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Wächter des Paradieses: Teil 1
Wächter des Paradieses: Teil 1
Wächter des Paradieses: Teil 1
eBook182 Seiten2 Stunden

Wächter des Paradieses: Teil 1

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Über dieses E-Book

Das Buch

Frühjahr 1990. Auf einer Ausgrabungsstelle bei Edirne am Türkisch-Griechisch-Bulgarischen Länderdreieck wird ein Schriftstück aus dem zehnten Jahrhundert gefunden über eine mystische Reise in den Garten Eden. Der junge Würzburger Byzantinist Richard Kronau entdeckt bei seinen Forschungen Verbindungen zu einer finsteren mittelalterlichen Geheimorganisation, den Wächtern des Paradieses. Seine Spurensuche führt ihn und seine beiden Freunde Theo und Tabea nach Griechenland, in die Türkei und an einen einsamen, sagenumwobenen Ort mitten im Herzen der Auvergne, den Garten der Feen. Doch nach und nach verdichten sich die Beweise, dass die Wächter des Paradieses auch in der heutigen Zeit ihr Unwesen treiben, ihr Arm scheint bis ins beschauliche Würzburg zu reichen. Die drei Freunde geraten in Lebensgefahr ...
Matthias Hahns Mystery-Thriller vereint alle Elemente eines klassischen Abenteuerromans: überirdische Schönheiten, zielstrebige Helden, Finsterlinge mit geradezu übernatürlichen Fähigkeiten und eine ganze Reihe höchst skurriler Nebenfiguren, die für den nötigen schrägen Humor sorgen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum26. Mai 2013
ISBN9783847639336
Wächter des Paradieses: Teil 1

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    Buchvorschau

    Wächter des Paradieses - Matthias Hahn

    1. Ein ungewöhnliches Arbeitsessen

    Der kalte Luftzug brachte den General zum Frösteln. Oder war es die Ungeheuerlichkeit seines Vorhabens, die ihm den Schauder über den Rücken jagte? Er blickte auf das Schwert in seiner Hand. Dann nickte er den anderen zu und betrat das Schlafgemach. Sein Opfer lag auf dem Boden. In frommer Askese hatte der Kaiser von Byzanz die Weichheit des Bettes verschmäht und sich auf einem Fell zum Schlaf ausgestreckt. Der General zögerte. Stumm bedeutete er den Verschwörern zu warten. Nicht zum ersten Mal tötete er einen Menschen. Er wusste nicht, wie viele Söhne der Hadith er in die Dschehennah geschickt hatte, wie viele Frauen und Kinder bei seinen Beutezügen ums Leben gekommen waren. Aber stets hatte es sich um Feinde gehandelt, um Ungläubige. Er hatte das Blutwerk im Auftrag des Allmächtigen ausgeführt. Der gute Zweck hatte das Töten geheiligt. Doch erfüllte er auch heute den Willen des Herrn?

    Sein Opfer lag wehrlos vor ihm, noch schwerer aber wog: Er hob sein Schwert gegen den Kaiser der Christenheit, den Vertreter Gottes auf Erden. Es war eine Todsünde, ihn abzuschlachten.

    Der General erinnerte sich. Einst war ihm der Herrscher ein väterlicher Freund gewesen. Der Kaiser hatte ihn das Handwerk des Befehlshabers gelehrt, hatte ihm gezeigt, wie man Soldaten für ihre grausame Arbeit begeisterte, wie man Tod und Verderben über die Hadithsöhne brachte. Seine Soldaten und sein Volk hatten ihn als Helden gefeiert, hatten ihn „den bleichen Tod der Sarazenen genannt. Doch jetzt hießen sie ihn nur noch „Mörder. Fromm bis zur Askese, war der Kaiser hart geworden. Seine ständigen Kriegszüge im Namen des Glaubens hatten Armut und Hungersnot über seine Untertanen gebracht. Unruhen erschütterten die Hauptstadt, Steine flogen, wenn der Vertreter Gottes sich in der Öffentlichkeit zeigte, Schmährufe wurden ausgestoßen, wo immer man seine eindrucksvolle Gestalt erblickte. Der Kaiser aber beantwortete all diese Bekundungen des Unmuts mit den einzigen Mitteln, die er kannte: mit Härte und Grausamkeit. Kaum ein Tag verging, an dem er nicht eine neue Hinrichtung befahl. Doch damit fachte er die Wut der einfachen Leute nur noch heftiger an. Die Stadt stand kurz vor einem Aufstand, der das Reich in seinen Grundfesten erschüttern würde. War es nicht ihrer aller heiligste Pflicht, den Despoten zu beseitigen?

    Der General blickte sich zu seinen Mitverschworenen um. Einige murmelten lautlose Gebete, um Jesus und die Apostel für ihre Tat um Verzeihung zu bitten, aber keines der Gesichter zeigte auch nur die geringste Spur von Mitleid. Nur Hass und Zorn konnte er in ihnen lesen, und grimmige Freude, dass der Tag der Abrechnung nun endlich gekommen war. Auch am Hof hielten nur noch wenige zum Tyrannen.

    Die Kaiserin betrat das Zimmer. Wie jedes Mal, wenn der General sie erblickte, raubte ihre Erscheinung ihm den Atem. Theophanu war die schönste Frau des oströmischen Reiches. Einst war sie Schankdirne gewesen, in einer Taverne von recht zweifelhaftem Ruf. Dann hatte Romanos II., der Vorgänger des Kaisers, sie zu seiner Frau erhoben. Bald darauf war Romanos gestorben; um einen Bürgerkrieg zu vermeiden, hatte Theophanu dem mächtigsten Befehlshaber des byzantinischen Heeres das Jawort gegeben und ihn somit zu Romanos’ Nachfolger erkoren. Doch nun …

    Der General blickte in ihr Gesicht – auch dort konnte er nur Hass erkennen. Auch Theophanu hatte unter der brutalen Strenge ihres Gatten gelitten. Sie war es, die diese Verschwörung in die Wege geleitet hatte. Sie hatte den General zum Nachfolger des Kaisers erkoren. Sie liebte ihn, begehrte ihn mit der gleichen Leidenschaft, mit der sie ihren Gemahl verabscheute.

    Und der General liebte sie. Er würde alles geben, um seine Angebetete aus der Knechtschaft ihrer Ehe zu befreien, alles, um sich ihrer Liebe wert zu erweisen. Und genau das war es, was seine Tat zur Sünde degradierte. Sein innerster Antrieb war nicht, das Reich Gottes von der Gewaltherrschaft des Kaisers zu befreien, seine Motive waren von niedriger, eigennütziger Natur. Dafür würde er ewige Schuld auf sich laden, würde Höllenfeuer und Verdammnis auf sich ziehen. Er würde sich verachten, sein Leben lang; und auch Theophanu würde er verfluchen, nie wieder würde er ihr in die Augen blicken können, ohne an die heutige Bluttat zu denken.

    Nun denn, es war zu spät, von dem Vorhaben abzusehen. Er nickte den anderen zu und hob seine Klinge. Die Verschwörer traten vor. Der Kaiser erwachte, von den Geräuschen geweckt, die die Stiefel der Attentäter verursachten. Er fuhr auf, sah die grimmigen Gesichter seiner Feinde, fasste nach dem Schwert, das sich stets in Griffweite befand. Da erblickte er das Antlitz seiner Gattin, die er über alles liebte, und die ihn nun verriet …

    „Entschuldigung." Die Stimme einer Kommilitonin weckte Richard Kronau aus seinen Träumen.

    „Kann ich mal den Ostrogorsky haben?", fragte die recht korpulente junge Frau und deutete auf eines der Bücher, die auf Richards Arbeitstisch lagen.

    „Aber natürlich", murmelte Richard ein wenig unwillig und versuchte mühsam, sich in der Realität zurechtzufinden.

    „Danke."

    Die Studentin griff sich den Wälzer und setzte sich an den Tisch vor Richards Arbeitsplatz.

    Seufzend warf Richard einen letzten Blick auf die Beschreibung des Mordes an Kaiser Nikephoros in den Historien des Leon Diakonos, dann klappte er entschlossen den Band zu und verscheuchte die Bilder, die die Lektüre in ihm ausgelöst hatte. Es war nicht seine Aufgabe, sich längst vergangene Ereignisse auszumalen, er befand sich nicht im fackelbeschienenen Palast von Konstantinopel, und er hielt sich nicht im Jahr 969 auf, wo man für alle seine Taten und Untaten den Willen Gottes verantwortlich machen konnte. Man schrieb den 31. März 1990, und Richard saß im neonbeleuchteten Lesesaal der Universitätsbibliothek in Würzburg. Er war selbst für sein Handeln verantwortlich und musste sich dringend um seine Magisterarbeit kümmern, musste endlich herausfinden, wie er sich an sein Thema herantasten sollte.

    Richard Kronau war Student der Byzantinistik, er befand sich inzwischen im dreizehnten Semester, und es wurde höchste Zeit, dass er sein Studium zu Ende brachte.

    Er griff sich eines der Bücher, die er sich zu diesem Zweck an den Arbeitstisch geholt hatte: „Geschichtsschreibung im frühmittelalterlichen Byzanz" von Paul Kaminski. Der Einband wirkte nichtssagend, das Buch strahlte dieselbe farblose Langeweile aus wie die meisten Werke im Lesesaal. Richard schielte zu dem Diakonos. Er spürte die Versuchung, den Kaminski zur Seite zu legen, bevor er ihn überhaupt aufgeschlagen hatte, um sich wieder mit der spannenden Beschreibung der unzähligen Bluttaten am byzantinischen Hof zu beschäftigen. Wieder sah er das bärtige Gesicht Kaiser Nikephoros’ vor sich, wie er seinen Tod in den Augen der Verschwörer las. Hatte Richard nicht vor allem deswegen Byzantinistik studiert, weil er mehr über die aufregenden Ereignisse dieser untergegangenen Epoche in Erfahrung bringen wollte?

    Es nutzte nichts, er musste an seine Zukunft denken. Sein Thema lautete nicht: „Fantasien über den Putsch des Generals Johannes Tzimiskes, es hieß „Ein neues Fundstück byzantinischer Mystik des frühen Mittelalters. Bezüge zu Texten von Autoren aus der Epoche der amorischen und der makedonischen Dynastie.

    Richard durfte sich nicht beschweren. Hinter diesem langatmigen Titel verbarg sich eine für einen Byzantinisten nicht uninteressante Aufgabe.

    Vor einigen Monaten hatte man in einer Grabungsstätte bei Edirne unweit Istanbuls das Bruchstück eines Textes gefunden, in dem ein bislang unbekannter Verfasser von einer Reise ins Paradies erzählte. Zumindest war dies die vorläufige Arbeitshypothese, denn die erhaltenen Reste umfassten gerade einmal 145 Wörter in der Originalsprache und mindestens ebenso viele Lücken.

    Richard nahm seine Kopie des wertvollen Dokuments aus einer Mappe und warf einen kurzen, ein wenig mutlosen Blick auf die gedrängten griechischen Buchstaben. Seine Aufgabe bestand darin, in bereits bekannten Quellen nach Bezügen zu diesem Text zu suchen. Das hieß, er musste alle bekannten byzantinischen Autoren vom achten bis zum elften Jahrhundert auf Hinweise durchforsten, die zur Identifizierung oder wenigstens Einordnung des gefundenen Bruchstücks beitragen konnten. Theoretisch wurden einem Studenten sechs Monate Zeit für eine Magisterarbeit gewährt, aber Richard ahnte, dass er bei diesem Thema nicht ohne eine Verlängerung auskommen würde.

    Zumindest dann, wenn er sich weiterhin vor der Arbeit drückte. Resigniert legte Richard die Kopie zur Seite und schlug den Kaminski auf.

    Es ist allgemein bekannt, dass sich geisteswissenschaftliche Sekundärliteratur und insbesondere die über historische Werke nur selten durch eine ausgefeilte Dramaturgie auszeichnet. Dieses Buch aber übertraf alle Erwartungen. Es war nicht einfach nur langweilig, es war praktisch unlesbar. Jeder einigermaßen normale Mensch hätte es spätestens nach 30 Sekunden zur Seite gelegt, falls er es versehentlich in die Hände genommen hätte. Auch Richard fühlte sich nach kurzer Zeit wie unter dem Einfluss eines überdosierten Schlafmittels, und das um so mehr, da er nichts entdeckte, das sein Thema berührte. Theophanes Confessor, mit dem sich Kaminskis Werk im Wesentlichen beschäftigte, war zwar ein Mystiker gewesen, aber keiner, der in seinen Träumen das Paradies erblickte. Für ihn hatten nur Sünde, Verfehlung und Höllenfeuer existiert. Sein unbekannter Nachfolger, Theophanes Continuatus genannt, hatte sich überhaupt nicht mit der Mystik befasst, ihn zeichnete vielmehr ein Hang zum WeltlichDramatischen aus. Sein Interesse hatte Morden, Intrigen und anderen Schurkereien gegolten. Richard musste unwillkürlich schmunzeln, als er die Abbildung eines Originalpergaments betrachtete. Sogar die Schrift des Theophanes Continuatus wirkte dramatisch mit ihren hohen Strichen, die ihm auf sonderbare Weise vertraut erschienen. Gelangweilt blätterte er weiter und versuchte, sich auf die faden Gedankengänge eines Paul Kaminski zu konzentrieren, doch in seinem Inneren hörte er die Musik von Zimbeln und quäkenden Flöten, und er stellte sich vor, wie die schöne Theophanu in der Schenke tanzte, in der Kaiser Romanos sie zum ersten Mal erblickt hatte. Wie mochte diese Dame wohl ausgesehen haben, dass ihr gleich drei Kaiser verfallen waren? Schlank oder eher ein wenig mollig? Mittelgroß oder eher zierlich? Von welcher Art war das Schönheitsideal der Byzantiner gewesen?

    Auf jeden Fall musste sie mit großen Augen und langen schwarzen Haaren gesegnet sein, wie Darstellungen byzantinischer Künstler aus der fraglichen Epoche vermuten ließen …

    „Mit Dank zurück", unterbrach die korpulente Kommilitonin Richards Träumereien und legte den Ostrogorsky auf den Tisch. Dann machte sie sich auf den Weg zu den Regalen, um die Bücher, mit denen sie gearbeitet hatte, wieder auf ihren Platz zu stellen.

    Eigentlich hätte sie den Ostrogorsky gleich mit aufräumen können, dachte Richard und schaute seiner Kommilitonin hinterher. So hat Theophanu bestimmt nicht ausgesehen, überlegte er und ließ seinen Blick über die Anwesenden streifen, bis er endlich eine junge Frau ausgemacht hatte, die seinen Fantasien wenigstens einigermaßen entsprach. Sie saß einige Tische weiter vorn, wirkte allerdings eher groß, nicht zierlich, wie es von der legendären byzantinischen Kaiserin eigentlich anzunehmen war. Aber Richard fühlte sich sowieso nicht in der Lage, die Gestalt der Dame genauer zu beurteilen, konnte er doch lediglich den oberen Teil ihres Rückens betrachten, und auch die Farbe ihrer Haare blieb ihm ein Rätsel. Die Unbekannte hatte sie unter einem exotisch anmutenden Tuch versteckt, das mit merkwürdigen pflanzlichen Ornamenten bestickt war. Hatten nicht auch die alten Byzantiner in gewissen Phasen ihrer Geschichte ähnliche Ornamente benutzt?

    Die junge Dame warf einen Blick in ein Buch zu ihrer Seite, so dass Richard nun das Profil ihres Gesichts beobachten konnte. Es erschien ihm recht ebenmäßig, und sie besaß tatsächlich große Augen, wirklich schöne große Augen. Neugierig wartete Richard darauf, dass sich das Objekt seiner Betrachtung vollständig zu ihm umwenden würde, doch da setzte sich ein Student mit besonders breiten Schultern vor ihn und versperrte ihm die Sicht. Richard murmelte einen lautlosen Fluch, aber seine Vernunft ließ ihn einsehen, dass es so wohl am besten für ihn war. Schließlich hatte er noch einen ganzen Stapel Arbeit vor sich liegen.

    Doch die Unbekannte ging ihm nicht mehr aus dem Sinn. Warum trug sie dieses Tuch? Stammte sie aus einem anderen Land? Aber aus welchem? Richard richtete sich auf, um über den Breitschultrigen hinwegzulinsen, doch der Tisch, an dem die geheimnisvolle Frau gesessen hatte, war leer. Aus den Augenwinkeln heraus glaubte Richard wahrzunehmen, wie eine hochgewachsene Gestalt gerade auf einer der Treppen verschwand, die auf die obere Ebene des Lesesaals führten.

    War sie es? Richard kämpfte einen Moment mit der Versuchung, ihr hinterher zu eilen, doch dann rief er sich zur Ordnung und griff wieder nach seiner Lektüre. Er hatte sich schon lange genug ablenken lassen. Es wurde Zeit, dass er endlich ans Werk ging.

    Aber heute war wohl nicht sein Tag. Lange blätterte er in dem Kaminski, ohne einen klaren Gedanken fassen zu können. Schließlich legte er das Buch zur Seite. So funktionierte es nicht. So würde er noch

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