Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

LEICHTE SPRACHE verstehen: Mit Textbeispielen aus dem Alltag und Tipps für die Praxis​ in leichter Sprache
LEICHTE SPRACHE verstehen: Mit Textbeispielen aus dem Alltag und Tipps für die Praxis​ in leichter Sprache
LEICHTE SPRACHE verstehen: Mit Textbeispielen aus dem Alltag und Tipps für die Praxis​ in leichter Sprache
eBook519 Seiten3 Stunden

LEICHTE SPRACHE verstehen: Mit Textbeispielen aus dem Alltag und Tipps für die Praxis​ in leichter Sprache

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Leichte Sprache ist eine sehr leicht verständliche Sprache. Sie ermöglicht es Menschen, leichteren Zugang zu Informationen zu bekommen und damit selbstständiger handeln zu können. Das Netzwerk Leichte Sprache setzt sich seit 2006 für die Verbreitung und qualitative Weiterentwicklung von Leichter Sprache ein und erstellt auch für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales den Leitfaden für Leichte Sprache. In diesem Buch stellt das Netzwerk seine Arbeit vor, zeigt vielfältige Beispiele aus dem Alltag und gibt konkrete Empfehlungen für die Praxis: Warum gibt es Leichte Sprache? Wie ist sie entstanden und was sind die aktuellen Entwicklungen? Wie erstellt man zum Beispiel Vorträge, Rechtstexte, Stadtführungen oder Arbeitsanweisungen in Leichter Sprache?
SpracheDeutsch
Herausgebermarixverlag
Erscheinungsdatum1. Juni 2021
ISBN9783843806572
LEICHTE SPRACHE verstehen: Mit Textbeispielen aus dem Alltag und Tipps für die Praxis​ in leichter Sprache

Ähnlich wie LEICHTE SPRACHE verstehen

Ähnliche E-Books

Lehrmethoden & Materialien für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für LEICHTE SPRACHE verstehen

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    LEICHTE SPRACHE verstehen - marixverlag

    VORWORT

    Das Puzzle namens Sprache

    Michael Wahl

    Als Kind konnte ich noch besser sehen als heute und habe gerne gepuzzelt. Die vielen einzelnen Teile zu einem großen Bild zusammenzusetzen, empfand ich immer wieder als herausfordernd. Besonders dann, wenn es sehr viele Teile waren. Am liebsten waren mir die Puzzles, die nicht ganz so umfangreich waren und vor allem die, deren Teile mit einfachen Bildern und klaren Farben gestaltet waren. Diese konnte ich gut wahrnehmen und leicht zuordnen.

    Ähnlich stelle ich mir dies bei der schweren Alltagssprache und der Leichten Sprache vor. Da gibt es das schwierige Puzzle namens Sprache und es gibt die Leichte Sprache. Sie vermittelt den Inhalt nach klaren Regeln. Diese sorgen dafür, dass Wörter und Sätze leicht wahrnehmbar, gut zu verstehen und damit für alle Menschen zugänglich sind. Dagegen gibt es unglaublich viele Texte und Informationen, die einfach nicht oder nur schwer zu verstehen sind: Steuerausfüllhilfen, Datensicherheitskonzepte, Allgemeine Geschäftsbedingungen – kann man da nichts machen?

    Doch! Die Leichte Sprache kann. Für mich bedeutet es auch eine Menge Spaß und Lernfreude, wenn ich mich mit Texten in Leichter Sprache beschäftige. Vielleicht kommt da ein bisschen der Literaturwissenschaftler und ehemalige Journalist durch. Denn wenn man spannend und verdichtet schreiben möchte, ist ein klarer und knackiger Stil immer am besten. Oder schöner in Leichter Sprache: Damit eine Geschichte spannend ist, muss sie kurz und knackig sein.

    Als Leiter der Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit von Informationstechnik kümmere ich mich gemeinsam mit meinen Kolleg:innen um die Barrierefreiheit auf Webseiten, bei Apps und auch bei Computerprogrammen. Wir kontrollieren, ob Kommunikation und Informationen für alle Menschen zugänglich sind. Die Leichte Sprache ist hierfür ein wichtiger Baustein. Denn für viele Menschen und in vielen Bereichen des Lebens ist Leichte Sprache die einzige Möglichkeit, sich zu informieren und sich auszutauschen, also dabei zu sein und am bunten Leben teilzuhaben.

    Dieses Buch zeigt die große Vielfalt der Leichten Sprache auf. Ob in der Freizeit oder wenn es darum geht, gesund zu bleiben oder wieder gesund zu werden. Leichte Sprache ist dabei der Schlüssel für so viele Menschen. Sehr spannend finde ich auch, wie ein Text in Leichter Sprache überhaupt entsteht. Es ist gar nicht so einfach, Texte in Leichte Sprache zu übersetzen.

    Ich merke auch immer öfter, wie gut Leichte Sprache für mich im Alltag ist. Wenn ich die Worte und Sätze im Kopf leicht formuliere, gehen sie leichter über die Lippen oder aufs Papier und kommen bei den Menschen um mich herum klar und verständlich an. Das ist eine große Kunst, aber auch ein riesiger Gewinn. Wenn alle einfach klar und leicht sagen würden, was sie möchten, was wäre dies für eine wunderbare leichte Welt?

    Dann erinnere ich mich daran, wie ich als Kind vor den schönen leichten Puzzles saß und an den Spaß am Verstehen und das tolle Gefühl, wenn das Puzzle fertig war. So muss auch unsere Sprache sein – egal ob gedruckt oder im Internet. Das Puzzle namens Sprache muss klarer werden und in bunten Farben leuchten – in den Farben der Leichten Sprache.

    EINFÜHRUNG

    Angelika Nelles-Rehbach

    Der Verein Netzwerk Leichte Sprache e.V.

    Im Verein Netzwerk Leichte Sprache e.V. arbeiten Menschen mit und ohne Beeinträchtigungen. Sie alle haben den besonderen Wert und den Nutzen der Leichten Sprache erkannt. Der Verein fördert die Verwendung der Leichten Sprache und betrachtet es als Aufgabe, die Öffentlichkeit über die Notwendigkeit der Leichten Sprache zu informieren, diese zu verbreiten und die Bevölkerung dafür zu sensibilisieren.

    Derzeit verzeichnet der Verein Netzwerk Leichte Sprache e.V. über 180 Mitglieder aus sieben europäischen Ländern. Vertreten sind Einrichtungen und Verbände aus dem Hilfesystem für Menschen mit Behinderungen und Übersetzungsbüros für Leichte Sprache sowie Menschen aus der Sprachwissenschaft als auch aus anderen Berufsrichtungen und Privatpersonen.

    Zu den Mitgliedern zählt die Selbsthilfevereinigung Mensch zuerst – Netzwerk People First Deutschland e.V.¹, deren Mitglieder nicht »geistig behindert« oder Menschen mit »Lernbehinderung« genannt werden wollen. Sie sehen sich als Menschen mit Lernschwierigkeiten, da sie nicht »regelmäßig vor Verständigungsbarrieren stehen, die sie auch mit großer Anstrengung nicht selbstständig überwinden können«. Für sie sind es »Vorurteile und Barrieren, vor allem in Form komplizierter Texte«, die es ihnen erschweren, »ihre intellektuellen Fähigkeiten zu nutzen«.²

    Die Wortwahl »Menschen mit Lernschwierigkeiten« hat der Verein Netzwerk Leichte Sprache e.V. übernommen. Dessen Geschäftsstelle befindet sich in Berlin.

    2006 schlossen sich Befürworter:innen der Leichten Sprache zu einem Netzwerk zusammen. Von Beginn an ist die gemeinsame Arbeit von Menschen mit und ohne Lernschwierigkeiten im heutigen Verein Netzwerk Leichte Sprache e.V. von besonderer Bedeutung. Menschen mit Lernschwierigkeiten haben die Expertise. Als Fachleute beurteilen sie, ob Sprache verständlich ist. Die Satzung des Vereins ist leicht formuliert.³

    Im Verein treffen sich Mitglieder aus verschiedenen beruflichen und privaten Bereichen mit völlig unterschiedlichen Lebenserfahrungen. Sie bilden eine bunte Mischung aus vielen Teilen der Gesellschaft und verfolgen mit ihren jeweils eigenen Vorstellungen ein gemeinsames Ziel. Die praktische Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Lernschwierigkeiten verbunden mit sozialpädagogischen und sprachwissenschaftlichen Instrumenten kennzeichnen die besondere Arbeit und Haltung des Vereins.

    Innerhalb des Vereins haben sich Arbeitsgruppen und regionale Netzwerkgruppen gebildet.

    Die Arbeitsgruppe Regeln prüft wiederkehrend das vom Verein Netzwerk Leichte Sprache e.V. entwickelte umfassende Regelwerk mit den Regeln für Schreiben, Layout und Typografie. Neu gewonnene Erkenntnisse hinsichtlich der Kommunikationsbedürfnisse von Menschen mit Lernschwierigkeiten werden angepasst. Änderungen erfolgen in gemeinschaftlicher Abstimmung mit allen Mitgliedern. Auch für die Arbeitsweise des Vereins wurden Regeln erarbeitet, die es in Leichter Sprache gibt. Sie sind auf der Internetseite des Vereins zu finden.

    Die Arbeitsgruppe Öffentlichkeitsarbeit betreibt Aufklärung und setzt sich für die Verbreitung der Leichten Sprache ein. Sie fordert Leichte Sprache zum Beispiel in Anträgen und Gesetzen, Gebrauchsanleitungen, Nachrichten und vielem mehr. Gemeinsam mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales wurde der Ratgeber für Leichte Sprache herausgegeben.

    Der Leitfaden beinhaltet neben den Regeln für Leichte Sprache auch Regeln für Treffen und Tagungen sowie für Leichtes Internet. Zusätzlich sind im Ratgeber Meinungen von Menschen mit Lernschwierigkeiten zum Thema Leichte Sprache zu lesen.

    Der Verein Netzwerk Leichte Sprache e.V. erstellt Listen mit Literatur und Informationsmaterial in Leichter Sprache und informiert, wo diese zu finden sind. Die Listen werden auf der Internetseite des Vereins veröffentlicht.

    Ein besonderes Augenmerk legt der Verein auf die Qualität von Texten in Leichter Sprache. Hierzu hat sich die Arbeitsgruppe Qualität gebildet. Zur Sicherung der Qualität wurde ein Gütesiegel für Leichte Sprache entwickelt: das Siegel Netzwerk Leichte Sprache. Nur bei Einhaltung der erarbeiteten Regeln für Leichte Sprache sowie der Regeln für die Zusammenarbeit mit den Auftraggeber:innen darf ein Text als Text in Leichter Sprache bezeichnet und mit dem Gütesiegel des Vereins Netzwerk Leichte Sprache e.V. als Qualitätsmerkmal versehen werden. Eine der Regeln beinhaltet die Prüfung eines geschriebenen oder übersetzten Textes in Leichter Sprache von Menschen mit Lernschwierigkeiten auf Verständlichkeit. Für ihre Prüfungstätigkeit werden sie als Prüfer:innen für Leichte Sprache qualifiziert ausgebildet und erhalten ein Zertifikat. Sie sind die Fachleute und entscheiden, ob ein Text ein Text in Leichter Sprache ist. Bei Leseschwierigkeiten muss ein Text nachgebessert werden.

    Innerhalb der regionalen Netzwerkgruppen werden Projekte bearbeitet. Die jeweiligen Gruppenleiter:innen treffen sich einmal jährlich mit dem Vorstand des Vereins Netzwerk Leichte Sprache e.V.. Ebenso findet die ordentliche Mitgliederversammlung des Vereins mindestens einmal im Jahr statt.

    Zusätzlich zu der qualifizierten Ausbildung für Prüfer:innen für Leichte Sprache organisiert der Verein zur Stärkung des Selbstbewusstseins von Menschen mit Lernschwierigkeiten Weiterbildungen in Leichter Sprache. Ziel ist es, allen Menschen Teilhabe in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und die Führung eines selbstbestimmten Lebens zu ermöglichen.

    Für Interessierte und Lernwillige bieten Mitglieder des Vereins Schulungen zum Erlernen der Leichten Sprache an, sei es für die Übersetzung von Texten, für die mündliche Übersetzung von Vorträgen oder für Reden in Leichter Sprache. Nach Absolvierung einer Schulung erhalten die Teilnehmer:innen ein Zertifikat.

    Die Arbeitsgruppe Forschung kann die inklusive wissenschaftliche Forschung unterstützen. Die Mitgliederstruktur des Vereins ermöglicht es, für Universitäten vermittelnd tätig zu sein. Möglich sind Befragungen unterschiedlicher Art, um zum Beispiel zu erfahren, ob Regeln geändert oder weiterentwickelt werden müssen oder welche weiteren Personengruppen von Leichter Sprache profitieren. Die Forschungsergebnisse werden erfasst und in Leichter Sprache veröffentlicht.

    Auf der Internetseite des Gründungsmitglieds Holtz & Faust GBR ist zu lesen: »Barrieren in der Umwelt und Einschränkungen in der Mobilität oder Wahrnehmung behindern viele Menschen im Alltag. Ob bei der Arbeit oder in der Freizeit – auf vielen Gebieten werden behinderte Menschen ausgeschlossen. Unser Ziel ist eine Welt ohne Barrieren, in der alle Menschen an allen Angeboten teilnehmen können. Egal, ob sie jung oder alt sind, ob mit oder ohne Behinderung.«⁷ Dieses Ziel eines Einzelmitglieds kann als Ziel des gesamten Vereins Netzwerk Leichte Sprache e.V. formuliert werden.

    Zusätzlich ist auf der Internetseite von Holtz & Faust ein Formular für die Sammlung von Unterschriften zu finden. Die Politik wird aufgefordert, Gesetze so zu formulieren, dass sie für alle Menschen leicht verständlich sind, weshalb es sie in Leichter Sprache geben muss.

    Die gesamte Haltung des Vereins Netzwerk Leichte Sprache e.V. verbunden mit der beschriebenen Arbeitsweise entspricht dem Grundsatz der UN-Behindertenrechtskonvention: »Nichts über uns ohne uns!«

    Die Mitglieder des Netzwerks Leichte Sprache e.V. betonen, dass Leichte Sprache für viele Menschen wichtig ist. Alle Menschen sollen das verstehen. Die Mitglieder des Vereins werben für Leichte Sprache und wünschen sich mehr davon. Noch fehlt es an ausreichend Literatur und Informationsmaterial in Leichter Sprache. Das wollen die Mitglieder des Vereins ändern und weisen auf wichtige Regeln hin. Diese sind: kurze Sätze, große Schrift und Textprüfung durch Menschen mit Lernschwierigkeiten.

    Die Mitglieder des Vereins Netzwerk Leichte Sprache e.V. versäumen es nicht zu erwähnen, dass das Verfassen und Übersetzen von guten Texten in Leichter Sprache viel Arbeit bedeutet und für die Prüfung eines Textes lange geübt werden muss. Innerhalb des Vereins arbeiten Menschen, die Texte in Leichte Sprache übersetzen, und Menschen, die diese übersetzten Texte prüfen, zusammen. Die enge Verbundenheit führt zu hochwertigen Texten in Leichter Sprache.

    1www.menschzuerst.de

    2People First: Wikipedia, 23.11.2020, https://de.wikipedia.org/wiki/Mensch_zuerst_%E2%80%93_Netzwerk_People_First_Deutschland

    3https://www.leichte-sprache.org

    4ebd.

    5https://www.bmas.de

    6https://www.leichte-sprache.org

    7www.holtz-und-faust.de

    8https://www.behindertenbeauftragter.de

    Warum haben wir dieses Buch geschrieben?

    Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention – kurz UN-BRK) ist ein wichtiger Meilenstein – nicht nur für Menschen mit Behinderungen, sondern für die gesamte Gesellschaft. Die universellen Menschenrechte sind konkretisiert. Es wird klargestellt, dass Menschen mit Behinderungen ein uneingeschränktes und selbstverständliches Recht auf Teilhabe am Leben der Gesellschaft besitzen.

    Das Leitbild der UN-BRK ist »Inklusion«. Nicht die einzelne Person muss sich anpassen, um teilhaben und gestalten zu können. Vielmehr geht es darum, dass sich die Gesellschaft öffnet und Vielfalt ein selbstverständliches Leitbild wird. Es geht um eine tolerante Gesellschaft. Alle Menschen mit ihren jeweiligen Fähigkeiten und Voraussetzungen sind wertvoll.

    Die meisten Menschen erkennen, dass eine Treppe für Menschen, die einen Rollstuhl benutzen, gesellschaftliche Teilhabe verhindern kann. Wenig nachgedacht wird über Personen, die aus unterschiedlichen Gründen nicht lesen und schreiben können oder beim Lesen und Schreiben große Schwierigkeiten haben. Zusätzlich gibt es Menschen, die bei der mündlichen Kommunikation Inhalte nicht verstehen. Für die genannten Personenkreise kann der Zugang zu Informationen versperrt bleiben und zu Ausgrenzung in wichtigen Lebensbereichen führen. Massive Benachteiligungen können erwachsen.

    Das vorliegende Buch richtet sich an Menschen, die diesen Benachteiligungen entgegenwirken, zwischenmenschliche Kommunikation verbessern und fördern wollen. Leichte Sprache kann dabei helfen. Das Buch verschafft einen ersten und einfachen Zugang zum Thema Leichte Sprache und dient als Anregung, insbesondere für Angestellte bei Ämtern und Behörden, Lehrende, Wohlfahrtsverbände und ihre Institutionen sowie für Medizinisches Personal.

    Dieses Buch behandelt die Geschichte und die Entstehung des Sprachkonzepts der Leichten Sprache. Wichtige Gesetzesgrundlagen zur Anerkennung der Leichten Sprache werden ebenso dargestellt wie Standpunkte von Kritikern. Es gibt Texte in Leichter Sprache aus unterschiedlichen Alltagsbereichen mit praktischen Beispielen sowie Hinweise, wo Informationen zur Thematik der Leichten Sprache zu finden sind. Ferner gibt das Buch einen Einblick, wie ein Text oder eine Übersetzung in Leichte Sprache entsteht und wie mündliche Kommunikation in Leichter Sprache erfolgen kann.

    Die vielfältige Mitgliederstruktur des Vereins Netzwerk Leichte Sprache e.V. spiegelt sich im Buch wider. Alle Autor:innen schreiben über Themen, die ihnen besonders am Herzen liegen. Das führt zu einer thematischen Vielfalt und zeigt, dass Leichte Sprache eine umfassende Bedeutung, nämlich für alle Lebensbereiche, haben kann.

    9https://www.behindertenbeauftragter.de

    LEICHTE SPRACHE

    Warum gibt es Leichte Sprache?

    Sven Bußmann

    Welchen Zweck hat Leichte Sprache? Und warum machen wir uns die Mühe, Texte zu vereinfachen?

    Wenn wir mit anderen sprechen, dann wollen wir in der Regel etwas mitteilen. Das macht aber nur Sinn, wenn uns unser Gegenüber auch versteht. Wenn Kommunikation fehlschlägt, führt das auf beiden Seiten zu Frustration. Deshalb ist es ganz natürlich, dass wir unsere Sprache an die Empfänger:innen anpassen. Im Gespräch mit einem kleinen Kind benutzen wir eine andere Sprache als im Austausch mit Kolleg:innen über ein Fachthema. Denn Sprache soll in erster Linie der Verständigung dienen. Es ist also ganz im Interesse der Sprecher:innen, die eigene Sprache so anzupassen, dass man auch verstanden wird.

    Leichte Sprache als Brücke

    Auf der anderen Seite transportiert Sprache nicht nur die reine Information. Wenn ich mit einem Erwachsenen wie mit einem Kleinkind spreche, wird er oder sie sich für dumm verkauft vorkommen. Es ist aber leider nicht immer möglich, den Sprachstil individuell an die Empfänger:innen anzupassen. Das mag im persönlichen Gespräch vielleicht noch gelingen, aber bei Schriftlichem, das sich an eine möglichst breite Masse wendet, ist das kaum umzusetzen. Da ist es das Klügste, den Text so einfach zu gestalten, dass er von möglichst vielen Menschen verstanden wird. Das genau ist das Ziel der Leichten Sprache. Wer sich von leichten Texten auf die Füße getreten fühlt, sollte Folgendes bedenken: Wir alle bewegen uns im Spannungsverhältnis herausfordernder und leicht verständlicher Texte. Die meisten, selbst geübte Leser:innen, haben mit bestimmten Texten Mühe. Juristische Literatur, ausgesprochen sperriges Ämterdeutsch oder philosophische Fachtexte bereiten den meisten Menschen Probleme. Selbst die breite Masse der Menschen ist punktuell auf Vereinfachung angewiesen.

    Wie geht es da erst denen, deren Lesefähigkeiten nicht ausreichen, um die meisten Texte im Alltag zu verstehen? Das ist die eigentliche Zielgruppe der Leichten Sprache. Dazu gehören Menschen mit Lernschwierigkeiten, Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen, Demenzkranke, Menschen, für die Deutsch eine Fremdsprache ist, und Menschen, deren erworbene Lesefähigkeit für den Alltag nicht ausreicht. Genau diesem Personenkreis möchte die Leichte Sprache Informationen zugänglich machen. Texte sollen so weit es geht vereinfacht werden, damit sie von möglichst vielen Menschen verstanden werden. Das Textverständnis ist das wichtigste Ziel – ohne dabei die Aussage des Textes zu verfälschen oder zu verkürzen.

    Nebeneffekt der Leichten Sprache: Dinge auf den Punkt bringen

    Ein Nebeneffekt der Leichten Sprache ist, dass in ihr die Chance der Konkretisierung liegt. Die Übersetzung in Leichte Sprache stellt den Originaltext auf den Prüfstand. Ungenauigkeiten werden entlarvt, die logischen Zusammenhänge überprüft. Wer einen Text vereinfachen möchte, muss erst einmal den Kern der Aussage aus dem Originaltext herausarbeiten. Texte, die konkrete Aussagen absichtlich zu vermeiden versuchen, werden auf diese Weise schnell enttarnt. Das kommt allen zugute, nicht nur denen, die zur eigentlichen Zielgruppe der Leichten Sprache gehören. Wer also einen Text zur Selbstdarstellung schreibt, wer Sprache als Statussymbol betrachtet und sich so von anderen abzugrenzen versucht, benutzt Sprache nicht als Brücke, sondern als Spiegel der Selbstbewunderung. Dafür gibt es in der Leichten Sprache keinen Raum. Leser:in und Botschaft sind wichtiger als Autor:in.

    Teilhabe durch Sprache ermöglichen

    Dabei ermöglicht die Leichte Sprache den einen, zum Beispiel Menschen mit Lernschwierigkeiten, Teilhabe, und bietet anderen, etwa Menschen mit einer anderen Muttersprache, ein Sprungbrett zu einer komplexeren Sprache. Die Leichte Sprache möchte auch Leselust wecken, einen ersten Zugang zum Schriftlichen bieten, auf den sich aufbauen lässt. Darüber hinaus wird der passive Wortschatz erweitert, denn Fachbegriffe werden nicht unterschlagen, sondern genannt und erklärt. Wissenschaftliche Texte gehen nach demselben Schema vor: Erst werden die Begriffe geklärt, dann wird auf dieser Grundlage die Argumentation aufgebaut.

    Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die auf Leichte Sprache angewiesen sind. Der Zugang zu Informationen ist eine wichtige Voraussetzung, um mitreden und für sich selbst Entscheidungen treffen zu können. Die Leichte Sprache erfüllt unter anderem die bedeutende Funktion, Menschen mit ihren Rechten vertraut zu machen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass beispielsweise Arbeitshilfen in Leichter Sprache zu größerer Selbstständigkeit und damit kritischerem Denken führen. So ist Leichte Sprache ein wichtiges Mittel, gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen.

    Sprache als Spiegel der Gesellschaft

    Zuweilen hört man die Kritik, Leichte Sprache grenze aus. Menschen, die die Leichte Sprache nutzen, würden stigmatisiert. Das gesellschaftliche Problem ist jedoch nicht, dass es Menschen gibt, die die Leichte Sprache benutzen. Es besteht darin, dass auf diese Menschen herabgeblickt wird.

    Die meisten Menschen geben ungern zu, wenn sie etwas nicht verstehen. So ziemlich jeder Mensch wird im Alltag jedoch mit Texten konfrontiert, deren Inhalte er nur schwer oder gar nicht verstehen kann. Nicht Leichte Sprache grenzt aus. Es ist umgekehrt: Schwierige, komplizierte Sprache grenzt aus. Sie wird meist nur von einem kleinen Personenkreis erfasst. Laien benötigen Hilfe, um einen solchen Text auch nur ansatzweise zu verstehen. Oder wann haben Sie es zuletzt geschafft, Schreiben Ihres Finanzamtes vollständig zu entziffern?

    Leichte Sprache ist ein zusätzliches Angebot für Menschen, die ansonsten auf Informationen verzichten müssten. Es wird aber niemand gezwungen, Leichte Sprache zu benutzen.

    Kein Einzelfall

    Bei den Personengruppen, die von Leichter Sprache profitieren können, handelt es sich allein in Deutschland um Millionen von Menschen. Laut der Level-one-Studie Grotlüschen 2011/2019 sind 8,1% der deutschen Bevölkerung funktionelle Analphabeten (4,2 Millionen) und 20,5% (10,6 Millionen) können nur fehlerhaft schreiben. 12,1% der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland, das sind 6,2 Millionen Menschen, können nur einfache Sätze und keine zusammenhängenden Texte lesen. Wenn für diese Menschen Leichte Sprache der einzige Weg ist, sich Informationen selbstständig beschaffen zu können, dann ist Leichte Sprache notwendig.

    Man kann die Leichte Sprache verstehen und lesen.

    Und man weiß hinterher, worum es geht.

    Heidi Wehling, Prüferin für Leichte Sprache

    Was ist Leichte Sprache?

    Petra Jacobi

    Leichte Sprache – leicht verständliche Texte

    Der Begriff »Leichte Sprache« sorgt häufig für Fragen und Missverständnisse. Was ist Leichte Sprache eigentlich?, fragen sich viele Menschen. Und: Heißt es nun »Leichte Sprache«, »leichte Sprache«, »leicht verständliche Sprache« oder »einfache Sprache«? Im Grunde ist es ganz einfach: Die sogenannte Leichte Sprache ist eine Sprachvariante der deutschen Sprache, die durch Anwendung bestimmter festgelegter Regeln die deutsche Sprache leicht verständlich macht. Die Idee zu einer Leichten Sprache, die allen Menschen die Teilhabe an Sprache und Kommunikation ermöglichen soll, wurde 1996 in den USA von der Selbsthilfegruppe für Menschen mit Behinderung People First entwickelt. Die englische Sprachvariante für Leichte Sprache heißt deshalb »Easy Speak«. Der deutsche Ableger der Initiative People First entwickelte ab 2001 das erste deutsche Konzept zur Leichten Sprache: Alle Menschen können Leichte Sprache verstehen, daher eignet sie sich nicht nur für Menschen mit Lernschwierigkeiten, sondern auch für andere Gruppen. Dazu gehören Menschen mit niedrigem deutschen Sprach- und Leseniveau, Menschen mit geringer Literalität (auch funktionaler Analphabetismus) und (ältere) Menschen mit Einschränkungen im Bereich Sehen und/oder Hören.

    Wie in der Einführung ausführlich dargestellt, kümmert sich das Netzwerk Leichte Sprache e. V. seit 2006 um die Entwicklung und Verbreitung von Leichter Sprache im deutschen Sprachraum. Nachdem das erste verbindliche Regelwerk Leichte Sprache. Ein Ratgeber 2014 in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales veröffentlicht wurde,¹⁰ ist »Leichte Sprache« der Fachbegriff für eine definierte Sprachvariante der deutschen Sprache. In den Medien wird Leichte Sprache dennoch immer wieder unabsichtlich, teilweise aber auch bewusst »falsch« geschrieben: Dann heißt es zum Beispiel »leichte

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1