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Zeitschrift Polizei & Wissenschaft: Ausgabe 2/2022
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eBook171 Seiten1 Stunde

Zeitschrift Polizei & Wissenschaft: Ausgabe 2/2022

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Über dieses E-Book

Kompetentes Handeln basiert allgemein auf der Kombination praktischer Erfahrung und wissenschaftlicher Erkenntnisse. Grundlage hierfür ist die Kommunikation und Diskussion zwischen Wissenschaftlern und Praktikern. Dies gilt ganz besonders für eine moderne Polizei.

Die Zeitschrift Polizei & Wissenschaft bietet die Möglichkeit zur wissenschaftlichen Kommunikation polizeirelevanter Themenbereiche. Sie versteht sich als Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Polizei. Durch ihre interdisziplinäre Ausrichtung werden unterschiedlichste wissenschaftliche und praktische Perspektiven miteinander vernetzt. Dazu zählen insbesondere die Bereiche Psychologie, Rechtswissenschaft, Soziologie, Politikwissenschaft, Medizin, Arbeitswissenschaft und Sportwissenschaft. Aber natürlich wird auch polizeirelevantes Wissen der Disziplinen genutzt, die nicht klassisch mit dem Begriff Polizei verknüpft sind, wie z.B. Wirtschaftswissenschaften, Sprachwissenschaften, Informatik, Elektrotechnik und ähnliche.

Polizei & Wissenschaft regt als breit angelegtes Informationsmedium zur Diskussion an und verknüpft Themenbereiche. Sie erscheint vierteljährlich und geht mit ihrer interdisziplinären Interaktivität über einen einseitigen und fachlich eingeschränkten Informationsfluss hinaus. Dazu nutzt sie die Möglichkeiten des Internets und fördert durch die Organisation von Veranstaltungen auch eine direkte Kommunikation.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum31. Mai 2022
ISBN9783866767508
Zeitschrift Polizei & Wissenschaft: Ausgabe 2/2022

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    Buchvorschau

    Zeitschrift Polizei & Wissenschaft - Lorei Clemens

    Ein Vierteljahrhundert Kriseninterventionsteam in der Polizei Rheinland-Pfalz (KIT-Pol)

    Frank Hallenberger

    Die Vergangenheit oder: Am Anfang stand eine Erkenntnis

    Anfang der 1990er Jahre schwappte eine Idee aus dem angloamerikanischen Raum nach Europa, Deutschland und auch Rheinland-Pfalz: Polizist*innen sind menschenähnlich. Ohne Ironie: Der Gedanke, dass Polizist*innen aufgrund der Ausübung ihres Berufes belastet werden können, war seinerzeit nicht weit verbreitet – und über diese Belastungen wurde innerhalb der Polizei wenig und außerhalb so gut wie gar nicht gesprochen. Man kann sagen, dies war ein Tabuthema¹. Zumindest eine sehr große Anzahl von Polizisten (Polizistinnen waren im Einsatzwesen noch die Ausnahme) hat nicht einmal der Partnerin (Partner gab es öffentlich nicht) von dem im Dienst Erlebten erzählt. Ein noch heute nicht unüblicher Gedanke war, dass man mit seiner Uniformjacke die Probleme des Dienstgeschäfts ablegt und dass Frauen zu empfindlich seien, die Erzählungen zu verkraften. Auf die Schwächen in dieser Logik soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden.

    Zusammenfassung

    Dieser Artikel soll einen Überblick zur Entwicklung der psychologischen Krisenintervention in der Polizei Rheinland-Pfalz von den Anfängen in der Mitte der 1990er Jahre bis heute bieten. Diese Entwicklungen führten über teilweise mühevolle Wege, bis zum heute weitgehend etablierten KIT-Pol. In aller Kürze werden die Meilensteine dieses Weges mit ihren Problemen und deren Lösungen aufgezeigt. Heute stellt das KIT-Pol eine Organisationeinheit dar, die es nicht nur nach einer krisenhaften Situation zu alarmieren gilt, sondern lageabhängig schon bei den Planungen einer BAO oder bei Zeitlagen eingebunden wird. Über den Ist-Stand hinaus werden die möglichen Verbesserungen bzw. Weiterentwicklungen aufgezeigt: Diese sind zum einen KIT-interner Natur (Einhaltung des Phasenmodells, Durchführung von Evaluationen, Qualitätssicherung durch Fortbildungen) und zum anderen die Schnittstellen des KIT-Pol mit anderen Einheiten (Wissen zum KIT).

    Krisenintervention, Kriseninterventionsteam, Trauma, Psychosoziale Notfallversorgung (PSNV).

    Abstract

    This article is inteded to provide an overview of the development of psychological crisis intervention in the Rhineland-Palatinate police force from its beginnings in the 1990s to the present day. These developments sometimes led through ardous paths to the KIT-Pol, which is largely established today. The milestones of these paths with their solutions are shown veiy briefly. Today, the KIT-Pol is an organizational unit that not only needs to be alerted after a crisis situation, but is also involved in the planning of a BAO or in time slots, depending on the situation. In addition to the current status, the possible improvements or further developments are shown: these are on the one hand a KIT-intemal nature (adherence to the phase mode, implemenation of evaluations, quality assurance through advance training) and on the other hand the interfaces of the KIT-Pol with other units (knowledge to KIT).

    Crisis intervention, Crisis Intervention Team, Trauma, Psychosocial Emergency Care.

    Es waren einzelne Personen mit psychosozialem Studium und der ein oder andere Polizeibeamte, die die Not der Polizist*innen erkannten, ernstnahmen und anfingen, zu handeln. In Rheinland-Pfalz waren dies ab 1994 in erster Linie ein Polizeiseelsorger und ein Polizeipsychologe. Zu dieser Zeit wurde in Rheinland-Pfalz auch bereits an einem Sozialberatungssystem gearbeitet, bei dem thematisch jedoch zunächst alkoholbedingte, finanzielle und private Schwierigkeiten im Vordergrund standen. Da es sich bei den Aktivitäten der beiden Pioniere um einzelne Einsätze mit hohem eigenem Engagement handelte, können diese Hilfen nicht als der Start des KIT-Pol angesehen werden. Im Folgenden soll u. a. verdeutlicht werden, dass der Beginn des KIT-Pol nicht so einfach festzusetzen ist. Aus diesem Grund steht im Titel „Vierteljahrhundert, das ist etwas unverbindlicher als „25 Jahre. Bei Letzterem würde ein Datum erwartet werden.

    Die Arbeitsgruppe „RABBE"

    Es muss der Herbst des Jahres 1996 gewesen sein, als an der Landespolizeischule (LPS) eine Klausurtagung stattfand, zu der der Verfasser dieses Artikels eher zufällig stieß. Weitere Teilnehmende waren Polizeiseelsorger² und die nun eingestellten Sozialberater*innen. Referenten waren Seelsorger, die in oder für die Polizei arbeiteten und als erste Experten für Krisenintervention galten.

    In der Folge gab es mehrere Treffen pro Jahr, die vom Verfasser initiiert und moderiert wurden. Die Protokollführer wechselten und einer überschrieb das Protokoll mit AG „RABBE – „Arbeitsgemeinschaft Reaktionen auf besonders belastende Ereignisse. So entstand eine Bezeichnung, die einige Jahre Verwendung fand.

    Somit könnte die Geburt des KIT-Pol auf das Jahr 1996 zurückgeführt werden. Die erste Dokumentation an das Innenministerium erfolgte im Dezember 1997. Ausgehend von dieser Dokumentation nahm der Prozess der psychologischen Krisenintervention für die rheinland-pfälzische Polizei Fahrt auf. Somit könnte 1997 als Geburtsjahr gelten³. Kurz darauf erfolgte vom Verfasser eine Stellungnahme an das Innenministerium. In dieser wurden folgende Eckpunkte formuliert:

    •Mitarbeitende eines Kriseninterventionsteams könnten Polizeibeamt*innen, Polizeiseelsorger*innen, Sozialbetreuer*innen (heute Sozialberater*innen) und Sozialwissenschaftler*innen der Polizei sein.

    •Die Zahl der Mitarbeitenden sollte mindestens 26 Personen umfassen und zur Hälfte aus psychosozialen Fachkräften⁴ bestehen. Da in Teams von mindestens zwei Personen gearbeitet werden sollte, bedeutete dies vier Wochen Rufbereitschaft pro Person im Jahr.

    •Für die Qualifizierung wurden drei Gruppen definiert: Qualifikation A (Grundqualifizierung) mit 12 Tagen: Psychologisches Grundwissen, Grundwissen Traumatologie, Rechtliches Grundwissen, Selbsterfahrung und Psychohygiene, Gesprächsführung und Kommunikation, Rhetorik und Umgang mit Pressevertretern, Organisationskenntnisse zu Polizei und anderen Einsatzdiensten, Sinn, Moral und Schuldbewältigung. Qualifikation B: Diese diente dazu, Leiter*innen für die Nachbereitungsgruppen zu gewinnen. Hierzu sollten psychosoziale Fachkräfte ihre Kompetenzen hinsichtlich Gruppenleitung und Moderation fortschreiben. Qualifikation C: Voraussetzung hierfür war, dass psychosoziale Fachkräfte sich ständig fortbilden (Psychotraumatologie, Krisenintervention, Gruppenarbeit, Therapie u. a. m.).

    •Als organisatorische Anbindung wurde die LPS vorgeschlagen.

    Ende 1998 wurde die erste Konzeption einer Krisenintervention für die Polizei Rheinland-Pfalz vorgelegt. Somit könnte das Geburtsjahr der psychologischen Krisenintervention auch auf das Jahr 1998 gelegt werden. Als Bereiche der Krisenintervention wurden die Kriterien aus dem ICD-10 (APA, 1994) und dem DSM IV (WHO, 1994) herangezogen. Hinsichtlich der polizeilichen Ereignisse wurden drei Fallgruppen definiert:

    ASelten auftretende Extremsituationen, z. B. schwerwiegende Verletzung oder Tötung einer anderen Person (Post Shooting Trauma) oder Einsatz bei Katastrophen mit vielen Toten und Verletzten (Flugzeug-, Busunglücke, Naturkatastrophen).

    BBesonders belastende Ereignisse. Hier fließt die Personenkomponente stärker ein als bei A. Wichtiges Entscheidungskriterium ist das Empfinden der Beteiligten oder das Erkennen der Problematik durch die Vorgesetzten, wie beispielsweise Involviertheit in gewaltbesetzte Situationen (Amoklauf, Unfall bei Verfolgungsfahrt) oder Familientragödien (teilweise auch A, Verwesung, viele Tote, Kinder), aber auch besonders schwere Verkehrsunfälle mit Todesfolge (Kinder, eingeklemmt Sterbende).

    CSummierte oder schwere Belastungen. Unterschiedliche berufsbedingte, schwere Belastungen der Vergangenheit, wie z. B. Situationen A und B, Überbringen von Todesnachrichten, Todesermittlungen, Bearbeitung von Fällen sexuellen Missbrauchs.

    Aufgrund dieser situativen Merkmale wurden Betreuungsmaßnahmen abgeleitet:

    Kategorie A (selten auftretende Extremsituationen):

    Hierbei handelt es sich um eine „Sofortlage", zu der mindestens zwei Personen des Kriseninterventionsteams für eine psychosoziale Betreuung beordert werden. Bereitstellung von Gesprächsangeboten/Debriefings nach 24 bis 72 Stunden mit zusätzlichen Hinweisen auf Seminare und gegebenenfalls Weitervermittlung an Selbsthilfegruppen und therapeutische Fachkräfte.

    Kategorie B (besonders belastende Ereignisse):

    Hier erscheint eine sofortige Krisenintervention nicht notwendig. In der Regel sind Hilfsmaßnahmen für Betroffene nach einer Ruhezeit von 24 bis 72 Stunden angezeigt. Wird die Notwendigkeit erkannt, ist das Angebot für alle Beteiligten verpflichtend.

    Kategorie C

    Bei einer Einstufung in diese Kategorie erfolgt eine Aufarbeitung von unterschiedlichen schweren Belastungen aus der Vergangenheit mittels bestehender Seminare sowie Selbsthilfegruppen der LPS und der Polizeiseelsorge.

    Man kann erkennen, dass eine Struktur formuliert werden sollte, die den Polizeibediensteten vor Ort sowie deren Führungskräften Anhaltspunkte geben soll, wann das KIT-Pol zu alarmieren ist. So sollte nicht nur verhindert werden, dass Betreuungen nach besonders schwerwiegenden Einsätzen übersehen werden, sondern auch, dass eine Abgrenzung nach unten, zu „nicht so schweren Ereignissen"⁵, erfolgt. Die Polizeibeamt*innen und die Mitglieder des KIT-Pol sollten eine Vorstellung bekommen, in welchen Fällen eine Betreuung nicht sofort stattfinden muss.

    Bei den Bezeichnungen (z. B. Debriefing) fällt auf, dass sich an dem Konzept von Mitchell und Everly (1993) orientiert wurde, auch das änderte sich im Laufe der Zeit mit der Anlehnung an Hallenberger (2003; 2006). Die Bezeichnung „Selbsthilfegruppe" steht für die bundesweiten Treffen von Polizeikolleg*innen mit Schusswaffeneinsatz⁶ (Röhr, 2021). Bei der sogenannten Post-Shooting-Gruppe in Rheinland-Pfalz handelt es sich nicht um eine Selbsthilfegruppe, diese wird von dem Autor und einer Polizeiseelsorgerin oder einem Polizeiseelsorger geleitet (vgl. Hallenberger & von Ehr, 2002; Hallenberger, 2013).

    Hinsichtlich der Qualitätssicherung wurden folgende Maßnahmen festgehalten:

    •Aus- und Fortbildung

    •Supervision

    •Tagungen (auch länderübergreifend)

    •Öffentlichkeitsarbeit und Wissenstransfer

    •Fortschreibung der Konzeption

    In einer Sitzung im September 1998 erklärten sich Interessierte bereit, an einem Kriseninterventionsteam mit Rufbereitschaft teilzunehmen. Als Voraussetzungen wurden eine Ausbildung für diese Tätigkeit und eine zeitliche Überschaubarkeit der Rufbereitschaften genannt. Teilweise wurde eine regionale Begrenzung des Einsatzbereichs gefordert. Dies sollte dadurch erreicht werden, dass die Bereitschaftsleistenden versuchen sollten, ein Team zusammenzustellen, das aus der Nähe des Einsatzgebietes kommt. Wenn dies nicht funktionierte, müssten allerdings die Bereitschaftsleistenden in den Einsatz. Dies war letztlich regelmäßig der Fall und hatte weite Anfahrten zur Folge. Die Anwesenden gingen davon aus, dass mit diesen zwölf Personen der Start einer Krisenintervention für A-Maßnahmen nach einer auf die Vorkenntnisse abgestimmten Erstausbildung möglich war. Für ein voll funktionsfähiges Kriseninterventionsteam müsste der Personenkreis jedoch erhöht werden.

    Anhand dieser Konzeption wurde eine offizielle Mitteilung des Innenministeriums formuliert und 1999 in die Behörden geleitet. 1999 könnte deshalb ebenso als das Entstehungsjahr des KIT-Pol gelten.

    Die erste offizielle Konzeption einer Krisenintervention für die Polizei Rheinland-Pfalz

    In der Mitteilung von 1999 hieß es zunächst, dass eine landesweite Rufbereitschaft nicht eingerichtet werden könne, stattdessen soll eine regionale, behördenbezogene Verfügbarkeit einer Krisenintervention realisiert werden.

    Die allgemeine Beschreibung wurde im Verlauf der folgenden Jahre nur wenig verändert:

    „Das Kriseninterventionsteam der Polizei Rheinland-Pfalz (KIT-Pol) soll ein Hilfsangebot der Polizei in Zusammenarbeit mit der Polizeiseelsorge sein, das ausschließlich Polizeibediensteten bei der Bewältigung besonders belastender Einsätze in einem engen polizeispezifischen Bereich (sog. A-Maßnahmen) unterstützt." Für diese Ereignisse sei eine möglichst unmittelbare Betreuung erforderlich.

    Auch die beispielhaft aufgeführten Situationen blieben bis heute erhalten:

    •Schwerwiegende Verletzung oder Tötung eines Menschen ohne oder mit Schusswaffe durch eine Polizeibeamtin/einen Polizeibeamten,

    •Situationen mit extrem hohem Gewaltpotenzial (massive gewalttätige Ausschreitungen bei Fußballspielen, extrem gewalttätige Demonstrationen),

    •Polizeibedienstete als Opfer schwerer Gewaltkriminalität (Geiselnahme, Entführung),

    •Suizid(-versuch) von Polizeibediensteten.

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