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Dynamic Assessment: Prozess und Potential in der Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen
Dynamic Assessment: Prozess und Potential in der Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen
Dynamic Assessment: Prozess und Potential in der Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen
eBook523 Seiten4 Stunden

Dynamic Assessment: Prozess und Potential in der Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen

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Über dieses E-Book

In dieser Publikation wird Dynamic Assessment erstmalig im deutschsprachigen Raum zur Sprachdiagnostik mehrsprachiger Kinder im Kindergartenalter in einer Studie pilotiert. Dynamic Assessment ist eine alternative diagnostische Vorgehensweise im Bereich Kindersprache. Sie hat Potential, die tatsächlichen sprachlichen Kompetenzen bisher schwer zu diagnostizierenden Zielgruppen, wie mehrsprachige Kinder, zu erfassen. Durch ihren Fokus auf die situativen sprachlichen Lernfähigkeiten unterscheidet sie sich mit einem in die Zukunft gerichteten Blick von klassischen Diagnostikansätzen, welche lediglich den Status Quo sprachlicher Leistungen erfassen.

 

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer VS
Erscheinungsdatum10. Juli 2021
ISBN9783658345525
Dynamic Assessment: Prozess und Potential in der Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen

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    Buchvorschau

    Dynamic Assessment - Hanna Ehlert

    Book cover of Dynamic Assessment

    Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language

    Reihe herausgegeben von

    Ulrike M. Lüdtke

    Institute for Special Education, Leibniz University Hannover, Hannover, Deutschland

    Die zunehmende nationale und internationale gesellschaftliche Heterogenität bringt entscheidende Herausforderungen für die Sprachpädagogik, Sprachtherapie und Sprachdidaktik mit sich, die sich in vielfältigen Forschungsfragen zur kommunikativen und sprachlichen Diversität von Personen in der gesamten Lebensspanne widerspiegeln. In der Reihe „Diversität in Kommunikation und Sprache" werden hierzu bereits bestehende theoretische und empirische Zugänge durch innovative und interdisziplinäre Forschungsperspektiven erweitert. Dabei werden beispielsweise Fragestellungen des Erwerbs, der Beeinträchtigung und des Verlustes der Sprach- und Kommunikationskompetenz sowie Aspekte ihrer institutionellen Förderung im Kontext verschiedenster Professionen beleuchtet und durch international vergleichende Studien ergänzt. Mit Arbeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses sowie Studien, Monografien und Sammelbänden etablierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wird die Reihe mit Veröffentlichungen in deutscher und englischer Sprache einen wichtigen und zukunftsweisenden Beitrag zur Weiterentwicklung dieser vielfältigen und spannenden Forschungslandschaft leisten.

    The increasing national and international social heterogeneity creates crucial challenges for speech-language pedagogy, speech-language therapy, and language didactics, which reflect in numerous research questions targeting communicative and linguistic diversity throughout the lifespan. The publication series Diversity in Communication and Language was created to extend existing theoretical and empirical approaches through innovative and interdisciplinary research perspectives. This includes, for example, questions concerning the acquisition, the impairment, and the loss of language and communication skills as well as aspects concerning their institutional support, which will take into account various professions and international comparative research. The series will include works of young researchers as well as studies, monographs and anthologies of established scholars in both, German and English, and will make important and pioneering contributions to the development of this diverse and exciting research environment.

    Weitere Bände in der Reihe http://​www.​springer.​com/​series/​15194

    Hanna Ehlert

    Dynamic Assessment

    Prozess und Potential in der Diagnostik von Sprachentwicklungsstörungen

    1. Aufl. 2021

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    Logo of the publisher

    Hanna Ehlert

    Institut für Sonderpädagogik, Abteilung Sprach-Pädagogik und -Therapie, Leibniz Universität Hannover, Hannover, Deutschland

    Dissertation an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, 2020

    ISSN 2570-1428e-ISSN 2570-1436

    Diversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Language

    ISBN 978-3-658-34551-8e-ISBN 978-3-658-34552-5

    https://doi.org/10.1007/978-3-658-34552-5

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://​dnb.​d-nb.​de abrufbar.

    © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung der Verlage. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

    Planung/Lektorate: Stefanie Eggert

    Springer VS ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

    Geleitwort

    Lange habe ich gesucht, bis ich ein passendes Zitat für die Einleitung zu dieser herausragenden Dissertation meiner Doktorandin Hanna Ehlert gefunden habe. Woran lag das? Vielleicht daran, dass Hanna Ehlert lieber hoch konzentriert im Verborgenen arbeitet, als sich im wissenschaftlichen Rampenlicht zu sonnen. Vielleicht daran, dass sie im zuweilen eitlen Wissenschaftsbetrieb lieber anderen den Vortritt lässt, als sich selbst die Lorbeeren anzuheften. Vielleicht daran, dass sie gerne alles von der Pike auf gründlich selber macht, als sich Daten sammeln und Recherchen durchführen von anderen abnehmen zu lassen. Letztlich bin ich dann bei Wilhelm Heinse (1746–1803) dennoch fündig geworden: „Wissenschaft ist eine Sammlung vieler klarer Begriffe aus vielen lebhaften Erfahrungen über eine Sache."

    Ich denke, dieser Aphorismus lässt sich sehr gut auf Hanna Ehlerts hier vorliegendes Werk übertragen: Ihre Dissertationsschrift mit dem ursprünglichen Titel „Pilotierung eines Dynamic Assessments im Graduated Prompting-Format auf der linguistischen Ebene Morphologie zur sprachtherapeutischen Diagnostik mehrsprachiger Kinder verschiedener Erstsprachen im Alter von 3 bis 7 Jahren ist Wissenschaft pur – fundiert, validiert, Erkenntnis-gewinnend. Ebenso ist sie eine Sammlung vieler klarer Begriffe – hinterfragt, präzisiert, aktualisiert und dennoch in Historie eingebettet, und darüber hinaus Zeugnis eines klaren, prägnanten Schreibstils, in dem kein Wort zu viel oder zu wenig ist. Zentral aber ist, dass die Dissertation eben auch in vielen lebhaften Erfahrungen gründet und nicht am grünen Tisch entstanden ist – und zwar zum einen in denen des dieser Arbeit zugrundeliegenden Projektes „DYNAMiK – Dynamic Assessment bei Mehrsprachigkeit im Kindesalter, zum anderen in den vielfältigen praktischen Vorerfahrungen von Hanna Ehlert in den Arbeitsfeldern ihres Erstberufes als Logopädin. Und last but not least steht für Hanna Ehlert immer die Sache an sich im Vordergrund – hier: die Kinder in ihrem Spracherwerb –, und nicht irgendwelche gefälligen Meinungen, angesagte wissenschaftliche Strömungen, oder gar fachpolitischer Mainstream.

    In diesem Sinne wird in dieser Publikation Dynamic Assessment erstmalig im deutschsprachigen Raum zur Sprachdiagnostik mehrsprachiger Kinder im Kindergartenalter in einer Studie pilotiert – ‚Dynamic Assessment‘ als eine innovative und alternative diagnostische Vorgehensweise im Bereich Kindersprache. Dieser Ansatz hat das Potential, die tatsächlichen sprachlichen Kompetenzen bisher schwer zu diagnostizierender Zielgruppen, wie mehrsprachige Kinder, zu erfassen. Durch ihren Fokus auf den situativen sprachlichen Lernfähigkeiten unterscheidet sie sich mit einem in die Zukunft gerichteten Blick von üblichen Diagnostikansätzen, welche lediglich den Status Quo der Performanz sprachlicher Leistungen erfassen.

    Als Leiterin der Abteilung Sprach-Pädagogik und –Therapie kann ich dieses Buch all denjenigen Kolleg*innen, Logopäd*innen, Sprachtherapeut*innen, pädagogischen Fachkräften und Psycholinguist*innen wärmstens empfehlen, die an national wie international relevanten Erkenntnissen zu dieser innovativen Thematik mitsamt ihrer exemplarischen Umsetzung im Bereich Morphologie interessiert sind.

    Mein außerordentlicher Dank gilt neben dem Team unserer Abteilung insbesondere meinen beiden geschätzten Kolleginnen Prof. Dr. Ulla Beushausen, Hochschule Hildesheim / Holzminden / Göttingen (HAWK), und Prof. Dr. Elke Montanari, Stiftung Universität Hildesheim, die über viele Jahre diese Arbeit begleitet und unterstützt, und ihren summa cum laude Abschluss in unserer ersten Video-Promotionsprüfung im zweiten Lockdown der Corona-Pandemie ermöglicht haben. Dankeschön!

    „Der Irrtum ist viel leichter zu erkennen, als die Wahrheit zu finden; jener liegt auf der Oberfläche, damit lässt sich wohl fertig werden; diese ruht in der Tiefe, danach zu forschen ist nicht jedermanns Sache. Mit diesen Worten Johann Wolfgang von Goethes (1823) möchte ich schließen. Nach der Wahrheit in der Tiefe zu forschen – das ist definitiv Hanna Ehlerts Sache. Und ich freue mich, sie als Postdoc in unserem nächsten spannenden Projekt „TALC – Tool for Analyzing Language and Communication gemeinsam mit unseren Kolleg*innen in Südafrika und am Institut für Informationsverarbeitung/TNT im Leibniz Lab für Relational Communication Research noch ein wenig begleiten zu können. Viel Erfolg!

    Prof. Dr. habil.Ulrike M. Lüdtke

    Mai 2021

    Danksagung

    Ich möchte allen Menschen danken, die mich auf diesem Weg begleitet haben. Meiner Erstprüferin Prof. Dr. habil. Ulrike Lüdtke danke ich für den Freiraum, den sie meiner Arbeit gelassen hat, aber auch für die Schärfung, welche diese in gemeinsamen Gesprächen erhalten hat. Meiner Zweitprüferin Prof. Dr. Elke Montanari danke ich für ihre treffenden Gedanken und ihre konstruktive Kritik.

    Ich danke allen Menschen, die sich mit meiner Arbeit thematisch auseinandergesetzt haben und mir bei ihrer Fertigstellung geholfen haben: Meinen Kolleginnen und Kollegen Dr. Chantal Polzin, Dr. Dana Marks und Dr. Ulrich Stitzinger für wertvolle inhaltliche Hinweise; Thomas Schöttker-Königer für die engagierte Beratung bei der statistischen Auswertung der Ergebnisse meiner Studie; Kerstin Teichmann, Frauke Runge und Franziska Arens für das akribische Korrekturlesen der Arbeit.

    Ich danke denjenigen, die mir bei der Übersetzung der Elterninformationen und Einverständniserklärungen geholfen haben. Weiterhin danke ich allen teilnehmenden Kitas, Kindern und Eltern meiner Studie, ohne welche die Erprobung des Dynamic Assessments nicht möglich gewesen wäre.

    Meiner Familie möchte ich aus tiefstem Herzen danken für die Zeit, die sie mir geschenkt hat. Für ihre seelische Unterstützung in Form von aufbauenden Worten und Spaziergängen, für ihre praktische Unterstützung in Form von Kinderbetreuung und warmen Mahlzeiten.

    Abkürzungsverzeichnis

    ACIL

    Adaptive Computergestützte Intelligenz-Lerntestbatterie

    ADHS

    Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung

    AEP

    Auditory Evoked Potential

    AUC

    Area under the Curve

    BCC

    Boundary Characteristic Curves

    BESOS

    Bilingual English Spanish Oral Language Screener

    BPVS

    British Picture Vocabulary Scales

    CCC

    Category Characteristic Curve

    CDS

    Child Directed Speech

    CLAN

    Computerized Language Analysis

    COST

    European Cooperation in Science and Technology

    CPM

    Coloured Progressive Matrices

    DA

    Dynamic Assessment

    DAPPLE

    Dynamic Assessment of Preschoolers‘ Proficiency in Learning English

    DASS

    Dynamic Assessment of Sentence Structure

    DATMA

    Dynamic Assessment Task of Morphological Analysis

    DAWL

    Dynamic Assessment of Word Learning

    DELV

    Diagnostic Evaluation of Language Variation

    DFG

    Deutsche Forschungsgemeinschaft

    DSPA

    Dynamic Screening of Phonological Awareness

    EMS

    Emotional Motor System

    ESGRAF 4–8

    Grammatiktest für 4- bis 8-jährige Kinder

    ESGRAF-MK

    Evozierte Diagnostik grammatischer Fähigkeiten für mehrsprachige Kinder

    fNIRS

    funktioneller Nahinfrarotspektoskopie

    GPCM

    Generalisized Partical Credit Model

    GRM

    Graded Response Model

    ICF

    International Classification of Functioning, Disability and Health

    ICF-CY

    International Classification of Functioning, Disability and Health – Children and Youth

    IDS

    Infant Directed Speech

    IIF

    Item Information Function

    IMF

    Intrinsic Motive Formation

    IRT

    Item Response Theory

    KTT

    Klassische Testtheorie

    LENA

    Language Environment Analysis

    LI

    Language Impairment

    LiSe-DaZ

    Linguistische Sprachstandserhebung – Deutsch als Zweitsprache

    LPAD

    Learning Propensity Assessment Device

    LR

    Likelihood Ratio

    LTS

    Lerntestbatterie Schulssfolgerndes Denken

    M

    Mittelwert

    MFT

    Mengenfolgen Test

    MLE

    Mediated Learning Experience

    MLO

    Mediated Learning Observation

    PCM

    Partial Credit Model

    PDSS

    Patholinguistische Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen

    PET

    Psycholinguistischer Entwicklungstest

    PLAKKS II

    Psycholinguistische Analyse kindlicher Aussprachestörungen-II

    PPVT

    Peabody Picture Vocabulary Test

    PR

    Prozentrang

    QUILS

    Quick Interactive Language Screener

    ROC

    Receiver Operating Characteristic

    RSM

    Rating Scale Model

    RTI

    Response to Intervention

    SALT

    Systematic Analysis of Language Transcripts

    SCM

    Structural Cognitive Modifiability

    Screemik 2

    Screening der Erstsprachfähigkeit bei Migrantenkindern, 2. Version

    SD

    Standardabweichung

    SES

    Sprachentwicklungsstörung

    SETK 3–5

    Sprachentwicklungstest für drei- bis fünfjährige Kinder

    Skreeniks

    Screening der kindlichen Sprachentwicklung

    (S)LI/SLI

    (Specific) Language Impairment

    SÖS

    Sozioökonomischer Status (engl. SES: Socio Economic Status)

    SRT

    Serial Reaction Task

    (S)SES/SSES

    (Spezifische) Sprachentwicklungsstörung

    TIF

    Test Information Function

    TPB

    Test für phonologische Bewusstheitsfähigkeiten

    WHO

    World Health Organization

    WWT 6–10

    Wortschatz- und Wortfindungstest für 6- bis 10-Jährige

    ZPD

    Zone of Proximal Development (Dt.: Zone der nächsten Entwicklung)

    Inhaltsverzeichnis

    1 Diagnostik:​ Den Einzelnen erkennen?​ 1

    2 Sprachtherapeuti​sche Diagnostik 7

    2.​1 Bezugsdiszipline​n der sprachtherapeuti​schen Diagnostik 8

    2.​1.​1 Medizin 8

    2.​1.​2 Psychologie 9

    2.​1.​3 (Sonder)Pädagogik 10

    2.​1.​4 Linguistik 11

    2.​2 Diagnostische Bezugsnormen in der Kindersprachther​apie 12

    2.​3 Sprachtherapeuti​sche Diagnostik bei kindlicher Mehrsprachigkeit​ 15

    2.​3.​1 Normorientiertes​ Vorgehen 17

    2.​3.​2 Kriteriumsorient​iertes Vorgehen 19

    2.​4 Kritische Reflexion der historischen und aktuellen Praxis sprachtherapeuti​scher Diagnostik 21

    3 Sprachliches Lernen 27

    3.​1 Interaktion von Kind, Bezugspersonen und Kontext im Relationalen Lernzeitraum 28

    3.​1.​1 Das Kind:​ Psychobiologisch​e Prädisposition 30

    3.​1.​2 Die Umwelt:​ Kommunikative Dyade (proximaler Faktor) 37

    3.​1.​3 Die Umwelt:​ Einflüsse auf die kommunikativen Dyaden (distale Faktoren) 41

    3.​2 Interaktion als räumliche und zeitliche Realisation sprachlichen Lernens 47

    3.​3 Sprachliches Lernen aus linguistischer Perspektive 50

    3.​3.​1 Syntax/​Morphologie 51

    3.​3.​2 Semantik/​Lexikon 53

    3.​3.​3 Phonetik/​Phonologie 55

    3.​4 Zusammenfassung und Desiderate 57

    4 Operationalisier​ung sprachlichen Lernens zu diagnostischen Zwecken 63

    4.​1 Priming 64

    4.​2 Learning Tasks 66

    4.​2.​1 Prozedurales oder statistisches Lernen 67

    4.​2.​2 Fast Mapping 69

    4.​2.​3 Linguistisches Bootstrapping 70

    4.​2.​4 Learning Task-Studien bei mehrsprachigen Kindern 71

    4.​3 Zusammenfassung und Diskussion der Studienlage 73

    5 Dynamic Assessment 79

    5.​1 Begriff, Abgrenzung und Praxis 79

    5.​1.​1 Schnittstellen und Abgrenzung zu anderen Konzepten 83

    5.​1.​2 Varianten der Operationalisier​ung in Durchführung und Bewertung 84

    5.​1.​3 Chancen und Herausforderunge​n des Dynamic Assessments 89

    5.​2 Theoretische Basierung 91

    5.​2.​1 Historische Bezüge:​ Lev S.​ Vygotskij und die „Zone der nächsten Entwicklung" 91

    5.​2.​2 Historische Bezüge:​ Reuven Feuerstein und die „Mediated Learning"-Schule 99

    5.​2.​3 Die theoretischen Grundlagen des Dynamic Assessment von L.​S.​ Vygotskij und R.​ Feuerstein im Vergleich 108

    5.​3 Historische Anwendung:​ Beurteilung kognitiver Fähigkeiten 109

    5.​3.​1 Feuersteins „Learning Propensity Assessment Device" (LPAD) 110

    5.​3.​2 Budoffs Arbeiten zum „Learning Potential Assessment" 112

    5.​3.​3 Campiones &​ Browns Arbeiten zu „Zone of proximal development testing procedures" 113

    5.​3.​4 Deutschland:​ Guthkes „Lerntest" Konzept 114

    5.​4 Anwendung zur Beurteilung sprachlicher Fähigkeiten 116

    5.​4.​1 Linguistische Ebene Morphologie 117

    5.​4.​2 Differenzierung mehrsprachiger Kinder 121

    5.​5 Zusammenfassung, Diskussion und Desiderate 131

    5.​6 Hypothesen 141

    6 Methode 143

    6.​1 Stichprobe 143

    6.​1.​1 Kriterien für die Zusammenstellung​ der Stichprobe 144

    6.​1.​2 Zusammensetzung der Stichprobe 146

    6.​2 Verfahren der Studie:​ Referenzstandard​ 148

    6.​3 Verfahren der Studie:​ Indexinstrument 150

    6.​3.​1 Aufgaben des Dynamic Assessments 151

    6.​3.​2 Hilfestellungshi​erarchie des Dynamic Assessments 154

    6.​3.​3 Mediation im Dynamic Assessment 161

    6.​4 Datenerhebung 164

    6.​5 Datenauswertung 166

    6.​5.​1 Maße des Referenzstandard​s 166

    6.​5.​2 Maße des Dynamic Assessments 167

    6.​5.​3 Exkurs:​ Item Response Theory 169

    6.​5.​4 Datenauswertung im Hinblick auf die Hypothesen 172

    7 Ergebnisse 175

    7.​1 Ergebnisse des Referenzstandard​s (deskriptiv) 175

    7.​1.​1 Linguistische Sprachstandserhe​bung für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache (LiSe-DaZ) 177

    7.​1.​2 Mottier Test 179

    7.​1.​3 Anamnestische Daten 180

    7.​1.​4 Coloured Progressive Matrices (Board Form) 181

    7.​1.​5 Dropouts 182

    7.​2 Ergebnisse des Indexinstruments​ (deskriptiv) 182

    7.​3 Testanalyse mittels Item Response Theory und Klassischer Testtheorie 186

    7.​3.​1 Bewertungsüberei​nstimmung:​ Interrater-Reliabilität (KTT) 186

    7.​3.​2 Prüfung der Modellpassung (IRT) 186

    7.​3.​3 Theta als Maß der latenten Variable (IRT) 187

    7.​3.​4 Kategoriewahrsch​einlichkeiten (IRT) 188

    7.​3.​5 Item Discrimination (IRT) 191

    7.​3.​6 Item Difficulty (IRT) 192

    7.​3.​7 Interne Konsistenz (KTT) 194

    7.​4 Hypothese 1:​ Diagnostische Eignung des Dynamic Assessments 196

    7.​4.​1 Gruppenunterschi​ede bei Kindern mit typischer und divergenter Sprachentwicklun​g 196

    7.​4.​2 Einflüsse auf Theta 197

    7.​4.​3 Item und Test Information Function 201

    7.​4.​4 Maße der Klassifikationsf​ähigkeit an T1 202

    7.​5 Hypothese 2:​ Prognostische Validität des Dynamic Assessments 205

    7.​6 Hypothese 3:​ Situatives Lernen im Dynamic Assessment 206

    7.​6.​1 Hilfestufen im Testverlauf 207

    7.​6.​2 Schwierigkeit der Items im Testverlauf 208

    8 Diskussion 209

    8.​1 Hypothese 1:​ Diagnostische Eignung des Dynamic Assessments 209

    8.​2 Hypothese 2:​ Prognostische Validität des Dynamic Assessments 215

    8.​3 Hypothese 3:​ Situatives Lernen im Dynamic Assessment 217

    8.​4 Diskussion des Dynamic Assessment Verfahrens der Studie 220

    8.​5 Reflexion der Limitationen der Studie 226

    9 Diagnostik:​ Den Einzelnen erkennen! 229

    References 239

    Abbildungsverzeichnis

    Abbildung 3.​1 Modell sprachlichen Lernens als „Relationaler Lernzeitraum" 29

    Abbildung 3.​2 Ausschnitt:​ Developmental contextual model of person-context interaction (Lerner, 1991, S.​ 30) 42

    Abbildung 3.​3 An ecobehavioral model of language development (Ford et al.​, 2020, S.​ 248) 43

    Abbildung 3.​4 Spracherwerbskre​is der Mutter-Kind-Dyade im Kontext der Lebenslage (Bansner, 2017, S.​ 57) 44

    Abbildung 3.​5 The Multifaceted Nature of Language Learning and Teaching (Douglas Fir Group, 2016, S.​ 25) 45

    Abbildung 3.​6 Modell sprachlichen Lernens:​ Erschwerte Manifestierung relationaler sprachlicher Lernsituationen als Ursache für eine divergente Sprachentwicklun​g 59

    Abbildung 5.​1 Dynamic Assessment im „Test-Teach-Retest"-Format 85

    Abbildung 5.​2 Dynamic Assessment im Graduated Prompting-Format 86

    Abbildung 5.​3 Das Konzept der „Zone der nächsten Entwicklung" in Bezug zu Vygotskijs Gesamtverständni​s kindlicher Entwicklung 92

    Abbildung 5.​4 2 Modalitäten des Stimuluskontakts​ in Lernsituationen (in Anlehnung an:​ Tzuriel, 2013, S.​ 60) 102

    Abbildung 5.​5 Distal and Proximal Determinants of Differential Cognitive Development (Feuerstein &​ Feuerstein, 1999, S.​ 153) 103

    Abbildung 5.​6 Unterteilung von Verfahren der Lerndiagnostik 133

    Abbildung 6.​1 Komponenten der Entwicklung des Dynamic Assessments der Studie 151

    Abbildung 7.​1 Häufigkeitsverte​ilung der benötigten Hilfestufen im DA (Kinder mit typischer Sprachentwicklun​g) 183

    Abbildung 7.​2 Häufigkeitsverte​ilung der benötigten Hilfestufen im DA (Kinder mit divergenter Sprachentwicklun​g) 184

    Abbildung 7.​3 Häufigkeitsverte​ilung des Modifiability Index-Score bei den teilnehmenden Kindern mit typischer Sprachentwicklun​g 185

    Abbildung 7.​4 Häufigkeitsverte​ilung des Modifiability Index-Score bei den teilnehmenden Kindern mit divergenter Sprachentwicklun​g 185

    Abbildung 7.​5 Box Plot Gruppenvergleich​ der T-Werte des Dynamic Assessments 188

    Abbildung 7.​6 Category Characteristic Curves der Items des Dynamic Assessments mit geordneten Kategorien 189

    Abbildung 7.​7 Category Characteristic Curves der Items des Dynamic Assessments mit ungeordneten Kategorien 190

    Abbildung 7.​8 Category Characteristic Curves der Hilfestufe 0 für alle Items 191

    Abbildung 7.​9 Category Characteristic Curves der Hilfestufe 1 für alle Items 192

    Abbildung 7.​10 Category Characteristic Curves der Hilfestufe 2 für alle Items 193

    Abbildung 7.​11 Category Characteristic Curves der Hilfestufe 3 für alle Items 194

    Abbildung 7.​12 Category Characteristic Curves der Hilfestufe 4 für die relevanten Items 195

    Abbildung 7.​13 Zusammenhang von Theta und Modifiability Index 199

    Abbildung 7.​14 Kausaler Zusammenhang von Theta und Modifiability Index mit dem Referenzstandard​ 200

    Abbildung 7.​15 Test Information Function für das Dynamic Assessment der Studie 202

    Abbildung 7.​16 Item Information Functions der Items des Dynamic Assessment 203

    Abbildung 7.​17 ROC-Analyse mit den verschiedenen Differenzierungs​variablen an T1 205

    Abbildung 7.​18 Box Plots der Häufigkeitsstati​stik der Hilfen pro Item bei den teilnehmenden Kinder mit typischer und divergenter Sprachentwicklun​g 207

    Abbildung 9.​1 Verhältnis von Lernarten und linguistischen Ebenen 233

    Abbildung 9.​2 Relevante Bereiche der sprachtherapeuti​schen Diagnostik und zugeordnete Erhebungsinhalte​ 237

    Tabellenverzeichnis

    Tabelle 2.​1 Einflüsse der Bezugsdiszipline​n auf die Theorie und Praxis der sprachtherapeuti​schen Diagnostik 13

    Tabelle 2.​2 Verfahren zur Feststellung einer divergenten Sprachentwicklun​g bei mehrsprachigen Kindern in der sprachtherapeuti​schen Praxis in Deutschland 16

    Tabelle 3.​1 Angenommene Beispiele für N- und C-Induktionslernen​ in der menschlichen Entwicklung (Chater &​ Christiansen, 2010, S.​ 1139) 48

    Tabelle 4.​1 Learning Task-Studien mit mehrsprachigen Kindern 71

    Tabelle 5.​1 Unterschiede traditioneller und dynamischer Diagnostik (in Anlehung an:​ Gutiérrez-Clellen, 2000; Hasson &​ Joffe, 2007) 81

    Tabelle 5.​2 „Learning Strategies Checklist" (Peña, 2000, S.​ 97) 88

    Tabelle 5.​3 Die drei Hauptparameter der MLE (Feuerstein &​ Feuerstein, 1999, S.​ 17 ff.​; eigene Beispiele) 105

    Tabelle 5.​4 Die neun optionalen Parameter der MLE (Feuerstein &​ Feuerstein, 1999, S.​ 28 ff.​) 106

    Tabelle 5.​5 Dynamic Assessment-Studien für mündliche Sprachfähigkeite​n ein- und mehrsprachiger Kinder im Kita- und Grundschulalter sortiert nach linguistischer Ebene (&​ Erzählfähigkeit) seit 1990 118

    Tabelle 5.​6 Hilfenhierarchie​ zur morphologischen Analyse (Larsen &​ Nippold, 2007, S.​ 204) 121

    Tabelle 5.​7 Überprüfte sprachliche Fähigkeiten in Dynamic Assessment-Studien mit mehrsprachigen Kindern (seit 2000) 122

    Tabelle 6.​1 Alter und Kontaktmonate der Kinder in der Stichprobe aufgeschlüsselt 147

    Tabelle 6.​2 Erstsprachen der Kinder in der Stichprobe 147

    Tabelle 6.​3 Sortierung der Zielverben im Dynamic Assessment nach Frequenz (Wortschatz-Portal der Universität Leipzig, 2005) 153

    Tabelle 6.​4 Hilfestellungshi​erarchie der Studie 156

    Tabelle 6.​5 Intervention strategies in dynamic assessment by axis of intervention (Haywood &​ Lidz, 2007, S.​ 12) 159

    Tabelle 6.​6 Hilfenhierarchie​ in Bain &​ Olswang (1995, S.​ 84) 160

    Tabelle 6.​7 Hilfestellungshi​erarchie von Hasson, Dodd &​ Botting (2012, S.​ 290) 161

    Tabelle 6.​8 Datenerhebung und verwendete Testinstrumente (T1 &​ T2) 164

    Tabelle 6.​9 Weitere Kriterien für das Vorliegen einer divergenten Sprachentwicklun​g 167

    Tabelle 6.​10 Zusammenfassung der Leistungsbewertu​ng im DA-Prozedere 168

    Tabelle 6.​11 Beispielhafte Verhaltensweisen​ der Kinder an den Polen des Modifiability Index-Scores 169

    Tabelle 7.​1 Diagnose einer divergenten Sprachentwicklun​g von Referenzstandard​ (T1) und LiSe-DaZ (T1 &​ T2) im Vergleich 176

    Tabelle 7.​2 Überblick über das durchschnittlich​e Abschneiden der Kinder mit typischer und divergenter Sprachentwicklun​g in den Maßen des Referenzstandard​s an T1 177

    Tabelle 7.​3 Deskriptive Werte der Kinder mit typischer Sprachentwicklun​g in der LiSe-DaZ (T1) (n =​ 29) 177

    Tabelle 7.​4 Deskriptive Werte der Kinder mit typischer Sprachentwicklun​g in der LiSe-DaZ (T2) (n =​ 27) 178

    Tabelle 7.​5 Deskriptive Werte der Kinder mit divergenter Sprachentwicklun​g in der LiSe-DaZ (T1) (n =​ 13) 178

    Tabelle 7.​6 Deskriptive Werte der Kinder mit divergenter Sprachentwicklun​g in der LiSe-DaZ (T2) (n =​ 13) 178

    Tabelle 7.​7 Ergebnisse der Stichprobe im Mottier-Test (Prozentränge an T1) 179

    Tabelle 7.​8 Deskriptive Auswertung der anamnestischen Kriterien des Referenzstandard​s für die Kinder mit typischer Sprachentwicklun​g (n =​ 29) 180

    Tabelle 7.​9 Deskriptive Auswertung der anamnestischen Kriterien des Referenzstandard​s für die Kinder mit divergenter Sprachentwicklun​g (n =​ 13) 180

    Tabelle 7.​10 Ergebnisse der Stichprobe in der CPM (Prozentränge an T1) 181

    Tabelle 7.​11 Deskriptive Statistik des Summenscores des Dynamic Assessments nach Gruppe 182

    Tabelle 7.​12 Ergebnisse des Modellgeltungste​sts 187

    Tabelle 7.​13 Mittelwerte der T-Werte des Dynamic Assessments der teilnehmenden Kinder mit typischer und divergenter Sprachentwicklun​g 187

    Tabelle 7.​14 Verbale Bewertung der Diskrimination nach Baker (2001, S.​ 34) 195

    Tabelle 7.​15 Mittelwerte der Thetawerte des Dynamic Assessments der teilnehmenden Kinder mit typischer und divergenter Sprachentwicklun​g 197

    Tabelle 7.​16 Signifikanzen und Regressionskoeff​izienten der Prädiktorvariabl​en der multiplen linearen Regression mit Theta als abhängige Variable 198

    Tabelle 7.​17 AIC und BIC für eine ein- und zweidimensionale​ Modelllösung der Daten 201

    Tabelle 7.​18 Kennwerte der Klassifikationsf​ähigkeit der DA Maße an T1 204

    Tabelle 7.​19 Ergebnisse der logistischen Regressionen mit dem Ergebnis der LiSe-DaZ an T2 als abhängige Variable 206

    Tabelle 8.​1 Charakterisierun​g der Kinder mit typischer und sprachtherapiebe​dürftiger divergenter Sprachentwicklun​g anhand der Outcomemaße des Dynamic Assessments 219

    © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert durch Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2021

    H. EhlertDynamic AssessmentDiversität in Kommunikation und Sprache / Diversity in Communication and Languagehttps://doi.org/10.1007/978-3-658-34552-5_1

    1. Diagnostik: Den Einzelnen erkennen?

    Hanna Ehlert¹  

    (1)

    Institut für Sonderpädagogik, Abteilung Sprach-Pädagogik und -Therapie, Leibniz Universität Hannover, Hannover, Deutschland

    Hanna Ehlert

    Email: hanna.ehlert@ifs.uni-hannover.de

    Die Diagnostik ist ein Handlungsfeld der Sprachtherapie und Kernelement des Therapie- bzw. Interventionsprozesses. Aus ihr speist sich, unter Hinzunahme weiterer Informationen, wie z. B. der Bedürfnisse der sich in therapeutischer Behandlung befindenden Menschen, die therapeutische Entscheidungsfindung (Beushausen, 2013, S. 40 f.; Pindzola, Plexico, & Haynes, 2016). Diagnostik soll dabei mehrere Funktionen erfüllen:

    Beschreiben: z. B. Sprachliche Performanz auf den einzelnen linguistischen Ebenen

    Erklären: z. B. Hypothesen zur Ätiologie der sprachlichen Auffälligkeiten

    Vorhersagen: z. B. Hypothesen zum Verlauf und zur Dauer der Intervention

    Planen: z. B. Therapieziele, Therapieinhalte, Therapiemethoden

    Evaluieren: z. B. Lernzuwachs durch Therapie, Interventionsoutcome (Pindzola et al., 2016, S. 2 ff.)

    Die ersten beiden Funktionen „Beschreiben und „Erklären beziehen sich auf die Feststellung eines Zustandes, der Unterstützungsbedarf hervorruft. Neben anderen ist dies für die Sprachtherapie im Kindesalter das Vorliegen einer divergenten Sprachentwicklung. Die sprachtherapeutische Diagnostik steht dabei vor dem Dilemma die Kinder testen zu müssen: „[…] in the very input modality in which they are most handicapped (Hasson & Joffe, 2007, S. 11). Eine sprachtherapeutisch relevante divergente Sprachentwicklung kann sich primär in der sprachlichen Performanz äußern oder gemeinsam mit tiefergreifenden Entwicklungsbeeinträchtigungen auftreten (Lüdtke & Stitzinger, 2015). Die Ausführungen in dieser Arbeit beziehen sich ausschließlich auf die Gruppe der Kinder mit einer nach aktuell verbreitetem Gebrauch „Spezifischen Sprachentwicklungsstörung (SSES). Terminologisch wird in der Arbeit jedoch der Begriff „divergente Sprachentwicklung" verwendet, um aktuelle Forschungserkenntnisse zu begleitenden Beeinträchtigungen bei SSES aufzugreifen und gleichzeitig die in der Arbeit angenommene theoretische Basierung sprachlicher Lernprozesse (s. Kapitel 3) zu verdeutlichen (Bishop, Snowling, Thompson, & Greenhalgh, 2016, 2017; Kauschke & Vogt, 2019; Scharff Rethfeldt & Ebbels, 2019). Der Begriff „divergente Sprachentwicklung" umfasst sowohl die neutrale Feststellung heterogener Sprachentwicklungsverläufe in ihrer gesamten Varianz (Lüdtke, 2012a) als auch einen pädagogischen und/oder therapeutischen Handlungsbedarf hervorrufenden Verlauf¹.

    Leitet sich aus einer divergenten Sprachentwicklung pädagogischer und/oder therapeutischer Handlungsbedarf ab, ist die sprachliche Performanz solcher Kinder mit verschiedenen Merkmalen assoziiert (u. a. Dyck, Piek, & Partick, 2011; H. J. Hsu, Tomblin, & Christiansen, 2014; Ullman & Pierpont, 2005). Diese sind sprachenabhängig (z. B. unterschiedlich bei morphologisch komplexen oder morphologisch einfachen Sprachen) und inhomogen in Bezug auf linguistische Ebene, expressiven und rezeptiven Modus (Kany & Schöler, 2014, S. 96). Eine divergente Entwicklung in anderen (verbalen und non-verbalen) Bereichen kann sie begleiten. Beispielhaft seien Sprechmotorik (Saletta, Goffman, Ward, & Oleson, 2018), Arbeitsgedächtnis (Gray et al., 2019), Aufmerksamkeit (Ebert & Kohnert, 2011), Exekutivfunktionen (Kapa & Erikson, 2019) oder motorische Fähigkeiten (Sanjeevan & Mainela-Arnold, 2019) genannt. Des Weiteren äußert sich eine solche divergente Sprachentwicklung im Verlauf oberflächlich auf verschiedenen linguistischen Ebenen. Bei jüngeren Kinder (> 3 Jahre) liegt der Schwerpunkt im Bereich Semantik/Lexikon, im Kindergartenalter auf den Ebenen Morphologie/Syntax und Phonetik/Phonologie (Kany & Schöler, 2014, S. 96). Auch gibt es Schnittmengen bzw. gehäuft gemeinsames Auftreten mit einem divergenten Schriftspracherwerb. Begründet wird dies entweder über die eben genannte Manifestationshypothese oder über unterschiedliche Kombinationen derselben zugrundeliegenden Prozesse (Bishop, 2014b, S. 389).

    Die dritte Funktion von Diagnostik „Vorhersagen, stellt die Verbindung zwischen Diagnostik und Intervention her. Der Verlauf der divergenten Entwicklung und damit die nötigen Förder- und Therapiemaßnahmen sowie deren Dauer soll abgeschätzt werden. Die letzten beiden Funktionen „Planen und „Evaluieren" beziehen sich direkt auf die Intervention selbst. Sie sollen die individuelle Auswahl von Inhalten und Methoden informieren, sowie den Erfolg der Maßnahme(n) durch wiederholte Diagnostik belegen. In ihren Funktionen umspannt und durchdringt Diagnostik also den gesamten Interventionsprozess. Gelungene Diagnostik insgesamt ist ein interdisziplinärer und zirkulärer Prozess (Knebel, 2012; Lüdtke & Bahr, 2009; Pindzola et al., 2016).

    Der Blick in dieser Arbeit wird auf eine spezifische, zur Veranlassung von Sprachtherapie aber elementare, Methode in der Diagnostik gerichtet: Den Einsatz von Testverfahren. Zum einen wird die Operationalisierung von Sprachentwicklung in Testverfahren in den Fokus genommen und zum anderen, damit verbunden, die Durchführung der Testungen.

    Inhaltlich orientieren sich sprachtherapeutische Testverfahren an den linguistischen Ebenen. Für Kinder im Kitaalter wird beispielhaft die Ebene Morphologie/Syntax häufig herangezogen, weil sich eine divergente Sprachentwicklung in dieser Altersspanne oft im Bereich Grammatik äußert und Auffälligkeiten hier als charakteristisch gelten (Thelen, 2014, S. 56). Diagnostisch betrachtet werden u. a das Erreichen verschiedener Meilensteine (z. B. die Produktion von 2-Wort-Äußerungen) oder die Beherrschung grammatischer Regeln (z. B. Subjekt-Verb-Kongruenz, Pluralbildung). Methodisch wird damit der Psychometrie entlehnt zur Erfassung der Sprachentwicklung die latente Variable „Sprachfähigkeit" definiert und in der Performanz bewertet: Äußerungen werden in produktiven Testungen über die Analyse freier oder gelenkter (Spontan)sprachproben (z. B. Grammatiktest für 4- bis 8-jährige Kinder (ESGRAF 4–8): Motsch & Rietz, 2019) sowie anhand von Bildkarten oder Bildergeschichten innerhalb standardisierter, normierter Tests (z. B. Sprachentwicklungstest für drei- bis fünfjährige Kinder (SETK 3–5): H. Grimm, 2015; Patholinguistische Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen (PDSS): Kauschke & Siegmüller, 2009) evoziert. Rezeptive Testungen werden mit Hilfe von Bildkartenauswahl realisiert (z. B. Test zur Überprüfung des Grammatikverständnisses (TROG-D): A. Fox-Boyer, 2016).

    Sprachentwicklung in der Diagnostik mit Sprachfähigkeit gleichzusetzen entspricht aber einer Ungleichung. Diese tritt bei einigen zu diagnostizierenden Populationen besonders deutlich zu Tage, nämlich immer dann, wenn die sprachliche Leistungsfähigkeit aufgrund äußerer und/oder innerer Lernbedingungen nicht dem Entwicklungspotential entsprechen (kann). Beispielsweise trifft dies zu auf mehrsprachige Kinder, die Teilnehmenden dieser Arbeit, gebrauchspragmatisch definiert als solche, die „mehr als eine Sprache verwenden, unabhängig von ihrer jeweiligen Sprachkompetenz (u. a. Scharff Rethfeldt, 2013, S. 28). Sie bilden eine stetig wachsende Gruppe in sprachtherapeutischen Praxen und stellen deutsche Sprachtherapeutinnen und -therapeuten im Bereich Diagnostik (und Therapie) vor eine große Herausforderung. Auch international zeigt sich diagnostische Unsicherheit in Bezug auf mehrsprachige Kinder (Roseberry-McKibbin & O’Hanlon, 2005, S. 179 f.). Sie führt zu zwei Konsequenzen, die in der Literatur als „missed identity und „mistaken identity" bezeichnet werden (Paradis, 2005, S. 173): Entweder werden falsch negative Diagnosen gestellt, und die mehrsprachigen Kindern mit divergenter Sprachentwicklung nicht der notwendigen Therapie zugeführt, oder falsch positive Diagnosen, die zu unnötigen Ausgaben im Gesundheitswesen durch unökonomische Mittelallokation (teurer Sprachtherapie statt kostengünstigerer Sprachförderung in den Kindertagesstätten) führen.

    Ein divergenter Spracherwerb kann die Kommunikationsfähigkeit von Kindern beeinträchtigen, was weitreichende Auswirkungen auf ihr gesamtes soziales und akademisches Leben, sprich ihre Lebensqualität und Partizipation hat: Sie haben eine höhere Wahrscheinlichkeit in der Schule schlechter abzuschneiden, Verhaltensauffälligkeiten zu zeigen, im

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