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Immer wieder diese Sehnsucht
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eBook216 Seiten2 Stunden

Immer wieder diese Sehnsucht

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Über dieses E-Book

Mitten in der Nacht beginnt, Marta ein Lied zu singen. Das klingt in Martinas Ohren nach Lebenslust und Freude. Aber ist so etwas (in einer Psychiatrie?) überhaupt angebracht? Immerhin sind sie ja beide wegen eines Suizidversuchs hier. Und nun singt diese Oma? Das verstehe, wer will. Doch Marta, inzwischen vertraut mit der Lebensgeschichte ihrer Bettnachbarin, weiß schon, was sie tut. Sie meint es gut und spielt für Martina ein wenig Schicksal. Zugegeben: So ganz mit rechten Dingen geht es dabei nicht zu ...
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum30. Sept. 2013
ISBN9783847654933
Immer wieder diese Sehnsucht

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    Buchvorschau

    Immer wieder diese Sehnsucht - Monika Kunze

    Urteilsverkündung

    Jedes Mal, wenn sich Martina Knittel an die Tage vor ihrer Einlieferung erinnerte, kam ihr diese Szene in den Sinn: Zwei Frauen stehen im Hochhaus vor dem Fahrstuhl und unterhalten sich.

    „Mit der stimmt etwas nicht! Das habe ich schon immer gewusst, sagte die eine, sehr junge Stimme. Die andere, etwas ältere, wagt einen Einwand: „Stimmt schon irgendwie, aber …

    Die Worte der einen prasselten schnell und hart wie Schläge auf Martina ein, ließen sie auch nach Jahren noch zusammenzucken, sobald sie daran dachte. Das kleine aber bei den Worten der zweiten milderte die Härte der ersten ein wenig.

    Sie kannte die junge Frau nur vom Sehen. Sie grüßten einander, wenn sie sich im Treppenhaus begegneten. Jung wirkte die Frau und freundlich, vielleicht auch dank ihrer hellen, fast kindlichen Stimme.

    An jenem Tag aber empfand Martina die Dissonanz zwischen der Stimme und den Worten fast schmerzhaft.

    Die andere, etwas dunklere und auch weichere, schien durchaus etwas Mitgefühl zu signalisieren. Vielleicht würde diese Ältere ja noch weiter sprechen, dachte Martina hoffnungsvoll. Für einen Moment blieb sie also stehen und lauschte. Und sie schämte sich sofort, als es ihr bewusst wurde. Der Lauscher an der Wand ... fiel ihr ein altes geflügeltes Wort ein und machte alles nur noch schlimmer.

    Doch das kleine Fünkchen Hoffnung erlosch so schnell wie es aufgeglüht war: Nach dem Aber blieb alles still. Die beiden Frauen hatten wohl bemerkt, dass sich ihnen jemand näherte?

    Als Martina um die Ecke bog, kreuzten sich ihre Blicke. Die Ältere sah zu Boden, die Augen der Jungen blitzten verächtlich auf, die Lippen spöttisch gekräuselt.

    Martinas Vermutung wurde zur Gewissheit: Es war tatsächlich um sie gegangen. Sie blieb stehen, unfähig, auch nur noch einen Schritt weiter zu gehen. Sie kam sich vor wie eine Angeklagte, die in demütiger Haltung ihre Urteilsverkündung vom Hohen Gericht entgegen zu nehmen hatte.

    Etwas Bitteres stieg ihr aus dem Magen, über die Speiseröhre in die Kehle hinauf, etwas, für das sie in ihrer Verwirrung nicht einmal gleich einen Namen fand. War das Angst? Fühlte die sich so an?

    Doch sie wollte nicht, dass sie von anderen so gesehen wurde, so ängstlich und demütig. Entschlossen hob sie den Kopf und schaute zu den beiden hinüber.

    Wäre ihr die junge Frau an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit begegnet, hätte sie ihr vielleicht sogar sympathisch sein können, denn eigentlich – rein äußerlich betrachtet – hatte sie überhaupt nichts von einem gestrengen Richter an sich.

    Ihr Gesicht wirkte eher niedlich, wenn auch etwas leer. Die ebenmäßigen Züge, mit gerader Nase und vollen, rosa geschminkten Lippen, krönte üppig aufgetürmtes weißblondes Engelshaar. Ihre schlanken Beine steckten in Leggings, darüber baumelte ein kurzer Trägerrock. Die Augen allerdings, stahlblau und von einem dicken schwarzen Lidstrich umrandet, gaben dem Gesicht eine Kälte, die einen unwillkürlich frösteln ließ.

    Die andere Frau schien das nicht so zu empfinden, denn sie hing mit ihrem Blick an dem feucht schimmernden Mund des Engelsgesichts. Bisweilen nickte die andere, obwohl die Junge keinen Ton mehr von sich gab. Die Ältere wirkte unschlüssig, wohl schwankend zwischen Zustimmung und Bedenken. Unkontrolliert schob sie ihren hohen Leib nach vorn, wodurch sich ihr Hohlkreuz noch deutlicher als sonst abzeichnete.

    Als sie endlich begriff, dass von der Zierlichen nichts mehr kommen würde, wechselte sie das Thema und fragte zögernd: „Sind die verhinderten Selbstmörder früher nicht generell in die Klapse gekommen?"

    Es hatte sich also doch schon im Haus herumgesprochen, bald würde es die ganze Stadt wissen! Martina wollte umkehren, sich hinter der Treppe verstecken, doch dann nahm sie sich zusammen. Bauch rein, Brust raus, Kopf hoch erinnerte sie sich an die fast schon vergessenen Befehle ihrer Großmutter, sie atmete tief durch, ging geradewegs auf die beiden Frauen zu und trat dabei so fest auf, wie es ihre schlotternden Beine zuließen.

    Die Ältere zuckte zusammen, der in die Hüfte gestemmte Wäschekorb rutschte dabei ein Stückchen tiefer. Der Jüngeren fiel eine Orange aus der überquellenden Einkaufstüte, die sie krampfhaft gegen ihren nicht vorhandenen Bauch presste.

    Ihre Begegnung war anscheinend rein zufällig zustande gekommen. Und nur die unerhörte Tatsache, dass eine aus ihrem ehrenwerten Haus reif war für die Klapsmühle, hatte sie wohl überhaupt dazu gebracht, wieder einmal miteinander zu sprechen.

    Das kam in den letzten Jahren nicht mehr so häufig vor bei den wenigen Leuten, die hier, in diesem elfgeschossigen Koloss am Rande der Stadt, wohnen geblieben waren. Mehr als die Hälfte der Wohnungen waren inzwischen verwaist und kosteten die Wohnungsgesellschaft nur Geld, anstatt welches einzubringen.

    Früher, in den achtziger Jahren, waren die Leute noch glücklich gewesen über eine solche Neubauwohnung. Dafür gab es manchen Grund. So fand die Wärme aus der Ferne den Weg bis in ihre Stuben, ohne dass jemand Kohlen schleppen oder Asche hinaustragen musste. Brauchten die Leute warmes Wasser, drehten sie einfach den Hahn auf. Das war zu jener Zeit auch in der DDR durchaus noch nicht überall selbstverständlich. Was für viele jedoch den Gipfel des Glücks darstellte, war der zu jenen Wohnungen gehörende Balkon. Manche hatten sogar zwei. Und alle diese Annehmlichkeiten gab es zu heute unvorstellbar niedrigen Mieten. Wie davon die Wohnungen in Schuss gehalten werden sollten, war schließlich nicht die Sorge der Mieter.

    Sicher, solche Bezeichnungen wie Karnickelställe oder Arbeiterintensivhaltung hatte es auch damals schon gegeben, aber da klangen sie noch eher liebevoll spöttelnd als verächtlich.

    Nach der Wende, also in den Neunzigern, wurden diese Hoch-Häuser dann plötzlich von den meisten ihrer Bewohner viel kritischer betrachtet. Die Wände waren fast von einem Tag auf den anderen zu dünn, die Zimmer zu klein. Und überhaupt: Solche Betonplattenbauten waren nicht mehr zeitgemäß. Das Ausmaß von Lärm und Schmutz stieg fast im gleichen Verhältnis wie die Mieterzahlen sanken.

    Aber nicht alle zogen fort aus dieser Kleinstadt. Manche von denen, die dablieben, wären vielleicht auch gern weggegangen, konnten sich aber möglicherweise kein besseres Domizil leisten. Wieder andere hatten jahrelang an ihren Wohnungen herum gewerkelt, sie immer wieder renoviert und modernisiert, vor der Wende mit viel Herzblut und viel Geduld beim Anstehen nach Baumaterial, danach mit viel Geld und der Qual der Wahl, welche Fliesen, Tapeten oder Fußbodenbeläge wohl die besten und preisgünstigsten seien. Nur das Anstehen war weggefallen. Versteht sich.

    Doch auch schon damals, in den Achtzigern, als sie sich noch nach allem anstellen mussten, hatten sie, je nach dem eigenen handwerklichen Geschick oder freundschaftlichen Beziehungen zu entsprechenden Handwerkern und Verkäufern, ihren vier Wänden einen gewissen individuellen Charme verliehen. Auch Martina und Hans Knittel war es auf diese Weise gelungen, der einst verordneten Einheitlichkeit ein Schnippchen zu schlagen.

    Ihre Vier-Zimmer-Wohnung im neunten Stock legte davon Zeugnis ab, denn hauptsächlich Martina hatte mittels Pinsel, Schwamm und Farbe den eintönigen Raufasertapeten ein neues Gesicht gegeben, alte Möbel aufgearbeitet, um nicht diese erdrückende, weil bis fast unter die Decke reichende Einheits-Schrankwand aufstellen zu müssen. Ihre Wohnung wirkte behaglich, aber nicht altmodisch verstaubt oder plüschig.

    Von den zwei Balkons aus konnten sie bis hinüber zum Wald schauen. Kiefern – hin und wieder von ein paar Birken flankiert – drückten ebenso wie der geschmähte Heidesand, der Karnickelsand, der Lausitz ihren Stempel auf. Aber selbst dort wuchsen im Sommer noch immer unverdrossen Pilze und Beeren en gros.

    Sand und Kiefern waren allerdings schon lange nicht mehr die einzigen Merkmale dieser Landschaft. Ein weiteres hatte sich schon zu Beginn der siebziger Jahre hinzugesellt und war im Laufe der Jahre immer näher gerückt. Man konnte ihn zwar wegen der hohen Kiefern noch immer nicht so genau sehen, aber dafür inzwischen umso besser hören: den Tagebau, aus dem die Braunkohle fürs nahe gelegene Kraftwerk gekratzt wurde. Selbst nachts drangen die ächzenden, quietschenden Geräusche von den Bändern der Förderbrücken und von den Eimerketten der Bagger in die Träume der Schlafenden.

    *

    Der Fahrstuhl schien sich jetzt irgendwo zu schütteln, in einer Wohnung schräg über ihnen übte jemand Tonleitern auf einer Trompete.

    Martina sah sich kurz um, atmete tief ein und presste dann die Lippen fest aufeinander, um beim Anblick von herumliegendem Bonbonpapier, Zigarettenkippen, Plastikflaschen oder dem unsäglichen Graffito an der Wand gegenüber nicht schreien zu müssen. Es zeigte zwei überdimensionale Brüste und ineinander verschlungene Buchstaben, die Martina nicht entziffern konnte.

    Manchmal hatte sie sich schon gefragt, warum sie trotzdem noch immer hier wohnten. Vielleicht hing es mit dem Versprechen zusammen, das sie sich beim Einzug 1982 selbst gegeben hatten: Sie wollten hier endlich einmal wohnen bleiben, bis man sie mit den Füßen nach vorn hinaustrüge. Viel zu oft waren sie schon umgezogen. So hatten sie also mehr als vierzehn Jahre ausgeharrt, obwohl sie sich schon lange nicht mehr wohl fühlten.

    Aber war das denn jetzt überhaupt noch wichtig?

    In Zeiten, in denen man es einfacher findet zu sterben als zu leben, verliert der Ort seines Daseins fast zwangsläufig an Bedeutung.

    Momentan hatte sie sowieso ganz andere Sorgen. Fast hätte sie es geschafft, überhaupt keine mehr zu haben. Aber es hatte eben nicht auf Anhieb geklappt. Ein paar Ohrfeigen und ein steifer, in ihr Inneres geschobener Schlauch, durch den ihr Mageninhalt nach draußen befördert wurde, hatten auch sie auf gewisse Weise befördert, nämlich zurück ins Leben.

    Für diesmal, dachte Martina, wie schon so oft in den zurück liegenden Tagen. Nun, da sie gerade ungewollt Ohrenzeugin jenes Gesprächs am Fahrstuhl geworden war, bekam dieser Gedanke gleich wieder etwas Tröstliches.

    „Solche wie die gehören auch dorthin …" urteilte der rosa schimmernde Engelsmund, ohne darauf zu achten, wer sich ihnen mit festen Schritten näherte.

    Erst als Martina ganz dicht vor ihnen stand, trat Stille ein.

    Solche, wie die! Martina schien immer noch den Worten nach zu lauschen, obwohl diese schon längst verklungen waren.

    Aber nur die offenkundige Verachtung, die herauszuhören war, tat noch ein bisschen weh, denn die Worte selbst konnten ihr schon lange nichts mehr anhaben. Schließlich hatte sie von Kindheit an oft genug Gelegenheit sich an solche Äußerungen zu gewöhnen. Es machte ihr seit Jahren schon nichts mehr aus, immer und überall als so eine Art Außenseiterin angesehen zu werden. Demzufolge kostete es sie auch jetzt keine große Mühe, sich scheinbar ganz unbeteiligt zu geben. Hatte sie diese Form von Selbstschutz nicht von Kindesbeinen an üben müssen?

    Sie murmelte also ein leises, aber keineswegs unfreundliches „Hallo!", begleitet von einem leichten Kopfnicken. Ein normaler Gruß also für jene Nachbarinnen, von denen Martina noch nicht einmal den Namen wusste.

    Hatte sie auf ihr leises Hallo etwa eine Reaktion erwartet, irgendeine menschliche Erwiderung, auch wenn es vielleicht nur ein Kopfnicken gewesen wäre? Nein, sie war sich sogar sicher, dass nichts dergleichen mehr kommen würde. Wachsfiguren hätten bestimmt nicht steifer wirken können als diese beiden Frauen, obwohl jene noch vor einer Minute sehr lebendig und temperamentvoll gestikuliert hatten.

    Martina wunderte sich. Aber nicht über die plötzliche Erstarrung der Beiden, sondern über etwas ganz anderes: Beim Warten auf den Fahrstuhl fand hier also doch noch so etwas wie Kommunikation statt? Wie schön, die Leute redeten also doch noch miteinander. Nur eben nicht mit ihr. Oder, besser gesagt, nicht mehr - seit dem gescheiterten Versuch, ihrem Leben selbst ein Ende zu setzen.

    Vor der Fahrstuhltür traf man sich zufällig und nutzte nach wie vor die Gelegenheit seinem Ärger Luft zu machen, vielleicht in den letzten Jahren über die seit langem schon nicht mehr so preiswerten Mieten oder die vordem hierzulande völlig unbekannte Arbeitslosigkeit.

    Offenbar war das aber auch, früher genauso wie heute, ein geeigneter Platz, um über andere Leute herzuziehen. Manchmal, wie in diesem Falle, schloss das eben auch ein, messerscharfe Urteile zu fällen und zu verkünden.

    Jetzt schien die Erstarrung langsam zu weichen, die beiden Frauen senkten wie auf Kommando die Köpfe.

    Martinas Gruß und ihr leichtes Kopfnicken blieben weiter ohne Echo.

    Angestrengt schauten sie zu Boden, als gäbe es dort wer weiß was Interessantes zu entdecken.

    Endlich kam der Fahrstuhl. Als er ratternd vor ihnen hielt und die Tür sich zischend öffnete, verschwanden die Frauen blitzschnell in dem Ungetüm, immerhin mit hochroten Wangen.

    Martina blieb draußen und wandte sich ab. Sie wollte nun doch lieber die Treppe benutzen.

    Ankunft

    Martina spürte wieder diese Bitternis, dieses schmerzende Etwas, das so schwer zu benennen war.

    Es fühlte sich genau so an wie an jenem Tag, als sie die beiden namenlosen Frauen am Fahrstuhl des Hochhauses ungewollt belauscht hatte.

    Damals, tatsächlich, sie dachte damals, obwohl der Vorfall kaum vierzehn Tage zurücklag, hatte sie zwar diese Szene wirklich als so eine Art Urteilsverkündung erlebt. Aber im Grunde hatte ihre Verurteilung schon ein paar Tage früher stattgefunden.

    „Packen Sie es nicht mehr?" hatte der Neurologe gefragt, zu dem man sie nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus überwiesen hatte. Sie spürte sofort, dass es für ihn unerheblich war, ob sie nun antwortete oder nicht. Ihr Gefühl hatte sie nicht getrogen, denn fast im selben Atemzug hatte er Martina Knittel vorgeschlagen, sich einer Therapie zu unterziehen. Stationär.

    Zu ihrem Besten ...

    Woher wollte er denn wissen, was für sie das Beste war, wenn nicht einmal sie selbst das so genau sagen konnte? Martina hatte schon Luft geholt, um etwas zu erwidern. Doch dann schloss sie ihren Mund sogleich wieder. Es würde ihn vielleicht gar nicht interessieren, was sie zu sagen hatte.

    Eigentlich sei es unumgänglich, fuhr der Arzt auch routinemäßig fort und gab jedem seiner Worte durch ausladende Gesten ein besonderes Gewicht.

    Aber die Entscheidung müssen letztendlich sie ganz allein treffen. Sein ausgestreckter Zeigefinger war auf Martina gerichtet.

    Danach war er aufgestanden und hatte das Fenster geöffnet, Vogelgezwitscher drang ins Behandlungszimmer.

    Als er sich umdrehte, war sein Gesichtsausdruck so heiter und gelöst, sein Mund gespitzt, so dass sie schon befürchtete, er könnte jeden Moment selbst anfangen zu zwitschern. Aber stattdessen sagte er nur: Gut, Sie brauchen Bedenkzeit? Ich gebe sie Ihnen, sagen wir eine Woche?

    Damit ließ er sich gut gelaunt in seinen Chefsessel aus hellem Leder fallen und streckte die Beine aus. Sein Blick war erwartungsvoll auf sie gerichtet.

    Ich brauche keine Bedenkzeit, je schneller ich weg bin, um so besser.

    Die Zweideutigkeit ihrer Worte war keineswegs beabsichtigt, aber gerade die war es wohl gewesen, die den Neurologen zum Telefon greifen ließ, um zu fragen, ob in einer bestimmten Klinik noch ein Bett frei sei.

    Er klemmte sich den Hörer zwischen Ohr und Schulter, zog eine seiner buschigen Augenbrauen nach oben, nahm ein Blatt Papier aus dem Zettelkasten und machte sich eifrig Notizen. Alle Gelöstheit war aus seinem Gesicht verschwunden.

    Nein, die Bedenkzeit hat die Patientin ausgeschlagen.

    Dann hatte er auch schon aufgelegt und wandte sich wieder an Martina, um ihr zu sagen, dass sie schon am 30.

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