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Der entzogene Auftrag: Eine Kriminalerzählung
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Der entzogene Auftrag: Eine Kriminalerzählung
eBook190 Seiten2 Stunden

Der entzogene Auftrag: Eine Kriminalerzählung

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Über dieses E-Book

Frank, eine Art freiberuflicher Informant, der für eine dubiose Organisation ('die Zentrale' genannt) arbeitet, erhält den Auftrag, in Tokio nach einem Mann namens Slim zu suchen. Er reist dorthin und muss dann erfahren, dass Slim tot ist, ermordet, wie sich später herausstellt. In einem Tokioter Park wird Frank von einer Japanerin angesprochen, die ihm Informationen über diesen Mord gibt - und das Tagebuch einer anderen Japanerin, die 1942 in Berlin an der japanischen Botschaft als Dolmetscherin arbeitete. In diesem Tagebuch berichtet sie über eine geheimnisvolle Konferenz, die 1942 in Berlin zwischen deutschen Nazis und Japanern stattfand. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dieser Konferenz und Slims Ermordung? Frank reist nach Berlin, um diese Frage zu beantworten. Als er das Besprechungsprotokoll dieser Konferenz findet, ist sein eigenes Leben in Gefahr.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum1. Dez. 2012
ISBN9783844237245
Der entzogene Auftrag: Eine Kriminalerzählung

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    Buchvorschau

    Der entzogene Auftrag - Kaspar F. Thome

    Kaspar F. Thome

    Der entzogene Auftrag

    Eine Erzählung

    Impressum

    Der entzogene Auftrag

    Kaspar F. Thome

    published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de

    Copyright: © 2012 Kaspar F. Thome

    ISBN 978-3-8442-3724-5

    I

    Wer war Slim eigentlich? Er hatte ihn zuerst auf einem verwackelten Foto gesehen: ein sich von der Kamera abwendender Mann, der reichlich Fett angesetzt hatte, Anfang vierzig vielleicht oder eher älter. Er trug ein blaues, verwaschenes T-Shirt, welches aus seiner Jeans-Hose heraushing. Dieser Mensch erschien ganz unauffällig, vollkommen in seine Umgebung, eine dieser halbdunklen, schmuddeligen thailändischen Bars, eingeschmolzen. Neben Slim saßen einige Barmädchen und winkten fröhlich in die Kamera, während Slim, obwohl sein Gesicht kaum zu sehen war, einen ärgerlichen Eindruck machte; das Aufblitzen der Kamera mußte ihn gestört haben. Seine erste Vermutung war es gewesen, daß Slim zur schlimmsten Sorte der ugly white men gehörte, daß er ein Säufer, Hurenbock, vielleicht sogar Rassist war. Aber später änderte er seine Meinung, wurde vorsichtiger mit seinen Urteilen, bis er es eines Tages aufgab, über Slim zu urteilen. Und außerdem war es überhaupt nicht seine Aufgabe, zu urteilen: Er sollte vielmehr Slims Spur aufnehmen, seine Freunde, Bekannten, Liebschaften, Kontakte ermitteln, um ihn schließlich zu finden.

    Die Zentrale hatte ihm ein schmales Dossier über Slim geschickt, mit diesem verwackelten Foto, welches aus den späten 1980er Jahren stammen sollte. Er konnte es kaum glauben, daß die Zentrale keine anderen Fotos von Slim besaß! Die anderen Informationen über Slim waren auch nicht viel besser: ‚Slim’ war nicht einmal sein richtiger Name, der unbekannt zu sein schien; jedenfalls wurden die paar Dossiers, die Frank zu Gesicht bekam, unter diesem merkwürdigen Spitznamen ‚Slim’ geführt; Nationalität: unbekannt, wahrscheinlich deutsch; Wohnort: unbekannt, viel auf Reisen, nach Zeugenaussagen (welche Zeugen?) hauptsächlich in Asien, Korea, Thailand, Japan, China und den USA; Beruf: unbekannt – vermutet wurden irgendwelche Geschäfte am Rande der Legalität, man sprach von ‚Kunsthandel’, ‚Handel mit ostasiatischen Antiquitäten’. Der Grund, weshalb er, Frank, Slim suchen sollte, blieb ebenfalls ungenannt. Die einzig gehaltvolle Information war die, daß man (wer denn?) Slim zuletzt in Tokio gesehen habe, weshalb Frank schnellstens dorthin fliegen und Slims Aufenthaltsort ausfindig machen sollte. Jedoch wurde ihm ausdrücklich untersagt, Kontakt zu Slim herzustellen; er sollte vielmehr sogleich, wenn er ihn gefunden hatte, die Zentrale informieren, die alle weiteren Schritte in die Wege leiten würde – wie gewohnt.

    Frank waren diese dubiosen Aufträge, bei denen er dauernd das Gefühl hatte, ein bloßer Handlanger zu sein, zutiefst zuwider; vor allem haßte er es, daß die Zentrale ihm wesentliche Informationen vorenthielt (und daß sie dies in diesem Fall erneut tat, war so gut wie sicher). So verhielt sich die Zentrale immer wieder – und Frank mußte sich im Laufe der Jahre an diesen Stil gewöhnen, den er anfangs als persönliche Beleidigung begriffen hatte, nun aber – in der Regel! – kalten Herzens ertrug. Er stellte auch diesmal keine weiteren Fragen, sondern suchte sich gleich einen der billigsten Economy-Flüge im Computer heraus, denn bei den Spesen war die Zentrale in der letzten Zeit viel geiziger geworden. Er flog von Deutschland aus über London nach Tokio. Da Frank schon lange allein lebte, brauchte er sich von niemandem zu verabschieden. Er hatte seine Lebensverhältnisse seinem Berufsleben, welches ihn oft und plötzlich für längere Zeit irgendwohin führte, vollkommen angepaßt – oder unterworfen, könnte man sagen, wenn man dies kritisch sehen wollte.

    Es war ein noch kühler April-Tag als seine Reise begann. In der kleinen Maschine nach London saßen meistens Geschäftsleuten und nur ein paar wenige Touristen. In London Heathrow, wo er ankam, mußte Frank ungefähr drei Stunden auf seinen Anschlußflug nach Tokio warten, doch das machte ihm nichts aus, da er sich recht gern in diesem Flughafen aufhielt, um dem Treiben der Menschen dort zuzusehen. Um vom Ankunftsterminal seines Fluges aus Deutschland zum Abflugterminal seines Fluges nach Japan zu gelangen, mußte Frank zunächst auf endlos langen Laufbändern entlangmarschieren (da er genügend Zeit hatte, hätte er natürlich auch einfach auf ihnen stehenbleiben können, um sich so automatisch fortzubewegen, doch dazu brachte er die nötige Geduld nicht auf). Dieser Flughafen hatte labyrinthische Strukturen! Dann ein Nadelöhr: Eine lange Menschenschlange staute sich vor einer Sicherheitskontrolle. Geduldig – was blieb ihm auch anderes übrig? – wartete Frank hier, mit all den anderen Menschen, die an diesem Punkt, aus allen Himmelsrichtungen kommend, aufeinander trafen, um sich, nach dem Passieren dieser Kontrolle unverzüglich erneut zu zerstreuen. Frank schwindelte ein wenig angesichts dieses gigantischen Umschlags von Menschenleibern. Die meisten Reisenden warteten eher unwillig, wenngleich schicksalsergeben; manche scherzten, andere beobachten ihre Mitmenschen und einige waren ganz in sich gekehrt. Es gab sogar welche, die direkt körperlich unter dieser Warterei zu leiden schienen wie z.B. das junge Mädchen vor ihm, welches sich immer wieder, vielleicht von einem langen Flug erschöpft, niederhocken mußte.

    Endlich kam die Kontrolle, die recht nachlässig und ruppig durchgeführt wurde – und dann öffnete sich vor ihm, sozusagen als Belohnung für das lange Warten, die Terminalhalle, vollgestopft mit Geschäften aller Art. War er eben ein lästiges, gleichsam überzähliges Kontrollobjekt gewesen (denn es gab doch offensichtlich angesichts der langen Warteschlagen anscheinend, gleich ihm, viel zu viele Flugreisende, die den überarbeiteten Kontrolleuren nur Arbeit und schlechte Laune bereiteten), so war er nun plötzlich in ein umworbenes, rares, majestätisches Subjekt, den König Kunde, verwandelt. Vielleicht gab es in der Tat Menschen, die sich nach ihrer Reduktion auf ein solches Objekt, durch dieses Umworben- und Umschmeicheltsein als potentieller Kunde gleichsam aufs neue aufpumpen lassen mußten. Aber dieses Wechselspiel konnte wohl allein dann richtig funktionieren, wenn man einmal ein schwaches Ego hatte, welches sich von diesen Kontrollprozeduren wirklich angegriffen fühlte, und zum anderen, wenn man über genügend Geldmittel verfügte, um sich durch Shopping egotechnisch neuerlich aufrichten lassen zu können (vielleicht gab es da ja irgendwelche Zusammenhänge von Ego-Schwäche und Reichtum?). Da Frank allerdings – leider! – weder reich war, noch – Gott sei Dank! – unter einer ausgesprochenen Ego-Schwäche litt, fühlte er sich von all diesen Geschäften, die es hier für Parfüm, Hemden, Pullover, Hosen, Röcke, Brillen, Elektronik, Lebensmittel, typisch ‚englischen’ Mitbringsel, Süßigkeiten und tausend andere Sachen sonst noch gab, zur Gänze nicht angesprochen. All die schönen Zauberworte wie ‚Special offer’, ‚Tax free’ und die heiligen Namen der Designer B-Brands – die Trias des Konsumismus von BALLY, BURBERRY und BOSS (ihre Geschäfte lagen, wie es der Zufall wollte, nebeneinander) – waren für ihn nicht mehr als ein stetiges und ein wenig auf die Nerven gehendes Rauschen. Einzig ein Eckgeschäft mit dem verheißungsvollen Namen World of Whiskies hatte es ihm angetan, obwohl er dort bisher nie etwas gekauft hatte und hoffentlich auch nie kaufen würde. Da er leider nur zu gerne dem Alkohol, meistens in Form von Wein, zusprach, ließ er lieber von dieser verlockenden ‚neuen Welt’ der Whiskys die Finger. Und so verschmähte Frank, heroisch lächelnd, die ihm geradezu perfide angebotenen Probierdrinks und verschaffte sich, unschuldig-nüchtern bleibend, allein durch das Betrachten der Vielfalt der erhältlichen Wiskysorten eine Art imaginären Rausch.

    Gerne aber hätte er zumindest einen Kaffee getrunken, doch da er lediglich Euro und Yen und keine britischen Pfund in der Tasche hatte (daß man sich überhaupt nach wie vor eine eigene, kleine Währung halten konnte!), und auch seine Kreditkarte für so kleine Beträge nicht akzeptiert wurde, verzichtete er darauf. Er setzte sich irgendwo hin und sah den vorbeiströmenden Menschen in dieser jetplane world zu: den Flughafenangestellten, denen ihre Plastikausweiskärtchen fröhlich um den Hals baumelten, den chic gekleidet Geschäftsleuten mit ihrem einheitlichen, nationenübergreifenden ‚professionellen’ Gesichtsausdruck, den Jungen und Mädchen in ihren T-Shirts mit den – sicherlich immer um Originalität bemühten – lustig-schockierenden Aufdrucken und Slogans; viele telefonierten, einige fuhren in den Urlaub, andere kehrten zurück. Einige Paare hielten sich an den Händen fest, sich einander Halt gebend in dieser auseinanderfließenden Transitwelt; Arbeiter in gelben Jacken durchquerten zielstrebig das Gebäude. Sogar die typische (fast schon karikaturistisch-typische) japanische Reisegruppe fand sich ein, bestehend aus zumeist älteren, alleinstehenden Frauen und einigen Ehepaaren (deren männlicher Teil es also irgendwie geschafft hatte, sich am Leben zu erhalten, während die Mehrzahl seiner Altersgenossen bereits, ausgelaugt vom mörderischen Arbeitsleben, das Zeitliche gesegnet hatte); alleinstehende Männer gab es nicht, abgesehen von dem jungen Reiseleiter, der als einziger ‚korrekt’, das heißt mit Anzug und Krawatte, auftrat, während alle anderen im einheitlichen Freizeitlook gekleidet waren; etwas, was man vor einigen Jahren noch nicht hätte sehen können, als die Japaner, zumindest die japanischen Männer, selbst in ihrer kärglich bemessenen Urlaubszeit – und besonders im Ausland! – wie die Büroangestellten auftraten.

    Frank gegenüber saß ein älterer Engländer, der ein wenig verbittert wirkte und in seine Zeitung vertieft war, während seine Ehefrau, die einen recht lebhaften Eindruck machte, ihre Kreise durch die Geschäfte zog, um sporadisch bei ihrem Gatten aufzutauchen, sei es um nachzusehen, ob ihn nicht schon (endlich?) ein Herzschlag dahin gerafft habe, sei es um von Zeit zu Zeit eine Anlaufstation zu haben. Der Terminal war mit Menschen dicht angefüllt; in einigen besonders beliebten Geschäften drängten sich die kauflustigen Reisenden regelrecht; zuweilen durchkreuzte ein phantastisches Gefährt dieses Gewimmel: Ein Sikh, mit Turban und prächtig-grauem Bart, eine durchaus imposante Gestalt, steuerte ein komisches Gefährt, eine Art Mini-Auto, um kranke und alte Passagiere herumzufahren. Langsam kroch auf der Anzeigetafel Franks Flug nach oben. Bald würde er in Japan sein, einer, nach diesem Gewusel hier, ungleich homogeneren Welt, wie er wußte, da er schon oft dort gewesen war. Nicht ohne einen kleinen Hauch von Traurigkeit verabschiedete Frank sich innerlich von dieser bunten europäischen Szenerie, um zu seinem Fluggate zu gehen, welches endlich auf der Anzeigetafel erschienen war und von dem aus wenig später sein Flugzeug startete.

    Glücklicherweise fiel er gleich nach dem Abflug in einen leichten Schlummer (er hatte als erstes im Flugzeug hastig ein Bier getrunken), aus dem er erst hochschreckte als sich das Flugzeug über dem schneebedeckten Sibirien befand. Wie so oft kurz nach dem Erwachen fühlte er sich unwohl. Kroch gar ein Gefühl der Angst in ihm hoch? Doch nur für einen Augenblick, dann wurde er durch das stetige, unverständliche Gemurmel seiner Nachbarn – später, als sie die Einreisekarten für Japan ausfüllten, sah er an ihren Pässen, daß es Bulgaren waren, Sportfunktionäre – irgendwie beruhigt, so daß er eine Zeitlang weiterdämmerte; mit dem nahezu ungenießbaren Essen und verschiedenen schwachsinnigen Filmen vertrieb er sich die restliche Flugzeit.

    Die Ankunft am Flughafen in Tokio war für ihn Routine: die große, kühle, hypermoderne Halle des Flugplatzes, die desinteressierten Japaner, ihre kühlen Begrüßungen untereinander (ein kleines Lächeln, eine knappe Verbeugung für ihre zurückkehrenden Partner, Freunde oder Verwandten, die sie vielleicht wochen-, monatelang nicht gesehen hatten), die Ausländer, die erstmalig in Japan ankamen und hilflos umherstolperten bis sie schließlich, mit süßlich verzückten Gesichtern, auf die ihnen so exotisch-wunderhübsch erscheinenden Japanerinnen an den Informationsschaltern einreden konnten. Auch er, ja auch er war hier einstmals so gestanden! Und dann gab es noch die Profireisenden, die ohne Umschweife ihren Weg fanden, und zu denen sich Frank seit einigen Jahren schon zählen durfte. Schnell entfernte er sich aus der Ankunftshalle, in der er nicht zum ersten Mal das Gefühl bekam, beobachtet zu werden (auch diesmal wieder hatte ihn ein stechender Blick direkt körperlich getroffen, der von irgendwo her aus der Menge ausgegangen war). So eilte Frank fast die Treppen zu den Zügen hinunter, kaufte sich eine Fahrkarte am Automaten und eine in Tokio erscheinende englischsprachige Zeitung am Kiosk, die er während der Zugfahrt las, fast ohne auch nur einmal aus dem Fenster auf den Stadtmoloch zu blicken, der sich ihm, je weiter der Zug rollte, gleich einer zweiten Haut dichter und dichter anschmiegte, bis er zuletzt davon vollkommen umschlossen war. Am Zielbahnhof angekommen, stieg er in die Yamanote-Kreisbahn um, fuhr ein paar Stationen weiter, stieg aus, ging ein paar wenige Schritte, seinen Koffer auf den Rollen nach sich ziehend, zu seinem Hotel, wo er problemlos sein vorbestelltes Zimmer bekam. Hier war er schon oft abgestiegen, man kannte ihn; es wurden keine Fragen gestellt.

    Im Hotelzimmer – es war im Grunde nur ein schmaler Schlauch, ein Bett, ein Fernseher, der die Hälfte eines an die Wand gequetschten Schreibtisches okkupierte – duschte Frank sich zunächst ausgiebig in diesem rundum mit Plastik verkleideten Bad (das ganze Bad, also auch die Toilette und das Waschbecken, war eine umfassende Duschkabine), in dem er sich immer wie ein Astronaut vorkam. Dann legte er sich aufs Bett, benommen vom Flug und der Zeitumstellung. Er war noch heller Vormittag; draußen hatte die grelle Sonne am wolkenlosen Tokioter Himmel ihn geblendet, hier im Zimmer, hinter den getönten Scheiben, war es fast zu düster. Wie stets nach so einem langen Flug fühlte Frank sich plötzlich ganz hungrig – oft aß er als erstes in Tokio tempura soba – und beim Gedanken daran, steigerte sich sein Hunger so, daß er sich unverzüglich, nach wenigen Minuten der Ruhe, wieder zum Ausgehen fertigmachte.

    Ziellos schlenderte Frank los. Er kannte diese Gegend von früheren Aufenthalten ein wenig, aber so schnell veränderte sich in dieser Stadt alles, daß er sich kaum mehr orientieren konnte. Es war ein strahlend-klares Wetter, ein hellblauer Himmel. Auf einer Kreuzung, nicht weit von seinem Hotel, röhrte ein schneeweißer Ferrari im Stau; ein Werbeplakat – wofür es warb, konnte Frank allerdings nicht entschlüsseln – trug den Slogan Motto Aura o – wie wäre das zu übersetzen? Einfach als: Mehr Aura oder: Let’s have more aura. Worum ging es da? Bestimmt war es nur der Wohlklang dieses Wortes, welches es werbefähig machte. Frank bahnte sich seinen Weg durch die Menschenmassen, den Lärm, Gestank, die schreiende Reklame. Jeder Zentimeter wurde genutzt – ein total gefüllter Raum. Jetzt befand er sich in einer überdimensionierten Einkaufspassagen, die er durchquerte, um danach in ein Gewirr kleiner Gassen, überspannt von schreiender Leuchtreklame, einzubiegen. Schließlich fand er die ‚Vergnügungstraße’ mit dem schönen Namen romansu dori / ‚Romantische Straße’ wieder, in der sich die eher zweifelhaften Etablissements, wie Sex-Shops und Massage-Salons, reihten.

    Frank kam angesichts dieses Straßennamens auf den Gedanken, daß dies eine durchaus ernsthafte japanische Vision oder Version der Romantik sein könnte – und dann wäre an diesem Ort die ‚romantische Illusion’ doch einer harten Bewährungsproben ausgesetzt. Und er mußte weiter unwillkürlich an seinen letzten Aufenthalt hier denken, bei dem er sich – es war auch direkt nach dem langen Flug gewesen –, enthemmt von einigen zu schnell getrunkenen Bieren und einer kleinen Flasche Sake, zu einem Besuch in einem dieser Massage-Salons hatte verleiten lassen – und dort eine eher unerquickliche Dreiviertelstunde mit einer übelgelaunten, übermüdeten, nach Zigarettenrauch stinkenden und gar noch etwas übergewichtigen chinesischen Masseuse verbringen mußte (in diesen billigen und den Ausländern zugänglichen Etablissements arbeiteten fast nur Chinesinnen), die ihn, nachdem sie ihn lustlos durchgeknetet hatte, dann letztendlich mit abgewandtem und gelangweiltem Gesicht, seinen Schwanz wichste. Das war der ‚Service’, den man dort erwarten konnte; und Frank hatte wirklich nicht vor, ein solches ‚romantisches’ Erlebnis zu wiederholen. Nun ja, bestimmt hatte man diesen Namen, romansu dori, vollkommen gedankenlos vergeben, irgendwelche vielleicht deutsche Vorbilder imitierend, um eine Art von Rummel zu bezeichnen. Und

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