Freundin um Hilfe gebeten und nimmt sich der Sache an.

    Copyright

    Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker.

    © by Author

    © dieser Ausgabe 2017 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

    Alle Rechte vorbehalten.

    www.AlfredBekker.de

    postmaster@alfredbekker.de

    1

    Caren Snyder trat auf die Straße, es war längst dunkel. Sie bereute, den Termin so spät angesetzt zu haben. Aber hatte sie ahnen können, dass dieser Freak sie stundenlang in Beschlag nehmen würde?

    Kein Licht brannte hinter den Fenstern im Haus gegenüber. Unbewohnt wahrscheinlich. Merkwürdig – als sie am Nachmittag hier aus dem Taxi gestiegen war, hatte sie die zerbrochenen Scheiben nicht bemerkt.

    Sie fischte ihr Handy aus der Felljacke und lief los. Richtung Atlantic Avenue, weg von dem Haus, so schnell wie möglich auf eine belebte Straße. Über ihr im zweiten Stock hing jemand in einem dunklen Fenster. Sie spürte die Blicke auf ihrem Scheitel.

    Sie lief an einem alten Chevy vorbei – sieben, acht Kids drängten sich in der Kiste. Caren sah Bierdosen in ihren Fäusten, hörte den hämmernden Bass aus dem Wageninneren.

    Scheußliche Gegend! Weg hier! Ein Taxi muss her!

    Sie sah hinter sich – flüchtig, nur nicht auffallen – Caren hätte schwören können, dass jemand sie verfolgte, aber da war keiner.

    Sieben Anrufe in Abwesenheit – verriet das Display ihres Handys. Jesus, hatte der Kerl sie voll gequatscht! Und was er gesagt hatte, war verrückt, war absolut verrückt …

    Caren schwankte innerlich: Ihr Ehrgeiz verlangte eine brandaktuelle Story, ihr Pflichtbewusstsein einen Anruf bei der Polizei.

    Aber zunächst musste ein Taxi her, keinen Augenblick länger wollte sie in dieser heruntergekommenen Gegend bleiben. Akku leer, behauptete das Display. Caren blieb vor Schreck stehen. „Shit!"

    Das passte ja! Weiter, ein bisschen schneller – selbst in Bedford-Stuyvesant musste es ja wohl eine funktionierende Telefonzelle geben.

    Caren bewegte sich jetzt im Laufschritt der Atlantic Avenue entgegen. Je länger sie unterwegs war, desto ausdauernder kreisten ihre Gedanken um den Freak und um das, was er gesagt hatte.

    Und wenn er nun doch kein Wahnsinniger war? Wenn sein blutrünstiges Gequatsche doch ernst gemeint war?

    „Er ist verrückt ... Caren sprach mit sich selbst. Die ganze Sache wühlte sie auf. „... du bist unprofessionell!, schalt sie sich.

    Okay, er ist verrückt!

    In ihr arbeitete es. Sie dachte an seine Stimme, sie dachte an sein Gesicht. Hörte man nicht täglich von Verrückten, die ihre irrsinnigen Vorstellungen in die Tat umsetzten?

    Bei dem Gedanken wurde ihr übel. Ihr Konflikt zwischen persönlichem Ehrgeiz und staatsbürgerlichen Pflichten, ja sogar ihre Sehnsucht nach einem Taxi verblasste angesichts der Drohung dieses Wahnsinnigen.

    Sie überquerte eine Seitenstraße. Da – eine Telefonzelle! Keine zwanzig Schritte entfernt.

    Caren bog in die Seitenstraße ein, kramte ihre Brieftasche aus der Aktenmappe und suchte nach ihrer Kreditkarte.

    Der Hass macht ihn wahnsinnig, dachte sie, der Hass …

    Endlich die Telefonzelle, Caren nahm den Hörer ab. Ein Münztelefon – Mist!

    Sie durchwühlte die Taschen ihrer Hose und ihrer Pelzjacke nach Münzen. Einen Quarter fand sie, und zwei Dimes. Das reichte.

    Sie schob den Quarter in den Münzschlitz und vorsichtshalber auch noch die beiden Zehn-Cent-Stücke. Wenn ihre Chefin am Apparat war, konnte es länger als nur fünf Minuten dauern.

    Das Taxi hatte sie auf Rang zwei ihrer inneren Prioritätenliste geschoben. Erst einmal diesen ganzen Dreck loswerden, sollte doch ihre Chefin entscheiden, ob sie erst eine Story draus machte, und dann die Cops alarmierte, oder umgekehrt.

    Caren wählte also die Nummer ihrer Redaktion.

    Genauso gut hätte sie die Taxizentrale anrufen können, oder das Polizeirevier von Bedford-Stuyvesant – beides hätte ihr ebenso wenig genützt, wie der Anruf in der Redaktion.

    Als der Anrufbeantworter die Stimme ihrer Chefin abspulte, sah sie einen braunen VW-Bus vor die Einmündung der Seitenstraße rollen und halten.

    Es war nur ein VW-Bus, weiter nichts, eine alte Schüssel, wie man sie häufig in bestimmten Stadtteilen sah. Doch Caren fror bei seinem Anblick, obwohl es erst Anfang September war und sie eine warme Felljacke über Lederhosen trug. Ja, sie fror, und die kalten Schauer hörten nicht mehr auf ihr über Nacken und Schultern zu rieseln.

    Endlich verstummte die Frauenstimme, und der Piepton ertönte. Der VW-Bus bog in die Seitenstraße ein und beschleunigte. Er fährt vorbei, dachte Caren, mach dir nicht ins Hemd, selbstverständlich fährt er vorbei …

    „Caren hier, ich komme gerade von einem Interview! Mit einem der Typen, die ich erwähnt habe! Ein Verrückter, ehrlich wahr, ein richtiger Freak! Stell dir vor, was der Typ behauptet: Am dreizehnten September will er ..." Sie hörte Bremsen schreien, und fuhr herum.

    Der VW-Bus stand nur zwei Schritte entfernt am Straßenrand. Zwei Schatten sah Caren hinter der Seitenscheibe der Fahrerseite. Beide Türen wurden gleichzeitig aufgestoßen, der Anblick des Fahrers raubte Caren die Sprache: Es war dieser wahnsinnige Freak.

    Mit einem Knüppel oder was holte er aus. Caren holte Atem, um schreien zu können. Doch der Schlag traf sie so heftig an der Schläfe, dass sie das Bewusstsein verlor, und ihr nur noch ein Seufzer entfuhr.

    2

    Es war am einem Mittwoch im Spätsommer.

    Ein Mausklick, und der Drucker sprang an. „Das war’s. Ich lehnte mich in meinem Bürosessel zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf. „Mein letzter Akt. Der Drucker sprang an.

    „Ich weiß gar nicht, wie du das aushalten willst – vier Wochen!" Milo saß mir gegenüber an seinem Schreibtisch. Er tippte noch fleißig: Ermittlungsberichte, Verhörprotokolle und so weiter. Der übliche Schreibkram eben für die Staatsanwaltschaft und das Hauptquartier, wenn wir einen Fall abgeschlossen hatten.

    „Vier Wochen ohne die Federal Plaza, vier Wochen ohne Mandys Kaffee, vier Wochen ohne Stress ..."

    „Vergiss mein Auto nicht: Vier Wochen ohne meinen Sportwagen." Ein Blatt nach dem anderen spuckte der Drucker aus.

    „... vier Wochen ohne Zeitung und Pizza, vier Wochen ohne eine vernünftige Kneipe, vier Wochen ohne mich ..."

    „Mit heißem Herzen werde ich dich vermissen, ich schwöre es. Und Kneipen gibt’s in Kanada auch."

    „... vier Wochen als Privatmann mit einem Dutzend anderen Privatleuten im Wald. Und im Wald gibt’s garantiert keine Kneipen. Da gibt’s nur Bären, Elche, Seen und reißende Flüsse. Milo schüttelte sich. „Das hältst du doch gar nicht aus, gib’s endlich zu.

    Mein Partner schien seinen Text auswendig gelernt zu haben. Nicht ein einziges Mal sah er auf, während er versuchte mir den bevorstehenden Urlaub madig zu machen.

    „Du bist ja nur neidisch."

    Der Drucker stellte seine Arbeit ein. Mein Teil des Ermittlungsberichts und das Anschreiben an die Staatsanwalt lagen im Ausgabeschacht. Ich zog die Papiere heraus, setzte meine Unterschrift darunter und legte sie in einer Klarsichthülle in den Postausgangskorb.

    „Neidisch? Blödsinn. Besorgt!" Jetzt lehnte sich auch mein Partner zurück, der Drucker sprang erneut an und druckte Milos Tagesproduktion.

    „Ich kenne dich, Partner, und deswegen mache ich mir Sorgen. Er grinste. „Du könntest mich ein bisschen beruhigen, indem du mir heute zum Abschied ein Bier ausgibst.

    „Na gut."

    Noch ein Mausklick, das Programm schloss sich, und ein letzter: Der Computer fuhr herunter. „Vier Wochen rühre ich jetzt keine Tastatur mehr an."

    Ich stand auf und ging zur Tür. Dort hatte ich mir schon zwei Monate zuvor ein Poster aufgehängt. Als Urlaubsverheißung sozusagen. Auf dem Bild stieg ein schwarz-weiß gescheckter Wal aus dem dunkelblauen Meer und zog eine Fontäne von Gischt und Wasser hinter sich her.

    „Ich werd’ meinen Orca von dir grüßen", sagte ich.

    „Von mir aus kannst du ihm auch einen Kuss von mir geben. Milo schaltete den PC aus und zog sein Jackett von der Sessellehne. „Aber lass dich fotografieren dabei.

    Es zog mich nach Kanada, in die Wälder und an die Küste Nordkanadas, um genau zu sein. Eigentlich seit zwei oder drei Jahren schon.

    Ich hatte eine Sehnsucht nach unberührter Natur, die mir selbst unerklärlich war. Wälder und Seen wollte ich sehen, Bären und Elche beobachten, Lachse fangen und in der Hudson Bay den Orca mit eigenen Augen sehen, den sogenannten Mörderwal.

    Auf der letzten Silvesterfeier im North Star Pub hatten wir einen kanadischen Indianer kennen gelernt, einen ehemaligen Holzfäller und Ranger aus der Gegend von Thompson, Manitoba. Der Mann organisierte seit einigen Jahren Privattrecks zwischen dem Winnipegsee und den Northwest-Territories; Trecks in relativ kleinen Gruppen. Genau die Art von Urlaub, von der ich geträumt hatte.

    Einen Tag brauchte ich noch, um ein paar Angelegenheiten in New York City zu erledigen, einen Tag Puffer zusätzlich, und dann, am Samstag, würde es losgehen. Ich hatte einen Pan Am-Flug nach Thompson, Kanada vom La Guardia Airport aus gebucht.

    Ich schnappte mir meine Jacke, warf noch einen letzten Blick auf meinen Schreibtisch. Milo schloss das Büro ab. „North Star Pub?"

    „Ich hab Hunger, lass uns lieber ins Mezzogiorno gehen." Das Mezzogiorno in der Grand Street war unsere Pizzeria Nummer eins.

    Während wir auf einen der Aufzüge warteten, vibrierte das Handy in meiner Hemdtasche. „Trevellian?"

    „McCain, sagte eine raue Frauenstimme. Ich glaubte erst einmal, mich verhört zu haben. „Hey, Jesse! Hat es dir die Sprache verschlagen, oder wie?

    „Linda? Du ...?"

    Es war lange her, dass ich mit Linda McCain gesprochen hatte. Ein Jahr? Anderthalb Jahre? Und damals hatte sie nicht so geklungen, als würde sie sich je wieder melden.

    Linda und ich waren über viele Monate ein Liebespaar gewesen.

    „Ich muss mit dir reden, Jesse, sagte sie. „Dienstlich, nicht privat.

    Ich war nicht sicher, ob ich das bedauern oder begrüßen sollte. Linda war es gewesen, die unsere Beziehung beendet hatte. Nie werde ich einen der letzten Sätze vergessen, den sie mir zum Abschied sagte: „Dein Job und ich, wir passen nicht zusammen.‟

    „Ich dachte, du wärst längst an der Westküste oder in Florida?" Die Aufzugtür schob sich auseinander. Wir traten ein, Milo drückte auf den untersten Knopf.

    „Falsch, Jesse. Ich bin in der Stadt geblieben, war die ganze Zeit hier. Wenn du meine Zeitung auch nur ein einziges Mal aufgeschlagen hättest, wüsstest du das."

    Linda war damals Chefredakteurin eines Frauenmagazins gewesen. Und wie es sich anhörte, war sie es noch immer. „Du hast mich gezwungen, mir alles aus dem Gedächtnis zu reißen, was mich in dich erinnert. Glaubst du im Ernst, dann kaufe ich mir ein Magazin, wo mich gleich auf Seite zwei dein Bild anlacht?"

    „Schon okay, G-man. Ich brauch dich, als Bulle, wie gesagt. Kannst du in meine Redaktion kommen?"

    „Ich bin nur noch drei Tage in Manhattan, danach ist Urlaub angesagt."

    „Dann komm schnell, am besten noch heute Abend."

    „Und was liegt an?" Federnd bremste der Aufzug ab.

    „Ich vermisse eine meiner freien Mitarbeiterinnen."

    „Seit wann?" Wir traten aus dem Aufzug in die Tiefgarage. Unsere Schritte hallten an den Betonwänden wider.

    „Seit drei Tagen."

    „Das ist nicht lange. Es gibt viele Leute, die sich ein paar Tage absetzen, um Ruhe zu haben."

    „Ich glaube an ein Verbrechen, Jesse. Sie war an einer Loch-im-Kopf-Story; außerdem hat sie mir eine merkwürdige Nachricht auf Band gesprochen."

    „Loch im Kopf ...?" Milo lehnte schon gegen meinen Sportwagen.

    „Gefährliche Recherchen, noch nie gehört? Komm heute Abend, bitte. Ich will dir das Band vorspielen."

    „Heute Abend ... Ich sah auf meine Armbanduhr, es war kurz vor sieben. Mit einer knappen Geste bedeutete mir Milo, dass ich ihm ein Bier versprochen hatte. „Wie lange bist du in der Redaktion?

    „Bis gegen zehn."

    „Okay. Ich komme zwischen neun und zehn."

    Ich steckte das Handy weg und öffnete die Zentralverriegelung. „So, so, grinste Milo. „Linda McCain also. Hat sie Sehnsucht nach dir?

    „Kann ich nicht beurteilen. Der Motor meines Sportwagens sprang an, sein sattes Brummen erfüllte die Tiefgarage. „Sie glaubt, eine ihrer Reporterinnen sei Opfer eines Verbrechens geworden.

    „Vergiss es, Jesse. Milo winkte ab. „Soll sie sich doch an die Cops wenden. Geh lieber nicht zu ihr, am Ende musst du noch deinen Urlaub stornieren; ich kenn’ dich doch, Partner.

    3

    „Caren!"

    Er hielt ihr Kinn fest und drehte ihren Kopf nach links und nach rechts. „Caren! Wie ein Gebet murmelte er ihren Namen, wie eine magische Formel, wie das Schlüsselwort eines Codes. „Caren!

    Es war das erste Mal, dass sie ihn sah, seit er sie an der Telefonzelle niedergeschlagen hatte. Wenigstens redete er mit ihr. Der andere war stumm geblieben, hatte nur Wasser und Sandwiches hingestellt; und ihr wehgetan. So weh …

    „Schade, Caren, wie schade ..."

    Neben Carens Matratze brannte eine Petroleumlampe. In ihrem schummrigen Licht hatte die Haut des jungen Burschen die Farbe von Milch, in die man einen Schuss Kaffee gegossen hatte.

    Seine Augen schienen ihr die Augen eines alten Mannes zu sein. Das matte Licht der Petroleumlampe spiegelte sich in ihnen, und sie schimmerten ein bisschen wie die Murmeln, mit denen Caren als kleines Kind gespielt – blau und grün.

    Merkwürdig, dass ihr die Murmeln plötzlich einfielen. Aber was war ihr nicht alles durch den Kopf gegangen in den zurückliegenden Horrortagen.

    „Schade, Caren, schade um dich ..."

    Ihr Unterkiefer zitterte; obwohl er ihn festhielt. Die Tränen strömten ihr ununterbrochen über die Wangen. Schon seit er vor wenigen Minuten ihren Kerker betreten hatte – Bilder aller möglichen Bestialitäten, die er gleich mit ihr anstellen würde, überschwemmten ihr Hirn.

    „Warum wolltest du mich verraten, Caren?" Er hatte eine weite Hose an, grau, verwaschen und vom Bund bis zum Aufschlag voller Taschen. Unter seiner schwarzen Jeansjacke trug er ein rotes Muskelshirt. Die Jeansjacke hatte einen Kragen aus Leder. Über der rechten Brusttasche sah Caren einen Aufnäher, einen gelben Totenkopf, über der linken ein Namensschild, wie man es von der Army kannte.

    „Ich wollte dich nicht verraten, flüsterte sie. „Ganz bestimmt nicht.

    Der halbdunkle Raum roch nach Schweiß, Schimmel, Urin und Hamburgern. Der Freak hatte eine Tüte mitgebracht. Sie lag jetzt neben dem aufgeschnittenen Ölkanister, den sie ihr für ihre Notdurft neben die Matratze gestellt hatten. Zwischen seinen Knien klemmte eine Flasche Cola. Hunger und Durst quälten Caren.

    „O doch, Caren, das hast du. Seine Stimme klang sanft und tief, fast als würde er summen; oder die Toten beschwören. „Ich weiß, dass du es getan hast. Sein Kraushaar war blond, fast gelb. Gefärbt, vermutete Caren.

    „Nein, nein ... ich, ich wollte ein Taxi rufen, ein Taxi, ehrlich ..."

    Er packte ihren Nacken, riss sie zu sich hinauf und rammte seine Stirn an ihre. Sie stieß einen unterdrückten Schrei aus; nicht so sehr wegen der Schmerzen – in den letzten drei Tagen hatte sie viel Schlimmeres ertragen müssen – sondern weil sie erschrak.

    Alles erschreckte sie, seit sie in diesem Kerker ausharren musste: Eine Maus im Abfall, der den Boden des kleinen Raumes bedeckte; das Summen einer Schmeißfliege.

    Selbst ein Knacken in den Wänden und den vernagelten Fenster brachte sie nach diesen schrecklichen Tagen schon zum Zittern und Weinen; so ruiniert waren ihre Nerven bereits.

    „Warum lügst du?!, fuhr er sie an. „Lügen ist böse! Du wolltest kein Taxi rufen, du hast deine Zeitung angerufen! Er zischte böse.

    Ungläubig starrte sie ihn an.

    „O ja, Caren, ich weiß Bescheid. Übergangslos wechselte er wieder in sanften, beschwörenden Tonfall. „Ich habe einfach die Wiederholungstaste gedrückt. Und wer meldete sich? Der Anrufbeantworter deiner Fuck-Zeitung!

    Er nahm ihr Gesicht zwischen beide Hände und schob es ein Stück von sich weg. Als wollte er ihre Gedanken lesen, bohrte sich sein stechender Blick in ihre Augen.

    Es war nicht schwer, Carens Gedanken zu lesen, sie dachte nicht mehr viel, und was sie dachte, hatte sich tief in ihr sonst so liebliches Gesicht eingegraben: Angst, Angst, Angst!

    „Du musst sterben, Caren, das weißt du doch, oder?"

    Sie starrte ihn an, ihr Unterkiefer zitterte wieder. Besser sterben, als noch einmal dem anderen in die Hände fallen.

    „Ich ... ehrlich, ich konnte nichts verraten ... weil ..., ehe ich sprechen konnte, wart ihr da ..."

    Er wischte ihr die Tränen von der Wange. „Allein der Versuch war böse, Caren. Er ließ sie los, Caren sank auf die Matratze. „Iss, trink. Er löste ihre Handschellen, öffnete die Cola-Flasche, und schob die Tüte neben sie.

    Wie eine ausgehungerte Katze machte Caren sich über die Cola und die Hamburger her. Und genau so belauerte sie ihn auch, während sie aß und trank.

    Und er? Er hockte im Schneidersitz und beobachtete sie: Neugierig, zufrieden, amüsiert; wie einer, der seine Katze füttert.

    Der Raum war nicht groß, vielleicht zwei auf drei Meter. Eine ehemalige Küche – an einer Wand stand eine alte Spüle, und neben der Tür hing ein Regal an der Wand, in dem ein paar Tassen und Gläser standen.

    Auch einen Stuhl gab es und einen umgekippten, dreibeinigen Tisch. Und Abfall, wie gesagt: Leere Bierdosen, zerbrochene Topfpflanzen, zerknüllte Milchtüten, Stapel alter Zeitungen, Plastiktüten, aus denen es stank, als würde Brot in ihnen verrotten.

    Das einzige Fenster war mit Brettern vernagelt. Manchmal hörte sie Kinderstimmen, sehr weit weg, und manchmal das Geräusch eines auf Beton aufschlagenden Balles.

    Caren nahm an, dass man sie im obersten Stockwerk einer Miethausruine gefangen hielt. Wahrscheinlich das verlassene Haus, das ihr vor drei Tagen nach dem Interview aufgefallen war.

    Dieses Interview, dieses verdammte Interview ... Manchmal, wenn sie im Halbdunkeln auf der Matratze lag und betete oder weinte, beschlich sie die Ahnung, ein Dämon könnte sie zu dieser Reportage veranlasst haben.

    Caren konnte nicht weglaufen, weil ihre Handschellen mit einer Kette an einer Wasserleitung befestigt waren. Sie konnte nicht schreien, wenn sie die fernen Kinderstimmen hörte: Ein Knebel verschloss ihr den Mund.

    Und sie wagte nicht zu schreien: Über ihrer Matratze an der Wand hing ein Babyphon. Die Kerle überwachten sie rund um die Uhr, davon war sie überzeugt.

    Am ersten Tag ihrer Gefangenschaft, als sie zu sich gekommen war, hatte sie die Wand vor lauter Panik mit den Füßen traktiert und gestöhnt. Keine fünf Minuten vergingen, und dann stand er in der Tür, der andere …

    Der Gedanke an ihn, und an das, was er ihr angetan hatte, verschloss ihr den Magen. Sie würgte, warf sich bäuchlings auf die Matratze und übergab sich.

    Der junge Bursche mit dem gelben Haar sprang auf, machte ein besorgtes Gesicht, kniete neben ihrem Kopf. „Schmeckt es dir nicht, Caren?"

    „Doch. Sie hustete und spuckte in ihr Erbrochenes. „Es ist nur ... mir – mir ist so schlecht ...

    Mit einer Mischung aus Fürsorge und Neugier betrachtete er sie: Ihren großen, schlanken Körper, ihr feuchtes Gesicht, ihr von Speichel, Tränen und Blut verklebtes, langes Blondhaar. Ihre Augen waren blau, und ihre Nase klein und rund; sie hatte breite, volle Lippen.

    Caren erzitterte unter seinem Blick. Sie glaubte zu wissen, was er dachte, aber sie täuschte sich. „Trink Cola, sagte er. „Das ist gut für den Magen. Er reichte ihr die Flasche. „Du hast so große Ähnlichkeit mit meiner Mum. Wie alt bist du?"

    „Neunundzwanzig."

    Er verdrehte die Augen, runzelte die Stirn, und schnitt eine Miene, als würde er angestrengt nachdenken. „Hey, sagte er dann. „Du könntest meine große Schwester sein.

    Caren gab sich alle Mühe, sein Lächeln wenigstens andeutungsweise zu erwidern. Langsam, ganz langsam wagte sie, ihrer Intuition zu glauben: Dieser hier war nicht so wie der andere.

    „Vielleicht werde ich dich doch nicht töten, sagte er leise. „Wenn du mich verraten hast und mein Plan daneben geht, muss ich das natürlich tun, das verstehst du doch. Wenn aber alles so klappt, wie ich es dir erklärt habe, dann lass ich dich leben.

    4

    Der Vollmond stand über der Bucht. Wind trieb graue Wolkenfetzen an ihm vorbei. Manche schwebten auch durch seine große, milchige Scheibe; wie Rauch in einer großen, erleuchteten Kugel sahen sie dann aus.

    Nigel Cellery sah es nicht, obwohl die Jalousien der Glasfront zur Terrasse noch nicht herabgelassen waren. Auch das Rauschen der Brandung an der knapp eine halbe Meile entfernten Küste hörte er nicht. Dabei stand die Terrassentür weit offen, und der Wind wehte aus dem Osten, also vom Meer her.

    Nigel Cellery hing in seiner schwarzen Ledercouch und verfolgte mit leuchtenden Augen ein Basketballspiel.

    Er trug einen weißen Morgenmantel aus Seide. Auf dessen linker Seite prangte ein stilisierter Basketball, rot, ausgefüllt von einem großen M, auf dessen linkem Balken ein weißer, breitkrempiger Hut hing: Das Emblem der letzten Mannschaft, für die er gespielt hatte.

    Ihr Name stand in Balkenbuchstaben auf dem Rücken des Morgenmantels: Dallas Mavericks.

    Nigel selbst war nicht ganz so schwarz wie seine Couch; aber so lang, dass seine schwarzen Unterschenkel fast die gesamte Breite des niedrigen Glastisches ausfüllten, auf den er seine Beine gelegt hatte.

    Über die Mattscheibe flimmerte ein Spiel der im vergangenen April abgelaufenen Saison: Die Dallas Mavericks gegen die New York Knicks. Es stand gerade 70 zu 65.

    Nigel wusste, dass die Mavericks gewinnen würden; selbst das exakte Ergebnis kannte er: 101:89. Es war das achte oder neunte Mal, dass er sich das Spiel ansah.

    Er zeichnete sämtliche Spiele der NBA mit dem Videorekorder auf. Und in der saisonfreien Zeit, also zwischen Anfang Mai und Ende September, sah er sie sich an, wieder und wieder.

    Er hatte sich damit abgefunden, nicht mehr persönlich in eines der amerikanischen Stadien reisen zu können, in denen er seine besten Jahre verbracht hatte.

    Seit fünfzehn Jahren lebte Nigel Cellery hier an der Südküste von New Brunswick in einem westlichen Vorort von Saint John. Zusammen mit seiner kanadischen Freundin. Bis zur Grenze der Vereinigten Staaten waren es nicht einmal fünfzig Meilen, aber Nigel fuhr so gut wie nie nach Maine hinüber.

    Zu gefährlich.

    Zwar hatte er sich zusammen mit der kanadischen Staatsbürgerschaft auch einen neuen Namen zugelegt, aber sein Gesicht mochte vielen Amerikanern noch aus seinen glorreichen Zeiten bekannt sein. Wenn einer der Grenzbeamten ihn identifizierte, würde Nigel Cellery unweigerlich ins Gefängnis wandern.

    Es gab ein paar Leute jenseits der Grenze, denen er eine Menge Geld schuldete.

    Scheinwerferkegel glitten über das mannshohe Schilfgras im Garten, über das Sprungbrett des Pools und die Hollywoodschaukel. Nigel nahm es nur flüchtig wahr. Die Autoscheinwerfer beunruhigten ihn nicht – es war zwar einsam hier draußen, aber ein paar Nachbarn hatte er doch. Und der Chefarzt, dessen Haus etwa zweihundert Meter von seinem entfernt lag, kam häufig erst zur späten Abendzeit aus der Klinik nach Hause.

    „Sehr gut! Nigel klatschte in die Hände. „Endlich mal ein sauberer Jump hook!

    Die Mavericks hatten gepunktet, durch ihren deutschen Flügelmann. Der über zwei Meter große Junge spielte seit drei Jahren bei Nigels ehemaligem Verein, ein schneller Bursche mit reichem Entwicklungspotential.

    Ihn beobachtete Nigel mit besonderem Interesse. Seiner Meinung nach müsste er noch an seinen Passfähigkeiten und seiner Wurftechnik arbeiten. Nigel wüsste schon, was er ihm sagen würde, wenn er sein Trainer wäre.

    War er aber nicht. Nigel war überhaupt niemandes Trainer. Dabei hätte ein Altstar wie er gute Chancen in diesem Geschäft.

    Die Saint John University zum Beispiel würde ihn mit Kusshand als Trainer ihrer Basketballmannschaft engagieren. Dazu müsste er allerdings seine Identität lüften; und regelmäßig zu Turnieren in die Staaten reisen. Und dort waren ein paar Klagen gegen ihn anhängig, wie gesagt.

    Außerdem war Nigel Cellery auf keinen Job angewiesen. Geld gehörte für ihn zu den Dingen, an die er sein ganzes Leben lang nicht mehr denken musste.

    Wenn ihn von Zeit zu Zeit die Lust auf Ball und Korb übermannte, fuhr er einfach nach Saint John hinein. In eines der Viertel, wo die ärmeren Leute wohnten. Dort – in Hinterhöfen, auf Sportplätzen – fanden sich immer ein paar Kids, die unter einem Korb mit einem Ball herumtobten.

    Die Werfer der Mavericks überrannten schon wieder die Abwehr der New York Knicks. Dem großen Jungen aus Germany gelang ein Millimeterpass vom rechten auf den linken Flügel, genau in die Hände seines Spielmachers, Clive Nash. Der legte zwei Riesenschritte hin, hob ab und Zack! Schon rotierte der Ball im Korb.

    „Prächtig! Nigel schnalzte mit der Zunge. „So muss das laufen!

    Draußen im Garten raschelte es im Gebüsch, ein Ast brach. Nigel griff zur Fernbedienung und drückte auf Pause. Das Standbild flimmerte über die Mattscheibe: Eine Pyramide aus schwarzen und weißen Männern und einem Basketballkorb.

    Nigel starrte durch die offene Terrassentür in den Garten hinaus.

    Etwas flog durch sein Blickfeld und klatschte in den Pool, etwas Großes, Orangefarbenes. Die Bewegungsmelder links und recht der Terrasse flammten auf, und Wasser spritzte über den Beckenrand.

    Blitzartig fuhr Nigel hoch. Sekundenlang stand er stocksteif. Die schwarze Stirn in hundert Falten gelegt, die Augen zu schmalen Schlitzen verengt lauschte er.

    5

    Der abendliche West Broadway war ein Strom aus Lichtern. Ich fuhr nach Greenwich hinein bis hinauf zum Washington Square Park. Die Straßentische vor dem „Blue Prince‟ waren alle besetzt.

    In diesem Bistro am Washington Square East hatten wir unser erstes Rendezvous gehabt, Linda und ich.

    Wehmütige Erinnerungen beschlichen mich.

    Kurze Zeit später parkte ich vor dem Bürohochhaus, in dem der Redaktionssitz der „Female‟ lag – so hieß Lindas Frauenmagazin. Ein lauer Wind fegte durch die Straßen. Ostwind – ein Vorbote schlechteren Wetters. Der Wetterbericht hatte ein Tief angekündigt, das die Ostküste vom Atlantik her heimsuchen würde.

    Die Aussicht auf drei verregnete erste Urlaubstage gefiel mir nicht. Nun gut – der September in den nordkanadischen Wäldern sollte angeblich mit schönem Wetter gesegnet sein; in der Regel. Ich war optimistisch.

    Mit dem Aufzug fuhr ich in den fünfzehnten Stock hinauf. Die Lifttür schob sich auseinander, es roch nach Zigarettenrauch und Kaffee. Vertrauter Duft – ich kam mir vor wie einer, der nach langer Zeit mal wieder zu Hause vorbeischaut.

    Und ein vertrautes Geräusch hörte ich: Eine klappernde Tastatur, eine einzige. Linda schien wie immer die letzte zu sein, die hier oben noch die Stellung hielt.

    Chefredakteurin, stand auf einem Schild neben ihrer Tür; und: Mrs. Linda McCain. Die Tür war angelehnt, ich klopfte.

    „Komm rein, Jesse."

    Ich konnte nichts dafür, aber mein Herz schlug schneller, als ich die Tür aufdrückte. Linda saß hinter einem Monitor. Ihr schönes, schmales Gesicht blickte mir neugierig entgegen. Noch immer die blonde Löwenmähne, noch immer die bernsteinfarbenen Augen. Und noch immer rauchte sie.

    „Setz dich. Sie nahm die Zigarette aus dem Mund. „Kaffee?

    Ich nickte und nahm auf einem Stuhl neben ihrem Schreibtisch Platz. Wie oft hatte ich auf diesem Stuhl gesessen! „Viel verändert hat sich nicht hier."

    „Sieht nicht so aus, was? Sie drehte ihren Sessel um, langte einen Porzellanbecher aus dem Regal hinter sich und schenkte mir Kaffee ein. „Manche Veränderungen sieht man nicht sofort.

    „Wie geht es dir?"

    Sie zuckte mit dem Schultern. „Danke. Nicht schlecht eigentlich. Und selbst?"

    Eine der Fragen, über die ich so gut wie nie nachdenke. „Gut, danke."

    Linda speicherte ihre Dateien und schaltete den Computer aus. Das Gespräch ging stockend hin und her. Für einen Smalltalk kannten wir uns zu gut, und zu persönlich wollte ich nicht werden – aus Furcht, alte Wunden aufzureißen. Ich vermutete, dass es ihr genauso ging.

    Zwischen Aschenbecher und Tastatur lag eine Schachtel Benson & Hedges. Sie bot mir eine an, und ich griff zu. „Hat dein Verleger noch immer nicht das Rauchen am Arbeitsplatz verboten?"

    „Der will gute Texte und ein Magazin, das sich verkauft. Linda gab mir Feuer. „Außerdem raucht er selbst.

    Eine Zeitlang rauchten wir schweigend. Sie musterte mich, als suchte sie vertraute Spuren in meinem Gesicht. „Du siehst gut aus, G-man; immer noch der alte."

    „Schon möglich. Manche Veränderung sieht man nicht sofort. Ich rang mir ein Grinsen ab. „Das Leben geht nicht spurlos an einem vorbei. Und eine Frau wie du schon gar nicht.

    Sie lächelte, ein wenig wehmütig fast. „Lass uns lieber zum Punkt kommen. Sie schnippte den Aschenkegel in den Aschenbecher. „Danke, dass du dir die Zeit genommen hast. Die Frau heißt Caren Snyder, ich mache mir große Sorgen um sie.

    „Was ist das für eine Loch-im-Kopf-Geschichte, an der sie arbeitete?"

    „Eine Reportage im Basketball-Milieu."

    „Das klingt weder gefährlich, noch nach deinem Magazin, wunderte ich mich. „Ich dachte, die Female unterhält seine Leserinnen in erster Linie mit Sex und Lifestyle. Habt ihr das Konzept geändert?

    „Nein. Es ist eine Frauen-Story. Caren wollte über Frauen schreiben, die uneheliche Kinder von Basketballstars haben. Linda zog eine Schublade auf, griff hinein und reichte mir ein Foto. „Das ist auch schon fast alles, was ich weiß. Caren ist eine freie Journalistin, wie gesagt. Häufiger als ein Mal in der Woche war sie nicht in der Redaktion. Das meiste haben wir telefonisch abgeklärt.

    Eine junge Frau, höchstens fünfundzwanzig, lachte mir von dem Foto entgegen. Sie war blond und hatte eine niedliche Stupsnase. „Das ist sie?"

    „Das ist Caren Snyder. Neunundzwanzig Jahre alt. Gute Reporterin, ein bisschen verträumt, und manchmal auch ein bisschen leichtsinnig. Aber sehr gut. Sie wohnt in SoHo."

    „Gut und schön. Ich verstand immer noch nicht ganz. „Jetzt musst du mir noch erklären, was an Frauen, die Kinder mit Basketballern machen, so gefährlich ist.

    „Caren ist bedroht worden. Lindas Brauen wanderten nach oben. „Sie war ein paar Mal im Madison Square Garden. Dort trainieren die New York Knicks hin und wieder für die anstehende Saison. Natürlich hat sie dort ein paar von den Spielern interviewt, die auf ihrer Liste standen.

    „Was für eine Liste?"

    „Sie hat recherchiert – schon seit Monaten – und hat sich ein paar Spieler der NBA ausgeguckt. Stars, auf die die Groupies besonders scharf waren, und von denen Caren wusste, dass sie uneheliche Kinder von Groupies hatten."

    „Basketballmannschaften werden von Groupies begleitet? So wie Rockbands?"

    „Was denkst du, was sich da hinter den Kulissen abspielt. Linda grinste müde. „Hast du nie von Magic Johnson gehört? Der behauptet, mit tausend Frauen geschlafen zu haben. Anfang der Neunziger haben sie Aids bei ihm festgestellt.

    Ich erinnerte mich. „Der diese Aids-Stiftung gegründet hat?"

    „Korrekt. Und jetzt reist er durch die Staaten und warnt seine jungen Kollegen vor allzu wildem Sex."

    „Ups. Das Gefährliche an Caren Snyders Job ist also die Ansteckungsgefahr."

    „Quatsch! Eine Zornesfalte grub sich zwischen Lindas Brauen ein. „Mach keine dummen Witze, Jesse. Die Sache ist ernst. Nachdem Linda ein paar Mal im Madison Square Garden bei den Knicks war, rief ein Mann bei ihr an, mitten in der Nacht. Wenn sie gesund bleiben und in Frieden alt werden wolle, soll sie sich bei Basketballspielern nicht mehr blicken lassen.

    6

    Nigel holte eine Stablampe aus der Küche. Schon von seiner Couch aus leuchtete er durch die Terrassentür in den Garten hinaus. Nichts tat sich dort mehr. Auf seinem großen Flachbildschirm flimmerte noch immer die Spielertraube unter dem Basketballkorb.

    Nigel Cellery war kein Feigling, weiß Gott nicht. Aber seine Villa lag in einer abgelegenen Gegend, wie gesagt. Der nächste Nachbarjunge in dem Alter, in dem man Leuten tote Fische oder Feuerwerkskörper in den Swimmingpool wirft, wohnte fast vierhundert Meter entfernt.

    Schritt für Schritt bewegte Nigel sich auf die Terrassentür zu. Der Lichtkegel seiner Lampe wanderte über die Terrassenstühle, die Hollywoodschaukel, die Beckenränder und

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