Unter Käfern und Schlangen: Allein mit dem Wind per Fahrrad quer durch die heißen, südlichen Vereinigten Staaten
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Buchvorschau
Unter Käfern und Schlangen - Hermine Stampa-Rabe
Hermine Stampa-Rabe
Unter Käfern und Schlangen
Allein mit dem Wind per Fahrrad
quer durch die heißen, südlichen Vereinigten Staaten
Ebook
Radreisebericht
Ebook
April 2014
Hermine Stampa-Rabe
D-24143 Kiel
Tel.: 0431-735565
Email: hermine.stampa-rabe@web.de
http://www.herminestamparabe.com
Fotos von Hermine Stampa-Rabe
Illustrationen von Hermine Stampa-Rabe
Nachdruck verboten. Gerichtsstand ist Kiel.
ISBN 978-3-8442-9842-0
Meinem daheim gebliebenen Mann
und meinen Kindern
Index:
Vorwort
!!! Ungeziefer!!!
Letzte Vorbereitungen
Schreck auf dem Flughafen
K A L I F O R N I E N
San Diego-Rundfahrt
Let’s go east
Horror-Fahrt in den Rocky Mountains
Durch die Yuha-Wüste
Angst
A R I Z O N A
Fotomodell
Marica
Montezuma schlägt zu
Wo ist mein Paket?
Angst im Apachen-Reservat
Gangster-Jagd
Gewitterstürme
N E U M E X I K O
Mein guardian angel (Schutzengel
Nicht mehr durch Geisterorte
Mein zweiter guardian angel
Ed singt mir ein Abschiedlied
T E X A S
IRISH BLESSING und Übersetzung
Irische Segnung
„Ist der Pfefferspray für mich, wenn ich mit dir schlafen will?"
Umsonst mitten in der Nacht gestartet
An Wölfen vorbei an der Sternwarte
Auf den Spuren der Indianer
Orkan Der Mutigen gehört die Welt
Ich bin noch sooooo müde!
Treffen mit drei cross-ridern
Fredericksburg, Hochburg deutscher Aussiedler
Durch das Trainingsgebiet von Lance Armstrong
Mein Päckchen ist weg
In der Gruppe weiter? Nein, bloß nicht!
Vom Campingplatz gejagt.
Eine unendliche Geschichte
Nachtfahrt
Mit polizeilicher Hilfe
Mud bugs: Modder-Ungeziefer
Legend of the Spanish Moss
Legende vom Spanischen Moos
L O U I S I A N A
Bei den Gospel-Sängern
Werde ich desinfiziert?
Ab heute bin ich ein Knoblauch-Monster
Hilflos in einsamer Gegend mit gebrochener Schraube
Ein cross-rider-Damen-Tandem
M I S S I S S I P P I
So ein blöder Köter!
Sind sie auch Mutter?
In der Mückenhölle
Treffen mit der Adventure Cycling Gruppe
Zu Gast bei der Kirche
A L A B A M A
Über endlose Brücken
Warum wollen sie denn im Binnenland radeln, wenn es am Golf von Mexiko viel schöner ist?
F L O R I D A
Das Wappentier von Florida ist ein Mosquito
Der Papagei Sie wissen wohl nicht, wo sie sich befinden, was?
Am schönsten Strand der Welt
Eine Wasser-Schildkröte
Mit Schwund muss ich rechnen
Flucht vor den Mücken
Badeanzug mit Atom-Busen
Bekanntschaft mit einem Nagelrochen
The Legend of the Sand Dollar
Die Legende um den Sand Dollar
THE SAND DOLLAR
DER SAND DOLLAR
Die fliegende Kakerlake
Warum ist meine Wäsche noch nass?
Diese Frau haben wir auf der Interstate 10 getroffen.
Im Tierpark Silver Springs
Cowboys, Männer meiner Träume
Im Ziel !
Wo ist mein Schlüssel?
Im Kennedy Space Center
Hier gibt es alle gefährlichen Meeresbewohner!
Hoffentlich werde ich später nicht auch bissig!
Aufregung in St. Augustin
Die Hurrikan-Saison hat begonnen
Ein wilder Alligator!
Rückflug mit Hindernissen
Mein Fahrrad und der Seesack sind weg!
Panische Angst
Ein Wallfahrtslied.
Tages- und Gesamtkilometer
Anhang
Glossar
Literaturverzeichnis
Kennedy Space Center
Vorwort
Dieses ist meine dritte große Fahrradtour mit Packtaschen und Zelt in den Vereinigten Staaten.
1992 radelte ich mit meiner Tochter am Pazifik gen Süden.
1998 unternahm ich meine ganz große USA-Expedition
„TransAmerica" vom Atlantik in Virginia bis zum Pazifik in Oregon.
Seitdem träumte ich davon, sobald wie möglich wieder in die Vereinigten Staaten zu fliegen, um die „Southern Tier" zu radeln.
In diesem Jahr 2003 konnte ich endlich starten. Zuerst hielt mich noch ein großer Trauerfall in der Familie zurück. Auf diese Weise konnte ich mich der Gruppe von Adventure Cycling nicht anschließen. Ich wagte es, ganz allein diese sehr schwierige Expedition in die Hände und unter die Räder zu nehmen.
Zu dieser Tour konnte ich nicht trainieren. In Schleswig-Holstein lag vier Monate lang hoher Schnee. Es herrschte eine sibirische Kälte. Aber ich wusste, dass ich es schaffe und mit Gottes Hilfe und ohne Unfall am Atlantik ankommen werde.
Aufgrund des fehlenden Trainings wollte ich nur in Motels übernachten, weil ich das Gewicht meines vier Pfund schweren Zeltes und des dreieinhalb Pfund schweren Schlafsacks scheute. Aber bei der genauen Überprüfung meiner „Southern Tier" Streckenkarte stellte ich fest, dass an zwei Stellen keine Schlafmöglichkeit unter einem Dach vorhanden war. Dort gab es nichts außer einem Campingplatz. Und unter freiem Himmel wollte ich die Nacht nicht mit Skorpionen, Schlangen und Mücken teilen. So entschloss ich mich, mein Zelt und meinen Schlafsack mit nach San Diego/Ca. mitzunehmen und nach Phoenix/TX zur Jugendherberge per Post vorzuschicken. Ich hatte vor, später, wenn ich darin übernachtet hatte, diese Teile beim nächsten Postamt zum zweiten Ort zu einem Motel vorzuschicken.
Gesagt, getan. Nachdem ich in San Diego/Ca. angekommen war und später erleichtert vom Postamt kam, radelte ich an einem großen Sportgeschäft vorbei. Ich hielt an, ging hinein und hoch in die Camping-Abteilung. Ein 2 1/4 Pfund leichtes Zelt war neu eingetroffen. Ich ließ es mir aufbauen und entschloss mich, es zu kaufen. Auch einen zwei Pfund leichten und sehr guten Daunen-Schlafsack erstand ich. Nun fehlten mir nur noch die Zelt- und die Schlafunterlage. Nachdem ich alles vor mir liegen hatte, entschloss ich mich, doch so oft wie möglich zu zelten. Meine Geldausgaben würden dadurch erheblich niedriger liegen. Leider war ich nicht vermögend.
Mit meiner „leichten Fracht" erreichte ich die Herberge und freute mich über diesen Kauf und Wandel meiner vor mir liegenden Abenteuer-Fahrradfahrt. Dieses Gewicht, das war mir klar, werde ich gut über alle Berge und Gebirge transportieren können.
Dadurch, dass mein Radsport-Freund New-York Bob in der Adventure-Cycling Gruppe eine Woche vorher gestartet war und mir regelmäßig eine Mail über die von der Gruppe zurückgelegte Strecke schrieb, wusste ich, was auf mich zukommen wird und konnte mich danach richten.
Auch hatte ich meinen Cousin Jürgen aus Costa Mesa bei Los Angeles, dann meinen Radsport-Freund California-John aus San Diego und als ganz große Hilfe meinen Radsportfreund Ed Wright aus Albuquerque aus New Mexico als Email-Freunde. Mit ihnen stand ich in ganz enger schriftlicher Verbindung. Sie hätten mir jederzeit bei Problemen geholfen.
Ich fühlte mich sicher.
So startete ich mit voll bepacktem Rad am 2. April 2003 in San Diego am Pazifischen Ozean.
Sie finden am Ende des Buches im Glossar die Übersetzung und Erklärung der englischen Wörter.
Auch befindet sich dort die Aufstellung der Tages- und Gesamtkilometer.
!!! Ungeziefer !!!
................
Da fällt mir ein, noch einmal in meiner Lenkertasche nachzusehen, ob ich zwei unbelichtete Dia-Film-Rollen eingesteckt habe.
Ich stehe auf, mache das Licht an und drehe mich zur Stube hin um. Da sehe ich ein ca. 8 cm langes und 2 cm breites schwarzes Flügeltier quer durch die Stube bis unter das Hochbett flitzen. Eine Riesen-Kakerlake mit Flügeln? Mich ergreift Ekel.
Mit dem Tier soll ich in der Nacht hier schlafen?
Vielleicht fliegt es in der Nacht auf meinen nackten Körper oder versucht, in meinen vielleicht offenen Mund zu kriechen?
Pfui!!! Nein!!!
Aber wie soll ich es hier aus der Stube bekommen?
Das fasse ich nie an!
Womit soll ich es fangen?
Es kommt schon wieder unter den Hochbetten hervor, sieht mich und flitzt gleich wieder darunter. Da fällt zufällig mein Blick auf den Besen an der Wand. Flugs greife ich ihn mir, schaue unter das Bett, sehe das Tier, schlage mit dem Besen darauf und schleife es zur Tür.
Da fällt mir ein, dass ich ja nackend bin. Und in meiner Stube scheint das Licht. Aber das Tier muss zur Tür hinaus befördert werden! Also bleibt mir nichts anderes übrig, als nackend die Tür zu öffnen, zu hoffen, dass mich niemand sieht und fege mit hohem Schwung das – hoffentlich schon tote –Ungeziefer aus der Stube. Schnell verschließe ich die Tür.
Da sehe ich, dass unter der Tür ein ca. 1,5 cm hoher Spalt quer offen steht. Die Tür reicht also nicht bis zum Fußboden.
Na, das kann ja noch heiter werden! Bloß nicht daran denken!
Und jetzt soll ich versuchen, doch noch friedlich und selig einzuschlafen?
Letzte Vorbereitungen
Für diesen Flug darf ich zwei Gepäckstücke á 32 kg mitnehmen. Um alle meine Packtaschen als ein Gepäckstück in das Flugzeug zu bekommen, hole ich mir meinen alten Seesack vom Boden. Für meine Papiere und Brillen ist meine Lenkertasche zuständig. Und die warme Jacke und ein Buch kommen in eine Plastiktüte.
Aber mein Fahrrad muss in einen Karton gesteckt werden. Und dazu soll ich meinem Reisebüro die Maße des Kartons angeben. Meine Tochter ruft mich aus Spanien an und rät mir, einen kleineren Mountainbike-Karton zu nehmen. Der ist besser zu transportieren. Die Laufräder werden rechts und links des Fahrradrahmens in diesen etwas breiteren Karton gesteckt. Also hole ich ihn mir, messe ihn ab, telefoniere die Maße an das Reisebüro durch und stelle den Karton erst einmal in den Keller. Familiäre Unpässlichkeiten lassen mir keine Zeit, mein Rad schon frühzeitig in den Karton zu stecken. Das kommt erst am letzten Nachmittag vor dem Abflug an die Reihe.
Mein Fahrrad habe ich in dem Fahrradgeschäft meines Vertrauens vollkommen durchchecken und an die Vorderradgabel Lowrider für die kleineren Packtaschen montieren lassen.
Als ich nun zielsicher meinen großen Fahrradkarton geöffnet vor mir stehen habe, will ich mein Vorderrad aus der Gabel lösen. Das geht aber nicht mehr. Die Montage der Lowrider befindet sich so dicht an der Schraube der Achse, dass ich sie nicht bewegen kann. Dann sehe ich mir den Fall mal genauer an und beginne, meinen Verstand einzuschalten.
Wenn ich das Vorderrad herausbekomme, wäre aber mein Rad trotzdem nicht kürzer, weil die Lowrider-Montage an der Vorderradgabel weit nach vorn zeigt.
Und das Hinterrad kann ich sowieso gleich dran lassen, weil ich darüber einen Gepäckträger habe und dazwischen das Schutzblech. So bleibt das Rad hinten auch genauso lang, wenn das Laufrad herausgenommen wird.
Also, was nun? Langsam fange ich vor Aufregung an zu schwitzen. Die Zeit läuft mir davon.
Ich eile die Treppen bis in das zweite Stockwerk hinauf in meine Wohnung und rufe das Fahrradgeschäft in meiner Nähe an. Ganz aus der Puste frage ich, ob sie einen längeren und stabilen Karton für mein Rad haben.
Ja, haben sie. Ich soll man gleich mit dem anderen Karton kommen. Der wird umgetauscht.
So aste ich den Karton immer abwechselnd mal rechts mal links auf meiner Hüfte 500 m dorthin und erhalte einen langen, den ich nach Hause schleife. Er ist einfach zu lang und zu schwer. Den kann ich kleine Person nicht hochheben und tragen.
Den Fahrradlenker löse ich und stelle ihn in Längsrichtung. Ich schraube die Pedalen los, stecke sie in einen kleinen Plastikbeutel und befestige diesen am Rahmen. Endlich kann ich das Fahrrad von oben in ganzer Länge in den schräg vor mir von Klaus-Otto gehaltenen Karton hinein heben. Nun schneide ich nur noch den Karton von oben an den Ecken ca. 20 cm ein, verkürze ihn durch Umklappen und klebe ihn mit viel breitem Klebeband zu. Endlich bin ich damit fertig. Das hat mich ganz schön schwach gemacht. Aber Stolz und Glück erfüllen mich beim Anblick des vor mir stehenden Produktes.
In der Zwischenzeit ist es schon 20.00 Uhr geworden.
Alle mitzunehmenden anderen Teile hole ich nach meinem Spickzettel aus den Schränken und lege sie auf mein Bett. Die stecke ich noch in die vier Packtaschen, schließe sie bis auf eine, in die ich am nächsten Morgen die Waschutensilien und etwas Essbares stecken möchte.
Das Zelt und der Schlafsack liegen auf dem Fußboden. Eine Schlaf- und Zeltunterlage werde ich mir in San Diego neu kaufen.
Vollkommen vom Hetzen geschafft, lege ich mich um 23.40 Uhr schlafen. Das hat mich viel Schweiß gekostet. Mein Kläuschen schläft schon längst tief und fest den Schlaf der Gerechten. Er lässt sich von meinem Gewühl gar nicht stören.
Schreck auf dem Flughafen
Am nächsten Morgen teilt mir mein Kläuschen mit, dass ich nicht, wie geplant, mit der Bahn mit meinen zwei großen sperrigen Gepäckstücken fahren soll, weil das Umsteigen am Hamburger Hauptbahnhof in einen entfernt stehenden Flughafen-Bus einfach zu umständlich ist. Auch der Weg von unserer Wohnung bis zum Bahnhof lässt sich nur mit einem Großraum-Taxi durchführen. Es ist bestellt.
Kläuschen, mein Mann, will mitkommen, um mir zu helfen, aber nur, wenn ich ein Taxi bestelle, das mein Gepäck und mich direkt zum Flugplatz Hamburg-Fuhlsbüttel bringt. Den anderen Zirkus will er nicht mitmachen. Er bietet mir an, alles zu bezahlen. Er erklärt mir, dass ich auf diese Weise auch noch eine Stunde früher am Flughafen ankomme, um das Einchecken in aller Ruhe abwickeln zu können. Ansonsten steht mir dazu nur eine kurze Zeit zur Verfügung. Gesagt, getan. Das eine Taxi wird ab- und das neue bestellt.
Dann stecke ich alle Teile in meinen großen Seesack, verschließe ihn und will gerade den Fahrradkarton aus dem Keller holen, als mein Taxifahrer klingelt. Pünktlich liegen kurz darauf mein verpacktes Fahrrad und der stramme Seesack im Kofferraum. Klaus-Otto und ich steigen ein. Der Taxifahrer bringt uns bis zum Flughafen Hamburg-Fuhlsbüttel.
Dort frage ich mich nach meinem Schalter durch und sage, dass ich mein Fahrrad und meinen Seesack schon einchecken lassen möchte. Ein Mann wird für diese Zwecke an mich abkommandiert. Er sieht sich den Fahrradkarton an und sagt mir gleich ins Gesicht:
„Der Karton ist viel zu groß. Der kann nicht mit."
„Was? Der kann nicht mit? Darin befindet sich mein Fahrrad. Und das brauche ich für meine USA-Durchquerung. Auf einem anderen kann ich nicht fahren. Es ist für mich speziell angefertigt."
„Na, dann wollen wir mal im Computer nachsehen, welche Maße Sie dort angegeben haben. Denn unser Flugzeug bis London ist nur klein. Das hat keinen so großen Laderaum."
Er geht zum Schalter, sieht in den PC und kommt wieder.
„Sie haben aber ganz andere Maße angegeben, als sie dieser Karton vorweist."
„Ja, damals hatte ich auch einen viel kleineren Karton. Aber als ich gestern Nachmittag mein Fahrrad darin verstauen wollte, ging es nicht. Ich musste mir vom Fahrradgeschäft diesen Karton holen und bin glücklich, dass ich es überhaupt verpacken konnte."
Er guckt mich von oben bis unten an und sagt mit einem unbestechlichen Gesichtsausdruck:
„Das kann aber nicht mit. Das muss hier bleiben."
„Nein, das geht nicht. Nur mit diesem Rad kann ich fahren. Ich kann mir in keinem Geschäft in Amerika ein neues Rad kaufen. Ich brauche dieses. Es muss irgendwie mit. Bitte, bitte, versuchen Sie doch, ob es geht."
Ich sehe ihn ganz flehentlich an. Mir stehen schon die Tränen in den Augen. Hieran soll meine Tour schon scheitern? Nein, so leicht gebe ich nicht auf.
Während er mich so ansieht, werden seine Gesichtszüge menschlich und weich. Mitleid mit mir steht ihm ins Gesicht geschrieben.
„Warten Sie einen Moment. Ich gehe mal zur Fluggesellschaft." Er sieht mich beruhigend an.
Nach längerer Zeit kommt er wieder und meint: „Wir versuchen, Ihr Fahrrad mit in das Flugzeug zu quetschen. Wenn es aber deshalb beschädigt wird, haben wir keine Schuld. Sind Sie damit einverstanden?"
Ein riesiger Felsblock rollt mir von der Seele. Meine Mundwinkel beginnen langsam, sich rechts und links in die Höhe zu ziehen. Trotz der Tränen und der Verzweiflung kann ich wieder lächeln. Ein Lächeln der Erleichterung.
Dann erklärt er mir noch:
„Wenn Sie an dem Schalter dort drüben Ihr Fahrrad und den Seesack eingecheckt haben, dann schieben sie beide Teile nach ganz hinten links. Dort wird das Sperrgut abgefertigt. Der Mann weiß schon Bescheid und lässt Ihr Fahrrad auf das Flugzeug bringen."
Ich hätte ihn beinahe vor Glück gedrückt, will aber nicht zudringlich werden.
Und so geschieht alles, wie er es mir gesagt hat. Mein Fahrradkarton wird mitsamt Seesack auf das Flugzeug nach London transportiert und ich setze mich vollkommen erleichtert in das Flugzeug. Es bringt mich nach
K A L I F O R N I E N
Ruhig und sicher bringt mich das Flugzeug mit meinem verpackten Fahrrad und dem stramm vollen Seesack nach Los Angeles/KALIFORNIEN. Als ich dort aussteige, empfangen mich Wärme und Sonnenschein.
Mit meinem großen Fahrradkarton und dem Seesack auf einem Trolly schiebe ich zur nächsten leeren Wand, schäle mein Fahrrad aus dem Karton, lasse diesen dort leer an der Wand stehen und schiebe mit einer Hand mein Fahrrad und mit der anderen den Trolly mit dem Seesack zum Ausgang.
Mein Cousin Jürgen steht freudestrahlend in der Wartehalle und nimmt mich mit all meinem Zubehör per Großraum-Auto zu sich in sein Haus. Am nächsten Nachmittag bringt er mich nach San Diego in die Jugendherberge, wo ich mich schon lange eingebucht habe. Ich richte mich in meinem kleinen Einzelzimmer häuslich ein, das heißt, dass ich alle meine Packtaschen rund um das Bett herum verteile und meinen Pyjama daraus hervor hole. Das Zimmer ist voll. Ich muss über die Taschen steigen, wenn ich in mein Bett will. Ein kleiner Sessel steht auch noch im Zimmer, aber der ist auch kurz darauf mit meiner Garderobe, die ich morgen anziehen will, bestückt.
Am nächsten Morgen fahre ich nach meinem Frühstück zum Postamt und schicke Vitamine, Landkarten und Fotorollen an bestimmte Postämter auf meiner zu fahrenden Strecke vor.
Noch zu Hause in Kiel hatte ich vor, in Motels zu übernachten, um mir das Gewicht des Zeltes, des Schlafsacks und der Unterlage samt Nahrungsmitteln zu ersparen. Aber dort stellte ich anhand meiner Streckenkarte fest, dass es aber hinter Phoenix im Umkreis einer Tagesfahrt nirgends eine andere Möglichkeit gibt, als auf einem Campingplatz zu schlafen.
Deshalb habe ich mein altes Zelt und meinen Schlafsack zum Postamt mitgenommen und schicke beides nun nach Phoenix per Paket vor. Den Seesack schicke ich zum Holiday Inn Airport Hotel in Jacksonville. Den brauche ich, wenn ich meine Packtaschen vor dem Abflug nach Deutschland wieder zu einem Gepäckstück zusammenfassen muss.
Dann setze ich mich ganz mit mir zufrieden auf mein Rad und radele ich auf einem anderen Weg Richtung Jugendherberge. Dabei sehe ich ein sehr großes Bergsport-Geschäft. Damit assoziiere ich ein neues leichtes Zelt samt neuem leichtem Schlafsack.
So halte ich davor an, schließe mein Fahrrad fest und gehe erwartungsvoll in den ersten Stock. Dort wird mir ein neues, nur etwas mehr als zwei Pfund leichtes Zelt und ein leichter aber warmer Daunenschlafsack vorgeführt. Ich kann nicht widerstehen und lasse mir beides einpacken. Auch noch eine sehr leichte Kunststoff- Schlafunterlage finde ich samt einer Plane als Unterlage für mein neues Zelt. Dabei entschließe ich mich kurzfristig, doch auf Campingplätzen zu schlafen, um mehr Abenteuer zu erleben und um Geld zu sparen.
In der Herberge wieder angekommen, hole ich mir noch einmal die Streckenkarten vor und lese auf den Rückseiten die wichtigsten Dinge durch. Bei diesem Absatz über die zu erwartende Tierwelt bekomme ich eine Gänsehaut:
„Wenn die Sonne untergeht und die Nacht beginnt, erwacht die Welt der uns fremden Nachtkreaturen. Dann kommen die Gejagten und die Jäger hervor und wieder die Jäger der Jäger. Die Nacht erwacht mit Rufen, Schreien und Bellen. Viele Sorten von Eichhörnchen, Beutelratten, Ratten und Mäusen leben hier. Größere Wüstentiere wie Hasen (besonders große), Maultier-Hirsche, Stinktiere, Dachse, Füchse, Rotluchse und Coyoten sind reichlich vorhanden. Skorpione und Schlangen sind in der Wüste die Regel." Abends holt mich mein Fahrrad-Freund John aus San Diego mit seinem Freund Guy ab. Wir drei dinieren in einem ganz feinen Restaurant direkt am Seglerhafen. Draußen geht langsam die Sonne unter und färbt die Umgebung in pastellfarbene Töne.
Auf dem Weg zum Auto staune ich über die wunderschöne Skyline von San Diego, die sich mit ihrer bunten Nachtbeleuchtung im Hafenwasser widerspiegelt. Windstille herrscht. Restlos glücklich steige ich vor der Herberge aus Johns Auto und lege mich schlafen.
San Diego-Rundfahrt
Am nächsten Morgen steht John pünktlich um 8.00 Uhr mit seinem Fahrrad vor der Herberge und holt mich zu einer San Diego-Rundfahrt ab. Bei seinem Anblick hüpft mein Herz vor Freude. Unsere 1998 gemeinsam durchgeführte TransAmerika-Durchquerung per Fahrrad und Zelt steht wieder lebendig vor meinem inneren Auge. Und nun darf ich mit ihm eine Tagestour unternehmen. Ich bin glücklich, mich von ihm durch seine Heimatstadt, auf die er sehr stolz ist und die er mir erklärt, führen zu lassen.
Wir radeln bei strahlendem Sonnenschein, aber noch kühlem Wetter durch die recht hügelige Stadt. Es geht durch ruhige Bezirke