Die Freizeitkicker: Rammler und Alte Herren: Geschichte(n) einer Fußballmannschaft
Von Werner Augustin
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Über dieses E-Book
Männer gehen nicht gerne einkaufen. Viel lieber flüchten sie in eine entfernte Welt. Dort angekommen spielen sie Fußball und geben ihren Mannschaften lustige Namen wie Always Ultras, Westkreuz Rammler oder Schluss mit Lustig. Der Freizeitkicker ist eine recht unbekannte Spezies im Kosmos des heutigen Fußballbetriebs. Obwohl unzählige Mannschaften in Deutschland regelmäßig aktiv sind, können moderne Menschen mit einer Horde von Freizeitkickern eher wenig anfangen. Der Zugang zur mystischen Welt des Freizeitfußballs bleibt deshalb vielen bis heute verwehrt, typische Verhaltensweisen bleiben leider unverstanden. Erzählt wird die authentische Geschichte einer Mannschaft von Freizeitkickern, die in den Jahren 2001 bis 2003 im Acker Bolzpark ihr Unwesen trieb. Spielberichte aus den Epizentren des Freizeitfußballs verdeutlichen die Dramatik und Schicksale dieser Gegenwelt.
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Buchvorschau
Die Freizeitkicker - Werner Augustin
Die Freizeitkicker
Rammler und Alte Herren
Geschichte(n) einer Fußballmannschaft
Copyright: © 2012 Werner Augustin
Horden und Stämme
Wir Menschen vertreiben uns die Zeit auf diesem Planeten schon seit etwa einhunderttausend Jahren. Doch erst im vorletzten Jahrhundert kamen die ersten Artgenossen auf die Idee Fußballschuhe anzuziehen, einen Lederball in ein Tor zu kicken und dem wilden Treiben angemessene Regeln zu geben. Der Legende nach sollen es Engländer gewesen sein. Aus diesen Anfängen heraus entwickelte sich jenes Fußballspiel, welches heute als Weltkulturerbe auf dem gesamten Globus anzutreffen ist. Die Erfindung und Weiterentwicklung dieses Spiels muss selbstverständlich als eine herausragende intellektuelle Leistung der Menschheit gewürdigt werden. Eine Welt ohne Fußball wäre für sehr viele Menschen sinnentleert und ihres Mittelpunktes beraubt.
Bei aller Euphorie darf aber eines nicht übersehen werden: Es gibt zwei Arten von Fußball, den Vereinsfußball und den Freizeitfußball. Die Unterschiede sind natürlich fundamental. Beide Gruppen stehen sich eher feindselig gegenüber. Bezeichnet man einen Vereinsfußballer als Freizeitkicker, wird er dies als Beleidigung wahrnehmen und gegebenenfalls mit physischer Gewalt antworten. Vereinsfußball ist schon von Natur aus nicht spaßig. Es handelt sich um echten Männersport und selbiger besteht in erster Linie aus Blut, Schweiß und Tränen. Hier wird mit Ernst und großer Anspannung gekämpft. Freizeitkicker hingegen sehen im Fußball immer noch nur ein Spiel und suchen Spaß und Entspannung. Sie wollen bewusst in keiner Vereinsstruktur organisiert sein. Training gibt es nicht, oder besser gesagt, auch im Training wird nur Fußball gespielt. Es herrscht eine gewisse Anarchie und ein gutes Maß unfreiwilliger Komik, angesichts nicht zu übersehender körperlicher und technischer Unzulänglichkeiten. Obwohl, in jungen Jahren war auch für jeden Freizeitkicker eine Karriere in der Nationalmannschaft vorgesehen. Doch irgendwas lief schief. Entweder kam eine Frau dazwischen, oder eine Verletzung, oder das überragende Talent wurde einfach nicht erkannt, oder man hatte Wichtigeres zu tun. Deshalb steht heute die gemeinschaftliche Interaktion und Geselligkeit im Mittelpunkt. Fußball und Kneipe bilden bei Freizeitkickern eine gelungene Symbiose.
Der Vereinsfußballer sieht sich selbst auf einer höheren Stufe der Entwicklung angesiedelt. Diese Selbsteinschätzung ist nicht gänzlich falsch und wird auch wissenschaftlich gestützt. Unsere ganz frühen Vorfahren waren ja allesamt Einzelgänger, noch viele tausend Jahre vom Mannschaftssport Fußball entfernt. Erst langsam setzte eine Vergesellschaftung des Menschen ein. Ethnologen erklären uns dies gern an Hand von vier Entwicklungsstufen. Am Anfang waren die Horden. Kleine gesellige Gruppen, eher impulsiv und hauptsächlich existentiellen Tätigkeiten zugewandt wie Jagen, Feuer machen und Fortpflanzen. Eine Entwicklungsstufe höher stehen die Stämme. Diese verteidigen schon ein eigenes Territorium und verfügen auch über ein Mindestmaß an Ordnung und Organisation. Danach kommt das Führertum. Dieses zeichnet sich durch einen Anführer aus, der die Gruppe und ihre Mitglieder jederzeit im Griff hat. Heute leben wir in der vorläufig letzten Ausbaustufe der Vergesellschaftung des Menschen, dem Staat. In einem Staat werden soziale Unterschiede ausgebildet und verfestigt, wird die Finanzwirtschaft zum Wettbüro entwickelt und die Bürokratie eingeführt. Der Freizeitfußball ist ganz eindeutig auf halbem Weg zwischen einer Horde und einem Stamm zu verorten. Den Vereinsfußball dagegen ordnen Ethnologen, ohne Diskussion und Zweifel, dem Führertum zu. Denn, im Vereinsfußball wird nach einem verlorenen Spiel gerne auf das Fehlen einer echten Führungspersönlichkeit hingewiesen, die Mannschaft als wilde Horde beschimpft.
Nun ist es leider so, dass moderne Menschen von heute weder mit einer Horde noch mit einem Stamm etwas anfangen können. Dies ist zu bedauern, bleibt doch der Zugang zur mystischen Welt des Freizeitfußballs gerade deshalb vielen Mitmenschen verwehrt. Dieses harte Schicksal trifft in erster Linie Mitglieder des anderen Geschlechts, denen oft jedes Verständnis für das merkwürdige Treiben ihres Liebsten in einer Horde von Freizeitkickern fehlt. Wir wissen ja: Männer gehen nicht gerne einkaufen. Viel lieber flüchten sie in eine entfernte Welt. Dort angekommen spielen sie Fußball und geben ihren Mannschaften lustige Namen wie Always Ultras, Westkreuz Rammler oder Schluss mit Lustig. Dieses Büchlein gewährt nun erstmalig tiefe Einblicke in den Seelenzustand von Freizeitkickern. Damit verbunden ist auch die kleine Hoffnung, dass auch Außenstehende verstehen werden.
Fußball für Einsteiger
Für all jene, die noch keinen rechten Zugang zur Welt des Freizeitfußballs gefunden haben, seien zunächst wesentliche Merkmale dieses Spiels erläutert. Dieser Grundkurs ist unabdingbare Voraussetzung, um später im Buch den Spielberichten aus den Epizentren des Freizeitfußballs einigermaßen folgen zu können. Fußball ist dem Wesen nach anarchisch und wenig kontrollierbar. Immerhin streiten zweiundzwanzig Spieler um nur einen Ball. Dies birgt naturgemäß die Gefahr von schnell eskalierenden Konflikten. Vielerorts wurde schon der Vorschlag unterbreitet, es solle doch jeder seinen eigenen Ball bekommen. Dann würde nicht mehr so ein Gerangel um den einen Ball entstehen. Aber, solltest du auch schon mal diesen Gedanken im Dunkeln verspürt haben, sprich ihn nie aus. Schon gar nicht im Beisein eines Sachverständigen. Ich kann dir sagen, zweiundzwanzig Bälle würden die Grundlage des Spiels vernichten. Es bleibt besser bei nur einem Ball, eine prall mit Luft gefüllte Lederkugel. Wenn du mal den Satz ‚der Ball will heute nicht ins Tor‘ hören solltest, sei nicht irritiert. Der Ball hat keinen eigenen Willen und kann auch nicht zwischen heute und gestern unterscheiden. Ja, ich würde sogar so weit gehen und behaupten, der Ball lebt überhaupt nicht. Somit kannst du Sprüche wie ‚der Ball führte ein Eigenleben‘, eindeutig dem Reich der Fabel zuweisen.
Für ein Fußballspiel benötigt man zwei Tore. An den beiden schmalen Enden des Spielfeldes mittig, befindet sich jeweils ein Gehäuse. Dieses besteht aus einem Rahmen, dem sogenannten Gebälk, und einem aufgespannten Netz dahinter. Das sind die beiden Tore. Jede Mannschaft verteidigt das eigene Tor, versucht aber gleichzeitig den