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Geschichte der Chemie Band 1 – Altertum, Mittelalter, 16. bis 18. Jahrhundert
Geschichte der Chemie Band 1 – Altertum, Mittelalter, 16. bis 18. Jahrhundert
Geschichte der Chemie Band 1 – Altertum, Mittelalter, 16. bis 18. Jahrhundert
eBook1.243 Seiten12 Stunden

Geschichte der Chemie Band 1 – Altertum, Mittelalter, 16. bis 18. Jahrhundert

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Über dieses E-Book

Dieses Werk umfasst in zwei Bänden die gesamte Geschichte der Chemie von den Anfängen der Zivilisation bis hin zum 20.Jahrhundert. Es füllt in seiner umfassenden Darstellung eine Lücke in der Chemiegeschichtsschreibung, indem es den Wandel und das verbindende Element der Chemie im Laufe der Jahrhunderte beschreibt  und dabei aktuelle Forschungsergebnisse integriert.

Die Einteilung in drei Epochen bildet den Rahmen, in den die Kapitel des Werkes eingeordnet sind: beginnend von der Chemie des Altertums und Mittelalters (frühe Chemie), über die Chemie des 16. bis 18. Jahrhunderts (neuzeitliche Chemie) bis zu der Chemie des 19. und 20. Jahrhunderts (moderne Chemie).

Der vorliegende erste Band behandelt im ersten Teil die frühe Chemie im Altertum und Mittelalter, die im Wesentlichen aus den drei Komponenten praktische Chemie, Naturphilosophie und Alchemie bestand. Zur Sprache kommen nicht nur der griechisch-römische Kulturkreis und das lateinische Mittelalter, sondern auch Mesopotamien, Ägypten, der arabische Kulturkreis, China und Indien. Darauf folgt im zweiten Teil die Beschreibung der Epoche der neuzeitlichen Chemie vom 16. bis 18.Jahrhundert, in der sich die Chemie in einem komplexen Prozess zu einer Wissenschaft entwickelte.

Der Autor zeigt mit diesem Werk, wie die Chemie in ihrem geschichtlichen Verlauf einem ständigen Wandel unterlag und die Welt verwandelt hat. Das Buch ist verständlich geschrieben, ohne dabei die Begriffssprache des Chemikers zu verleugnen. Studierenden, Wissenschaftshistorikern und interessierten Lesern wird damit die Faszination für diese Naturwissenschaft und deren Entwicklung vermittelt.

SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum19. Feb. 2018
ISBN9783662557983
Geschichte der Chemie Band 1 – Altertum, Mittelalter, 16. bis 18. Jahrhundert

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    Buchvorschau

    Geschichte der Chemie Band 1 – Altertum, Mittelalter, 16. bis 18. Jahrhundert - Jost Weyer

    Teil 1Chemie im Altertum und Mittelalter

    © Springer-Verlag GmbH Deutschland 2018

    Jost WeyerGeschichte der Chemie Band 1 – Altertum, Mittelalter, 16. bis 18. Jahrhunderthttps://doi.org/10.1007/978-3-662-55798-3_1

    1. Praktische Chemie im Vorderen Orient

    Jost Weyer¹  

    (1)

    Behrkampsweg 1, 22529 Hamburg, Deutschland

    Jost Weyer

    Email: jutta.weyer@gmx.net

    1.1 Zur Kulturgeschichte der Steinzeit

    1.2 Zur Kulturgeschichte Mesopotamiens und Ägyptens

    1.3 Die Anfänge der Chemie

    1.4 Die drei Epochen der Chemie

    1.5 Chemie in Mesopotamien und Ägypten

    1.6 Chemische Stoffe

    1.7 Chemische Geräte und Verfahren

    1.8 Chemische Nomenklatur

    1.9 Der Ursprung und die Entwicklungsstufen der Metallurgie

    1.10 Der Beruf des Schmiedes

    1.11 Die Glasherstellung

    1.12 Die Parfümherstellung

    1.13 Mythologisches zur Entstehung und Umwandlung der materiellen Welt

    1.14 Lehre von den Gegensätzen und Makrokosmos‐Mikrokosmos‐Idee

    1.1 Zur Kulturgeschichte der Steinzeit

    Zur Kennzeichnung und Einteilung der frühen Geschichte des Menschen verwendet man die Begriffe Vor‐ und Frühgeschichte. Die Vorgeschichte beginnt mit dem ersten Auftreten des Menschen (vor ca. 1.000.000–600.000 Jahren) und geht dort in die Frühgeschichte über, wo die ersten schriftlichen Zeugnisse nachweisbar sind. Die Grenze zwischen beiden Zeitabschnitten liegt in den einzelnen geographischen Regionen ganz unterschiedlich. So geht in Mesopotamien und Ägypten die Vorgeschichte etwa um 2800 v. Chr. in die Frühgeschichte über, in Mitteleuropa bei den Germanenstämmen dagegen erst um die Zeitenwende. Die Vor‐ und Frühgeschichte teilt man nach dem jeweils wichtigsten für Werkzeuge und Waffen verwendeten Rohstoff in Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit ein, die Steinzeit ihrerseits in Altsteinzeit (Paläolithikum), Mittelsteinzeit (Mesolithikum) und Jungsteinzeit (Neolithikum). Auch hier weichen die Epochengrenzen regional sehr weit voneinander ab¹.

    Der Mensch der Altsteinzeit gehörte zur Stufe der Jäger und Sammler, d. h., er ernährte sich von der Jagd und von dem Sammeln von Früchten. Er stellte sich seine Werkzeuge und Jagdgeräte aus Holz, Knochen und Steinen her. Künstlerischer Höhepunkt der Altsteinzeit sind die Höhlenmalereien von Altamira in Spanien und von Lascaux in Frankreich. Im Mittelpunkt der Religion standen Jagdzauber, Magie und der Glaube an eine Fruchtbarkeitsgöttin.

    In der Mittelsteinzeit blieb die Wirtschaftsform dieselbe wie in der Altsteinzeit, aber das günstigere Klima schuf bessere Lebensbedingungen. Ernährungsgrundlage bildeten die Jagd und die Fischerei. Da man auch entfernter liegende Rohstoffquellen zu erreichen suchte, zeichneten sich die Anfänge von Handel und Verkehr ab.

    In der Jungsteinzeit vollzog sich ein kulturgeschichtlich äußerst wichtiger Prozess: der Übergang von Jagd und Sammeln von Früchten zu Ackerbau und Viehzucht („neolithische Revolution"). Es gab zum ersten Mal Bauern und damit eine produzierende Wirtschaftsform. Weizen, Gerste und Hirse wurden kultiviert und Schafe, Ziegen, Schweine, Esel und Pferde domestiziert. Ermöglicht wurde der Ackerbau vor allem durch die Erfindung des Pfluges. Da der einzelne Bauer mehr produzieren konnte, als er für sich und seine Familie benötigte, wurden Teile der Bevölkerung für andere Aufgaben freigestellt.

    Eine weitere technische Innovation der Jungsteinzeit ist die Erfindung des Rades. Daraus entwickelten sich zum einen die Töpferscheibe, zum anderen der Räderkarren, mit dessen Hilfe ebenso wie mit der Segelkraft ein Handel über weite Strecken möglich wurde. Von ähnlicher Bedeutung war die Entdeckung und Entwicklung der Metallurgie in dieser Epoche. Die Metallurgie brachte neue Geräte und Werkzeuge hervor, stimulierte den Fernhandel und erwies sich durch die Bearbeitung von Metallen zu Barren als bequemes Zahlungsmittel². Weitere wichtige Innovationen sind die Erfindung der Schrift, der Rechnens, des Messens und des Kalenders.

    Der „neolithischen Revolution" folgte die Herausbildung der ersten städtischen Hochkulturen. Diese entstanden als Flusskulturen in Ägypten am Nil, in Mesopotamien am Euphrat und Tigris, in Indien am Indus und in China am Hoangho. Auslösendes Moment für die Bildung derartiger Flusskulturen war ein allmählicher Klimawechsel, der zur Austrocknung großer Gebiete führte und deren Bewohner zwang, in die Flussoasen auszuwandern. Dort gründeten sie Städte, die Zentren der Produktion und des Handels darstellten.

    Der politische Einflussbereich beschränkte sich zunächst auf die Stadt selbst, umfasste später aber auch die Gebiete im weiteren Umkreis. Der Stadtstaat, an dessen Spitze meist ein Priesterkönig stand, war zentralisiert und die Verwaltung gut durchorganisiert. Die Gesellschaft war hierarchisch gegliedert in Herrscher, Priester, Krieger, Beamte, Handwerker, Händler, Bauern und Sklaven. Nur durch diese Zentralisierung und straffe Organisation konnten die Aufgaben eines solchen Stadtstaates in einer Flussoase bewältigt werden, als wichtigstes die Ausnutzung der Überschwemmung der Flüsse zur Bewässerung der Felder, aber auch die Organisation der Wirtschaft durch Arbeitsteilung in der Stadt und die Planung der Landwirtschaft im umliegenden Gebiet³ ⁴.

    1.2 Zur Kulturgeschichte Mesopotamiens und Ägyptens

    Mesopotamien ist kein politischer, sondern ein geographischer Begriff, der von den Griechen geprägt wurde. Er bedeutet wörtlich „zwischen den Flüssen", womit das Land zwischen Euphrat und Tigris gemeint ist. Mesopotamien erlebte in den drei Jahrtausenden bis etwa zur Zeitenwende politisch einige Wechsel: die Sumerer, die Akkader, die Babylonier, das assyrische Reich, das neubabylonische Reich und schließlich die Herrschaft der Perser und dann der Griechen unter Alexander dem Großen und seinen Nachfolgern.

    Um 3000 besiedelten die Sumerer, deren Herkunft unbekannt ist, den Süden von Mesopotamien. Aus der sumerischen Epoche (5200–2360) sind einige wenige Herrscher bekannt, darunter Gilgamesch, der Herrscher von Uruk (verherrlicht im Gilgamesch‐Epos), auch einige Dynastien wie die von Ur und Lagasch. Selten beherrschten diese Dynastien ein Gebiet, das weit über den eigenen Stadtstaat hinausging, und vermutlich haben die Sumerer als Volksgruppe nie ganz Mesopotamien geschlossen besiedelt.

    Das Land enthielt eine Reihe von Stadtstaaten, die in der beschriebenen Weise organisiert waren⁵. Zu den wichtigsten Städten, die nacheinander Bedeutung erlangten, gehören Ur, Uruk, Lagasch und Nippur. Politisches, religiöses und wirtschaftliches Zentrum der Städte waren die auf Stufenterrassen errichteten Stufentempel, die so genannten Zikkurat, die dem jeweiligen Stadtgott gewidmet waren. Während der Stadtfürst zunächst auch oberster Priester war, wurde später die Einheit von Staat und Tempel aufgegeben. Das Leben in den sumerischen Stadtstaaten war großenteils bäuerlich geprägt, und viele Stadtbewohner arbeiteten auf den umliegenden Feldern oder dem zum Tempel gehörenden Gemeindeland.

    Aus den Abrechnungen für den Tempel entwickelte sich die erste Schrift der Menschheit, die vermutlich auf die Sumerer zurückgeht. Sie ist der Form nach eine Keilschrift, wobei die Schriftzeichen mit einem Griffel in feuchten Ton gedrückt wurden, dem Inhalt nach zunächst eine Bilderschrift, die dann in abstrakte Zeichen überging und einzelne Silben bezeichnete. In dieser Zeit wurde auch das Sexagesimalsystem der Zahlen erfunden, um damit den Tag, die Stunden und den Kreis einzuteilen.

    Schon bald nach der Besiedlung Mesopotamiens durch die Sumerer drangen semitische Völkerstämme in das Gebiet ein, die später nach ihrer Hauptstadt Akkader genannt wurden (2350–1950). Der Begründer der Dynastie von Akkad, Sargon von Akkad (Reg. 2350–300), schuf das erste Großreich der Geschichte. Es reichte vom südwestlichen Persien bis nach Syrien und Kleinasien. Hauptstadt wurde das neu erbaute Akkad. Ihren militärischen Erfolg verdankten die Akkader ihrer Kampftechnik mit Wurfspeer, Pfeil und Bogen. Ihr waren die Sumerer mit ihrer schwerbeweglichen Schlachtordnung mit Langspeer und großem Schild nicht gewachsen.

    Als amtliche Sprache wurde das Akkadische eingeführt, das zur semitischen Sprachfamilie gehört. Alle später in Mesopotamien auftretenden Sprachen wie das Babylonische oder Assyrische sind mit dem Akkadischen nahe verwandt; sie werden unter der Sammelbezeichnung „Akkadisch" zusammengefasst. Als Schrift wurde, wie im Sumerischen, die Keilschrift verwendet. Das Sumerische blieb weiterhin Kultsprache und hielt sich neben dem Akkadischen bis zur hellenistischen Zeit. Von den auf die Akkader folgenden kleineren Reichen ist die 3. Dynastie von Ur erwähnenswert, da hier das Reich von Sumer und Akkad noch einmal erstand.

    Kulturgeschichtlich von besonderer Bedeutung ist das altbabylonische Reich (1728–1530). Der erste und wichtigste Herrscher dieses Reiches ist Hammurabi (Reg. 1728–1686). Er verfasste den sogenannten „Codex Hammurabi", ein Reformgesetz, das große Teile des Straf‑, Zivil‐ und Handelsrechts neu regelte. Durch eine geschickte Kriegs‐ und Bündnispolitik konnte er sein Reich schließlich über ganz Mesopotamien ausdehnen. Babylon wurde Hauptstadt des Reiches. Unter Hammurabi erlebte die babylonische Literatur eine erste Blütezeit. Auch für die Algebra und Geometrie war diese Zeit ein Höhepunkt, und auf dem Gebiet der Astronomie wurden die ersten systematischen Venusbeobachtungen ausgeführt.

    Schon vor dem altbabylonischen Reich war ein neues Volk aufgetreten, die Assyrer, die den Norden Mesopotamiens allmählich eroberten und das altassyrische Reich gründeten. Ihre Hauptstadt benannten sie nach ihrem höchsten Gott, Assur. Von größerer geschichtlicher Bedeutung wurden erst das mittelassyrische (1375–1047) und neuassyrische Reich (883–612). Die assyrischen Herrscher führten durch Umsiedlung hethitischer Schmiede den Gebrauch des Eisens ein und verwendeten zur Zeit des neuassyrischen Reiches zum ersten Mal eine neue Waffengattung, die Reiterei. Die Epoche des mittelassyrischen Reiches ist die klassische Zeit der jüngeren babylonischen Literatur. Ein Beispiel hierfür ist das erwähnte Gilgamesch‐Epos.

    Die bedeutendste Herrschergestalt des neuassyrischen Reiches ist Assurbanipal (Reg. 669–630). Schon unter seinen Vorgängern war Ninive die Hauptstadt des Reiches geworden. Dort legte Assurbanipal, der ursprünglich zum Gelehrten erzogen worden war, eine große Bibliothek an und sammelte in ihr die gesamte erreichbare Literatur Babyloniens und Assyriens. Zu seiner Zeit hatte das assyrische Reich seine größte Ausdehnung.

    Bald nach Assurbanipals Tod ging die Vorherrschaft in Mesopotamien für etwa ein Jahrhundert auf die Chaldäer über; ihr Reich wird das chaldäische oder neubabylonische Reich (625–539) genannt. Wichtigster Herrscher ist Nebukadnezar II. (Reg. 604–562), der Babylon als Hauptstadt des Reiches zu einer blühenden Stadt ausbaute. Seit der Zeit der Chaldäer gab es – zu astrologischen Zwecken – eine systematische Beobachtung der Planeten und des Mondes.

    Mit der Eroberung Babylons durch den Perserkönig Kyros II. verlor Mesopotamien seine politische Selbstständigkeit und wurde persische Provinz (539–331). Nachdem Alexander der Große Persien und mit ihm auch Mesopotamien erobert hatte, ging die Macht auf ihn und später an seine Nachfolger, die Seleukiden, über (hellenistische Epoche, 331–64). Griechisch wurde Weltsprache, und es war die Möglichkeit gegeben, dass griechische und orientalische Kultur miteinander in Berührung kamen. Dennoch bewahrte die Kultur Mesopotamiens teilweise ihre Eigenständigkeit. So verwendeten die Astronomen noch bis ins 1. Jahrhundert n. Chr. für ihre Aufzeichnungen die Keilschrift.

    Die Geschichte des alten Ägyptens, die sich über fast drei Jahrtausende erstreckt, teilt man grob in vier Epochen ein: in das Alte Reich, das Mittlere Reich, das Neue Reich und die Spätzeit. Gleichzeitig gibt es eine Einteilung in etwa dreißig Dynastien; die Zeit davor heißt die prädynastische Zeit. Ägyptens wirtschaftliche Existenz hing von der jährlichen Nilüberschwemmung ab, die zwischen Juli und Oktober fruchtbaren Schlamm mit sich brachte.

    Um 3000 bildete sich ein ober‐ und ein unterägyptisches Reich heraus, das etwa ein Jahrhundert später unter den Königen Narmer und Aha vereinigt wurde; als Hauptstadt wurde Memphis gegründet. Dies ist der Beginn des Alten Reiches (2850–2052). Im Alten Reich entwickelte sich die Staatsform, die dann für die gesamte Geschichte Ägyptens charakteristisch blieb. An der Spitze des Staates stand ein absoluter, erblicher König, der Pharao, der als Inkarnation des Falkengottes Horus und, in späteren Dynastien, zusätzlich des Sonnengottes Re verehrt wurde. Das Land war in Gaue unter Gaufürsten eingeteilt, die nur wenig politische Macht besaßen. Die Staatsverwaltung war zentralisiert und lag in den Händen von Beamten, die vom König ernannt wurden. Sie rekrutierten sich aus den „Schreibern", welche die Bildungselite des Landes darstellten.

    Die Religion spielte im Leben der Ägypter eine bedeutende Rolle. Wichtige Götter waren der Falkengott Horus, der Sonnen‐ und Schöpfergott Re und der Vegetationsgott Osiris, der später Herrscher des Totenreiches wurde. Die Ägypter glaubten an ein Totengericht und ein Fortleben nach dem Tod. Die Pharaonen der 4. bis 6. Dynastie wurden als Inkarnation des Gottes in aufwendigen Grab‐ und Kultanlagen, den Pyramiden, bestattet und verehrt.

    Ein entscheidendes Ereignis zu Beginn des Alten Reiches ist die Erfindung der Schrift um 2900, etwa gleichzeitig mit Mesopotamien und unabhängig davon. Es handelte sich um eine Bilderschrift, die sogenannte Hieroglyphenschrift, die sich aus Bildzeichen entwickelte und Worte, Silben und einzelne Konsonanten bezeichnete. Später trat neben die Hieroglyphenschrift, die für Inschriften weiterhin verwendet wurde, die „hieratische Schrift als verkürzte Buchstabenschrift und noch später die „demotische Schrift als flüssig schreibbare Gebrauchsschrift. Schon sehr früh hatten die Ägypter wegen der Berechnung der Nilüberschwemmung einen Kalender, wobei das erste Erscheinen des Sirius mit dem Beginn der Überschwemmungen zusammenfiel. Für die Verwaltung wurde ein Kalender mit genau 365 Tagen konstruiert.

    Gegen Ende des Alten Reiches zerfiel die Zentralgewalt, und die Gaufürsten gewannen zunehmend an Macht. Nach zahlreichen innenpolitischen Auseinandersetzungen gelang es schließlich, die Gaufürsten zu entmachten und die Zentralisierung der Verwaltung wiederherzustellen. Dies markiert den Beginn des Mittleren Reiches (2052 bis ca. 1570). In Karnak bei Theben, dem Sitz des neuen Reichsgottes Amun, wurden große Tempelanlagen erbaut; Theben wurde Hauptstadt. Seine Glanzzeit erlebte das Mittlere Reich unter Sesostris III. (Reg. 1878–1841). Damals entstanden Handelswege unter anderem nach Phönizien, Kreta und durchs Rote Meer bis nach Somaliland. Das Mittlere Reich ging seinem Ende zu, als die Hyksos über hundert Jahre das nördliche Ägypten beherrschten, während im südlichen Ägypten Gaufürsten regierten.

    Mit der Vertreibung der Hyksos wurde das Neue Reich (1570–715) gegründet. Zur Zeit der ersten Könige dieses Reiches wurde Ägypten führende Großmacht im Vorderen Orient. Seine größte Ausdehnung erreichte das Neue Reich unter Thutmosis III. (Reg. 1480–1448); es erstreckte sich vom Euphrat über Phönizien bis nach Nubien. Eine interessante Herrschergestalt ist Amenophis IV. (Reg. 1377–1358). Er führte die Verehrung des Sonnengottes Aton, also einen Monotheismus, ein und nannte sich Echnaton. Er konnte sich aber gegen die Priesterschaft Ägyptens letztlich nicht durchsetzen, und nach seinem Tod wurden die von ihm eingeführten religiösen Neuerungen rückgängig gemacht.

    An das Neue Reich schließt sich die Spätzeit Ägyptens (715–332) an. Für einige Jahrzehnte war Ägypten unter äthiopischer, dann unter assyrischer Fremdherrschaft, erlangte dann aber noch einmal für etwa ein Jahrhundert seine politische Selbstständigkeit. Von 525 an blieb Ägypten – bis auf kurze Zwischenzeiten – endgültig abhängig von einer fremden Herrschaft. Zuerst waren die Perser die Machthaber (525–332), dann Alexander der Große, der Ägypten 332 eroberte und Alexandria gründete, und seine Nachfolger, die Ptolemäer (304–30), bis Ägypten schließlich 30 v. Chr. römische Provinz wurde. Wie in Mesopotamien, so blieb auch in Ägypten ein wesentlicher Teil des kulturellen Erbes trotz aller politischen Wechsel erhalten⁶.

    1.3 Die Anfänge der Chemie

    Die Chemie ist die Lehre von den Stoffen und Stoffänderungen – so lautet die noch heute aktuelle Definition der Chemie in einem chemischen Lehrbuch⁷. Die chemischen Stoffe, ihre Eigenschaften und Umwandlungen stehen also im Mittelpunkt der Chemie und bilden ihren eigentlichen Untersuchungsgegenstand. Dieser Bezug auf die Stoffe gilt nicht nur für die heutige Chemie, sondern auch für ihre Geschichte. Fragt man nach den Anfängen der Chemie, dann müssen also auch hier die Stoffe und ihre Umwandlungen in die Überlegungen und Definitionen mit einbezogen werden. So soll der Anfang der Chemie dort angesetzt werden, wo der Mensch zum ersten Mal Stoffe mit Hilfe von chemischen Methoden (im weitesten Sinne) umwandelte und sich dabei systematische Kenntnisse erwarb. Zu diesen chemischen Methoden gehören Kochen, Schmelzen, Lösen, Auskristallisieren, Destillieren, Extrahieren und viele andere Verfahren.

    Bei einer derartigen Festsetzung stößt man bei der Frage nach dem Ursprung der Chemie auf die chemischen Handwerke und Gewerbe. Hierzu gehören unter anderem Bergbau, Metallurgie, Gold‐ und Silberschmiedekunst, Töpferei, Glasherstellung, Gewinnung von Farbstoffen, Färbung von Tuchen, Ledergerbung, Parfümerie, Lebensmittelverarbeitung, Bierbrauerei, Weinherstellung und Seifensiederei. Alle diese chemischen Handwerke und Gewerbe sollen im Folgenden zusammenfassend als praktische Chemie bezeichnet werden, ferner die Kenntnisse von den Stoffen und ihren Umwandlungen, die aus deren Praxis hervorgingen, kurz gesagt, die praktischen chemischen Kenntnisse⁸. Da viele der genannten Handwerke bis ins 5. Jahrtausend zurückreichen, kann der zeitliche Anfang der Chemie unter den obigen Prämissen auf diese Zeit datiert werden, und die Chemie hätte damit ein Alter von sieben Jahrtausenden.

    Wichtig sind in der gegebenen Definition nicht nur die Stoffe und ihre Umwandlungen, sondern auch der Erwerb systematischer Kenntnisse. Die chemisch‐technischen Verfahren wurden nämlich empirisch betrieben, ohne dass eine Theorie zugrunde lag, aber dies ist nicht mit einem unsystematischen Herumprobieren gleichzusetzen. Zweifellos überwogen zunächst beim Kennenlernen der Stoffe und dem Umgang mit ihnen die Zufälle, aber durch wiederholte Erfahrung entwickelte sich doch allmählich das Bewusstsein, dass es möglich sein müsse, die Stoffe und Kräfte der Natur durch gezieltes Ausprobieren praktisch zu nutzen. Ohne diese systematische Suche wären Innovationen wie etwa die Verhüttung der Eisenerze zu Eisen, die sich in einer relativ kurzen Zeitspanne abspielten, schwer vorstellbar gewesen. An die Stelle von Theorien traten Mythen über die Entstehung der Welt oder über das allmähliche Wachsen der Metalle als Embryonen im Mutterschoß der Erde sowie allgemeine Ideen einer von Gegensätzen geprägten Struktur der Welt oder eines Einflusses der Planeten auf die Metalle in der Erde.

    1.4 Die drei Epochen der Chemie

    Die Geschichte der Chemie kann man in drei Epochen einteilen: in die Chemie des Altertums und Mittelalters, die auch als frühe Chemie bezeichnet wird, mit einer zeitlichen Spanne von etwa 5000 v. bis 1500 n. Chr., in die sogenannte neuzeitliche Chemie von etwa 1500 bis 1800 und in die moderne Chemie, die etwa ab 1800 zu datieren ist und noch andauert. Die frühe Chemie umfasst also ungefähr sechseinhalb Jahrtausende, die neuzeitliche Chemie drei Jahrhunderte und die moderne Chemie bisher zwei Jahrhunderte. Die drei Epochen unterscheiden sich in charakteristischer Weise voneinander, aber die Grenzen zwischen den Epochen haben – wie bei allen Periodisierungen – eine gewisse Bandbreite.

    Die Chemie des Altertums und Mittelalters war nicht einheitlich, sondern bestand im Wesentlichen aus drei Komponenten: der praktischen Chemie, der Naturphilosophie und der Alchemie. Es gab Berührungspunkte zwischen diesen drei Richtungen der frühen Chemie, da sie alle die Stoffe und ihre Umwandlungen zum Gegenstand hatten, aber sie lassen sich durch ihre Zielsetzung voneinander unterscheiden: In der praktischen Chemie wurden Stoffe für den täglichen Bedarf produziert, in der Naturphilosophie wollte man den materiellen Aufbau der Welt erklären, und das Ziel der Alchemie war die Vervollkommnung der unedlen Metalle. Ein weiterer Aspekt sind Wechselwirkungen zwischen Chemie und Medizin, aber diese waren im Altertum und Mittelalter nicht so intensiv, dass man von einer medizinischen Chemie als vierter Komponente sprechen könnte. Kulturträger der frühen Chemie waren Mesopotamien und Ägypten, Griechenland und Rom, der arabisch‐islamische Kulturkreis, China und Indien und schließlich das lateinische Abendland.

    Der älteste Zweig der frühen Chemie ist die praktische Chemie, deren Anfänge, wie erwähnt, bis ins 5. Jahrtausend zurückreichen. Hierzu gehören Bergbau, Metallurgie, Färberei, Glasherstellung und die anderen aufgezählten chemischen Gewerbe. Wichtigste Entstehungszentren der praktischen Chemie sind der Nahe Osten, China und Indien, wobei die Entwicklung in diesen drei Gebieten im Großen und Ganzen einen analogen Verlauf nahm. In den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende waren im Nahen Osten und im Mittelmeerraum die wichtigsten Metalle und Mineralien bekannt, man beherrschte die Verhüttung von sulfidischen Kupfererzen und von Eisenerzen und kannte eine einfache Form von Extraktion, ferner gab es Methoden zur Reinheitsprüfung von Metallen. Bis zum Ende des Mittelalters kamen nur relativ wenige neue Stoffe und Verfahren hinzu. Als wichtigste Neuerungen sind die Verbesserung der Destillation durch Kühlung des Destillats mit Wasser und die Entdeckung der Mineralsäuren und des Alkohols im lateinischen Mittelalter zu nennen. In China wurde das Schießpulver entdeckt.

    Die zweite Komponente der frühen Chemie ist die Naturphilosophie, genauer gesagt derjenige Teil der Naturphilosophie, der die Materietheorie betrifft. Sie entstand etwa im 6. Jahrhundert v. Chr. in Griechenland und unabhängig davon ein bis zwei Jahrhunderte später auch in China. Die griechische Naturphilosophie befasste sich insbesondere mit der Entstehung und dem Aufbau der Welt. Und in diesem Zusammenhang wurden auch Fragen der Materietheorie und chemische Probleme wie Elementenlehre, Transmutation oder chemische Umwandlung erörtert und entsprechende Theorien konzipiert.

    Von den Materietheorien der vorsokratischen Philosophen sind insbesondere die Vier‐Elemente‐Lehre von Empedokles (Erde, Wasser, Luft und Feuer als Elemente) und die Atomtheorie von Leukipp und Demokrit zu nennen. Platon übernahm die vier Elemente in seine geometrisch konzipierte Elementenlehre. Auch Aristoteles bediente sich der vier Elemente, verknüpfte sie jedoch mit den Eigenschaften warm, kalt, trocken und feucht. Seine Vier‐Elemente‐Lehre und die damit verknüpfte Transmutationstheorie blieb im arabischen und lateinischen Mittelalter die maßgebende Materietheorie. Seine Überlegungen zur stofflichen Umwandlung wurden als sogenanntes Mixtio‐Problem von den Gelehrten dieser beiden Kulturkreise aufgegriffen und weiterentwickelt. Eine Spezialtheorie für die Metalle ist die im arabischen Mittelalter erstmals auftretende Schwefel‐Quecksilber‐Theorie. In China brachte die Naturphilosophie mit der Yin‐Yang‐Lehre ein System der Gegensätze sowie eine Fünf‐Elemente‐Lehre (Erde, Wasser, Feuer, Holz und Metall) hervor. Indische Philosophen entwickelten eine hiervon etwas abweichende Fünf‐Elemente‐Lehre (Erde, Wasser, Luft, Feuer und „Äther"), die sie in einigen philosophischen Richtungen etwas variierten und zusätzlich mit einer Atomtheorie kombinierten.

    Die Alchemie stellt die jüngste Komponente der frühen Chemie dar. Sie entstand etwa um die Zeitenwende oder kurz danach im vom Hellenismus geprägten Ägypten und etwa zur selben Zeit unabhängig davon auch in China. Die Alchemie nimmt eine Sonderstellung ein, da sie aus zwei grundsätzlichen Aspekten bestand: einem materiellen und einem spirituellen. Sie hatte daher ein doppeltes Ziel: Das materielle oder handwerklich‐naturwissenschaftliche Ziel war, die unedlen Metalle bis zur Stufe des Silbers oder des Goldes zu vervollkommnen. Das spirituelle Ziel war die so genannte „Erlösung" der Materie und, hiermit verbunden, die Läuterung und Vervollkommnung der Seele des Alchemisten. Anders als in der praktischen Chemie und der Naturphilosophie gab es in der Alchemie ein gewisses Wechselspiel von Theorie und Praxis. Nach der Sprache, in der die alchemischen Schriften abgefasst wurden, und nach dem Kulturkreis unterscheidet man bis zum Ende des Mittelalters vier Epochen der Alchemie: die griechische, chinesische, arabische und lateinische Alchemie.

    In der griechischen Alchemie wurden die Grundlagen zur Alchemie westlicher Prägung gelegt. Die griechischen Alchemisten entwarfen Destillations‑, Sublimations‐ und Extraktionsapparate, versuchten, den Transmutationsprozess zu systematisieren, und legten durch die Einführung alchemischer Symbole den Grundstein zur chemischen Zeichensprache. Ziel der chinesischen Alchemie war nicht nur die Umwandlung der unedlen Metalle in Gold, sondern auch die Herstellung von Lebenselixieren, um dadurch das Leben zu verlängern oder sogar die Unsterblichkeit zu erlangen. Die arabische Alchemie begann mit der Übersetzung griechischer alchemischer Schriften ins Arabische, der bald die Herausgabe eigenständiger Werke folgte. Das theoretische Fundament, insbesondere die Transmutationslehre, wurde weiter ausgebaut und systematisiert und die Lehre vom Stein der Weisen ausgearbeitet. Bei einigen arabischen Alchemisten wird auf die Bedeutung der praktischen Erfahrung hingewiesen. In der lateinischen Alchemie wurden analog zur vorausgegangenen Epoche alchemische Werke aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt, bis sich die Alchemie auf eigenen Wegen weiterentwickelte. Die lateinische Alchemie hat gegenüber der arabischen keine grundlegend neuen Gesichtspunkte aufzuweisen, sondern der Erfahrungsschatz und die übernommenen Vorstellungen und Theorien wurden lediglich weiter ausgebaut.

    Die zweite Epoche der Geschichte der Chemie ist die neuzeitliche Chemie. Die drei Komponenten der frühen Chemie – praktische Chemie, Naturphilosophie und Alchemie – begannen seit der Mitte des 16. Jahrhunderts zunehmend zu einer Einheit zusammenzuwachsen. Daraus entwickelte sich in einem historischen Prozess, der sich über zwei Jahrhunderte hinzog, die Chemie als selbstständige Wissenschaft. Die Metallurgie erfuhr einen Aufschwung, und die Chemiatrie setzte der Chemie mit der Herstellung von Heilmitteln mit Hilfe chemischer Methoden neue Ziele. Was Fragen der chemischen Theorie betrifft, so war die Epoche geprägt von der Suche nach einer neuen Elementenlehre anstelle der aristotelischen, bis die Frage durch Lavoisiers Elementdefinition einen vorläufigen Abschluss fand. Die Versuche zur Deutung der Verbrennungserscheinungen führten zur Aufstellung von Stahls Phlogistontheorie, die durch Lavoisiers Oxidationstheorie abgelöst wurde. Gegenstand theoretischer Erörterungen waren auch die Affinität der Stoffe und eine Nomenklatur für anorganische Substanzen. Die Bedeutung des Experiments als methodisches Hilfsmittel wurde erkannt. Es erschienen die ersten chemischen Lehrbücher, und vereinzelt wurde Chemie als Nebenfach an den Universitäten gelehrt.

    Die dritte und bisher letzte Epoche der Geschichte der Chemie, die moderne Chemie, wurde eingeleitet durch einige chemiehistorische Fakten, von denen drei bereits genannt worden waren: Lavoisiers Oxidationstheorie, der neue Elementbegriff und die Nomenklatur für anorganische Stoffe; hinzu kommt Daltons chemische Atomtheorie. Auf Letzterer aufbauend ermöglichte Avogadros Molekulartheorie die Bestimmung der richtigen Atomgewichte. Das Periodensystem der chemischen Elemente wurde das Ordnungsprinzip der Chemie schlechthin. Zu den wichtigen Entwicklungen auf theoretischem Gebiet gehören auch die Vorstellungen über die chemische Bindung von den Radikal‐ und Typentheorien über die Valenzlehre bis zur quantenmechanischen Deutung. Im 20. Jahrhundert wurden Elementumwandlung und Kernspaltung experimentell nachgewiesen und die innere Struktur des Atoms untersucht.

    Teilgebiete der Chemie, die sich zu eigenständigen Fächern entwickelten, sind organische Chemie, physikalische Chemie und Biochemie. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es für den Beruf des Chemikers einen verbindlichen Ausbildungsgang mit Universitätsstudium. Die gewerbliche Produktion im großen Maßstab führte bei einigen Stoffen wie Soda, Schwefelsäure und organischen Farbstoffen zum Entstehen einer chemischen Großindustrie, was für manche Industrienationen von großer wirtschaftlicher Bedeutung wurde.

    1.5 Chemie in Mesopotamien und Ägypten

    Die praktische Chemie hatte in den beiden Hochkulturen Mesopotamien und Ägypten ein beachtliches Niveau, wobei Mesopotamien bei einigen der Innovationen führend war. In der Metallurgie spielte nicht Mesopotamien selbst, sondern die nördlich daran angrenzende Bergregion eine wichtige Rolle. Von Gold und gediegenem Kupfer hatte man schon vor 5000 Kenntnis. Um 3500 beherrschte man in Mesopotamien die Verhüttung oxidischer Kupfererze und praktizierte eine einfache Form von Extraktion. Die Waage war in Mesopotamien seit etwa 3000 in Gebrauch, und einige Jahrhunderte später ist sie auch in Ägypten nachweisbar. Blei, Silber, Zinn und Eisen waren um 1500 bekannt. Die ältesten erhaltenen chemischen Aufzeichnungen stammen aus der Zeit um 1200; es handelt sich hierbei um Keilschrifttafeln mit Parfümrezepten. Vor 1000 war die Verhüttung von sulfidischen Kupfererzen und von Eisenerzen möglich. Um 1000 entwickelte sich auch die später so bezeichnete chemische Probierkunst, d. h. eine Sammlung von Methoden zur Reinheitsprüfung von Metallen und anderen Stoffen.

    Informationen über die praktische Chemie in Mesopotamien und Ägypten liefern drei Gruppen von Quellen: gegenständliche, bildliche und schriftliche. Die Existenz und der Erhaltungszustand gegenständlicher Quellen hängen zum einen von der Art des Materials ab, d. h. davon, ob der Gegenstand aus Edelmetall, einem unedlen Metall, Keramik oder organischen Stoffen besteht. Ferner sind Klima und Bodenbeschaffenheit von entscheidender Bedeutung. Daher sind das Land zwischen Euphrat und Tigris und das Niltal ungünstig für Funde beispielsweise von Metallgegenständen, günstig dagegen das nördliche Mesopotamien, wo das Gebirge beginnt, und die trockenen Gegenden außerhalb des Niltals. Beispiele für gegenständliche Quellen in Mesopotamien sind Goldarbeiten, Glasgefäße und Keramikgeräte, während in Ägypten bei den Grabbeigaben ein größeres Spektrum an Materialien vertreten ist.

    Bei den bildlichen Quellen kommen insbesondere Wandmalereien aus ägyptischen Gräbern in Frage, die Szenen aus handwerklichen Berufen darstellen. Auf einem dieser Wandgemälde, das aus dem Grab des Wesirs Rechmire in Theben stammt, sieht man Metallarbeiter beim Schmelzen von Metall⁹. Einige Arbeiter fachen das Feuer mit Blasbälgen an, während andere Schmelztiegel mit Metall ins Feuer stellen oder herausheben. Dazwischen befinden sich Haufen von Holzkohle und Körbe mit dem zu schmelzenden Metall, das vorher gewogen wurde. Auf dem rechten – hier nicht abgebildeten – Teil des Gemäldes liefern Arbeiter Holzkohle und Metall (Kupfer und Zinn) an, aus dem Bronzetüren für den Tempel in Karnak gegossen werden sollten.

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    Abb. 1.1

    Ägyptische Metallarbeiter beim Schmelzen von Metall. Wandgemälde, um 1450 v. Chr. (Reproduziert in Atlas z. altägypt. Kulturgeschichte, 1923)

    Was schriftliche Quellen betrifft, so sind aus Ägypten so gut wie keine Dokumente chemischen Inhalts bekannt. Dagegen existieren aus Mesopotamien zahlreiche chemische Texte auf Keilschrifttafeln: mittelassyrische Parfümrezepte um 1200, neubabylonische Glasrezepte zwischen 1530 und 1000 und neuassyrische metallurgische und Glasrezepte um 700. Noch älter sind sumerische medizinisch‐pharmazeutische Rezepte um 2100, in denen gelegentlich chemische Stoffe vorkommen. Ferner gibt es Listen von Mineralien auf Keilschrifttafeln und Texte über die Gewichtsverluste bei der Raffination von Silber oder Gold. Ein Beispiel für schriftliche Quellen ist ein mittelbabylonischer Keilschrifttext, der zwischen 1400 und 1100 verfasst wurde und bei dem es um die Herstellung eines roten Glases geht¹⁰.

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    Abb. 1.2

    Keilschrifttafel mit Glasrezept. Mittelbabylonisch, zwischen 1400 und 1000. (Reproduiziert und Abschrift in C. J. Gadd u. R. C. Thompson, Iraq, 1936)

    1.6 Chemische Stoffe

    Bei der Aufzählung der chemischen Stoffe , die im Vorderen Orient als individuelle Stoffe erkannt, verwendet oder hergestellt wurden, sind als Erstes die Metalle zu nennen. Hiervon waren Gold und gediegenes Kupfer vor 5000 bekannt. Erschmolzenes Kupfer und Bronze als Kupfer‐Zinn‐Legierung sind seit 4300 nachweisbar. Es folgen Blei um 3500, Silber um 2500, Zinn etwa um 1700 und Eisen um 1400¹¹.

    Kommt es bereits bei den Metallen vor, dass ein bestimmtes Wort z. B. Kupfer oder Bronze bedeuten kann, so gilt dies erst recht für die Mineralien und sonstigen Stoffe, die im alten Mesopotamien und Ägypten bekannt waren. Zwar werden in chemischen und medizinischen Rezepten die Namen chemischer Stoffe genannt, aber sehr oft ist aus dem Zusammenhang nicht ersichtlich, um welchen Stoff es sich dabei handelt. So kann man bei den Erzen lediglich diejenigen zu ermitteln suchen, aus denen die Metalle damals gewonnen wurden, ohne zu wissen, ob diese als Individuen erkannt und mit einem Namen belegt wurden.

    Als Kupfererze kommen Malachit und Azurit in Frage (beides basische Kupfercarbonate), ferner der Kupferkies (Chalkopyrit, Formel CuFeS2). Das wichtigste Zinnerz ist der Zinnstein (Cassiterit SnO2), das wichtigste Bleierz der Bleiglanz (Galenit PbS). Eisen wurde unter anderem aus Magneteisenstein (Magnetit Fe · Fe2O3) und Roteisenerz (Hämatit Fe2O3) gewonnen, während Eisensulfide wie der Schwefelkies (Pyrit FeS2) im Altertum wohl nicht abgebaut wurden. Gold kommt fast nur gediegen vor, und Silber erhielt man bei der Aufarbeitung des Bleiglanzes, in dem es zu einem Anteil von unter 0,5 % enthalten sein kann. Wesentlich höhere Anteile an Silber wurden im Altertum aus einer natürlich vorkommenden Gold‐Silber‐Legierung gewonnen, die Elektron genannt wurde. Von den Erzen des Antimons war der Grauspießglanz (Antimonit, Stibnit Sb2S3) nachweislich bekannt, wahrscheinlich auch die beiden Arsensulfide Auripigment (As2S3) und Realgar (As4S4)¹².

    Von denjenigen Mineralien, die nicht zu den Erzen zu rechnen sind, kannte man den Schwefel, der in der Natur auch elementar vorkommt. Bei den Salzen wurden mit Namen benannt oder umschrieben: Kochsalz (Natriumchlorid), „Natron" (unreine Soda bzw. Natriumcarbonat), Pflanzenasche (unreine Pottasche bzw. Kaliumcarbonat, vermischt mit Soda) und Alaun (Kalium‐aluminium‐sulfat). Außer den erschmolzenen Metallen gibt es nur wenige anorganische Stoffe, die durch einen chemischen Prozess umgewandelt werden und als eine Art chemischer Individuen betrachtet wurden. Hierzu gehören unter anderem der gebrannte Kalk (Calciumoxid CaO) und der durch Ablöschen mit Wasser daraus gebildete Ätzkalk (Calciumhydroxid Ca(OH)2), das Arsenik (Arsenoxid As2O3) und gebranntes Kupfer (die beiden Kupferoxide Cu2O und CuO).

    Schließlich sind noch einige Stoffe zu nennen, die in den Bereich der organischen Chemie gehören. Essigsäure – in Form von Essig – war die einzige im Altertum bekannte Säure; die Mineralsäuren wurden erst im lateinischen Mittelalter entdeckt. Holzkohle diente nicht nur zur Erzeugung eines guten rauchlosen Feuers, sondern wurde beispielsweise auch als Reduktionsmittel zum Erschmelzen der Metalle aus den Erzen benutzt. In Gebrauch waren zahlreiche tierische und pflanzliche Öle und Fette, wobei unter den pflanzlichen Ölen das Sesamöl am gängigsten war. Bekannt waren auch Wachse, Erdöl und Bitumen. Parfüme, d. h. aromatische Substanzen, wurden aus pflanzlichen Materialien gewonnen. Textilien wurden mit organischen Farbstoffen wie Färberwaid, Safran oder Kermes gefärbt.

    1.7 Chemische Geräte und Verfahren

    Manche der einfacheren Geräte wie Töpfe, Schüsseln, Krüge, Flaschen, Pfannen und Filtriervorrichtungen entstammen ursprünglich der Küche. Die meisten Gefäße wurden aus Ton hergestellt. Zum Erhitzen von Stoffen wurden sie über dem Feuer an Metallhaken aufgehängt. Das Zerreiben von Erzen und Glas erfolgte in Mörsern aus Stein. Metalle schmolz man in Tiegeln, die aus gebranntem Ton, d. h. aus Keramik bestanden. Zum Filtrieren benutzte man Siebe, die mit Wolle oder Haaren bedeckt wurden, oder poröse unglasierte Tongefäße. Auch waren Scheidegefäße zur Trennung zweier nicht mischbarer Flüssigkeiten bekannt, wie ein Fund in Mesopotamien um 3600 beweist.

    Praktiziert wurde auch eine einfache Form der Extraktion. Es gibt aus der Zeit um 1200 mittelassyrische Parfümrezepte, in denen die Extraktion aromatischer Stoffe aus pflanzlichem Material beschrieben wird. Hierbei wurden die Duftstoffe durch Erwärmen mit Wasser extrahiert, und der wässrige Extrakt wurde anschließend mit Öl erhitzt, wobei die aromatischen Stoffe in die Ölphase übergingen. Es wurden in Mesopotamien einige bauchige Gefäße mit doppeltem Rand gefunden – die ältesten um 3500 –, die vielleicht für derartige Extraktionen gedient haben.

    Der Gebrauch von Öfen ist in Mesopotamien durch Funde bereits seit dem 4. Jahrtausend dokumentiert. Große Öfen dienten für die Herstellung von Töpferware und Glas und für die Verhüttung von Erzen und die Raffination von Metallen. In ihnen konnten Temperaturen bis zu 1100 °C erzielt werden, wobei Blasebälge für die Luftzufuhr sorgten. Es gab auch kleinere, tragbare Öfen, die wohl auch bei der Parfümherstellung verwendet wurden. Sie hatten seitliche Löcher für die Zugluft, und ihr oberer Teil war für die Aufnahme eines rundbauchigen Gefäßes konstruiert. Als Brennmaterial diente vor allem Holz, das schon damals im Vorderen Orient knapp war, selten Holzkohle.

    Auch die Waage war in Mesopotamien und Ägypten schon früh in Gebrauch, und zwar, wie sich aus Funden ergibt, in Mesopotamien seit etwa 3000. Dort gab es um 2600 bereits normierte Gewichte, die für den jeweiligen Herrschaftsbereich Gültigkeit hatten. Die altbabylonischen Gewichte waren unter anderem aus Ton, Diorit oder Achat, später aus Bronze angefertigt und hatten die Form von einfachen geometrischen Körpern oder von Tieren oder Tierköpfen. Die kleinsten Gewichte, die benutzt wurden, betrugen 100 mg, später 50 mg. Gewichtseinheit war die babylonische Mine, die in 60 Šekel¹³ eingeteilt war und etwa 490 g entspricht. Die babylonische Mine breitete sich mit dem angegebenen Zahlenwert über Ägypten, Kleinasien, den Mittelmeerraum und das übrige Europa aus, wo sie als Pfundgewicht in manchen Ländern bis ins 19. Jahrhundert hinein maßgebend war¹⁴ ¹⁵.

    Zu den Verfahren zählen auch die Reinigung (Läuterung, Raffination) von Metallen und analytische Methoden zur Prüfung ihrer Reinheit. Letztere Methoden gehören zu einem Gebiet, das später als chemische Probierkunst bezeichnet wurde¹⁶. Das älteste Verfahren zur Reinigung von Gold oder von Silber ist das Erhitzen im Feuer bis zur Schmelze. Dabei gehen unedle Metalle wie Kupfer, Blei und Eisen in ihre Oxide über und bilden eine Schlacke, während die Edelmetalle Gold und Silber nicht angegriffen werden. Es gibt sumerische Texte aus der Zeit um 2000, in denen eine abgewogene Menge Silber im Feuer geläutert und der Gewichtsverlust mit der Waage ermittelt wurde. Aus dem 1. Jahrtausend existieren auch entsprechende Texte über die Raffination von Gold. Im analytischen Maßstab ausgeführt, wurde dieses Verfahren als „Feuerprobe" bezeichnet: Färbte sich das Gold oder Silber beim Erhitzen dunkel, dann enthielt es unedle Metalle.

    Da die Läuterung des Silbers durch einfaches Ausschmelzen ein unsicherer und mühsamer Prozess war, wurde in Mesopotamien ein Verfahren entwickelt, um hier Abhilfe zu schaffen. Man setzte dem unreinen Silber ein Vielfaches seines Gewichts an Blei zu und erhitzte dies längere Zeit in einem porösen Tiegel zum Schmelzen. Dabei ging das Blei allmählich in gelbes Bleioxid PbO über und nahm die Verunreinigungen mit, die großenteils von den Tiegelwänden absorbiert wurden, während das reine Silber übrig blieb. Dieses verbesserte Verfahren, Kupellation genannt, wurde wahrscheinlich in Mesopotamien etwa im 8. Jahrhundert entwickelt und war in gleicher Weise auf das Gold anwendbar. In Kleinasien wurde ein Hüttenbetrieb aus dem 6. Jahrhundert ausgegraben, wo die Reinigung von Gold durch Kupellation ausgeführt worden war¹⁷. Auch die Kupellation wurde nicht nur im technischen, sondern auch im analytischen Maßstab praktiziert und diente dazu, die Reinheit von Gold oder Silber aus dem Gehalt einer Legierung an diesen beiden Edelmetallen zu bestimmen – bis auf den heutigen Tag.

    Es gab auch einen Prozess zur Abtrennung des Silbers vom Gold. Hierbei wurde das zu reinigende Gold zu einem dünnen Blech ausgeschlagen, schichtweise alternierend mit Kochsalz vermischt und in einem verschlossenen Tiegel längere Zeit zum Glühen erhitzt, ohne dass das Gold dabei zu schmelzen begann. Nach Beendigung des Erhitzens waren Silber, Kupfer und andere Metalle aus dem Gold entfernt. Das Verfahren, das als Zementation bezeichnet wird, beruht darauf, dass beim Erhitzen des Kochsalzes intermediär Salzsäure entsteht, welche die Metalle herauslöst und mit Silber flüchtiges Silberchlorid bildet. Diese Zementation mit Salz zur Reinigung von Gold wurde in Ägypten seit etwa 500 durchgeführt.

    Die hier beschriebenen Reinheitsproben, zu denen auch die Zementation gehört, waren beispielsweise nötig, wenn ein Herrscher wissen wollte, welchen Reinheitsgrad das Gold oder Silber in seinen Schatzhäusern hatte. Dies galt erst recht seit der Erfindung des Geldes im 7. Jahrhundert, als die Gefahr bestand, dass Goldmünzen durch Zusatz anderer Metalle gefälscht wurden. Die Anfänge einer Quantifizierung der Chemie liegen also auf dem Gebiet der Metallurgie des Goldes und Silbers, wobei zum ersten Mal die Mengen der Ausgangs‐ und Endprodukte exakt mit der Waage ermittelt wurden¹⁸.

    1.8 Chemische Nomenklatur

    In Mesopotamien und Ägypten gab es eine bereits sehr differenzierte Nomenklatur zur Bezeichnung von chemischen Stoffen, Geräten und Verfahren. Die Sprachen, in denen diese Namen vorliegen, sind Sumerisch, Akkadisch und Ägyptisch. Als Beispiel seien die Bezeichnungen für einige Metalle genannt:

    Bei den Wörtern für Kupfer muss man damit rechnen, dass sie gelegentlich auch Bronze bedeuten können (und umgekehrt); ähnlich ist es bei Blei und Zinn. Das ägyptische Wort bjß ist auch das Zeichen für Metall allgemein; bjß heißt wörtlich „Erz des Himmels".

    In Bezug auf die Benennung von chemischen Stoffen waren die Babylonier sprachschöpfend und nach ihnen auch die Griechen, während im Arabischen und Lateinischen viele derartige Bezeichnungen als Fremdwörter übernommen wurden. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie sich ein Fachbegriff durch mehrere Sprachbereiche hindurch verfolgen lässt, ist das ägyptische Wort nṯrj ²⁰ für „Natron", d. h. unreine Soda. Dieses Wort ging in das Akkadische als nitiru über und wurde im Griechischen zu nitron. Durch Übernahme aus dem Griechischen entstand im Lateinischen das Wort nitrum, im Arabischen naṭrūn. Im lateinischen Sprachbereich erfuhr nitrum einen Bedeutungswandel und bezeichnete seit dem 14. Jahrhundert den Salpeter (Kaliumnitrat). Das ägyptische Wort nṯrj ist also sprachlich das Stammwort für die heutigen Begriffe Natrium, Nitrat, Nitroverbindung und für das Elementsymbol N (Nitrogenium) für Stickstoff.

    Zur näheren Kennzeichnung eines Stoffes versah man das Stammwort mit Zusätzen, die etwas über die Farbe, die Qualität oder andere Eigenschaften aussagten. Ein Beispiel für die Möglichkeiten und Grenzen einer derartigen Benennungsweise sind die ägyptischen Namen für Gold:

    Durch zusätzliche Wörter am Stammwort nb waren also folgende Charakterisierungen möglich: die Herkunftsbezeichnung wie Flussgold oder Golderz, die Verarbeitungsform wie Blattgold oder Goldstaub, die Qualitätsbezeichnung und die Farbe. Beim „weißen Gold" lag eine Gold‐Silber‐Legierung, das Elektron, vor; der Name setzt sich aus den Bezeichnungen nb für Gold und ḥḏ für Silber zusammen²¹.

    Während diese Art der Terminologie auch in anderen Sprachbereichen zu finden ist, nehmen die sumerischen Mineralnamen eine Sonderstellung ein, da hier, jedenfalls bei einigen Mineralien, Ansätze zu einer systematischen Nomenklatur zu erkennen sind. Die Namen dieser kleinen Gruppe von Mineralien sind aus zwei Teilen zusammengesetzt. Der erste Teil des Namens fasst eine Reihe von Mineralien aufgrund gemeinsamer Eigenschaften zu einer Gruppe zusammen. Dazu gehört der Name a ZA, wörtlich Stein, als Gruppenname für manche Mineralien oder das Wort a PAR, wörtlich Sand, für einige weiße Mineralien. Der zweite Teil des Namens diente zur näheren Charakterisierung und machte Aussagen etwa über die Farbe oder den Härtegrad. So kamen Namen wie beispielsweise die folgenden zustande:

    Terminologisch stellt der erste Teil des Namens eine Bezeichnung der Klasse dar, der zweite Teil eine Bezeichnung der Species. Mit dem blauen Stein könnte vielleicht der Lapislazuli, Türkis oder Azurit gemeint sein, mit dem sehr harten blauen Stein der Saphir, mit dem harten weißen Stein der Alabaster und mit dem sehr harten weißen Stein der Chalcedon – alle diese Zuordnungen sind nur Vermutungen²² ²³ ²⁴.

    Sowohl in Mesopotamien als auch in Ägypten existierte ein reichhaltiges Vokabular zur Bezeichnung chemischer Geräte und Verfahren. Bei den Geräten gab es unter anderem Namen für Öfen, Blasebälge, Tiegel, Zangen, Siebe, Filter, Mörser und Pistille, Gefäße verschiedener Art, Messgefäße, Waagen und Wägegewichte. Zu den chemischen Operationen zählen Begriffe wie zerreiben, mischen, umrühren, ein Feuer anzünden, schmelzen, gießen, sintern, abkühlen lassen, waschen, durchsieben, probieren, wägen und abmessen. Dies alles waren, zusammen mit den Namen für die Stoffe, die Anfänge einer chemischen Fachsprache²⁵ ²⁶.

    1.9 Der Ursprung und die Entwicklungsstufen der Metallurgie

    Von den chemischen Handwerken hatte die Metallurgie für die Entwicklung der vor‐ und frühgeschichtlichen Gesellschaft eine herausragende Bedeutung. Sie spiegelt sich auch in der Anschauung von einem goldenen, silbernen, bronzenen und eisernen Zeitalter, die in der Antike geläufig war. Da Produkte aus Metall begehrt waren und über weite Entfernungen transportiert werden konnten, stimulierte die Metallurgie den Fernhandel. Durch die Ansammlung von Reichtümern in Form von Metallringen, Metallbarren oder Ähnlichem begünstigte sie die Herausbildung sozialer Klassen. Auch erwies sich das Metall, in Form von Barren gewichtsmäßig gehandelt, als bequemes Zahlungsmittel und wurde so zum Vorläufer des Geldes. Schließlich ist die Metallurgie auch deshalb von Bedeutung, weil sie den Beruf des Schmiedes hervorbrachte, den ersten Vollzeitberuf, der nicht mehr nebenher betrieben werden konnte²⁷.

    Wo die Metallurgie ursprünglich entstanden ist, ob in Asien, Afrika oder einem anderen Gebiet, steht bis heute noch nicht sicher fest. Für den Vorderen Orient und Europa dürfte der Ursprung der Metallurgie in der Bergregion zu suchen sein, die sich von Kleinasien über die armenischen Berge bis Afghanistan erstreckt. Die östliche Flanke war besonders reich an Metallen und Erzen. Dort wurde bereits um 6000 gediegenes Gold und Kupfer verarbeitet. Die dort ansässigen Bergvölker trugen ihre Kenntnisse nach Mesopotamien, Indien und Kleinasien, und von dort breitete sich die Metallurgie weiter nach Ägypten und Europa aus. Da die metallurgischen Verfahren zum Teil recht kompliziert waren, ist anzunehmen, dass sich die Metallurgie von einem Zentrum ausbreitete und nicht gleichzeitig an verschiedenen Stellen entstand, doch auch diese Annahme ist noch nicht endgültig gesichert.

    Die Entwicklung der Metallurgie lässt sich in vier Stufen einteilen: in die Stufe der gediegenen Metalle als Steine, die Stufe der Bearbeitung von gediegenem Metall, die Stufe des Erzes und die Stufe des Eisens. Jede dieser Stufen umfasste einen Komplex von Ideen, Techniken und Geräten. Die Stufe der gediegenen Metalle kann eher als eine Vorstufe der Metallurgie bezeichnet werden. Die ersten Metalle, die vom Menschen gesammelt wurden, waren gediegene Metalle: Gold, Silber, Kupfer und Meteoreisen. Diese Entdeckung erfolgte wahrscheinlich im 6.–5. Jahrtausend und zwar, wie erwähnt, durch die Bergvölker östlich vom Kaspischen Meer. Für lange Zeit wurden die Metalle nicht als eine besondere Art von Steinen erkannt, sondern man bearbeitete sie genau so wie die damals bekannten Materialien Stein, Knochen und Holz.

    Erst nach und nach entdeckte man, dass diese merkwürdigen Steine einige sehr spezifische Eigenschaften besaßen, und dies war der Beginn des zweiten Zeitabschnitts, der Stufe der Bearbeitung von gediegenem Metall. Aufmerksamkeit erregten beispielsweise Farbe und Glanz der Metalle und die Tatsache, dass Geräte aus Metall länger haltbar waren. Die wichtigste Entdeckung war aber die Hämmerbarkeit von Metallen im heißen Zustand, d. h. das Tempern von Metallen mit anschließender Bearbeitung. Diese Entdeckung wurde zuerst beim Kupfer gemacht, und zwar um 5000. Das Kupfer blieb bei dieser Prozedur – anders als bei der Kaltbearbeitung – hart und zäh und wurde nicht spröde.

    Die nächste Entwicklungsstufe der Metallurgie, die Stufe des Erzes, ist von großer Bedeutung, da sie eine Reihe von wichtigen Entdeckungen und Erfindungen umfasst. Eine hiervon ist die Beobachtung, dass die Metalle nicht nur im gediegenen Zustand vorkommen, sondern dass man sie auch aus bestimmten Erzen gewinnen kann. Diese Entdeckung wurde wahrscheinlich zuerst bei den carbonatischen Kupfererzen gemacht, d. h. beim grünen Malachit (basisches Kupfercarbonat CuCO3 · Cu(OH)2) oder dem blauen Azurit (basisches Kupfercarbonat 2 CuCO3 · Cu(OH)2), und zwar um 4300. Da gediegenes Kupfer an der Erdoberfläche eine grüne Patina von Kupfercarbonaten bildet, lag es nahe, nach ähnlich gefärbten Kupfererzen zu suchen. Zuerst wurden oxidische (z. B. Rotkupfererz Cu2O) und carbonatische Kupfererze verhüttet. Dieses Verfahren muss in einem Töpferofen entdeckt worden sein, denn nur dieser lieferte damals hinreichend hohe Temperaturen, damit die Reduktion mit Holzkohle bei 700–800 °C vor sich gehen konnte.

    Da die Vorräte an Oxiden und Carbonaten des Kupfers bereits in frühgeschichtlicher Zeit zu Ende gingen, sah man sich nach anderen Möglichkeiten um und entdeckte, vermutlich in der späten Bronzezeit, dass man Kupfer auch durch Verhüttung von sulfidischen Kupfererzen (z. B. Kupferkies CuFeS2) erhalten kann. Diese Verhüttung erforderte einen zweistufigen Prozess: Zunächst wurden die Sulfide zu einer schwarzen, glasigen Masse zusammengeschmolzen, wobei die Sulfide in Oxide umgewandelt wurden und der Schwefel als Schwefeldioxid entwich, und in einem zweiten Verfahrensschritt wurde das Produkt mit Holzkohle zu metallischem Kupfer reduziert.

    Ferner machte man die Entdeckung, dass die Metalle durch hinreichend hohes Erhitzen zum Schmelzen gebracht werden können, was beim Kupfer bei 1085 °C der Fall ist. Diese Entdeckung hatte die Erfindung einer Reihe von neuen Metallverarbeitungsmethoden zur Folge, so vor allem das Gießen, Schweißen und Löten. Durch das Gießen war es möglich, neue Formen für Werkzeuge und Waffen zu entwickeln, die nicht mehr den entsprechenden Geräten aus Stein nachempfunden waren.

    Ebenfalls auf der Stufe des Erzes entdeckte man, dass man durch Vereinigung verschiedener Metalle die Eigenschaften eines Metalls beeinflussen kann, d. h., man entdeckte die Legierungen. Zuerst gewann man Legierungen durch gemeinsame Verhüttung verschiedener Erze oder durch Verschmelzen eines Metalls mit einem Erz, später durch Schmelzen zweier Metalle miteinander. Eine typische Legierung dieser Zeit ist die Bronze, eine Kupfer‐Zinn‐Legierung, die ja der Bronzezeit ihren Namen gegeben hat. Die Legierungen hatten unter anderem den Vorteil, dass sie einen niedrigeren Schmelzpunkt als die Komponenten besaßen und daher weniger Brennstoff benötigten oder dass sie, wie im Fall der Bronze, eine wesentlich größere Härte aufwiesen.

    Schließlich wurden auf dieser Stufe auch einige neue Metalle und verwandte Stoffe entdeckt, so das Blei, das Silber als Bestandteil des Bleiglanzes, das Zinn als separates Metall und das Antimon, genauer gesagt der Spießglanz bzw. das Antimonsulfid, der Blasebalg wurde entwickelt, und es bildete sich der Beruf des Schmiedes heraus.

    Die letzte Entwicklungsstufe der frühen Metallurgie ist die des Eisens. Auf dieser Stufe wurden die Verhüttung von Eisenerzen und die anschließende Verarbeitung des Rohprodukts zu Schmiedeeisen oder Stahl entdeckt. Erste Gegenstände aus verhüttetem Eisen sind bereits um 2700 nachweisbar, aber die Herstellung von Stahl und die damit verbundenen Innovationen dürften erst um 1400 entdeckt worden sein – an einer oder mehreren noch unbekannten Regionen des Vorderen Orients, von wo sie sich rasch ausbreiteten.

    Die Eisenverhüttung erforderte keine höheren Temperaturen als die Verhüttung von Kupfererzen, wohl aber einen größeren Ofen und ein kräftigeres Gebläse, da der Schmelzprozess länger aufrechterhalten werden musste. Auch war ein geeignetes Flussmittel erforderlich, damit die zahlreichen Verunreinigungen des Eisenerzes abgetrennt werden konnten. Da Eisenerze weit verbreitet sind, konnte man auf oxidische Erze wie Magneteisenstein oder Roteisenerz zurückgreifen und brauchte sich – anders als beim Kupfer – keine Gedanken über den Abbau sulfidischer Erze zu machen. Man erhielt zunächst ein schwammiges Produkt, die so genannte Luppe, in dem die Eisenkügelchen in einer Masse von Schlacke und Asche verborgen waren. Dieses Produkt musste längere Zeit bei Rotglut gehämmert werden, damit sich die metallische Masse verfestigte. Durch anschließendes Abschrecken in Wasser konnte das Schmiedeeisen in den harten und zähen Stahl übergeführt werden.

    Auch die Stufe des Eisens, die nahezu mit der traditionellen Eisenzeit zusammenfällt, stellte einen starken Einschnitt in der Geschichte der Menschheit dar. Da Eisen billig hergestellt werden konnte, war es für fast jeden erschwinglich, während die Geräte und Waffen aus Bronze einer privilegierten Schicht vorbehalten waren. Nicht nur als Material für Waffen veränderte das Eisen die Welt, sondern auch in Form von Eisenwerkzeugen, mit denen man z. B. Wälder roden oder Sümpfe trockenlegen konnte²⁸.

    1.10 Der Beruf des Schmiedes

    Der Beruf des Schmiedes hängt untrennbar mit der Entwicklung der Metallurgie zusammen. Das bedeutet unter anderem auch, dass die ersten Schmiede vermutlich dort auftraten, wo sich die Metallurgie entwickelte, nämlich in den Bergregionen südlich vom Kaspischen Meer. Als der Schmied daranging, nicht nur gediegene Metalle zu bearbeiten, sondern auch Erze zu verhütten, wurde seine Tätigkeit so umfangreich, dass er daneben nicht, wie seine anderen Stammesgenossen, auch noch Ackerbau betreiben konnte. Auf diese Weise bildete sich der Beruf des Schmiedes als erster Vollzeitberuf heraus. Seine Stammesgenossen ernährten ihn mit ihren Überschüssen an agrarischen und tierischen Produkten, und er lieferte ihnen Geräte und Waffen.

    Diese Entwicklung spielte sich auf der Stufe des Erzes ab, aber sie ging innerhalb dieser Epoche noch wesentlich weiter. Im Laufe der Zeit waren die offen zutage liegenden Erzlagerstätten allmählich erschöpft, und man musste daher auf tiefer liegende Erzschichten zurückgreifen, d. h. mit dem Untertagebau beginnen. Da diese Arbeit spezielle Kenntnisse und Techniken erforderte, spaltete sich der Beruf des Schmiedes in den des Bergmannes und den des Metallurgen auf. Der Bergmann suchte nach den Lagerstätten und baute das Erz ab, der Metallurge verhüttete die Erze und verarbeitete sie weiter. Die Spezialisierung ging – immer noch auf der Stufe des Erzes – weiter: Der Beruf des Metallurgen trennte sich in den Schmelzer, der das Rohmetall aus dem Erz gewann, den Grobschmied, der Massenprodukte herstellte, und den Feinschmied, der kleinere Dinge und Kunstgegenstände anfertigte. Beim Grobschmied unterschied man den Kupfer‐ und Eisenschmied, beim Feinschmied den Gold‑, Silber‑, Zinn‐ und Kupferschmied.

    Der Schmied nahm in der archaischen Gesellschaft eine besondere Rolle ein; er war weit mehr als ein Handwerker im heutigen Sinne. Die soziale Stellung des Schmiedes schwankte zwischen zwei Extremen: Bei den Nomaden war er verachtet und gesellschaftlich ausgestoßen, obwohl sie seine Waffen benötigten, bei den sesshaften Ackerbauern nahm er dagegen eine gesellschaftliche Ehrenstellung ein. Überwiegend waren die Schmiede in Gilden organisiert, für deren Mitglieder spezielle ethische Vorschriften bestanden. Die Berufsgeheimnisse wurden sorgsam gehütet und durch eine besondere Initiation vom Meister an den Schüler weitergegeben²⁹.

    1.11 Die Glasherstellung

    Glas ist eine unterkühlte Schmelze mit Quarz, Alkali und Kalk als Bestandteilen. Die übliche Zusammensetzung des Glases betrug im Altertum etwa 60 % Glas, 30 % Alkali und 5 % Kalk, hinzu kamen noch einige Prozent an Verunreinigungen. Quarz wurde in Form von Sand angewendet, Kalk als Kalkstein. Als Alkali kam entweder Soda (Natriumcarbonat) oder Pottasche (Kaliumcarbonat) infrage. Soda war in Ägypten als „Natron" (Natriumcarbonat und ‐hydrogencarbonat mit Anteilen an Natriumchlorid und ‐sulfat) in den Oasen westlich des Nils reichlich vorhanden. In Mesopotamien wurde es aus der Asche der Salicornia‐Pflanze gewonnen, die relativ viel Natrium enthält, oder aus Ägypten importiert. Pottasche wurde aus der Asche bestimmter Pflanzen gewonnen, hatte jedoch den Nachteil, dass Pottascheglas bei höherer Temperatur schneller fest wird als Soda‐Glas und daher weniger leicht bearbeitbar ist.

    Gegenständliche und schriftliche Quellen dokumentieren die Glasherstellung im Vorderen Orient. Aus der Blütezeit der Glasproduktion in Ägypten, die 1500 beginnt, gibt es mehr als 50 komplette Exemplare und Fragmente von 250 Gefäßen und anderen Gegenständen aus Glas. In Tell el Amarna (Ägypten) wurde eine Glashütte aus der Zeit um 1350 ausgegraben. In Mesopotamien sind wegen des feuchten Bodens kaum Glasgegenstände erhalten, zumal Sodagläser leicht korrodieren. Aber mit den schriftlichen Quellen ist es besser bestellt. Es gibt einige neubabylonische Glasrezepte auf Keilschrifttafeln, die zwischen 1530 und 1000 verfasst wurden. Aus der Bibliothek von Assurbanipal in Ninive um 700 stammt eine kleine, einheitlich konzipierte Sammlung von neuassyrischen Glasrezepten, von der sogar mehrere Kopien vorliegen. Diese Sammlung wurde ursprünglich wahrscheinlich um 1200 in Assur verfasst; mittelassyrische Parfümrezepte aus dieser Zeit sind vorhanden.

    Die Entwicklung der Glasherstellung verlief in mehreren Stufen. In der ersten Stufe wurden die Zutaten erhitzt, bis die Teilchen zusammenbackten, ohne dass eine echte Schmelze entstand; dieses Produkt wird in der Fachsprache „Fritte genannt. Die Fritte wurde nach dem Abkühlen aus dem Tiegel entfernt, zerstoßen und in einem anderen Tiegel geschmolzen, wodurch Luftblasen aus dem Glas entfernt werden sollten. Dieses Glas, das man auch als „primäres Glas bezeichnen kann, wurde unter anderem zu Glasperlen verarbeitet. Die Färbung war mehr zufällig, und die Zusammensetzung variierte stark. Die Glasherstellung lässt sich in Mesopotamien durch Glasfunde bis ins 3. Jahrtausend zurückverfolgen, aber wahrscheinlich ist sie noch älter. Vorausgegangen war die Herstellung von Glasuren, die im 4. Jahrtausend in Mesopotamien, Ägypten und der Ägäis ausgiebig in Gebrauch waren.

    In der nächsten Stufe wurden „primäre Gläser", die meist leicht grünlich gefärbt waren, mit geeigneten Zusätzen geschmolzen, um daraus gefärbte Gläser herzustellen. Ziel dieses neuen Verfahrens war es, Edelsteine oder Halbedelsteine wie Türkis, Lapislazuli oder roten Jaspis durch farbiges Glas zu imitieren. Zum Färben verwendete man unter anderem Verbindungen des Kupfers, Eisens und Mangans; die üblichen Farben waren Blau, Smaragdgrün, Goldbraun und Rot. Das gefärbte Glas wurde als Glaspaste verarbeitet, die geformt wurde, solange sie sich noch im plastischen Zustand befand. Es diente zur Herstellung von Glasperlen oder als Einlage in Schmuck oder Möbel. Zur Reproduzierbarkeit der Verfahren wurden jetzt die Glasrezepte mit Angabe der Zutaten, Mengen und Operationen aufgeschrieben. Die erwähnte, wohl um 1200 in Assur verfasste Sammlung von Glasrezepten weist auf eine Entstehungszeit dieser Methode der Glasfärbung irgendwann im 2. Jahrtausend vor diesem Datum hin.

    Eine wichtige Innovation stellte die dritte Stufe dar, nämlich die Herstellung von Hohlglas mit der so genannten „Sandkern‐Technik". Um flaschenähnliche Gefäße zu produzieren, wurde ein Metallstab mit einem Sandkern umgeben, der durch ein verschnürtes Tuch zusammengehalten und in die gewünschte Form gebracht wurde. Dieses Gebilde wurde – wahrscheinlich durch Eintauchen in eine Glasschmelze – mit Glas überzogen, und nach dem Abkühlen wurden Metallstab und Sandkern wieder entfernt. Im noch heißen Zustand konnten farbige Glasfäden aufgebracht oder das Gefäß mit Henkeln versehen werden. Diese Methode, die höhere Temperaturen erforderte, trat um etwa 1400 an verschiedenen Stellen im Nahen Osten auf. Die auf diese Weise hergestellten Fläschchen dienten vor allem zur Aufbewahrung von Salben, Kosmetika und Parfümen und waren für Ägypten ein Exportartikel.

    Soweit aus den Quellen zu ermitteln, gab es drei Typen von Glasöfen: den Ofen zur Herstellung der Fritte, den Schmelzofen, in dem wohl Temperaturen bis zu 1000–1100 °C erzielt werden konnten, und den Kühlofen zum langsamen Abkühlen der fertigen Produkte. Die Bestandteile zur Herstellung des Glases wurden in relativ kleinen Tiegeln oder flachen Schalen geschmolzen, da es zunächst schwierig war, große Massen auf die für das Schmelzen erforderliche Temperatur zu bringen. Die Hitze wurde durch Kohlepfannen‐Feuerung oder ein offenes Feuer ähnlich einem Schmiedefeuer geliefert³⁰ ³¹.

    1.12 Die Parfümherstellung

    Parfüme , d. h. Duftstoffe oder aromatische Substanzen, waren in Mesopotamien und Ägypten von großer Bedeutung, nicht nur für eine privilegierte Schicht, sondern für nahezu die gesamte Bevölkerung. Sie wurden in Form von Ölen, Wässern oder Salben für vier Hauptzwecke verwendet: für die Herstellung von Medikamenten, für religiöse Handlungen, magische Praktiken und die Zubereitung von Kosmetika. In einem sumerischen Keilschrifttext aus der Zeit um 2100, dem ältesten bekannten medizinisch‐pharmazeutischen Dokument, wird die Verwendung von Parfümen in Rezepten beschrieben, was auf eine lange Tradition der Parfümherstellung vor diesem schriftlichen Dokument schließen lässt. Aus der Zeit um 1200 stammen mittelassyrische Parfümrezepte, in denen die Gewinnung dieser Stoffe beschrieben wird.

    Grundbestandteil der Duftstoffe sind ätherische Öle, d. h. flüchtige, sehr stark riechende Öle, die vor allem in Pflanzenteilen, z. B. in Blüten, Blättern, Samen und Früchten, vorkommen. Es gab im Wesentlichen zwei Verfahren zur Gewinnung der ätherischen Öle aus den Pflanzenteilen: die Enfleurage und die Mazeration. Bei der Enfleurage wurden Blüten in ein geruchsneutrales Fett eingetaucht, bei der Mazeration wurde das pflanzliche Material in der Wärme mit Fett oder Öl behandelt. Da ätherische Öle bis zu einem gewissen Grad in Wasser löslich sind, war es auch möglich, durch Extraktion mit Wasser aromatische Wässer herzustellen. Am häufigsten praktiziert wurde eine Kombination von Wasser‐ und Ölextraktion. Hierbei wurde das getrocknete pflanzliche Material zerkleinert und mit Wasser unter gelegentlichem Umrühren behandelt, die wässrige Aufschlämmung mit Öl oder Fett versetzt und die Mischung mehrere Tage lang im zugedeckten Gefäß auf nicht zu hohe Temperaturen erhitzt.

    Die Parfümherstellung war eine mühsame und langwierige Prozedur. In einem der Keilschrifttexte wird ein Verfahren angegeben, das sich über etwa zwanzig Stufen erstreckte, von denen jede wiederum einige Operationen wie Extraktion mit Wasser oder Mazeration umfasste. Die für die Gewinnung der Parfüme verwendeten Geräte und Gefäße sind ausnahmslos dieselben, die auch in der Küche benutzt wurden³² ³³ ³⁴ ³⁵.

    1.13 Mythologisches zur Entstehung und Umwandlung der materiellen Welt

    Der Mythos und das mythologische Denken spielten im Altertum bei dem Versuch, die Welt zu verstehen, eine bedeutende Rolle. Der Mensch der Bronze‐ und Eisenzeit erlebte seine Umwelt als ein Mysterium – beim Pflügen des Bodens, beim Brennen des Tons, beim Fördern der Erze im Bergwerk und bei deren Verhüttung. Das hinderte den Bergmann, Metallurgen oder Glasmacher nicht daran, technisch sinnvolle Arbeit zu verrichten und neue chemisch‐technische Verfahren zu entwickeln, aber der Gegenstand seiner Arbeit, die Materie, hatte gleichzeitig Anteil am Transzendenten, sie war in gewissem Sinne etwas Heiliges. Nicht nur das Tier‐ und Pflanzenreich, sondern auch das Mineralreich wurde als etwas Lebendiges empfunden, und man betrachtete die Lagerstätten in der Erde und die Bergwerke als einen „Mutterleib", wo die Erze als Embryonen allmählich wuchsen und zu vollkommenen Metallen heranreiften.

    Wenn der Bergmann die Erze aus dem Schoß der Erde ans Licht des Tages förderte oder der Metallurge die Erze zu den Metallen verhüttete, griff er damit in den verborgenen Wachstumsvorgang der Erze ein. Diesen Eingriff konnte er nur dadurch rechtfertigen, dass er sich als Mitarbeiter am Werk der Natur betrachtete. Die Schmelzöfen übernahmen die Rolle der Erdmutter, und der Bergmann war ebenso wie der Metallurge eine Art Geburtshelfer, da er die Reifung der Metalle beschleunigte und sie vorzeitig „geboren" wurden. Er ahmte mit seinem Tun in gewisser Weise die Arbeit des Weltenschöpfers nach und übernahm damit eine große Verantwortung gegenüber der Natur.

    Dieses Verhältnis zur Natur und zur Materie spiegelt sich auch in den Riten und Praktiken der chemischen Handwerker, deren Tätigkeit nicht nur von rein praktischen Gesichtspunkten bestimmt war. Die Eröffnung eines Bergwerks oder der Bau eines Ofens war von rituellen Handlungen begleitet, und beim Einbringen der Erze in den Ofen und bei ihrer Verhüttung waren bestimmte Riten vorgeschrieben. Der Umkreis des Ofens galt als heiliger Bezirk, und von den Metallurgen oder Schmelzern wurde während dieser Arbeiten kultische Reinheit gefordert. In der Sammlung neuassyrischer Glasrezepte aus der Zeit um 700³⁶ ist eine Vorschrift zum Bau eines Glasschmelzofens enthalten, in der solche Riten genannt werden: Wahl eines astrologisch geeigneten Tages für die Fundamentlegung, Aufstellen von Götterbildern im Ofen, regelmäßige Trankopfer und am Tag der Einweihung ein Schafopfer und Weihrauch für die Götterbilder, kein Zutritt für Fremde und kultische Reinheit der Werkleute³⁷.

    In einer komplexeren Form treten Ideen über die Entstehung der materiellen Welt in den Schöpfungsmythen des Vorderen Orients auf. Derartige kosmologische oder kosmogonische Spekulationen wurden von Priestern entwickelt und in die Form eines Mythos gekleidet, wobei die kosmologischen Prinzipien als Götter personifiziert wurden. Diese theologischen Systeme dienten unter anderem dazu, den universalen Anspruch des ursprünglich lokalen Gottes zu unterstreichen. Zwei dieser Mythen sollen hier kurz charakterisiert werden: die ägyptische Kosmogonie von Heliopolis und das altbabylonische Schöpfungsgedicht Enûma eliš (š wird wie sch ausgesprochen).

    In Heliopolis, einem der bedeutendsten religiösen Zentren Ägyptens, wurde ein Schöpfungsmythos konzipiert, der in seinen Grundzügen schon auf das Alte Reich zurückgeht und in dessen Mittelpunkt der Gott Atum stand. Nach dieser Kosmogonie gab es vor der Weltschöpfung das Urprinzip Nun, ein unermessliches Chaos, das man sich als ein allumfassendes Urmeer vorstellen kann. In ihm existierte, ebenfalls seit Urzeiten, der Gott Atum, dessen Name „das All, „der Ganze oder „der Vollständige bedeutet. Atum tauchte aus dem Urgewässer Nun als Urhügel auf, und als androgyner Gott ließ er aus seinem Samen das erste Götterpaar, Schu und Tefnut, entstehen. Der Gott Schu personifiziert „das Trockene, „das Leere oder die Luft, seine Schwester Tefnut „das Feuchte oder den Nebel. Schu und Tefnut zeugten Geb, den Gott der Erde, und Nut, die Göttin des Himmels. Damit war die eigentliche Weltentstehung abgeschlossen, denn die Götter der folgenden Generation – Osiris, Isis, Seth und Nephthys, Kinder von Geb und Nut – verkörpern nicht mehr kosmische Kräfte.

    Am Rande erwähnt werden soll die relativ abstrakte Kosmogonie von Hermopolis, bei der acht Urwesen zu vier Paaren zusammengefasst werden. Auch hier taucht zuerst, wie in der Kosmogonie von Heliopolis, der Urhügel aus dem Urmeer auf. Auf ihm erscheinen aber gleichzeitig vier Götterpaare, deren Namen die Eigenschaften des Urzustandes bezeichnen sollen: „das Urgewässer (Nun und Naunet), „das Unbegrenzte (Huh und Hauhet), „die Finsternis (Kuk und Kauket) und „das Verborgene (Amun und Amaunet). Schließlich ist im ägyptischen Bereich auch der Mythos vom getöteten und zu neuem Leben erweckten Osiris zu nennen, der in der griechischen Alchemie auf die Transmutation der Metalle übertragen wurde³⁸.

    Aus Mesopotamien stammt ein altbabylonisches Schöpfungsgedicht, das nach seinen Anfangswörtern „Enûma eliš" (Als oben) benannt wird. Es wurde wohl in seiner ursprünglichen Version etwa im 18. Jahrhundert verfasst und diente dazu, die I. Dynastie von Babylon zu legitimieren, indem es den Schutzgott von Babylon, Marduk, zum Schöpfergott machte. Nach diesem Schöpfungsgedicht gab es im Anfang zwei Urgewässer: den Gott Apsû, der das Süßwassermeer unterhalb der Erde darstellt, aus dem die Quellen ihre Vorräte erhalten, und die Göttin Ti’âmat, welche das Salzwassermeer symbolisiert. Durch Vermischung von Apsû und Ti’âmat entstand das zweite Paar von Göttern, die wiederum die Stammeltern weiterer Göttergenerationen wurden. Unter ihnen befanden sich auch Anšar (Himmel), Kišar (Erde) und Marduk als Schöpfergott³⁹ ⁴⁰ ⁴¹.

    Die Frage nach der Entstehung der Welt und die Antwort hierauf ist im Mythos keine physikalische, sondern eine metaphysische Fragestellung, auch wenn die Trennung zwischen beiden Bereichen nicht so scharf gesehen werden darf. Dennoch stellen diese mythologischen Anschauungen letzten Endes Vorläufer von Theorien über den materiellen Aufbau der Welt dar. Dies ist besonders bei den vorsokratischen Philosophen zu beobachten, bei denen die mythologische Deutung der Naturphänomene allmählich in eine rationale Deutung übergeht⁴². Auch die Vorsokratiker waren bestrebt, die Vielfalt der Welt auf eine einzige oder nur wenige Ursachen zurückzuführen oder durch die Zusammenschau polarer Gegensätze zu erklären. Ferner spielten Begriffe wie das All, das Leere, das Trockene, das Feuchte, das Unbegrenzte, das Verborgene, das Wasser, die Luft in den Theorien der einzelnen Vorsokratiker und auch bei Aristoteles eine wichtige Rolle. Ein Einfluss der Mythen des Vorderen Orients auf das griechische Denken war bereits geographisch durch die Tatsache gegeben, dass die ersten vorsokratischen Philosophen ihren Wirkungsbereich an der Westküste Kleinasiens und auf

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