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Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen: Technologien, Produkte und Dienstleistungen voranbringen
Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen: Technologien, Produkte und Dienstleistungen voranbringen
Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen: Technologien, Produkte und Dienstleistungen voranbringen
eBook1.459 Seiten13 Stunden

Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen: Technologien, Produkte und Dienstleistungen voranbringen

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Über dieses E-Book

Im aktuellen Gesundheitsmarkt entstehen vielfältige innovative Produkte und Dienstleistungen, die dazu beitragen, die Qualität und Sicherheit der medizinischen Versorgung weiter zu steigern. Voraussetzung für die Entstehung von Innovationen sind Akteure, die Potenziale und Lösungswege aufspüren und den Mut haben kreative Ideen in die Tat umzusetzen sowie ein innovationsfreundliches Klima in Unternehmen. Dazu gehören Handlungsspielräume zum Ausprobieren, Erproben und Experimentieren für Mitarbeiter und auf der Führungsebene eine Akzeptanz für ein gewisses Maß an Fehlschlägen, die bei der Suche nach Lösungen entstehen. Nur so können Innovationen den Ausgangspunkt für den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen bilden und zur treibenden Kraft in der Gesundheitswirtschaft werden.Dieses Buch stellt Best-Practice-Beispiele vor und zeigt dabei auf, welche Ansätze, Vorgehensweisen und Methoden sich für das Erreichen von unternehmerischen Innovationszielen besonders gut eignen.Zugleich bietet es einen ganzheitlichen Ansatz von Innovationsmanagement für Entscheidungsträger, Praktiker und Wissenschaftler.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum6. Juli 2020
ISBN9783658286439
Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen: Technologien, Produkte und Dienstleistungen voranbringen

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    Buchvorschau

    Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen - Mario A. Pfannstiel

    Hrsg.

    Mario A. Pfannstiel, Kristin Kassel und Christoph Rasche

    Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen

    Technologien, Produkte und Dienstleistungen voranbringen

    ../images/484376_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Hrsg.

    Mario A. Pfannstiel

    Neu-Ulm, Deutschland

    Kristin Kassel

    München, Deutschland

    Christoph Rasche

    Potsdam, Deutschland

    ISBN 978-3-658-28642-2e-ISBN 978-3-658-28643-9

    https://doi.org/10.1007/978-3-658-28643-9

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

    Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten.

    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

    Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature.

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

    Vorwort

    Innovationen begegnen uns in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft und gelten als zentraler Faktor und Indikator für Erfolg, Zukunftsfähigkeit und ökonomische Prosperität. Befeuert wird die stetige Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen, Methoden und Modelle durch VUCA-Konstellationen in Gestalt volatiler, unsicherer, komplexer und ambiguitärer Planungsumwelten. Damit assoziiert sind der demografische Wandel, der zunehmende Fachkräftemangel, die Verknappung von Rohstoffen, gesellschaftliche und politische Unruhen, aber auch der Klimawandel.

    Innovationen kommen selten aus dem Nichts, sondern können mittels eines geeigneten Innovationsmanagements gezielt herbeigeführt und gesteuert werden. Dabei haben sich klassische, prozessorientierte Ansätze für die Entwicklung von Innovationen bereits bewährt. Jedoch finden auch neue, netzwerk- und kooperationsbasierte Ansätze zunehmend ihren Weg in Unternehmen, die durch neuartige Methoden ihre Innovationsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit ausbauen. Abgesehen von unternehmensinternen Maßnahmen kann die Entwicklung von Innovationen auch durch staatliche Eingriffe, wie politische Strategien, Fördermittel, aber auch durch die Gesetzgebung sowohl positiv als auch negativ beeinflusst werden. Hierbei handelt es sich um eine gelenkte Industrie- und Innovationspolitik, die auf der Makroebene die Steigerung der nationalen Wettbewerbsfähigkeit zum Gegenstand hat. Zu denken ist hierbei insbesondere an den innovatorischen Aufstieg Chinas, der sich zum Teil durch langfristige Technologie-, Wissenschafts- und Forschungsagenden erklären lässt.

    Besonders im Gesundheitswesen treffen Innovationen und Innovationspotenziale auf einen hoch regulierten Markt, auf dem verhaltens- und bewertungsunsichere Vertrauensgüter angeboten und nachgefragt werden. Innovationen im Bereich des Gesundheitswesens sollen die Gesundheitsversorgung nachhaltig verbessern, aber gleichzeitig den Kostendruck innerhalb des häufig unterfinanzierten Systems senken. Neuentwicklungen, die dieses Spannungsverhältnis zu adressieren und aufzulösen versuchen, also eine bessere Gesundheitsversorgung mit geringeren Kosten garantieren, lassen sich auch als Geschäftsmodellinnovationen interpretieren. Die Verbesserung der medizinischen Versorgung in Form einer Outcome-Innovation mit einhergehender Kostensteigerung wird nur bei einem deutlichen Nutzenvorsprung toleriert. Eine Verschlechterung der Versorgung wird dagegen trotz möglicher massiver Kosteneinsparungen durch kaum einen der zahlreichen Stakeholder des Gesundheitsmarktes akzeptiert. Jedoch darf für die Zukunft erwartet werden, dass sich im Gesundheitswesen kosteninduzierte No-Frills-Innovationen durchsetzen, die z. B. auf eine entschlackte Basisversorgung bei radikal niedrigen Kosten abzielen.

    Innovationen können auf medizinischen, strukturellen oder prozessbezogenen Ebenen der Gesundheitsversorgung wirken. Zwischen den einzelnen Ebenen bestehen direkte oder indirekte Wirkungsbeziehungen, wobei der Patient jedoch zu jeder Zeit im Zentrum des Handelns stehen muss. Medizinische Innovationen, wie beispielsweise neuartige Pharmazeutika oder Behandlungsmethoden, wirken unmittelbar auf den Patienten. Prozessbezogene oder strukturelle Innovationen stehen in unmittelbarer Verbindung mit der leistungsausführenden Organisation und wirken somit indirekt auf die Patientenversorgung. Dazu können unter anderem neue Organisationsformen, die Einführung intelligenter Informationssysteme oder Etablierung neuer standardisierter Prozessstrukturen gezählt werden.

    Viele Unternehmen im Gesundheitsmarkt sind dem Imperativ der Rationalisierung, der Rationierung und der Priorisierung bei der Ausschöpfung der Ressourcen und bei der medizinisch-pflegerischen Wertschöpfung unterworfen. Demzufolge spielt sich das Innovationsmanagement im Spannungsfeld dieser ökonomischen Sachzwänge ab, die gleichsam eine Leitplankenfunktion für die Leistungs- und Wertschöpfungsplanung haben. Zum Einsatz und zur Einbindung von Innovationen müssen Innovationshürden überwunden und bestehende Rahmenbedingungen geschaffen werden, in denen ein effektives Innovationsmanagement bestehen kann (siehe Abb. 1). Spannungsfelder im Innovationsmanagement bergen die Gefahr, dass festgelegte Unternehmensziele nicht erreicht werden, daher sind Spannungsfelder auszuschalten.

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    Abb. 1

    Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen. (Quelle: eigene Darstellung 2019)

    Zu berücksichtigen ist, dass die Inhalte der Beiträge in diesem Buch sich häufig nicht eindeutig auf einen Themenbereich beschränken lassen, sondern auch Überlappungen zu einem oder zu mehreren anderen Themenbereichen vorliegen können. Zu den vier Themenbereichen des Buches zählen folgende Themen:

    Thema 1: Ansätze und Methoden im Innovationsmanagement;

    Thema 2: Netzwerke und Systeme im Innovationsmanagement;

    Thema 3: Prozesse und Vorgehensweisen im Innovationsmanagement;

    Thema 4: Beispiele und Lösungen im Innovationsmanagement.

    In den nachfolgenden Textabschnitten wird auf die einzelnen Themen Bezug genommen. Die Beiträge dieses Buches, die sich mit dem jeweiligen Themenbereich beschäftigen, werden in der Kuppel des Heißluftballons mit der Beitragsnummer zusammentragen (siehe Abb. 2, 3, 4 und 5). Stichpunktartig wird das inhaltliche Spektrum der Beiträge aufgezeigt. In diesem Buch ist jedem Beitrag eine Zusammenfassung vorangestellt, um detailliert Bezug zum Beitragsinhalt zu nehmen.

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    Abb. 2

    Themenbereich 1. (Quelle: eigene Darstellung 2019)

    ../images/484376_1_De_BookFrontmatter_Fig3_HTML.png

    Abb. 3

    Themenbereich 2. (Quelle: eigene Darstellung 2019)

    ../images/484376_1_De_BookFrontmatter_Fig4_HTML.png

    Abb. 4

    Themenbereich 3. (Quelle: eigene Darstellung 2019)

    ../images/484376_1_De_BookFrontmatter_Fig5_HTML.png

    Abb. 5

    Themenbereich 4. (Quelle: eigene Darstellung 2019)

    Thema 1: Ansätze und Methoden im Innovationsmanagement

    Von der Idee bis zur Umsetzung einer Innovation am Markt ist ein langer Weg zu beschreiten, der von vielfältigen Innovationsbarrieren gekennzeichnet ist. Damit der komplexe Innovationsprozess erfolgreich durchlaufen wird, müssen etablierte Ansätze, aber auch neue Methoden des Innovationsmanagements zum Einsatz kommen. Die Innovationsfähigkeit muss durch Individuen gegeben sein, damit Innovationen ausgelöst werden können. Führungskräfte, die Ansätze und Methoden einsetzen und anwenden möchten, müssen über das notwendige Wissen und Innovationsverständnis verfügen. Zur Erfassung der Innovationsmaturität können Reifegradmodelle dienen, mit denen sich die Qualität von Innovationsprozessen beurteilen lässt. Mit der Erhöhung des Reifegrades wird eine Verbesserung der Innovation angestrebt. Jede höhere Reifegradstufe setzt die Anforderungen der vorhergehenden Stufe voraus. Abb. 2 gibt einen Überblick zum Inhaltsspektrum der Beiträge zum Thema 1.

    Thema 2: Netzwerke und Systeme im Innovationsmanagement

    Innovationen entstehen durch die Menschen, die in Systemen, Netzwerken und Unternehmen interagieren. Menschen bringen nicht nur Innovationen hervor, sie können ganze Systeme, Netzwerke und Unternehmen beeinflussen, nachhaltig verändern und durch neuartige Innovationen voranbringen. Die schnelle Umsetzung einer Innovation hängt von den Innovationsvorgaben und den zur Verfügung stehenden finanziellen, organisatorischen, räumlichen und personellen Ressourcen und der Machbarkeit ab, die oft zu erfolgskritischen Flaschenhälsen avancieren. In Innovationslaboren können z. B. digitale Lösungen von Mixed Teams getestet und ausprobiert werden. Auswirkungen und Wechselwirkungen können erfasst und Innovationsoptionen können aufgezeigt werden. Die Politik kann hier einen Beitrag leisten, indem eine Anschubfinanzierung ermöglicht wird, Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt und Experten eingebunden werden. Abb. 3 gibt einen Überblick zum Inhaltsspektrum der Beiträge zum Thema 2.

    Thema 3: Prozesse und Vorgehensweisen im Innovationsmanagement

    Das Innovationsmanagement in der Gesundheitswirtschaft erfolgt nach logischen und systematischen Denkansätzen, die sich in Form eines Prozessablaufs darstellen lassen. Mit den Ablaufschritten im Prozess können unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Zu den Schritten im Innovationsprozess gehören z. B. die Definition der Innovationsziele im Rahmen einer Innovationsstrategie, die Problemanalyse, die Ideensammlung und -bewertung, die Konzepterstellung und die Umsetzung. Es gibt keine allgemeingültige Vorgehensweise im Sinne eines Blueprint der Innovation im Gesundheitswesen, weil dieses extrem komplex und facettenreich ist. Je nach Anwendungsbereich und Einsatzgebiet müssen eine zielführende Planung, Ausrichtung, Realisation und Überwachung im Projektmanagement erfolgen. Das Innovationsmanagement trägt zur Erfolgssicherung und zur stetigen Verbesserung bei. Abb. 4 gibt einen Überblick zum Inhaltsspektrum der Beiträge zum Thema 3.

    Thema 4: Beispiele und Lösungen im Innovationsmanagement

    Die Digitalisierung im Gesundheitsmarkt verändert das Innovationsmanagement bisweilen radikal und disruptiv, wenn z. B. mit neuen Innovationsparadigmen wie SCRUM, agiler Planung oder dem Design Thinking experimentiert wird. Die Digitalisierung steigert die Innovationsbereitschaft und beschleunigt den Markteintritt von Produkten und Dienstleistungen. Es werden Risiken z. B. durch schnellere Sicherheitsroutinen minimiert. Durch die veränderten Bedingungen im Rahmen der Organisation werden neuartige High-End-Innovationen hervorgebracht. Low-End-Innovationen fokussieren bestimmte Zielgruppen und beinhalten ein maßgeschneidertes Leistungsportfolio. Genau wie mit High-End-Innovationen können auch mit Low-End-Innovationen neue Märkte besetzt und eingenommen werden. Durch innovative digitale Geschäftsmodelle wird ein Mehrwert für Kunden kreiert und die Wettbewerbsfähigkeit des eigenen Unternehmens gesteigert. Abb. 5 gibt einen Überblick zum Inhaltsspektrum der Beiträge zum Thema 4.

    Die Beiträge der einzelnen Autoren in diesem Buch sind wie folgt zusammengestellt: Zusammenfassung, Gliederung, Anschrift, Einleitung, Hauptteil, Schluss, Literaturverzeichnis und Autorenbiografie. Die Ausführungen und Erkenntnisse der Beiträge werden von jedem Autor in einer Schlussbetrachtung am Beitragsende zusammengefasst.

    Wir möchten uns bei den zahlreichen Autorinnen und Autoren bedanken, die viele aktuelle und spannende Themen aus Praxis und Wissenschaft in den Band eingebracht haben. Weiterhin möchten wir uns ganz herzlich an dieser Stelle bei Frau Sowndarya Sriraman bedanken, die uns bei der Erstellung des Buches sehr mit ihren Ideen zum Layout unterstützt hat.

    Mario A. Pfannstiel

    Kristin Kassel

    Christoph Rasche

    Neu-Ulm

    Juli 2019

    Inhaltsverzeichnis

    1 Innovationsmanag​ement unter VUKA-Bedingungen:​ Gesundheit im Fokus von Digitalisierung, Datenanalytik, Diskontinuität und Disruption 1

    Thorsten Knape, Peter Hufnagl und Christoph Rasche

    2 Innovation durch Digitalisierung – Eine Chance für die Restrukturierung​ von Prozessen im Gesundheitswesen​ 25

    Andreas Gadatsch

    3 Gestaltungsmögli​chkeiten eines Erlösmodells für innovative Digital-Health-Start-ups 39

    Heiko Block, Mareike Heinzen und Nils von Dellingshausen

    4 Mit Low-End Innovationen die medizinische Versorgung verbessern – Potenziale und Herausforderunge​n 59

    Ariane Segelitz-Karsten, Nadine Hietschold, Sebastian Gurtner und Ronny Reinhardt

    5 Wertschöpfende Innovationen als Ausweg aus der Kostenfalle im Gesundheitswesen​ 77

    Waldemar Pelz

    6 Digitale Innovation – Trendwende im deutschen Gesundheitssyste​m 93

    Kristin Kassel

    7 Spitäler haben blinde Flecken in Bezug auf Innovation 111

    Franziska Wilhelm und Martin Kägi

    8 Innovationen im (öffentlichen) Gesundheitssyste​m:​ Eine Analyse aus strategischer Perspektive 121

    Anne Maria Busch, Renate Kratochvil und Christina Schweiger

    9 Professionelles Projektmanagemen​t als Grundlage für erfolgreiche Innovationsentwi​cklung im Gesundheitswesen​ 139

    Matthias L. Zuchowski und Frank Kohler

    10 Regulatory Sandboxes – Ein Instrument für digitale Innovationen im Gesundheitssekto​r 163

    Julia Hagen

    11 Prozessinnovatio​n in der Praxis 181

    Alfred Angerer und Eva Hollenstein

    12 Vom Lean Management zur Reorganisation 197

    Karin Messer-Misak

    13 TWI im Gesundheitswesen​ – Das System von innen heraus innovieren 213

    Christian M. Thurnes, Patrick Graupp, Gerard Berendsen, Alexandra Thurnes und Dik Versteeg

    14 Das AGAPLESION-Konzept 239

    Claudia Möller

    15 Digitale Transformation in Krankenhäusern:​ Potenziale und Innovationen entlang des stationären Leistungsprozess​es 253

    Eileen Doctor, Christoph Buck und Torsten Eymann

    16 Raum für Innovation – Möglichkeiten und Begrenzungen der indirekten Steuerung für innovative Organisationspro​zesse in der ambulanten Pflege 273

    Lena Marie Wirth, Sabine Daxberger, Miriam Peters und Manfred Hülsken-Giesler

    17 Diffusionshinder​nisse bei der Einführung des Gesamtbudgets in der Psychiatrie als innovativen Ansatz für kommunale psychiatrische Versorgung 291

    Anne Berghöfer, Farideh Carolin Afraz und Carsten Dreher

    18 Einordnung und Entwicklung von Produktdienstlei​stungssystemen im Innovationsmanag​ement 321

    Alma Dautovic und Mario A. Pfannstiel

    19 Gesundheitszentr​en als innovative Lösung der absehbaren Versorgungskrise​ im ländlichen Raum 335

    Guntram Fischer

    20 Der Innovation Hub Digital Health – Unterstützung von klein- und mittelständische​n Unternehmen bei Innovationen im Gesundheitssekto​r 345

    Dagmar Krefting und Peter Hufnagl

    21 Konzepte und Faktoren für Innovation bei Pfizer 359

    Ekaterina Alipiev, Peter Neske und Ralph Lägel

    22 Innovationen an der Schnittstelle von Lebens- und Arzneimitteln:​ Herausforderunge​n für Firmen und Verbraucher 373

    Stefanie Bröring, Sukhada Bidkar und Carolin Kamrath

    23 Disruption E-Health:​ Treiber für die sektorenübergrei​fend-personalisierte Medizin der Zukunft 393

    Martin Holderried, Ansgar Höper und Friederike Holderried

    24 Dynamische Innovationsnetzw​erke als Erfolgsfaktor 417

    Matthias Schier und Bianca Heinrich

    25 Zur Parallelität der Vernetzung und zur Nutzung des Innovationspoten​zials verknüpfter Daten in Entscheidungspro​zessen des Gesundheitswesen​s 437

    Anisa Idris

    26 Die elektronische Gesundheitskarte​ und ihr möglicher Beitrag zu einer vernetzten innovativen Behandlung am Beispiel des Diabetes mellitus Typ 1 und 2 479

    Astrid Loßin und Birte Schöpke

    27 Vom Produkt zum Kundenerlebnis:​ Experience-Design als innovative Methode der Dienstleistungsg​estaltung 493

    Marco A. Gardini und Raija Seppälä-Esser

    28 Ein engagierter Begleiter – Potenziale mobiler Erreichbarkeit am Beispiel eines Reha-Klinikverbundes 519

    Angela Bittner-Fesseler und Cindy Grant

    29 Innovationsmanag​ement für Medizintechnik-Unternehmen in einem VUCA-Umfeld:​ Innovationssyste​m &​ Fallbeispiel 537

    Kurt Gaubinger, Michael Rabl und Susanna Sulzer

    30 Patentbasierte Exploration von Innovationen durch Digitalisierung in der Medizintechnik 569

    Kathi Eilers

    31 Innovation und Imitation – zur Diskussion einer nachhaltigen Implementierung 597

    Jürgen Zerth

    32 Technologische Innovationen in der Pflege:​ von der routinebasierten​ zur anlassinduzierte​n Pflege 615

    Michael Schneider, Jürgen Besser und Silke Geithner

    33 Eventisierte Zwischenzeiten 633

    Thomas Beer, Julian Hirt und Helma M. Bleses

    34 Einführung humanoider Roboter in eine Demenz-WG – Herangehensweise​ an eine technische Innovation 653

    Heiko Naß, Jens Lüssem und Hannes Eilers

    35 Digitalisierung im Krankenhaus:​ Nutzerakzeptanz als Voraussetzung für digitale Innovationen 667

    Tobias Schmidt-Logenthiran und Michael Stephan

    36 Klinische Entscheidungsunt​erstützungssyste​me:​ von der Datenrepräsentat​ion zur künstlichen Intelligenz 683

    Joachim Steinwendner

    37 Innovativer Einsatz künstlicher Intelligenz bei bildgebenden Verfahren im klinischen Alltag 701

    Johannes Winter

    38 Vermeidung der medizinischen Unterversorgung ländlicher Strukturen durch innovative Ansätze der Telemedizin 715

    Christoph Buck, Eileen Doctor und Torsten Eymann

    Über die Herausgeber

    Mario A. Pfannstiel

    ist Professor für Betriebswirtschaftslehre im Gesundheitswesen – insbesondere innovative Dienstleistungen und Services an der Hochschule Neu-Ulm. Er besitzt ein Diplom der Fachhochschule Nordhausen im Bereich „Sozialmanagement mit dem Vertiefungsfach „Finanzmanagement, einen M.Sc.-Abschluss der Dresden International University in Patientenmanagement und einen M.A.-Abschluss der Technischen Universität Kaiserslautern und der Universität Witten/Herdecke im Management von Gesundheits- und Sozialeinrichtungen. Die Promotion erfolgte an der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät und dem Lehrstuhl für Management, Professional Services und Sportökonomie der Universität Potsdam. An der Universität Bayreuth war er beschäftigt als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Strategisches Management und Organisation im Drittmittelprojekt „Service4Health". Im Herzzentrum Leipzig arbeitete er als Referent des Ärztlichen Direktors. Seine Forschungsarbeit umfasst zahlreiche Beiträge, Zeitschriften und Bücher zum Management in der Gesundheitswirtschaft.

    Kristin Kassel

    studiert seit Oktober 2017 an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Master Gesundheitsmanagement und Gesundheitsökonomie. Während ihres Bachelorstudiums war sie als studentische Hilfskraft am Kompetenzzentrum „Vernetzte Gesundheit" und der Fakultät Gesundheitsmanagement der Hochschule Neu-Ulm tätig und kam initial mit gesundheitsökonomischen Fragestellungen und Themenbereichen in Kontakt. Seit dem Beginn ihres Masterstudiums liegen ihre Forschungsinteressen auf den Thematiken Value Based Healthcare und Marketing, der evidenzbasierten Analyse und Bewertung von Geschäfts- und Behandlungsprozessen sowie der Einwirkung von Digitalisierung und Innovation auf Unternehmen des Gesundheitsmarktes.

    (Bayreuth) Christoph Rasche

    Jahrgang 1965 in Münster ist Leiter der Sektion „Professional Services an der Universität Potsdam. Zugleich war er mehrere Jahre geschäftsführender Direktor des dortigen Instituts für Sportwissenschaft und fungiert als Professor für Sport- und Gesundheitsmanagement. Professor Rasche besitzt eine Doppelmitgliedschaft in der Humanwissenschaftlichen und der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam. Von 1995–1998 war Prof. Rasche Top-Management-Berater bei der Unternehmerberatung DROEGE & Comp. AG. Er übt(e) u. a. Gastprofessuren an die Universitäten Innsbruck, Acalá de Henares (Madrid), Jena sowie der Hochschule Osnabrück im Rahmen der MBA-Ausbildung aus. Prof. Rasche wirkt als Unternehmensberater und Executive Trainer zur Stimulierung des Diskurses zwischen Wissenschaft und Praxis. Seine Forschungs- und Beratungsschwerpunkte beinhalten folgende Themenfelder: Multifokales Management, Corporate Restructuring, Professional Services sowie Sport- und Gesundheitsmanagement. Die Dissertation erfolgte zum Thema „Wettbewerbsvorteile durch Kernkompetenzen; der Titel Habilitationsschrift lautet „Multifokales Management". Schwerpunktmäßig beschäftigt sich Professor Rasche in der Forschung und Beratung mit dem Wertsteigerungs- und Produktivitätsmanagement in der Gesundheitswirtschaft. Seit 2017 ist Professor Rasche Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Deutschen Instituts für Beratungswissenschaften.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    M. A. Pfannstiel et al. (Hrsg.)Innovationen und Innovationsmanagement im Gesundheitswesen https://doi.org/10.1007/978-3-658-28643-9_1

    1. Innovationsmanagement unter VUKA-Bedingungen: Gesundheit im Fokus von Digitalisierung, Datenanalytik, Diskontinuität und Disruption

    Thorsten Knape¹  , Peter Hufnagl²   und Christoph Rasche¹  

    (1)

    Universität Potsdam, Potsdam, Deutschland

    (2)

    Charité – Universitätsmedizin, Berlin, Deutschland

    Thorsten Knape (Korrespondenzautor)

    Email: thorsten.knape@uni-potsdam.de

    Peter Hufnagl

    Email: peter.hufnagl@charite.de

    Christoph Rasche

    Email: chrasche@uni-potsdam.de

    1.1 VUKA-Bedingungen im Gesundheitswesen

    1.2 Innovationsoptionen im Gesundheitswesen

    1.3 4-D-Management der Innovation

    1.3.1 Digitalisierung im Gesundheitswesen

    1.3.2 Datenanalytik im Gesundheitswesen

    1.3.3 Diskontinuitäten im Gesundheitswesen

    1.3.4 Disruption im Gesundheitswesen

    1.3.5 Funktionen von Geschäftsmodellinnovationen im Gesundheitswesen

    1.4 Innovationsmorphologie der Gesundheitsgeschäftsmodelle

    1.5 Schlussbetrachtung

    Literatur

    Zusammenfassung

    Das Gesundheitswesen steht vermutlich vor tektonischen Verschiebungen aufgrund sich abzeichnender VUKA-Bedingungen, die für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität stehen. Viele Gesundheitsinstitutionen unterliegen erheblichen Pfadabhängigkeiten, wodurch Transformationsprozesse erschwert werden. Die vier D Digitalisierung, Datenanalytik, Disruption und Diskontinuität sollten als Weckruf verstanden werden, um durch ein strategisches Innovationsmanagement substanzielle Wettbewerbsvorteile aufzubauen. In kaum einer anderen Branche ist der technisch-naturwissenschaftliche Fortschritt derart rasant wie im Gesundheitswesen, das nicht nur von einer enormen Informations- und Wissensdichte gekennzeichnet ist, sondern auch zunehmend in das Visier aggressiver Neueinsteiger rückt. Diese versuchen – vergleichbar mit den FinTechs im Bankensektor – über Geschäftsmodellinnovationen die Grundlogik und Identität des Gesundheitswesens auf den Prüfstand zu stellen. Für die arrivierten Anbieter impliziert dies Transformation durch Innovation, um nicht lediglich die Erfolgsrezepte der Vergangenheit in die Zukunft zu projizieren. Entsprechendes kann im Anwendungsbereich „Digital Mental Health" beobachtet werden, in dem vor allem Start-ups mit mobilen Applikationen als digitale Begleiter für Patienten und Therapeuten auf den Gesundheitsmarkt drängen.

    Dieser Beitrag basiert im Wesentlichen auf den Erkenntnissen des Forschungsprojektes „AID: Mensch-Technik-Inter-Aktion zur Individualisierten Depressionsbehandlung und -verhinderung", das im Verbund von Charité, Universität Potsdam und Industrie-Partnern (u. a. metaSysX, Aurora Health/Moodpath) mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wurde (Förderkennzeichen 16 SV 7879, https://​www.​technik-zum-menschen-bringen.​de/​projekte/​aid).

    Thorsten Knape

    ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Potsdam am Lehrstuhl für Management und Professional Services bei Herrn Prof. Dr. Rasche tätig. Seine aktuellen Forschungsinteressen konzentrieren sich auf die digitale Transformation im Gesundheitswesen. Hierbei stehen digitale, datengetriebene Geschäftsmodellinnovationen und Plattformökonomie mit dem Fokus auf Digital Health, Smarthome sowie digitale Beratungsdienstleistungen im Mittelpunkt. Ferner ist er als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Projektteamleiter am Telemedizin Centrum der Charité Universitätsmedizin Berlin (TMCC) bei Herrn Prof. Dr. Hufnagl beschäftigt. Hierbei liegen seine aktuellen Forschungsschwerpunkte in der nutzerzentrierten Entwicklung von digitalen Lösungen für Mental Health. Er absolvierte sein MBA-Studium an der Uni Potsdam sowie die Studiengänge Wirtschaftsingenieurwesen und Medieninformatik (M. Sc.) an der Beuth Hochschule Berlin. Relevante Berufserfahrung sammelte Thorsten Knape in den Bereichen Produkt- und Geschäftsmodellentwicklung sowie Consulting in über 15 Jahren in Unternehmen der Medizintechnik und an Forschungseinrichtungen.

    Professor Dr. rer. nat. Peter

    Hufnagl studierte Mathematik und Statistik an der Bergakademie Freiberg. Er konzentrierte sich zunächst auf die medizinische Bildanalyse und entwickelte Frameworks für die Tumorcharakterisierung und Medikamentenforschung. In den späten 1990er-Jahren begann er mit dem Aufbau telemedizinischer Lösungen für die Kommunikation zwischen Ärzten sowie für die Versorgung von medizinischen Notfällen auf Schiffen und in Flugzeugen. Hierfür gründete er das Telemedizin Centrum an der Berliner Charité. Als Leiter der Abteilung für Digitale Pathologie am Pathologischen Institut der Charité Berlin beschäftigt er sich mit der Anwendung von virtuellen Mikroskopiesystemen und maschinellem Lernen in der Histologie. 2016 gründete er das Zentrum für Biomedizinische Bild- und Informationsverarbeitung (CBMI) mit einem Forschungsschwerpunkt „Deep Learning" an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin (HTW).

    Univ.-Prof. Dr. rer. pol. habil. Christoph

    Rasche (Bayreuth), Jahrgang 1965 in Münster, ist Leiter der Sektion „Professional Services an der Universität Potsdam. Zugleich war er mehrere Jahre geschäftsführender Direktor des dortigen Instituts für Sportwissenschaft und fungiert als Professor für Sport- und Gesundheitsmanagement. Professor Rasche besitzt eine Doppelmitgliedschaft in der Humanwissenschaftlichen und der Sozial- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam. Von 1995–1998 war Prof. Rasche Topmanagementberater bei der Unternehmerberatung DROEGE & Comp. AG. Er übt(e) u. a. Gastprofessuren an den Universitäten Innsbruck, Acalá de Henares (Madrid), Jena sowie der Hochschule Osnabrück im Rahmen der MBA-Ausbildung aus. Prof. Rasche wirkt als Unternehmensberater und Executive Trainer zur Stimulierung des Diskurses zwischen Wissenschaft und Praxis. Seine Forschungs- und Beratungsschwerpunkte beinhalten folgende Themenfelder: multifokales Management, Corporate Restructuring, Professional Services sowie Sport- und Gesundheitsmanagement. Die Dissertation erfolgte zum Thema „Wettbewerbsvorteile durch Kernkompetenzen; der Titel der Habilitationsschrift lautet „Multifokales Management". Schwerpunktmäßig beschäftigt sich Professor Rasche in der Forschung und Beratung mit dem Wertsteigerungs- und Produktivitätsmanagement in der Gesundheitswirtschaft. Seit 2017 ist Professor Rasche Mitglied des wissenschaftlichen Beirates des Deutschen Instituts für Beratungswissenschaften.

    1.1 VUKA-Bedingungen im Gesundheitswesen

    Lange Zeit stand das Gesundheitswesen unter dem Diktat eines rigiden Ordnungsrahmens, der im ambulanten und stationären Sektor auf Preise, Mengen, Qualitäten oder die Distributionsdichte Einfluss nimmt. Zu denken ist nur an planwirtschaftliche Steuerungsmechanismen wie den Krankenhausbettenplan oder die Allokationsfunktion der Kassenärztlichen Vereinigung. Steht Unternehmen unter marktwirtschaftlichen Bedingungen das Toolarsenal des Marketingmix nahezu unbegrenzt zur Verfügung, so unterliegt der Gesundheitsmarkt einem vergleichsweise regulativen Rahmenwerk, das von Macht, Politik und Institutionenreziprozitäten geprägt ist (Rasche et al. 2019). Einhergehend mit der Digitalisierung entstehen aber auch im Gesundheitswesen zunehmend VUKA-Bedingungen, wie sie sonst in hyperkompetitiven Branchen existieren (Rasche et al. 2018). Das viel zitierte Akronym VUKA steht dabei für Volatilität, Unsicherheit, Komplexität sowie Ambiguität (vgl. Bennett und Lemoine 2014; Mack und Khare 2016) und soll nachfolgend auf das Gesundheitswesen projiziert werden (Rasche 2017; Rasche et al. 2017).

    (a)

    Volatilität: Hiermit ist das Spektrum diskontinuierlicher Ereignisse gemeint, die bis hin zur Emergenz disruptiver Geschäftsmodelle und einer pfadbrechenden Zerstörung des Status quo im Gesundheitswesen reichen können. Vergleichbar mit den FinTechs und LegalTechs im Finanz- und Rechtssektor entstehen zunehmend HealthTechs (Tiberius und Rasche 2017), die aus der Synthese von Großdatenmanagement und patientenzentrierten Therapieformen Kapital zu schlagen versuchen. Für die arrivierten Spieler bedeutet dies, dass ihre etablierten Geschäftsmodelle potenziell entwertet oder doch zumindest um Leistungsfelder arrondiert werden, die sich bisher außerhalb ihres strategischen Radars bewegten. Neben der Digitalisierung entsteht Volatilität durch Marktliberalisierung, Globalisierung und den technisch-therapeutischen Fortschritt, der große und unstete Ereignisamplituden zur Planungskonstante werden lässt. Für flexible Anbieter jedoch bieten volatile Bedingungen die Chance zur Profilierung, weil die Wettbewerbsspielregeln neu definiert werden. Nicht umsonst schätzen risikofreudige Investoren volatile Umweltbedingungen – bieten diese doch eher die Chance zum Aufbau substanzieller Wettbewerbsvorteile als Zustände relativer Stasis und Planungssicherheit (Rasche 2002).

    (b)

    Unsicherheit: Viele der bekannten Gesundheitsanbieter werden ihre Planungen und Prognosen trotz verbesserter Datenzugänge unter großer Unsicherheit durchführen können, weil in vielen Bereichen die Volatilität stark zugenommen hat. So wird künftig eine Kernkompetenz darin bestehen, unter Unsicherheit zu managen, anstatt diese vollständig zu beseitigen. Die PESTEL-Analyse (PESTEL: Political, Economic, Social, Technological, Ecological, Legal; vgl. Schallmo 2013, S. 35) im Gesundheitssektor zeigt, dass entlang von Politik, Ökonomie, Sozialsystemen, Technologie, Ökologie und Recht die Unsicherheit im Gesundheitswesen eher zu- als abnehmen wird (Rasche 2014). Zu denken ist hierbei nur an den demografischen Wandel oder eine Verschiebung innerhalb der Werteinventare, wie sich am Beispiel der Generationen Y und Z zeigt. Auch stellt sich die Frage, ob sich künstlich-intelligente Medbots von rudimentären Assistenzsystemen zu autark urteilsfähigen Diagnose- und Therapiesystemen entwickeln werden. Zudem bleibt abzuwarten, inwiefern einhergehend mit der Akademisierung nichtmedizinischer Professionen ärztliche Tätigkeiten an andere hinreichend qualifizierte Berufsgruppen delegiert werden können. Insbesondere Innovationen erzeugen Unsicherheit, wenn durch diese Substitutions- und Verdrängungseffekte entstehen. Wenn im Kontext medizinischer Leistungen oft von Vertrauensgütern gesprochen wird, dann implizieren diese immer auch eine hohe Verhaltens- und Bewertungsunsicherheit. Diese Form der objektiven oder gefühlten Unsicherheit verlangt nach geeigneten Instrumenten zur Reduktion transaktionshemmender Informationsasymmetrien, damit sich funktionierende Gesundheitsmärkte entfalten.

    (c)

    Komplexität: Komplexität entsteht im Gesundheitswesen durch Spezialisierung, Aufgabenvielfalt, Arbeitsverdichtung und die große Vielfalt der unter hohem Zeitdruck zu harmonisierenden Zielfunktionen. Der rasante technisch-medizinische Fortschritt korrespondiert mit Digitalisierungs- und Globalisierungsimperativen sowie der Notwendigkeit, das arrivierte Kerngeschäft um neue Geschäftsmodelle, Zielgruppen und Problemlösungen zu arrondieren. Die Variantenvielfalt in der Güterproduktion entspricht im Gesundheitswesen der Technologie-, Therapie- und Themenhypertrophie, die bisweilen ein Höchstmaß an Komplexität erzeugt. Als Maßnahmen der Komplexitätsreduktion dienen deshalb in der Medizingeräteindustrie technische Plattform- und Modulstrategien oder definierte Standard Operating Procedures (kurz SOPs), die differenziert nach spezifischen Triggerkonstellationen zum Einsatz kommen. Zwar wird oftmals in der Komplexitätsreduktion eine Basiskompetenz gesehen, doch ergeben sich im Gesundheitswesen zahlreiche Konstellationen, in denen eher die Komplexitätsbeherrschung durch Agilität im Vordergrund steht. Nicht zuletzt aus diesem Grund kann im Gesundheitswesen die Akkumulierung dynamischer Fähigkeiten diesbezüglich entscheidend beitragen.

    (d)

    Ambiguität: Das Gesundheitswesen ist teilweise von großer Mehrdeutigkeit gekennzeichnet, wenn eine hohe Interpretationsoffenheit unscharfer Informationen gegeben ist. Häufig liegen keine eindeutigen Kausalzusammenhänge vor, weshalb oft an den Symptomen kuriert wird, anstatt die Ursachen zu bekämpfen. Bisweilen lassen sich unscharfe Signale aus den relevanten Umweltbereichen nicht eindeutig als Chancen oder Bedrohungen klassifizieren. Deutlich wird die Ambiguität im Gesundheitswesen bei der Ableitung valider Zukunftsszenarien, die eine hohe Unschärfe bei einer gleichzeitig großen Ereignisvarianz aufweisen. Nicht zuletzt aus diesem Grund erweist sich die Definition konsistenter Projektionen und Szenarien als komplexe Aufgabe unter Unsicherheit. Dementsprechend weit aufgespannt ist der Szenariotrichter in Form möglicher Worst und Best Cases. Zudem ist empfundene Ambiguität immer auch eine Funktion des Professionalisierungsgrades und Kompetenzniveaus des Entscheiders. Während exzellent qualifizierte Experten selbst bei dünner Informationslage konsistente Entscheidungen treffen, sind hierzu unerfahrene Amateure nicht imstande. Beispielhaft zu nennen sind diagnose- und therapiesichere Notfallmediziner, die unter extremem Zeitdruck und bei teilweise kryptischem Informationsstand überlebenswichtige Entscheidungen treffen müssen.

    Im Ergebnis ist festzuhalten, dass deutliche Frühindikatoren und Prädiktoren auf eine steigende Markt-, Wettbewerbs- und Innovationsorientierung im Gesundheitswesen schließen lassen. Einhergehend mit Liberalisierungs-, Privatisierungs- und Globalisierungstendenzen versuchen unternehmerische Gesundheitsanbieter die systemischen Leistungsreserven unter VUKA-Bedingungen zu erschließen.

    1.2 Innovationsoptionen im Gesundheitswesen

    Die Innovationsoptionen im Gesundheitswesen sind nicht eindimensionaler Natur. Vielmehr lassen sich diese anhand einer Reihe Ordnung schaffender Innovationsvektoren verdeutlichen, die nachfolgend diskutiert werden sollen. Auf diese Weise ergibt sich ein Innovationsdashboardsystem, das die heterogenen Entscheidungsfelder und Bezugspunkte des Innovationsmanagements im Gesundheitswesen kondensiert. Im Einzelnen handelt es sich hierbei um folgende Innovationsachsen:

    (a)

    Bezugsobjekt der Innovation: Aufgrund der unscharfen Branchenabgrenzung des Gesundheitswesens und der vielschichtigen Marktkonstellationen spielen gleichermaßen Produkt-, Prozess-, Service-, Organisations- und Geschäftsmodellinnovationen eine wichtige Rolle. Typische Produktinnovationen sind Pharma- oder Geräteinnovationen bis hin zu Gimmicks and Gadgets im dritten Gesundheitsmarkt. Prozessinnovationen werden z. B. durch telemedizinische Versorgungsoptionen oder ein Case-Management repräsentiert, während Serviceinnovationen in einem hotelähnlichen Komfortambiente im Krankenhaus bestehen können. Hier wird der Patient zum Dienstleistungskunden, der konsequent 24/7-Convenience einfordert (Rasche und Braun von Reinersdorff 2015 und 2016). Frugale Innovationen, die auf eine design- und ablauforientierte Kostenoptimierung abstellen, tendieren in eine ähnliche Richtung. Organisationsinnovationen verkörpern im hier verstandenen Sinne strukturrelevante Neuerungen im Arbeitsalltag bis hin zur Work-Life-Balance oder Delegation ärztlicher Leistungen an andere Berufsgruppen. Bei Geschäftsmodellinnovationen handelt es sich dagegen um mehr oder weniger große Quantensprünge hinsichtlich der Wertschöpfungsarchitektur eines Gesundheitsanbieters. Dies könnten z. B. Franchisinggeschäftsmodelle in der ambulanten Versorgung ebenso sein wie die Transformation einer bettenführenden interdisziplinären Notaufnahme in Richtung einer Customer Convenience Clinic mit integrierter Mega-MVZ-Funktion (Hogan und Rasche 2017).

    (b)

    Ausmaß und disruptives Potenzial der Innovation: Viele der Innovationen im Gesundheitswesen sind nicht radikaler oder pfadbrechend disruptiver Natur im Sinne von Christensen et al. (2016), sondern folgen einer eher inkrementellen Logik. Wesentliche Ursachen hierfür sind das Vermeiden eines potenziellen Nutzer-/Patientenrisikos durch Innovationen sowie unternehmenspolitische Entscheidungen zugunsten einer schnellen Markteinführung von Schrittinnovationen anstelle der Zulassung eines innovativen Produkts mit hohem Ressourcenaufwand (vgl. BVMed 2019, S. 7). Ein weiterer Aspekt hinsichtlich der Existenz inkrementeller Innovationen sind die vielen Scheininnovationen in der Pharmazie oder die zahlreichen digitalen und analogen Assistenzsysteme im Rahmen einer integrierten Patientenversorgung. Auch fallen viele der Healthcare-Tracking- und Body-Hacking-Anwendungen unter diese Rubrik, wenn dem User im Rahmen der Quantified-Self-Bewegung suggeriert wird, mit Apps und Wearables seinen Gesundheitszustand unter Echtzeitbedingungen mittels Smartphones oder Smartwatches überwachen zu können. Waren diese Anwendungen in ihrer Frühphase noch radikal und revolutionär, so hat sich diesbezüglich ein etablierter Innovationsmarkt entwickelt, auf dem teilweise nur noch marginale Leistungsverbesserungen zu beobachten sind. Auch kann es sein, dass eine Gesundheitsinnovation aus Anbieter- und Technologiesicht objektiv pfadbrechend ist, ohne dass der User einen derartigen Quantensprung tatsächlich wahrnimmt. Oder umgekehrt – was viel häufiger der Fall ist – entsteht ein User-Hype um eine Innovationsbagatelle, die in sozialen Medien viral gepusht wird. Mitunter lassen sich aufgrund fließenden Übergangs keine klaren Demarkationslinien zwischen radikalen und inkrementellen Innovationen im Gesundheitswesen ziehen. Zudem können beide Innovationsformen sowohl pfadbestätigend als auch pfadbrechend sein. Hier stellt sich die Frage, ob das dominante Design im Sinne des vorherrschenden Status quo durch die Innovationsleistung entweder infrage gestellt oder aber verstärkt und bestätigt wird. Am Beispiel der Digitalisierung wird aufgrund ihrer transversalen Implikationen deutlich, dass nur im Einzelfall zu klären ist, welche Auswirkungen diese auf Subsektoren des Gesundheitswesens haben wird.

    (c)

    Impuls der Innovation: Im Sinne einer pyramidalen Unternehmensplanung wird oft ein Top-down-Innovationsimpuls unterstellt, der das Ergebnis der Research Policy einer Organisation ist. Diese entwirft einen Masterplan in Form einer prospektiven Innovationslandkarte mit politischer Leitplankenfunktion. Hierüber definiert sich dann der Innovationskorridor auf Betreiben der Geschäftsführung. So sind das Projekt der elektronischen Gesundheitskarte oder das neue Paradigma der Präzisionsmedizin eher als Masterinitiativen einzustufen, während die Innovationsmethode des Design Thinking eher versucht, basisdemokratisch inspirierte Innovationsimpulse zu generieren. Insbesondere die Generationen X und Y fordern zunehmend eine aktive Organisationsteilhabe in flachen Hierarchieräumen ein, weshalb zahlreiche postmoderne Unternehmen den Start-up-Geist des Silicon Valley zu emulieren versuchen. Typische Krankenhäuser, Krankenkassen oder kassenärztliche Vereinigungen sind derzeit allerdings noch relativ weit von offenen Innovations- und Erfinderlandschaften entfernt, weil das Tagesgeschäft notwendige Transformationsprozesse überstrahlt. Völlig anders dagegen gestaltet sich die Innovationsszene im aufstrebenden HealthTech-Bereich, der von zahlreichen Gründungsinitiativen gekennzeichnet ist. Oft anzutreffen ist auch eine Form der Gegenstromplanung, die Vorteile einer Top-down-Planung mit den Vorteilen kreativer Bottom-up-Initiativen zu verbinden versucht. Zum Ziel des Employer Branding sollten die arrivierten Institutionen im ersten Gesundheitsmarkt versuchen, verstärkt das kreative Potenzial der Digital Natives zu nutzen, um nicht nur eine attraktive Arbeitgebermarke aufzubauen, sondern auch im „Ideenreichtum der Jugend selbst eine Quelle der Wettbewerbsfähigkeit zu sehen. So kann es kaum verwundern, dass die globalen Stars der digitalen Welt teilweise von „Freaks and Nerds im Zeitraffer gegründet und zu Weltruhm gebracht worden sind, während viele der Krankenhäuser trotz einer ausgeprägten Technologie- und Therapieorientierung teilweise im Organisationsrahmen tayloristischer Manufakturbetriebe operieren (Rasche und Braun von Reinersdorff 2015 und 2016).

    (d)

    Markt- und Wettbewerbsumfeld der Innovation: Inventionen und Innovationen sind das Ergebnis exogener und endogener Systemkonstellationen. Gerade für das Gesundheitswesen werden immer wieder der rigide Marktordnungsrahmen und hohe Regulierungsgrad angeführt, die sich als externe Flaschenhälse negativ auf das unternehmerische Denken insbesondere im Kliniksektor auswirken. Einhergehend mit der Pluralisierung und Privatisierung im Kliniksektor wird schrittweise der Freiraum für unternehmerische Führung geschaffen, in der wiederum die Quelle für Innovationen, Neuerungen und Transformationsprozesse gesehen wird. Rekurrierend auf das Zwiebelschalenmodell des Gesundheitswesens, unterscheiden sich der erste, zweite und dritte Gesundheitsmarkt teilweise deutlich voneinander, was sich direkt auf die Innovationsoptionen auswirkt. Während der boomende Markt für digitale Fitness- und Gesundheitsanwendungen kaum reguliert ist, sehen sich die Akteure im ersten Gesundheitsmarkt für Akut- und Notfallversorgung mit einem teilweise stark einschränkenden Regulierungskorsett konfrontiert. Sicherlich besteht allein schon aufgrund der risikogeneigten Interventionen im ersten Gesundheitsmarkt aus Qualitätssicherungsgründen ein hoher Ordnungszwang. Jedoch ist dieser oftmals machtpolitisch induziert, weil die angestammten Akteure eine aktives Einflusssphärenmanagement praktizieren (Rasche et al. 2019). Wenn das Wesen der Innovation in der Transformation liegt, dann können die Profiteure der Stasis kein Interesse an einer solchen haben. Nicht zuletzt aus diesem Grund verzögern sich Diffusion und Adoption digitaler Innovationen in der regulierten Gesundheitswirtschaft, wie sich am Beispiel des Constraint-Managements zeigt. So müssen fortwährend technische, rechtliche, ökonomische, medizinische und soziale Flaschenhälse beseitigt werden, um aus Inventionen marktreife Innovationen und skalierbare Problemlösungen für Volumenmärkte werden zu lassen.

    (e)

    Governance-System der Innovation: Hiermit gemeint ist der organisatorische Verfassungsrahmen der Innovation, der über die Innovationsphilosophie mitentscheidet. Allein schon aufgrund der strikten Sicherheitsrestriktionen verbieten sich im Gesundheitswesen oftmals Open-Innovation-Regime, weil Letztere auf einer Vielzahl kaum kontrollierbarer Schnittstellen, Akteure und Wissensbeiträge basieren. So wird in fast allen Kliniken eine Bring-your-own-Device-Philosophie mit Blick auf systemische Sicherheitslücken kategorisch abgelehnt. Auch sind viele Universitätskliniken nicht auf offene Innovationsregime vorbereitet – zumal diese mit hohen Koordinations-, Kontroll- und Kommunikationskosten einhergehen. In der Grundlagenforschung dagegen wird verstärkt auf kooperative und interdisziplinäre Drittmittelforschung gesetzt, um von der Schwarmintelligenz multipler Akteure und Institutionen zu profitieren. Geschlossene Innovationsregime basieren dagegen auf Abschottungsstrategien zum Ziel des Wissens- und Kompetenzschutzes. Verhindert werden sollen unbeabsichtigte bzw. nicht vergütete Wissensabflüsse in Richtung nicht legitimierter Dritter. Sprichwörtlich hierfür ist das Abwehrverhalten westlicher Unternehmen gegenüber einem „erzwungenen Technologietransfer", der eine Säule der chinesischen Industrie- und Technologiepolitik darstellt. Die Patentstreitigkeiten zwischen Appel und Samsung oder die politische Debatte rund um strategische Technologieallianzen mit Huawei stehen womöglich für eine Ära sich anbahnender Handelskriege, die einen Wettlauf um die globale Innovationsführerschaft zum Gegenstand haben. Mit Blick auf den sich entwickelnden digitalen Gesundheitsmarkt sind Hybridstrategien in Erwägung zu ziehen, die auf den Vorteil halboffener Innovationsökosysteme abstellen. Einerseits verlangen Großprojekte geradezu nach Vernetzung, Kooperation und Offenheit, andererseits liegt hierin aber auch die große opportunistische Gefahr, dass Falschspieler unfaire Wettbewerbsvorteile erlangen.

    (f)

    Technologie- oder Marktpriorisierung der Innovation: Das Gesundheitswesen ist bis in die Gegenwart hinein stark von Technologie- und Therapieinnovationen geprägt. Kliniken, Pharmaunternehmen oder auch Medizingerätehersteller bewegen sich zumeist auf B2B-Märkten ohne direkten Zugang zum Endkunden. Zwar erbringen Kliniken Leistungen für Patienten, doch werden diese meistens durch Kostenträger vergütet. Bisweilen wird versucht, Innovationen in den Markt hineinzuschieben, ohne dass Marktsegmente, Bedarfe und Nutzenerwartungen ausreichend analysiert worden sind, wie sich am Beispiel der Technologievergoldung zeigt. In dieser Konstellation befinden Experten über Bedürfnisse auf Basis von Projektionen, Prämissen und Prognosen. Zwar lassen sich auf diese Weise bahnbrechende MINT-Innovationen lancieren, doch besteht immer auch die Gefahr grandioser Flops aufgrund unzureichender Markt- und Kundenkenntnis. Für embryonale Innovationen im Patentstadium ist zudem oftmals keine präzise Zielmarktdefinition möglich, was die Beurteilung der ökonomischen Erfolgsaussichten erschwert. Marktinduzierte Innovationen dagegen lassen sich oftmals im dritten Gesundheitsmarkt finden, der für die LOHAS-Zielgruppen (Lifestyle of Health and Sustainability) von besonderem Interesse ist. Hierbei handelt es sich um sport- und gesundheitsorientierte Endkunden mit einem Faible für Produkte und Dienstleistungen, die zu einem spezifischen Healthstyle-Muster passen. Sportartikel, Fitness-Apps oder innovative Studiogeschäftsmodelle weisen oft den Charakter marktinduzierter Innovationen auf, weil der Kunde für derartige Leistungen über eine hohe Urteilsfähigkeit verfügt. Das sogenannte User-driven-Design entspricht dabei der Logik des Lead-Customer-Ansatzes, der den Kunden zum Impulsgeber und Co-Value-Creator macht. Markt- und Technologieprioritäten sollten sich in einer Balance befinden, die sich z. B. durch ein Schnittstellenmanagement, eine größere Prozessorientierung oder ein interprofessionelles Design Thinking erreichen lässt.

    (g)

    Digitales Plattformpotenzial der Innovation: Der Aufstieg der sozialen Medien basiert entscheidend auf Plattformgeschäftsmodellen (Van Alstyne et al. 2016), die in ihrer Funktion als digitale Marktplätze Angebot und Nachfrage bei geringen Transaktionskosten synchronisieren und selbst marginale Grenzkosten bei gleichzeitig signifikanten Skaleneffekten aufweisen (Choudary 2015; Pflaum und Klötzer 2019). Bedurfte es früher hierarchischer Instanzen der kommunikativen Brückenbildung qua Dienstweg, Telefonat oder Briefpost, so lassen sich heutzutage vergleichsweise einfach Many-2-many-Kommunikationswege unter der Ägide eines Plattformbetreibers realisieren. Dabei ist ein reger Datenaustausch über unterschiedliche Plattformen oft gewünscht bis hin zu multiplen Datenzugriffsrechten, die Google, Facebook, Instagram, Snapchat oder Messenger bei ihren Nutzern aggressiv einfordern. Repräsentieren diese eher allgemeine Kommunikationsplattformen, die sowohl von Endkunden als auch von Institutionen genutzt werden, so etablieren sich zunehmend Special-Purpose-Plattformen. Hierzu zählen auch Gesundheitsplattformen, über die ein Daten- und Informationsaustausch der heterogenen Akteure im Gesundheitswesen unterstützt wird. Derartige Multistakeholderplattformen bedürfen allerdings einer ausdifferenzierten Sicherheitsarchitektur, sofern darüber prospektiv sensible Patientendaten transferiert werden sollen. Trotzdem darf ein Vormarsch innovativer Plattformen im Gesundheitswesen erwartet werden, weil diese ein enormes Versorgungspotenzial in der digitalen Gesellschaft bieten. Die oft monierten Daten-, System- und Versorgungsbrüche ließen sich auf diese Weise auf ein Minimum reduzieren, sofern digitale Plattformlösungen das Vertrauen aller involvierten Anspruchsgruppen erhalten. Psychologische und juristische Akzeptanzbarrieren stellen damit die viel größere Hürde als die eigentliche Systemimplementierung dar.

    Die hier diskutierten Entscheidungstatbestände und Gestaltungsfelder des Innovationsmanagements im Gesundheitswesen sollten nicht isoliert betrachtet werden, sondern Komponenten eines holistischen Bezugsrahmens sein, um Insellösungen zu vermeiden.

    1.3 4-D-Management der Innovation

    Das 4-D-Management der Innovation im Gesundheitswesen steht für Digitalisierung, Datenanalytik, Disruption und Diskontinuität, wodurch für die etablierten Akteure ein hoher Anpassungsdruck entsteht. So sollte nicht ausschließlich auf resilient-robuste Geschäftsmodelle vertraut werden, weil sich nicht jede Veränderung negieren, aussitzen oder mit Finanzressourcen abwiegeln lässt. Vielmehr sollte mittels agiler Innovationsorientierung versucht werden, die vier D zum Aufbau eigener Wettbewerbsvorteile zu nutzen.

    1.3.1 Digitalisierung im Gesundheitswesen

    Gegenwärtig stellt sich nicht mehr die Frage, ob die Digitalisierung im Gesundheitswesen eine erfolgskritische Rolle spielt, sondern wie, wann, wo und in welcher Intensität diese ihre Effekte im ersten, zweiten und dritten Gesundheitsmarkt zeigt. Allerdings unterscheiden sich die unterschiedlichen Player deutlich hinsichtlich des Reifegrads, der Progression und der Professionalisierung der Digitalisierung. Diese bewegt sich auf einem Kontinuum, das sich von papierlosen Verwaltungsdokumenten und einfachen Krankenhausinformationssystemen über elektronische Patientenakten bis hin zu künstlich-intelligenten Medbots erstreckt. Letztere stellen entweder adjuvante oder sogar arztersetzende Problemlösungen dar, die die Vision der Präzisionsmedizin realisieren helfen sollen. Einhergehend mit telemedizinischen Flächenversorgungsoptionen, Patienten-Apps oder Onlinerezepten entstehen individualisierte, personalisierte und lokalisierte Datenströme, die in konsolidierter Form für sektorenübergreifende Managed-Care-Lösungen von großer Relevanz sind. So bleibt abzuwarten, ob in den nächsten Jahren die Sektorengrenzen fallen werden und vertikal wie horizontal vernetzte Healthcare Provider entstehen, die aus einer Hand Klinik-, Kassen- und Kundenbetreuungsfunktionen über alle Sektorengrenzen hinweg übernehmen. Voraussetzung hierfür sind neben professionellen ICT-Kapazitäten (ICT, engl. „information and communications technology") ein diesbezüglich begünstigender Marktordnungsrahmen und Geschäftsmodellinnovationen, die die Kompetenzen des (digitalen) Patienten stärken und ihm Wahloptionen hinsichtlich Komfort, Convenience sowie Arzt- und Therapiewahl bieten (Rasche et al. 2018).

    1.3.2 Datenanalytik im Gesundheitswesen

    Das Handling großer Datenmengen, deren Transformation in nutzenbringende Informationen für Patienten, Ärzte, Kostenträger, Kliniken und Unternehmen im Sinne einer individualisierbaren Datenanalytik sowie als Basis für algorithmisches Entscheidungsverhalten bis hin zu maschinellem Lernen in Anwendungen mit künstlicher Intelligenz (Abk. KI) haben begonnen das Gesundheitswesen in Teilbereichen zu revolutionieren, wie z. B. in der Bildverarbeitung (Hufnagl et al. 2018). Die Tatsache, dass sich die Giganten des datengetriebenen ICT-Sektors verstärkt auf die Gesundheitswirtschaft fokussieren, ist ein Indikator für das große Potenzial hinsichtlich Innovationen und Effizienzsteigerung durch Data-Analytics-Methoden. Zwar waren die Institutionen des Gesundheitswesens in ihrer Funktion als Expertenorganisationen schon immer sehr datenfokussiert, doch entsteht durch die Synthese aus Daten und Analytik eine neue Wertschöpfungsdimension. Große Datenmengen lassen sich nunmehr bei vergleichsweise geringen Transformationskosten unter Echtzeitbedingungen erheben, veredeln und entscheidungsorientiert entsprechend den jeweiligen Nutzerpräferenzen zum Aufbau substanzieller Wettbewerbsvorteile nutzen. Zum einen arrondiert die Datenanalytik die klassischen Wertschöpfungsarchitekturen der bestehenden Anbieter, indem Krankenhäuser und Krankenkassen auf Basis feingranularer Daten effiziente Mikroentscheidungen fällen können, die in der analogen Welt schlichtweg zu teuer wären. Zum anderen aber besteht die Gefahr, dass sich die Datenanalytik zu einem eigenständigen und emanzipierten Geschäftsmodell innerhalb der Gesundheitswirtschaft entwickelt. In der extremsten Variante werden menschliche Routineentscheidungen durch Medbots ergänzt oder ersetzt, die über die Fähigkeit zur effizienten Großdatenanalyse verfügen. Zu denken ist hierbei nur an typische Data-Matching-Jobs, wenn individuelle Patientendaten mit einer Megapopulation verglichen werden sollen, um den jeweils optimalen Therapiepfad bestimmen zu können. Zudem entsteht im Zuge der Quantified-Self-Bewegung im ersten, zweiten und dritten Gesundheitsmarkt User Generated Content in Form selbsterhobener, freigegebener und transferierter Daten, die analog zu Facebook, Instagram oder Twitter den eigentlichen Wert eines Geschäftsmodells ausmachen. Die simple Logik: Post or Perish! Daher unterstützen wir zum jetzigen Zeitpunkt den Ansatz der Augmented Intelligence (Kirste 2019) im Sinne einer erweiterten menschlichen Intelligenz als Komponente von Gesundheitsanwendungen. Hierbei wird beispielsweise in kooperativer Zusammenarbeit unter Führung von Patienten bzw. Ärzten mit einem KI-basierten Service eine individuelle, effiziente Therapie ermöglicht und Entwicklern die Chance eröffnet, neue Algorithmen auf Basis des entstehenden Datenpools zu trainieren.

    1.3.3 Diskontinuitäten im Gesundheitswesen

    War in der Vergangenheit die Gesundheitswirtschaft eher von schleichenden Diskontinuitäten betroffen, so müssen für den zweiten und dritten Gesundheitsmarkt verstärkt abrupte Diskontinuitäten konstatiert werden, die ihre Ursache in digitalen Geschäftsmodellinnovationen haben. Zum einen besteht für die etablierten Anbieter die Möglichkeit, eine Markterschütterung durch Innovation zu bewirken, wenngleich diese zumeist pfadbestätigenden Charakter haben wird. Zu groß ist die Gefahr, ein erfolgsbewährtes und beherrschbares durch ein fragil juveniles Geschäftsmodell zu ersetzen. Zum anderen drängen zunehmend branchenfremde Akteure in den zweiten und dritten Gesundheitsmarkt ein, um von den Freiheitsgraden einer schwächeren Regulierung unternehmerisch zu profitieren. Exemplarisch hierfür stehen die inflationär aufkommenden Healthcare-Apps, die allein schon aus Haftungsgründen nicht als potenziell erstattungsfähige Medizinprodukte lanciert werden. Es bleibt abzuwarten, wie lange es dauern wird, bis auch der erste Gesundheitsmarkt von radikalen Geschäftssysteminnovationen heimgesucht wird, die keinen Komplementär-, sondern Substitutionscharakter haben. Vordergründig zu denken ist hierbei weniger an revolutionäre Therapien, Technologien oder Pflegeinnovationen, sondern an holistische Versorgungsinnovationen mit systemüberbrückendem Charakter und hohem Digitalisierungsimpact.

    1.3.4 Disruption im Gesundheitswesen

    Hiermit gemeint sind tektonische Verschiebungen in der Versorgungslandschaft, die mit neuartigen Leistungsversprechen, Problemlösungen und Wertschöpfungsarchitekturen einhergehen. Zwar können durch radikale Therapie- und Technologieinnovationen punktuelle Verwerfungen bewirkt werden, doch werden weder durch Da-Vinci-OP-Assistenzsysteme noch durch eine personalisierte Präzisionsmedizin die Grundfesten der Gesundheitswirtschaft substanziell zerstört. Vielmehr handelt es sich hierbei um punktuell radikale Paradigmenwechsel von großer Tragweite, die aber innerhalb der bestehenden Geschäftssystemordnung für Transformation sorgen können. Architekturale Innovationen verändern dagegen die Genetik des Geschäftsmodells auf inkrementelle oder radikale Weise – je nachdem, wie stark der Bauplan der Wertschöpfungs- und Strategiearchitektur verändert wird. Während Wertschöpfungsarchitekturinnovationen auf eine mehr oder weniger substanzielle Transformation der Leistungs-, Leitungs- und operativen Systemlandschaft abstellen, verfolgen Strategieinnovationen philosophisch normative Ambitionen der Neudefinition des Geschäftszwecks einer Gesundheitsorganisation. Was auf den ersten Blick relativ banal anmutet, impliziert immer auch einen Visionswechsel. Wie bereits angesprochen, verändern digital und horizontal vernetzte Gesundheitskonzerne einer ambulant-stationären Drehscheibenversorgung samt Kostenträgerfunktion und multiplen Convenience-Optionen die Art und Qualität des Leistungsangebots. Die Patienten kommen als Äquivalent für den freiwilligen Datenaustausch über spezifische Plattformen in den Genuss einer privilegierten, individualisierten und präferenzorientieren Hochleistungsversorgung ohne System- und Kommunikationsbrüche.

    1.3.5 Funktionen von Geschäftsmodellinnovationen im Gesundheitswesen

    Die vier D des Innovationsmanagements bewirken im Gesundheitswesen deshalb substanzielle Veränderungen, weil dieses in weiten Teilen über erhebliche Leistungs-, Führungs- und Managementreserven verfügt. Zwar kommen auf operativen Wertschöpfungsinseln innovative Technologien und Therapien zum Einsatz, doch bieten Geschäftsmodellinnovationen womöglich die größte Hebelwirkung. Die Idee des morphologischen Kastens (Schawel und Billing 2018) aufgreifend sollen im Folgenden Geschäftsmodellinnovationen im Gesundheitswesen analysiert und diskutiert werden. Diese sind oftmals durch ein Höchstmaß an Digitalisierung, Datenanalytik, Diskontinuität und Disruption gekennzeichnet. Im Gegensatz zu vielen Produkt- und Prozessinnovationen besteht das Wesen vieler Geschäftsmodellinnovation in ihrer architekturalen Integrationsfunktion. Dadurch verändert sich das Gesamtbild einer Wettbewerbsvorteils- und Wertschöpfungslogik, werden doch die einzelnen Subsysteme einer dominanten Ordnung grundlegend infrage gestellt. Im hier verstandenen Sinne erfüllen Geschäftsmodellinnovationen im Gesundheitswesen folgende Funktionen:

    (a)

    Digitale Plattformfunktion: Hier ist vor allem an Multiagentenportale im Gesundheitswesen zu denken, die in B2B-, B2C- und C2C-Konstellationen diverse Akteure und Institutionen des ersten, zweiten und dritten Gesundheitsmarkts zusammenführen. Leistungserbringer, Kostenträger, Leistungsempfänger sowie marktarrondierende Medizintechnik- und Pharmaunternehmen bis hin zu peripheren Gesundheitsinstitutionen haben die Möglichkeit einer qualitätsgesicherten und konsolidierten Kommunikation und facettenreichen Dialogführung in einem professionellen Expertenkontext.

    (b)

    Schnittstellenfunktion: Plattformen helfen, Schnittstellen zu überbrücken, die im Gesundheitswesen zu den oft monierten Kommunikations- und Leistungsbrüchen führen. Die Idee elektronischer Fall- oder Patientenakten korrespondiert mit dem Hauptziel einer verzögerungsfreien, reibungslosen und hocheffizienten Leistungserbringung zum Wohl des Patienten, der nicht länger zum Opfer eines unkoordinierten Instanzen- und Institutionengeflechts werden soll. Funktionierende Schnittstellen sind zudem eine Grundvoraussetzung für die Nutzung künstlich-intelligenter Expertensysteme in der Versorgungskette, damit nicht nur die Mensch-Maschine-, sondern auch die Maschine-Maschine-Entscheidungsfindung funktioniert.

    (c)

    Integrationsfunktion: Eine Schlüsselfunktion sozialer Medien besteht in ihrer ubiquitären Integrationsfunktion. In der Gesundheitswirtschaft wird es künftig darum gehen, sehr heterogen qualifizierte Akteure zum Gegenstand einer holistischen Wertschöpfungsarchitektur werden zu lassen. Dies betrifft insbesondere die Integration unterschiedlicher Kompetenzstufen und Anspruchsniveaus, wenn z. B. gleichermaßen Gesundheitsamateure und professionelle Anbieter das Wesen integrierter Versorgungslandschaften ausmachen sollen, die inkludieren, anstatt zu diskriminieren. So müssen Plattformmigrationshilfen für gering qualifizierte Akteure zur Verfügung gestellt werden, um nicht den Eindruck einer „Bestenauslese" entstehen zu lassen, die im solidarischen Gesundheitswesen zu ethischen Verwerfungen führen würde.

    (d)

    Kommunikationsfunktion: Die Foren- und Chatfunktion spielt in Gesundheitsnetzwerken eine entscheidende Rolle, weil das Medienverhalten in digitalen Sozialräumen fast alle menschlichen Lebenslagen indoktriniert. Die Zielgruppe der Digital Natives fordert schon heute mit großer Vehemenz ein Mehr an personalisierter, individualisierter und lokalisierter Echtzeitinformation ein. Leider wird diesem Bedürfnis im Gesundheitswesen aus vielerlei Gründen nur sehr eingeschränkt entsprochen. Trotz aller datenschutzrechtlichen Bedenken sollte der Vormarsch digitaler Kommunikationsinnovationen im Gesundheitswesen nicht aufgehalten werden, um im direkten Vergleich zum US-amerikanischen bzw. asiatischen Ausland den Abstand nicht noch größer werden zu lassen.

    (e)

    Marktplatzfunktion: Die transaktionskostenarme Synchronisation von Angebot und Nachfrage bei bewertungs- und verhaltensunsicheren Vertrauensgütern kann durch innovative Gesundheitsmarktplätze erleichtert werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings die Etablierung einer Qualitätssicherungsinstanz, um keine „grauen Gesundheitsmärkte samt unseriösen Akteuren entstehen zu lassen. Abgestufte „Sicherheitsvorkehrungen sind mit Blick auf die diversen Gesundheitsmärkte zu treffen, weil ein medizinisch notwendiger Eingriff anders zu bewerten ist als ein Wellnessprogramm oder der Bezug fitnesssteigernder Nahrungsergänzungsmittel. Letztlich darf aber auch der dritte Gesundheitsmarkt nicht zu einem Tummelplatz für Scharlatane werden, weil diese die Reputation des Gesamtmarktkollektivs schädigen.

    (f)

    Transaktionsfunktion: Die papierlose Leistungsabrechnung und Transaktionsdurchführung werden im Gesundheitswesen oft moniert. An dieser Stelle stellt sich die Frage nach professionellen Mobile-Health-Lösungen, um Leistungs- und Zahlungsströme in einem professionell bequemen Serviceambiente abwickeln zu können. Innovative Plattformlösungen bieten zudem die Optionen des Up-Sellings und Cross-Sellings, weil sich Ergänzungs- und Zusatzleistungen einfach und transparent abwickeln lassen.

    (g)

    Servicefunktion: Oftmals hat der Gesundheitskunde ein genuines Interesse an integrierten Serviceleistungen, die aus seiner Sicht zu einer signifikanten Reduktion der Leistungskosten führen. Unter dem Schlagwort der Convenience lassen sich Nutzenversprechen subsumieren, die für den Kunden die Leistungsinanspruchnahme und -abwicklung so angenehm wie möglich machen. One-Stop-Shopping-Geschäftsmodelle sind sicherlich für viele Gesundheitskunden und Patienten von hoher Relevanz, weil die gesamte Versorgungskette durch eine professionelle Clearingstelle koordiniert wird.

    (h)

    Leistungsfunktion: Gesundheitsdienstleistungen werden künftig nicht nur orts- und zeitungebunden im Rahmen konventioneller Geschäftsmodelle angeboten, weil eine distanzierte Leistungserbringung qua Telemedizin eine sinnvolle Alternative sein kann. Ebenso lässt sich die Medizinerexpertise durch künstlich-intelligente Assistenzsysteme verbessern, sofern eine ausreichendgroße Datenbasis für eine Analytics-Zweitmeinung zur Verfügung steht. Gleiches gilt für Patienten, die künftig in Apps und Bots mit Medizinproduktcharakter womöglich interessante Rettungsanker für den Fall einer Nichtarzterreichbarkeit sehen.

    (i)

    Daten- und Informationsveredelungsfunktion: Viele innovative Geschäftsmodelle werden sich künftig der Entscheidungsveredelung widmen, wenn Daten und Informationen die Basis für marktrelevante Problemlösungen rund um die Gesundheit bilden. Das TTTPPP-Paradigma verdeutlicht, dass Tracing, Tracking, Tapping, Profiling, Prediction und Profit die Grundbausteine vieler digitaler Geschäftsmodelle darstellen. Ausdifferenzierte Medizin- und Gesundheitsinformationen sind dabei Segen und Fluch, weil sie zum Wohl des Patienten oder zum Wohl der Gewinnmaximierung eingesetzt werden können (Rasche 2013; Rasche et al. 2017).

    (j)

    Lenkungs- und Koordinationsfunktion: Hierin kann auch eine wesentliche Innovationsleistung bestehen, geht es doch oftmals oft um die Koordination heterogener Anspruchsgruppen, Bedarfe, Ressourcen und Kompetenzfelder, die auf eine übergeordnete Zielfunktion hin auszurichten sind. Der Vorteil vertikal und horizontal vernetzter Gesundheitskonzerne besteht in der Disposition knapper Ressourcen bei gleichzeitig hohen Ansprüchen unter Engpassbedingungen. So können z. B. OP-Dispositions-Apps dazu beitragen, die für die Durchführung einer komplexen Operation erforderlichen Ressourcen wertschöpfungsoptimal zu disponieren. Auf diese Weise werden potenzielle Ressourcenvergeudungen im Sinne von Überqualifikationen ebenso vermieden wie Überforderungssituationen.

    Die oben diskutierten Funktionen innovativer Gesundheitsgeschäftsmodelle werden in der Innovationsmorphologie kondensiert, die einen Bezugsrahmen für deren Beschreibung darstellt.

    1.4 Innovationsmorphologie der Gesundheitsgeschäftsmodelle

    Die entwickelte Innovationsmorphologie umfasst insgesamt sieben Stufen die im Grunde der P2P-Logik folgt. Diese steht für einen Proposal-to-Profit-Ansatz, der mit einer Konzeptidee startet und dann über die Stufen Patentierung, Prototypenentwicklung, Produkt, Produktion final den Profit ins Visier nimmt. Wichtig dabei ist der Transformationsprozess von einer anfangs abstrakten Nutzenphilosophie hin zur Nutzenkapitalisierung. So interessieren sich Investoren nicht nur für die Nutzenphilosophie im Sinne strategischer Erfolgspositionen im Markt, sondern auch für deren Monetarisierung.

    (a)

    Nutzenphilosophie: Gesundheitsgeschäftsmodelle sollten von einer Vision inspiriert sein, aus der das innovative Leistungsversprechen deutlich hervorgeht. So stellt sich zwangsläufig die Frage nach dem Problemlösungspotenzial bzw. dem Fortschrittspotenzial gegenüber dem Status quo. Mitunter beinhaltet die Nutzenphilosophie auch eine ethisch-normative Komponente, wenn z. B. gemeinwohlorientierte oder nachhaltige Organisationsziele verfolgt werden sollen. Zudem sollte der Nutzen für die unterschiedlichen Anspruchsgruppen spezifiziert werden, um deren Wohlwollen und Zahlungsbereitschaft zu erwirken.

    (b)

    Nutzentstrategie: Hier geht es konkret um den Aufbau und die Verteidigung substanzieller Wettbewerbsvorteile, die Ergebnis wichtiger, wahrgenommener und nachhaltiger Alleinstellungsmerkmale sind. Gesundheitsinnovationen sollten immer über einen spürbaren Nutzenvorteil gegenüber dem Status entlang einer oder mehrerer Erfolgsfaktoren verfügen. Zumeist wird dabei in stark aggregierter Form auf die Erzielung eines überlegenen Preis-Leistungs-Verhältnisses abgestellt, wobei sich die Leistung über Qualitäts-, Zeit-, Service- oder Technologiedifferenzierung definieren kann. Umgekehrt implizieren Preisvorteile fast immer auch Kosten- und Effizienzvorteile.

    (c)

    Nutzenangebot: Das Nutzenangebot ist zweiseitig zu interpretieren, weil dieses immer eine Anbieter- und Nachfragersicht beinhaltet. Im günstigsten Fall liegt eine Win-win-Situation vor, in deren Rahmen beide Parteien von einem Angebot profitieren. Zudem ist nach der Nutzenbreite und Nutzentiefe zu unterscheiden. Während die Da-Vinci-Operationseinheit über eine vergleichsweise hohe Nutzentiefe im Sinne eines Leistungsvorsprungs auf einem eng definierten Gebiet verfügt (Urologie, Gynäkologie), bieten Gesundheitsportale den Vorteil einer relativ hohen Nutzenbreite. Der Nutzen muss nicht immer radikal und neuartig sein, sondern kann auch in operativen Effizienz- und Kostenvorteilen bestehen.

    (d)

    Nutzenkommunikation: Im digitalen Zeitalter besteht für die Akteure die Option zur Omnikommunikation, weil sie Zugriff auf ein Portfolio differenzierter Online- und Offlinekommunikationskanäle haben, die sie zu einem integrierten Strategiekonzept der Zielgruppenansprache verdichten können. So lassen sich z. B. Patienten personalisiert, individualisiert und auch lokalisiert adressieren, um die Streuverluste der Kommunikation zu minimieren. Soziale Gesundheitsnetze bieten zudem den Vorteil einer Many-to-many-Kommunikation, wodurch virale Marketingformen unterstützt werden. Auch kann von Netzeffekten ebenso profitiert werden wie von interaktiven App-Lösungen in ihren unterschiedlichen Spielarten, die Informationsaustausch deutlich erleichtern.

    (e)

    Nutzenerzeugung: Hierbei handelt es sich um das Produktionssystem eines Geschäftsmodells, das Ressourcen, Prozesse, Eigentums- und Verfügungsrechte sowie Kooperationspartner oder auch Preismechanismen und Leistungstiefenfragen zum Gegenstand hat. Im Zuge der Sharing Economy stellt sich zwangsläufig die Frage nach der vertikalen und horizontalen Integrationstiefe eines Geschäftsmodells, weil ein innovatives Element auch in seiner Virtualität bestehen kann, indem eine Vielzahl externer Leistungen zu einem attraktiven Leistungsbündel aggregiert wird. Dieser Logik entsprechen viele Plattformgeschäftsmodelle in ihrer Funktion als Transaktions-, Service- und Mehrwertunterstützer im Dienst gesundheitsinvolvierter Akteure.

    (f)

    Nutzenbereitstellung: Nutzenadressaten können Endkunden und Geschäftskunden im Rahmen von B2C-, B2B-, C2B- und C2C-Konstellationen sein, wobei die Nutzenbereitstellung sofort, innerhalb eines definierten Zeitfensters oder auch zeitversetzt erfolgen kann. Für den Fall digitaler Gesundheitsdienstleistungen kann sofort ein globaler Marktauftritt in Erwägung gezogen werden, weil keine physische Infrastruktur erforderlich ist und es sich hierbei um sehr leichtgewichtige Geschäftsmodelle handelt. Die Nutzenbreitstellung lässt sich sowohl anbieter- als auch nachfrageseitig initiieren – je nachdem, wann, wo und wie eine Leistung zur Verfügung gestellt werden soll.

    (g)

    Nutzenkapitalisierung: Schließlich besteht das Wesen einer jeden Innovation in ihrer erfolgreichen Vermarktung, um nicht im Zustand der Invention zu verharren. Die Kosten- und Preismodellierung hat entscheidenden Einfluss auf die Gewinnchancen. So ist zu analysieren, ob schnell Marktanteile durch eine Preis-/Mengenstrategie aufgebaut werden sollen, über die sich weitere Skalen- und Erfahrungskurveneffekte ergeben können, oder eine Abschöpfungspreisstrategie in Erwägung gezogen wird. Auch sind Formen einer asymmetrischen Preisgestaltung der Anbieter- und Konsumentenseite bei mehrseitigen Geschäftsmodellen realisierbar, um z. B. das sog. „Henne-Ei-Problem" bei digitalen Plattformen (Caillaud und Jullien 2003, S. 310) durch das Sponsoring einer Marktseite zu lösen und so die kritische Masse zu erreichen. Ferner sind eine Leistungsbündelung und Fremium-Strategien denkbar. Bei diesen wird eine freie Einstiegsvariante und eine entgeltpflichtige Premiumvariante angeboten, wobei das Ziel eines Up-Sellings verfolgt wird und die Basisvariante oftmals eine Köderfunktion hat.

    In Abb. 1.1 ist die Beziehung zwischen Nutzenkaskade und Nutzenoptionen als Matrixübersicht zusammenfassend dargestellt.

    ../images/484376_1_De_1_Chapter/484376_1_De_1_Fig1_HTML.png

    Abb. 1.1

    Nutzenkaskade und Nutzenoptionen. (Quelle: eigene Darstellung)

    Geschäftsmodellinnovationen im Gesundheitswesen bedürfen einer konsistenten Führung und Steuerung. Das Modell der Nutzenkaskade und Nutzenoptionen veranschaulicht den dornigen Weg vom Proposal zum Profit (P2P), wobei mit der Migration, Transformation, Substitution und Disruption vier Wege zur Verfügung stehen, um mit Innovationen im Gesundheitswesen zu „punkten".

    Differenziert wird dabei zwischen pfadbrechenden und pfadbestätigenden Innovationen, die entweder inkrementell oder radikal in Erscheinung treten können. Auf diese Weise lässt sich eine Vierfeldermatrix ableiten, wie sie durch Abb. 1.2 repräsentiert wird.

    ../images/484376_1_De_1_Chapter/484376_1_De_1_Fig2_HTML.png

    Abb. 1.2

    Pfadverhalten und Novationsgrad von Innovationen. (Quelle: eigene Darstellung)

    (a)

    Migration: Streng genommen handelt es sich hierbei um keine genuinen Innovationen, sondern nur um marginale Leistungs- und Geschäftsmodellverbesserungen, die das dominante Branchenparadigma bestätigen. Oftmals fordern Patienten oder institutionelle Kunden vom Anbieter Optimierungen ein, die dann zu einer Arrondierung des Status quo führen, ohne diesen zu gefährden. Typische Beispiele hierfür sind Gimmicks and Gadgets mit kundeninduziertem Charakter.

    (b)

    Transformation: Im Gegensatz zur Migration soll dann von Transformation gesprochen werden, wenn zwar das dominante Branchenparadigma als strategischer Pfad bestätigt wird, aber ein relativer Quantensprung zum Status quo erzielt wird. Weder OP-Roboter noch die Precision Medicine stellen die Grundprämissen der medizinisch-therapeutischen Versorgungskette grundlegend infrage. Jedoch lässt sich ein innerparadigmatischer Sprung ausmachen, wie viele medizinische Leuchtturmprojekte verdeutlichen.

    (c)

    Substitution: Schrittweise und schleichend werden in dieser Konstellation bestehende Geschäftsmodelle, Therapieansätze, Medikationen oder Behandlungsleitfäden durch bessere Alternativen ersetzt. Das bislang dominante Branchenparadigma wird sukzessive infrage gestellt und mit Blick auf seine künftige Validität kritisch beurteilt. Das eigentliche Gefährdungspotenzial besteht im Verpassen und Verschlafen schwacher Marktsignale, die dann von Chancen zu Bedrohungen mutieren.

    (d)

    Disruption: Diese Form der Innovation korrespondiert mit einem Prozess der kreativen Zerstörung der etablierten Ordnung. Das Rule Breaking impliziert die bewusste und geplante Obsoleszenz des dominanten Strategiepfads der Platzhirsche einer Branche. Bislang branchenfremde Spieler mit ausgeprägtem ICT-Fokus könnten perspektivisch das Tandem aus Daten und Digitalisierung als Absprungbasis für die Erzielung disruptiver Wettbewerbsvorteile in der bislang massenträgen Gesundheitswirtschaft bilden. Der Pfadbruch ist hierbei gleichbedeutend mit einem Systembruch und einem Bruch mit den Regeln, Usancen und Traditionen einer Branche, die aus den Angeln gehoben werden soll.

    Die hier entwickelte MTSD-Logik (Migration, Transformation, Substitution, Disruption) ist als strukturierender Ordnungsrahmen mit fließenden Übergängen zu verstehen, um die Innovation als konstante Größe im Gesundheitswesen zu verankern. Mit Blick auf die eigenen Kernkompetenzen und Pfadabhängigkeiten ist individuell zu entscheiden, welche Innovationsform in welcher Situation zu welchem Zeitpunkt das größte Vorteilspotenzial bietet.

    1.5 Schlussbetrachtung

    Abschließend sollen die drei diskutierten Akronyme VUKA (Volatibilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität), DDDD (Digitalisierung, Datenanalytik, Diskontinuität, Disruption/Gesundheitswesen) und MTSD (Migration, Transformation, Substitution, Disruption/Strategiepfad) im Kontext der Gesundheitswirtschaft zusammengeführt werden (s. Abb. 1.1). Zwar lassen sich die sich daraus ergebenden Implikationen auch auf andere Branchen übertragen, doch erzeugen diese drei Veränderungstreiber einen hohen Innovationsdruck in der Gesundheitswirtschaft. Dies gilt umso mehr für sich anbahnende Plattformgeschäftsmodelle und architekturale Wertschöpfungsinnovationen. Mehr denn je stellt sich analog zu anderen Branchen nicht mehr die Frage nach isolierten Innovationspotenzialen auf der Ebene unverbundener Leistungsinseln, sondern nach kreativen Formen einer digital unterstützten Wertschöpfungslandschaft, in die heterogene Akteure und Institutionen des ersten, zweiten und dritten Gesundheitsmarkts eingebunden sind (Abb. 1.3).

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    Abb. 1.3

    Gesundheitswirtschaft im Umbruch. (Quelle: eigene Darstellung)

    Deutlich wird, dass sich die Gesundheitswirtschaft im Umbruch befindet, wenn durch Innovationen die Wettbewerbsspielregeln verändern werden. Während pfadbrechend radikale Innovationen oftmals von branchenfremden Akteuren initiiert werden, konzentrieren sich viele der arrivierten Institutionen auf eine Absicherung ihrer Hochburgen und Kompetenzbastionen. Eine solche kann auf radikalem oder inkrementellem Weg erfolgen, solange dadurch die bestehende Versorgungsordnung nicht nur erhalten, sondern weiterentwickelt und optimiert wird. Nicht zuletzt aus diesem Grund wird oftmals ein Political-Impact-Management (PIM) praktiziert, um die eigenen Einflusszonen durch Interventionen in das Nichtmarktsystem zu schützen (Rasche et al. 2019). Allerdings kann es sich hierbei längerfristig nur um Abwehrschlachten im Gesundheitswesen handeln, weil sich innovative Pfadbrecher ihren Weg bahnen werden. Vielmehr sollten die etablierten und pfadabhängigen Anbieter offensive Optionen in Erwägung ziehen, wie sich offensive Wettbewerbsvorteile jenseits einer schleppenden Migration der alten Ordnung durch Transformation, Substitution und Disruption aufbauen und verteidigen lassen. Dies setzt allerdings ein Denken und Lenken über die Branchengrenzen voraus, was die Einleitung organisatorischer Innovationen voraussetzt. Diese beinhalten den Mut zur Systemöffnung, Vernetzung und Sektorenüberbrückung bis hin zur Implementierung neuer Versorgungsarchitekturen.

    Ein solches Modell für ein digitales, mehrseitiges Geschäftsmodell (Plattform) skizziert der in Abb. 1.4 abgebildete morphologische Kasten der Wert- und Nutzenerzeugung im Gesundheitswesen. Er bildet eine Adaption des Modells nach Täuscher et al. (2017, S. 201) als leitfadenähnliche Perspektive zur Gestaltung einer plattformökonomischen Betrachtung von Digital-Health-Services. Dieser stellt gleichsam ein verdichtetes Entscheidungssystem zur Ableitung innovativer Versorgungsformen dar. Das hier entwickelte System ist im Sinne der Open-Innovation-Idee als multianschlussfähig zu interpretieren, um nicht den Eindruck eines finalen Optionenbaukastens zu erwecken. So lassen sich damit einerseits bestehende Versorgungsformen analysieren und andererseits neue Versorgungsmodelle auf analytischem Weg ableiten. Das morphologische Modell zur Generierung innovativer, digitaler Plattformgesundheitsgeschäftsmodelle dient als integrativer Bezugsrahmen zur Einbeziehung multipler Entscheidungsparameter bei Definition und Ableitung optionaler Innovationspfade, die von inkrementell bis radikal und von pfadbestätigend bis pfadbrechend reichen können.

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    Abb. 1.4

    Morphologisches Modell zur Generierung innovativer Gesundheitsgeschäftsmodelle. (Quelle: in Anlehnung an Täuscher et al. 2017, S. 201)

    Im ersten Schritt werden die strategischen Optionen des Plattformökosystems festgelegt. Dies umfasst die Aspekte der generellen Marktkonstellation, z. B. Business-to-Consumer oder Business-to-Business, und die Entscheidung des Kernfokus bzw. zur Ausrichtung der Plattform, z. B. als transaktionszentrierter Marktplatz oder als datenzentrierte Serviceplattform (von Engelhardt et al. 2017). Damit verbunden ist die Fragestellung der Zielsetzung des Vorhabens, wie z. B. eine wesentliche Steigerung der Transaktionen.

    Im Mittelpunkt des zweiten Schritts steht die Beantwortung der Fragestellungen: Welche Stakeholder des Gesundheitswesens agieren auf der Plattform? Welches ihrer Probleme soll mithilfe der Plattform gelöst werden? Welche Rolle streben diese Stakeholder im Plattformökosystem an? Hierbei wird zwischen den Konsumenten bzw. Kunden von Digital-Health-Services (z. B. Patienten), deren Anbietern bzw. Produzenten (z. B. Ärzte, Medizintechnikunternehmen), dem eigentlichen Plattformbetreiber als Intermediär zwischen Anbietern und Konsumenten (Haller und Wissing 2018, S. 175) sowie den Partnern des Betreibers, z. B. IT-Infrastrukturanbieter, unterschieden. Wobei ein Stakeholder zwischen mehreren Rollen wechseln kann. Beispielsweise kann ein Patient als „Konsument" einen digitalen Gesundheitsservice in Anspruch nehmen und seine Nutzungsdaten als Anbieter bzw. Partner dem Plattformökosystem wieder zur Verfügung stellen (Tiwana 2014). Die Skizzierung des Plattformangebots und deren Erbringer erfolgt im dritten Schritt. In diesem Zusammenhang spielen zum Beispiel die Art und der Umfang der Integration von Data Analytics bzw. künstlicher Intelligenz in die Geschäftsmodellinnovation eine Rolle.

    Der Gestaltungsaspekt einer kooperativen Nutzenerzeugung innerhalb des Ökosystems im Hinblick auf innovative Services bzw. Produkte folgt im vierten Schritt. Welchen Grad und welche Form der „Öffnung" nach außen strebt die Plattform an? Wird ein Open-Innovation-Ansatz (Chesbrough 2006) in Kombination mit Open Data gewählt? Welche Kriterien, Voraussetzung müssen neue Teilnehmer für das Beitreten zur Plattform erfüllen? Nach welchen Regeln erfolgt die Zusammenarbeit (Platform Governance)? Wesentliche Herausforderung sind in diesem Zusammenhang die vertragliche, kooperative Basis und der Schutz des geistigen Eigentums.

    Ferner sind im vierten Schritt die Kommunikation und Bereitstellung des Nutzens bzw. digitalen Health-Services zu definieren. In diesem Zusammenhang ist u. a. von Interesse, auf welche Art das Suchen bzw. Finden des Anbieters und Konsumenten erfolgt. Für die Schaffung von Transparenz und Vertrauen bietet sich die Etablierung von Onlinebewertungs- und Reputationsmechanismen auf der Plattform an. Die Kommunikation der Offenheit und Unabhängigkeit der Plattform stellt hierbei ein weiteres Mittel für die Vertrauensbildung dar. Als wesentlicher Schritt ist schließlich das Monetarisierungskonzept zu erstellen. Hierbei sind einerseits verschiedene Erlösoptionen zu identifizieren, wie z. B. Zugangsgebühren für die Plattform oder transaktionsabhängige Provisionen. Andererseits sind die Möglichkeiten zur Kostenerstattung innerhalb des Gesundheitswesens zu prüfen. Ferner sind die Art der Preisfindung, z. B. Vorgabe durch den Betreiber, und der eigentliche Erlöspartner zu bestimmen.

    Für welchen Innovationspfad sich im konkreten Einzelfall entschieden wird, ist dabei eine Funktion individueller Kernkompetenzen, Risikopräferenzen und unternehmenspolitischer Entscheidungen. Die entwickelte Innovationsmorphologie für das Gesundheitswesen könnte ebenso eine Diskussionsplattform für einen Design-Thinking-Prozess sein, der einer strategischen Kanalisierung und Impulsvermittlung bedarf, ohne dabei die Kreativität zu limitieren.

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