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Die Jagd nach den goldenen Münzen
Die Jagd nach den goldenen Münzen
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eBook400 Seiten4 Stunden

Die Jagd nach den goldenen Münzen

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Über dieses E-Book

Zwei vermummte Männer suchen im Niemandsland zwischen den Fronten im syrischen Bürgerkrieg nach einem vergrabenen Schatz. Eine kurdische Patrouille findet einige Goldmünzen bei einem der Männer. Und Matt Sanderson von Interpol ist höchlichst interessiert, als sich herausstellt, dass sie aus dem vom IS geplünderten Museum von Mossul stammen. Können sie ihn zum schon seit langem gesuchten Big Boss der Waffenhändler- und Antiquitätenschmuggler-Mafia führen?
Anna und Timo, ein junges Paar, beschliesst, seine Ferien in Griechenland zu verbringen. Am ersten Abend schlendern sie durch einen Flohmarkt in Athen, als Timo in einem kleinen, schummrigen und etwas heruntergekommenen Laden einige Körbchen mit alten Münzen entdeckt – ein passendes Geburtstagsgeschenk für seinen Neffen. Also kauft er beim Teenager, der den Laden hütet, einige dieser Münzen. Anna und Timo haben jedoch keine Ahnung, dass diese Münzen sie in ein gefährliche Abenteuer verwickeln werden, selbst dann noch nicht, als der Ladenbesitzer ihnen nachläuft und sie dringend zurückhaben will. Erst als ihr Hotelzimmer durchwühlt und Anna mit einem Messer bedroht wird, kommt ihnen zum Bewusstsein, dass hinter diesen Münzen mehr stecken muss, als sie beim Kauf ahnen konnten. Sie wollen die Münzen jedoch unbedingt behalten und machen sich deshalb daran, ihre Verfolger abzuschütteln. Doch die Gangster geben nicht auf und können sie auf ihrer Ferieninsel Mykonos wieder ausfindig machen. Matt hat aber ebenfalls von dieser Geschichte erfahren und sieht darin die Möglichkeit, an den ganzen geraubten Schatz heranzukommen und dadurch auch den Kopf der Organisation festzunageln.
Ein Wettlauf zwischen Gangstern, Interpol und dem jungen Paar beginnt.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum10. Aug. 2020
ISBN9783752911732
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    Buchvorschau

    Die Jagd nach den goldenen Münzen - Susanne und Jürg Seiler

    Teil 1

    Grenzgebiet Irak-Syrien-Türkei: Die Schatzsucher

    Eine schmale Mondsichel stand am Himmel, sonst war die Dunkelheit der Nacht nur sporadisch erhellt durch weit entferntes Aufblitzen, das die Geschützstellungen der syrischen Armee oder der kurdisch-syrischen Rebellen anzeigte. Vor Beginn des Bürgerkriegs mochte hier ein kleiner Weiler mit weit verstreut gelegenen Häusern gestanden haben. Jetzt aber waren nur noch zerstörte Gebäude und ausgebrannte Ruinen zu erkennen. Nichts schien sich in diesem Trümmerfeld an der syrisch-irakischen Grenze zu regen. Doch zwei schwarz gekleidete Gestalten schlichen vorsichtig von einem Gebäuderest zum andern, jeden Schatten zur Deckung ausnützend. Auch ihre Gesichter waren fast gänzlich verhüllt, nur Schlitze für die Augen waren frei gelassen. Ahmad el-Idlibi, der grössere der beiden, trug einen Rucksack, an dem diverse Grabwerkzeuge befestigt waren, eine Kalaschnikow hatte er sich quer vor die Brust gehängt. In der linken Hand führte er einen Stock, an dessen Ende ein tellerförmiges Gerät befestigt war, eine schwach beleuchtete Anzeige am Griff verriet, dass es sich um ein elektronisches Gerät handelte. Er ging voran und beobachtete ständig die Gegend rundum mit offensichtlicher Sorge, manchmal ohne auf den Weg zu achten: Hie und da stolperte er leicht über einen Stein, was seinen Kameraden jeweils zu einem leise gezischten „Vorsicht, du Esel", veranlasste. Dieser, Ibrahim el-Tikriti, trug dagegen einen anscheinend mehr oder weniger leeren Rucksack, er hatte eine Uzi umgehängt, und an seinem Gürtel waren einige Handgranaten befestigt. Von Zeit zu Zeit benutzte er sein Fernglas, um sich umzusehen, denn er schien sich nicht ganz sicher zu sein, ob sie auch auf dem richtigen Weg waren. Schliesslich blieb er stehen und wandte sich an seinen Kameraden:

    „Er hat doch gesagt, bei der halb eingestürzten Mauer, die aussieht wie ein Hund, der den Mond anheult. Kennst du diese Stelle?"

    „Was soll ich sagen, solche oder ähnliche Ruinen gibt es doch hier zuhauf. Konnte er uns keine bessere Beschreibung liefern?"

    „Offenbar nicht. Natürlich wäre es für uns einfacher, wenn er uns gleich die GPS-Koordinaten hätte mitteilen können, aber so ein alter Kurde hat eben keine Ahnung, geschweige denn ein iPhone mit Google Maps drauf. Los, wir müssen weiter."

    „Wäre es nicht gescheiter, wir würden bis zum Morgengrauen warten, dann sehen wir doch besser und könnten den heulenden Hund schneller finden?"

    „Bist du vom Affen gebissen? Du weisst doch ganz genau, dass die Türken im Morgengrauen angreifen werden, das hat uns der Chef ja wirklich sehr eindringlich klar gemacht. Auch wenn sich die Kurden schon etwas zurückgezogen haben, in ein paar Stunden ist hier doch die Hölle los, Artillerie, Panzer und jede Menge Flugzeuge, die alles beschiessen, was sich am Boden bewegt. Wir müssen den Schatz finden, bevor hier alles umgepflügt wird und der Boden so mit Metall durchsetzt wird, dass dein Detektor nur noch Amok läuft. Dann ist das Gold unwiederbringlich verloren!"

    „Du hast recht, wir müssen uns beeilen, schliesslich müssen auch wir noch raus hier, bevor der Tanz losgeht. Also weiter."

    Ahmad schaute sich nochmals um, dann deutete er auf einen etwas weiter entfernten Steinhaufen.

    „Gehen wir mal dorthin, von diesem Hügel aus können wir vielleicht  eher etwas ausmachen, das einem heulenden Hund ähnelt. Aber vorsichtig, wer weiss, ob nicht jemand die Gegend durch ein Nachtsichtgerät bewundert."

    Sie erreichten den angepeilten Standort, und Ibrahim schob sich langsam über die Steine nach oben. Vorsichtig richtete er sich etwas auf und begann, in alle Richtungen hin zu spähen. Schliesslich liess er sich wieder niedersinken und rutschte langsam und so lautlos als möglich wieder den Steinhaufen hinunter.

    „Ich glaube, es ist dort drüben. Jedenfalls ist dort eine noch einiger-massen stehende Wand, nicht hoch, aber am einen Ende ragt noch ein Pfeiler mit einigen Betonbrocken dran in die Höhe. Aus einer gewissen Richtung mag das schon aussehen, wie ein heulender Hund. Wollen wir mal?"

    Ahmad nickte, und sie setzten sich wieder in Bewegung. Es ging jedoch nur langsam voran, denn sie mussten sich ihren Weg sehr sorgfältig suchen. Das Trümmerfeld, das sie zu durchqueren hatten, war hier noch irrer und wirrer als sonst wo. Nicht nur lagen Steine wie hingeworfen durcheinander, auf Schritt und Tritt gerieten sie in Gefahr, in einen Geschosskrater zu stürzen.

    Endlich waren sie bei der gesuchten Wand angekommen. Trotz der kühlen Nacht war die Stirne Ahmads schweissnass, seine Hände klamm, und er zitterte vor Aufregung. Er hatte die Aufgabe, den Führer durch diese Gegend zu machen, nur widerwillig angenommen, aber er hatte den versprochenen Lohn dringend benötigt, um seiner Familie die Flucht und den Grenzübergang in die Türkei zu ermöglichen. Seine Kinder sollten dem Krieg und den möglichen Säuberungen des Regimes entgehen und in Frieden aufwachsen. Auch er wollte sich nachher über die Grenze schleichen, er kannte eine Reihe von Stellen, an denen das recht gefahrlos möglich war. Aber jetzt hatte auch ihn das Schatzfieber ergriffen.

    Ibrahim liess sich die Ortsbeschreibung nochmals durch den Kopf gehen: „An der Mauer, die aussieht wie ein Hund, der den Mond anheult, wächst ein alter Feigenbaum. Zwei Schritte vom Stamm weg ist der Schatz vergraben."

    Problem: Es gab hier keinen Feigenbaum.

    Auf einen Wink von Ibrahim hin schaltete Ahmad dennoch den Metalldetektor ein und begann langsam, den Boden längs der Mauer abzusuchen. Es war eine Heidenarbeit, weil auch hier Steine und Mörtelbrocken die Suche erschwerten. Aber das Instrument wollte nichts anzeigen. Er versuchte es ein zweites Mal, entfernte sich etwas weiter von der Mauer, jedoch ohne Erfolg: wieder nichts.

    Auch Ibrahim hatte sich die Mauer angesehen, und er meinte, einen Baumstumpf gesehen zu haben, der vielleicht von diesem Feigenbaum stammen könnte. Aber auch in dessen Umgebung war nur Fehlanzeige. Die beiden setzten sich ermüdet und desillusioniert an die Mauer, und Ahmad zog seine Zigaretten hervor. Bevor er aber dazu kam, eine davon anzuzünden, hatte Ibrahim sie ihm bereits aus der Hand geschlagen.

    „Spinnst du, den Glimmstängel sieht man in dieser Dunkelheit auf Kilometer Entfernung. Wir dürfen uns doch keinesfalls sehen lassen."

    Zerknirscht steckte Ahmad die Zigaretten wieder ein. Dann meinte er: „Vielleicht sollten wir es auf der anderen Seite der Mauer versuchen. Ich weiss, kam er dem Protest seines Kollegen zuvor, „ich weiss, der Gefangene soll etwas wie ‚wenn man von Sonnenaufgang her zu dieser Mauer kommt‘ gesagt haben, aber das kann der alte Kurde auch falsch verstanden haben.

    „Okay, versuchen wir’s mal, weniger Erfolg als auf dieser Seite können wir drüben auch nicht haben."

    Die beiden standen auf und bahnten sich ihren Weg durch die Trümmer zur Rückseite des Mauerrestes. Wieder wurde der Detektor aktiviert, und die beiden schritten langsam die Mauer ab. Plötzlich stand Ibrahim, der voranging, still. Dem eng hinter ihm gehenden Ahmad entfloh ein leiser Fluch, denn er wäre beinahe mit ihm zusammengestossen.

    „Schau mal, dort drüben: Ist das nicht ein umgestürzter Baum?", stiess Ibrahim leise hervor.

    Wortlos änderte Ahmad die Richtung und ging auf die angezeigte Stelle zu. Was aus der Entfernung und in der Dunkelheit zunächst nur als schwarzer Klumpen zu erkennen war, erwies sich beim Näherkommen tatsächlich als Rest eines Feigenbaumes, der ganz so aussah, als ob die Explosion einer Mörsergranate ihn entwurzelt hätte. In der Nähe des Baumes erwachte jetzt auch der Detektor zum Leben. Sein Zeiger schlug aus, der Boden musste irgendwelches Metall enthalten. Vorsichtig umkreisten die beiden den Baum, sorgsam auf die Ausschläge des Instrumentes achtend. Aber es liess sich kein Muster erkennen, keine einzelne Stelle, an welcher eine grössere Metallmenge angezeigt wurde.

    „Alles nur Granatsplitter", sagte Ahmad enttäuscht.

    „Vielleicht liegt die Stelle ja jetzt direkt unter dem Stamm. Los, wir müssen es versuchen und ihn wenigstens etwas auf die Seite ziehen."

    Die beiden schafften es mit Müh und Not, den Baum in eine andere Lage zu bringen, dann suchte Ahmad die freigelegte Stelle nochmals mit dem Detektor ab.

    „Bingo!"

    Der leise Jubelruf wäre nicht nötig gewesen, auch Ibrahim hatte gebannt auf die Anzeige gestarrt und den plötzlichen, heftigen Ausschlag gesehen.

    „Hier muss es sein. Los, fangen wir an zu graben."

    Der steinige Boden machte ihnen ziemlich zu schaffen, er fühlte sich nicht so an, als wäre da bereits einmal ein Loch ausgehoben worden. Nach einer gewissen Zeit wurde die Arbeit aber noch mühsamer, es schien, als ob sich die Steine vor allem dort unten angesammelt hätten. So stiessen die Spaten ständig auf grössere Hindernisse, welche die beiden Ausgräber immer wieder hoffnungsvoll dem gesuchten Schatz zuwiesen, die sich jedoch jeweils nur als massive Steinbrocken erwiesen.

    „Die verfluchten Kerle müssen die Grube mit Steinen aufgefüllt haben, bevor sie schliesslich Erde darauf schaufelten", meinte Ahmad seufzend.

    Ibrahim warf ihm einen strengen Blick zu.

    „Natürlich haben sie Steine rein geworfen, es gibt ja kaum was anderes zum Auffüllen einer solchen Grube. Nach der Erzählung war das ein Granattrichter, da gab es keine ausgehobene Erde; aber zum Schluss sollte der Boden ja irgendwie natürlich aussehen."

    Ahmad zog den Kopf ein, murmelte etwas in seinen Bart und grub eifrig weiter. Endlich aber wurde ihre Mühe belohnt: Ahmads Spaten stiess auf etwas, das kein Stein sein konnte, denn sein Spaten gab nicht den üblichen metallischen Klang ab, als er auf dieses ‚Etwas‘ traf. Auch Ibrahim hatte diese Veränderung wahrgenommen, sie liessen gleichzeitig ihre Spaten fahren und griffen mit beiden Händen nach unten in das Loch.

    „Das ist Leder, das muss der Schatz sein!"

    Sie sahen einander kurz an, dann buddelten sie wie auf Kommando weiter, doch nur noch mit den Händen, um ja keinen Schaden anzurichten. Schliesslich war es so weit, eine lederne Tasche war freigelegt, und sie konnten sie mit wenig Mühe an die Oberfläche heben.

    „Ist es das, wofür wir hergeschickt wurden?", fragte Ahmad. Ibrahim öffnete die Tasche, griff hinein und streckte ihm wortlos eine Handvoll goldener Münzen entgegen. Ahmad nahm ihm eine davon aus der Hand und betrachtete sie, so gut das vorhandene schwache Licht es zuliess.

    „Das ist Gold, klar, aber solche Goldstücke habe ich noch nie gesehen. Was ist das eigentlich?", fragte er schliesslich. Ibrahim begann, die Ledertasche auszuräumen und deren Inhalt, einige kleine Pakete, ganze Schmuckstücke und eine Plastiktasche voll Münzen, in seinen Rucksack zu stecken.

    „Wir haben keine Zeit für lange Erklärungen, aber so viel kann ich dir verraten. Nach der Einnahme von Mossul haben die Kämpfer des Islamischen Staates nicht nur einen ganzen Haufen Schmuckstücke als unislamischen Prunk beschlagnahmt, sondern sind auch irgendwie, irgendwo auf diesen Münzschatz gestossen. Gemäss dem Befehl von Abu Bakr wurde von den geplünderten Dingen alles, was Gold, Silber oder Edelsteine enthielt, zu Abu Salah, dem Finanzminister des IS, gebracht. Der hat erkannt, dass die Münzen dieses Schatzes anscheinend vor sehr, sehr langer Zeit geprägt worden sind, ich habe gehört, sie sollen sogar noch von Iskander herrühren. Deshalb sind sie sehr viel mehr wert, als das Gold eingebracht hätte, wenn man sie eingeschmolzen hätte. Abu Salah hat zwar versucht, diese Münzen auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen, aber das braucht langwierige Verhandlungen, sehr gute Kontakte, und dem IS lief die Zeit davon. Schliesslich hat Abu Salah bestimmt, dass dieser Goldschatz, zusammen mit den wertvollsten Edelsteinen und Schmuckstücken nach dem Libanon gebracht werden sollte, von wo aus es leicht gewesen wäre, all das nach Zypern und weiter nach Europa oder Amerika zu schmuggeln."

    „Und weshalb hat man diesen Schatz dann hier vergraben, der könnte doch längst irgendwo sein, he?"

    „Es war nur eine kleine Truppe, die den Transport besorgte, sie sollte nicht auffallen. Aber hier wurde sie von einer Patrouille der syrischen Rebellen gestellt. Die IS-Kämpfer wollten vermeiden, dass der Schatz in andere Hände fiel, so haben zwei Männer ihn hier eingegraben, während sich die anderen mit den Rebellen ein wildes Feuergefecht geliefert haben. Die übermacht war aber zu gross, und schliesslich sind alle Kämpfer gefallen oder gefangen genommen worden. Deshalb sind wir jetzt da, um den Schatz in Sicherheit und wieder auf seinen Weg zu bringen, verstehst du?"

    „Verstehe. Aber wer hat dann gewusst, wo der Schatz lag? Irgendjemand muss es ja gewusst haben, sonst hätten wir doch nicht diese recht genauen Angaben gehabt."

    „Ich weiss nicht genau. Offenbar hat einer der Gefangenen einem kurdischen Sympathisanten davon erzählen können. Jedenfalls war es ein alter Kurde, der unseren Chef informierte. Aber lassen wir das, die Tasche ist leer, wir können uns auf den Weg zu unserem Treffpunkt machen."

    Ahmad schaute nochmals in Ibrahims Rucksack, steckte dann die Hand hinein und nahm einige Münzen heraus.

    „Ich behalte die, der Chef weiss bestimmt nicht genau, wie viele es sein sollen, und unsere Bezahlung ist ja nicht gerade grossartig. Mir ist es gleich, wie wertvoll die Münzen sein sollen, ich schmelze sie ein und verkaufe das Gold, das reicht mir."

    „Ich werde nichts sagen, aber wenn der Chef hört, dass du Gold verkaufst, dann möchte ich nicht in deiner Haut stecken!"

    „Das lass nur meine Sorge sein. Aber wir müssen uns jetzt rasch auf den Weg machen, bald dämmert der Morgen. Sich in dieser Gegend ohne Passierschein und mit Waffen erwischen zu lassen, kann durchaus ungemütlich werden."

    Tatsächlich war es unterdessen heller geworden. Noch war die Sonne nicht aufgegangen, doch im Osten kündete sich der neue Tag deutlich an. Die beiden Männer stiegen rasch über die verstreuten Mauerreste und Trümmer, um möglichst bald freies Gelände zu erreichen. Am Ende des ehemals bebauten Gebietes sahen sie sich vorsichtig um, denn ab jetzt konnten sie nur noch dann Deckung finden, wenn sie sich von Gebüsch zu Gebüsch und von Einschnitt zu Einschnitt bewegten. Weit und breit war nichts zu sehen, was auf die Anwesenheit von Menschen hätte schliessen lassen, und mit Ausnahme des in der Ferne immer noch grollenden Geschützfeuers waren auch keine ungewöhnlichen Geräusche zu hören.

    „Also, auf gehts, du voran, du kennst die Gegend besser als ich", befahl Ibrahim, und die beiden zogen im Gänsemarsch los.

    Es war jedoch noch keine Viertelstunde vergangen, als sie plötzlich angerufen wurden. Bereits beim ersten Ton jedoch hatte sich Ibrahim zu Boden fallen lassen, und er rollte sich gekonnt, seine Uzi in Bereitschaft bringend, einige Meter zur Seite. Ahmad war noch einen Augenblick stehen geblieben, aber auch er liess sich fallen, als ein Lichtstrahl die Dunkelheit durchschnitt. Ohne sich etwas dabei zu denken, schickte er einen Feuerstoss in die Richtung der Stimme und des Lichtes. Mehrere Feuerstösse antworteten ihm, und Ibrahim hörte einen unterdrückten Schrei und ein darauf folgendes leises Stöhnen. Ibrahim kümmerte sich nicht um das Schicksal seines Gefährten, der  offenbar getroffen war. Er war nur noch um seine eigene Sicherheit bedacht. Er hob seine Uzi, zielte und schickte eine kurze Salve in die Richtung der Lichtquelle. Augenblicklich ging das Licht aus, und Ibrahim, der sich weiter gerollt und noch im Rollen zwei Handgranaten aus seinem Gürtel losgemacht hatte, warf sie rasch hintereinander in die Richtung des Feindes. Dann nützte er die Verwirrung aus, welche die Explosionen bestimmt verursacht hatten, um sich weiter aus der Gefahrenzone abzusetzen.

    Er befand sich nun hinter den Angreifern, die er gegen den immer heller werdenden Osthimmel jetzt deutlich erkennen konnte. Er erhob sich vorsichtig und schlich mit der Lautlosigkeit einer Katze davon. Sollte Ahmad selbst sehen, wie er davon kommen könnte, falls er noch am Leben war! Wichtig war nur, dass der Schatz in Sicherheit war, was zählte da das Leben eines dummen Dorfbewohners aus Idlib. Seinen Weg zum Treffpunkt mit dem Vertreter des Chefs würde er auch so finden. Nach einigen hundert Metern Schleichens, bei denen er den Rucksack fest an sich gepresst hielt, damit ein mögliches Klingeln seines Inhalts ihm nicht zum Verräter werden konnte, begann er zu traben. Das aufkommende Morgenlicht zeigte ihm seinen Weg immer deutlicher, und bald hatte er die Stätte dieser unglücklichen Begegnung hinter sich gelassen.

    Die kurdische Patrouille

    Hauptmann Dogan Barzani sass in einem Zelt des vorgeschobenen Postens, von dem aus die Operationen der kurdischen YPG-Milizen in diesem Frontabschnitt geleitet wurden. Vor sich hatte er eine Karte der nördlich von ihm gelegenen Gegend, die er im letzten Licht des Tages nochmals aufmerksam studierte. Mit einem halben Ohr lauschte er auch der Mischung aus atmosphärischen Geknatter und abgerissenen Mitteilungen, die aus dem Funkgerät in der hinteren Ecke drangen. Dogan war Kurde, Mitte dreissig, von mittlerer Grösse. Er hatte eine Stirnglatze, aber buschige Augenbrauen und wies gegenwärtig einen mehrtägigen Stoppelbart auf. Beim Ausbruch des Bürgerkriegs hatte er sich sofort den kurdischen Milizen angeschlossen, die ihr Heimatland im Norden Syriens mit allen Mitteln zu verteidigen suchten. Zur grossen Enttäuschung seines Vaters war er immer noch unverheiratet, und Dogan lächelte wieder, als er sich an seine letzte Unterhaltung mit ihm erinnerte. Den vorwurfsvollen Ton hatte er immer noch im Ohr, mit dem ihm sein Vater die Geburt des fünften Kindes seines jüngeren Bruders verkündet hatte: „Fünf Kinder, und davon vier Söhne! Und was hast du? Nichts! Und jetzt willst du noch in den Krieg, wo du umkommen kannst, ohne Nachkommen zu hinterlassen, ohne Söhne, die deinen Namen weitertragen." Trotz diesen Vorhaltungen hatte er sich aber zur YPG gemeldet und bei diesen Milizen rasch eine leitende Funktion erhalten. Sein Tarnanzug schien allerdings nicht ganz zu seiner Gestalt und seinem Gesicht zu passen, was für jeden, der ihn kannte, auch nicht sehr verwunderlich war, denn in seinem zivilen Leben war Dogan Lektor für internationales Finanzwesen an der Universität von Damaskus gewesen.

    Er faltete die Karte zusammen, stand auf und verliess das Kommandozelt, um sich in seiner eigenen Unterkunft bereit zu machen. Sein Auftrag würde in drei Stunden beginnen und beides, sowohl Vorsicht als auch eine gute Portion Verwegenheit, erfordern. In den letzten Tagen hatten sich nämlich Gerüchte verdichtet, wonach die Türken bereitständen, in Syrien einzufallen. Er sollte deshalb feststellen, ob deren Truppen oder Vorausdetachemente allenfalls bereits die Grenze überschritten und syrisches Territorium infiltriert hätten. Seine Männer waren eine handverlesene Truppe von mehrheitlich ortskundigen Leuten, deren Kampfkraft über jeden Zweifel erhaben war. Das hatte ihm auch sein Kontaktmann zu den Amerikanern, Major Alexander ‚Sandy‘ McGuire, bestätigt, der von ihnen sehr beeindruckt war und gemeint hatte, sie müssten selbst den Vergleich mit den US Navy Seals nicht scheuen.

    Sie waren eine knappe Stunde vor Mitternacht von ihrem Stützpunkt aus aufgebrochen und hatten sich zunächst mit zwei Toyota Pick-ups bis zu einem verlassenen Dorf, wenige Kilometer von der türkischen Grenze entfernt, bringen lassen. Anschliessend waren sie zügig etwas weiter in Richtung der türkischen Grenze marschiert, doch bald einmal Richtung Osten abgebogen, um das Gebiet parallel zum Grenzverlauf zu durchkämmen. Dogan führte seine Männer mit Umsicht und unter weiträumiger Umgehung von Ruinen und anderen unübersichtlichen Stellen über die menschenleere Ebene. Bereits waren sie mehrere Stunden unterwegs, der Morgen war nicht mehr fern, und noch hatten sie keine Anzeichen von feindlichen Aktivitäten entdeckt. Dogan kontrollierte rasch seinen Standort mit seinem GPS-Gerät und stellte fest, dass sie nun bald wieder in südliche Richtung abbiegen mussten, um den Treffpunkt mit den Pick-ups zu erreichen.

    Da blieb einer seiner Männer plötzlich stehen und hob die Hand, dann kauerte er sich nieder. Die ganze Truppe liess sich sofort ebenfalls geräuschlos zu Boden gleiten, und alle spähten in die Richtung, die ihnen ihr Kamerad anzeigte. Dort bewegte sich etwas! Dogan hob sein Nachtglas an die Augen und suchte damit den Horizont ab. Zuerst konnte er nur einen Mann erkennen, dann aber löste sich auch eine zweite Gestalt aus dem Hintergrund. Zwei Männer, die sich im Gänsemarsch auf sie zu bewegten! Dogan flüsterte einige knappe Befehle nach links und rechts, seine Männer fächerten sich sofort auf und nahmen ihre Stellungen in der spärlich vorhandenen Deckung ein, in höchster Wachsamkeit und mit ihren AK-15‘s im Anschlag. Sein Adjutant, ausgerüstet mit einer starken Lampe, kauerte neben Dogan, bereit sie auf seinen Befehl einzuschalten. Die beiden Männer kamen rasch näher.

    Dogan legte das Fernglas weg, nahm seine AK-15 auf und richtete sich halb auf, dann rief er die beiden an:

    „Halt! Hände in die Höhe!"

    Gleichzeitig erfasste der Lichtkegel der Lampe die Stelle, an der die beiden standen – oder jedenfalls gestanden waren. Nur für einen kurzen Augenblick war noch ein einzelner Mann zu sehen, dann verschwand auch er. Gleichzeitig jedoch knatterte eine Salve in ihre Richtung. Eine zweite Salve kam von weiter rechts, die Einschläge lagen ungemütlich nahe an Dogan und seinem Adjutanten. Der Schütze hatte sich offensichtlich die Lampe zum Ziel genommen, aber bevor Dogan noch etwas sagen konnte, hatte der Adjutant bereits reagiert und die Lampe gelöscht. Mehrere von Dogans Milizionären feuerten nun ebenfalls, das gegnerische Mündungsfeuer hatte ihnen die Richtung auf die Ziele gezeigt. In der darauffolgenden Stille schien es Dogan, als hätte er ein unterdrücktes Stöhnen von drüben gehört, aber bevor er oder seine Männer etwas Weiteres unternehmen konnten, wurde das Morgengrauen durch zwei rasch aufeinander folgende Explosionen erschüttert. „Handgranaten, aber woher kamen sie? Kaum von der Stelle, an der die beiden Männer gestanden hatten", schoss es Dogan durch den Kopf. Einige Sekunden vergingen, bis das Läuten in seinen Ohren etwas abgeklungen war und er erwarten konnte, dass seine Leute ihn hören würden. Dann befahl er laut, in einem Umfassungsmanöver langsam vorzugehen und die Stelle, von der die einzelne Salve gekommen war, einzukreisen.

    Es ging nicht lange, dann stand Dogan vor einem zusammengekrümmt am Boden liegenden und leise stöhnenden Mann, dessen röchelnde Atemzüge verrieten, dass wenigstens ein Schuss seine Brust getroffen hatte. Dogan überlegte rasch: Der Mann lebte noch und konnte allenfalls ein wichtiger Informant werden. Er musste also am Leben erhalten und in ihr Lager transportiert werden. Es war keine Zeit zu verlieren, denn die Türken konnten auf das kurze Gefecht aufmerksam geworden sein. Ausserdem konnte der Mann hier ohnehin nicht untersucht und verbunden werden. Ein kurzer Blick auf sein GPS-Gerät verriet ihm, dass ihre Toyotas nur ungefähr eine halbe Stunde von ihrer derzeitigen Position auf sie warteten. Er kniete sich neben den Mann hin. Der schwache Schein seiner Taschenlampe genügte ihm, um festzustellen, dass der Mann offenbar erst wenig Blut verloren hatte, und dass er durchaus transportiert werden konnte. Er tastete er ihn kurz nach weiteren Waffen ab, dann untersuchte er rasch seine Taschen. Sonderbarerweise schien der Mann einiges Kleingeld lose bei sich zu tragen, doch als er die Münzen hervorgezogen, deren Gewicht bemerkt und einen kurzen Blick darauf geworfen hatte, erschrak er. Das war kein gewöhnliches Kleingeld, das war Gold! Der Mann musste eine Mission von ganz spezieller Wichtigkeit ausgeführt haben, sonst wäre er kaum in Gold bezahlt worden. Vielleicht waren das die neuen islamischen Dinare, welche der IS so vollmundig versprochen hatte. Rasch ging er nochmals alle Taschen im Gewand des Mannes durch, dann versorgte er die Münzen sorgfältig in seiner Kartentasche.

    Schliesslich richtete er sich wieder auf und befahl, eine improvisierte Trage zusammenzustellen und den Mann aufzuladen. Dann machten sie sich auf den Rückweg zu ihrem Treffpunkt.

    US-Base Tell Tamer, Syrien: Matt Sanderson

    Chief Inspector Matthew ‚Matt‘ Sanderson sass in verkrampfter Stellung mit eng angezogenen Beinen mitten unter einem Dutzend amerikanischer Soldaten in voller Ausrüstung im Bauch eines Blackhawk Helikopters und fragte sich, was ihn wohl am Zielort dieses Fluges erwarten würde. Eigentlich war er ein Fremdkörper in dieser Mission! Er hatte früher in Oxford griechische Geschichte und Kulturgeschichte studiert und hatte sich bereits bis zum Master vorgearbeitet. Bald hatte aber bald einsehen müssen, dass eine akademische Karriere, die in diesem Gebiet die praktisch einzige Möglichkeit war, seine Brötchen verdienen zu können, ihm wohl verwehrt bleiben würde, und so hatte er sich – zunächst ohne Erfolg – nach anderen Beschäftigungsmöglichkeiten umgesehen. Ein Freund hatte ihn schliesslich darauf aufmerksam gemacht, dass Scotland Yard auf der Suche nach Personen mit ‚klassischem Background‘ sei, welche den Behörden helfen und ihre Abteilung ‚Kulturgüterschmuggel‘ verstärken sollten. Er hatte sich beworben, eine Stelle erhalten, und er war in der Hierarchie rasch aufgestiegen. Seine Kenntnisse und seine analytischen Fähigkeiten hatten schliesslich dazu geführt, dass er von Scotland Yard für drei Jahre nach Lyon an die Interpol abgestellt worden war. Und nun dies!

    Erst gestern hatte er den Auftrag erhalten, sich so rasch als möglich nach Syrien zu begeben – Syrien! Kriegsgebiet! Terroristen! Lebensgefahr! – und sich dort mit einer heiklen und streng geheimen Angelegenheit zu befassen. Interpol hatte sämtliche Fäden gezogen und Beziehungen spielen lassen, und so war es tatsächlich gelungen, ihn innert kürzester Zeit an seinen Bestimmungsort zu befördern. Ein Flugzeug der US Air Force hatte ihn am Flughafen von Lyon abgeholt und nach Deutschland zur Luftwaffenbasis Ramstein gebracht. Von dort aus war er über Nacht nach Ain Assad in der Nähe von Bagdad geflogen worden. Und jetzt war er also wieder in der Luft, irgendwo an der irakisch-syrischen Grenze. Mit seiner Körpergrösse von beinahe zwei Metern hatte er sich nur mit Mühe in die beengten Bedingungen an Bord des Helikopters quetschen können, und schon nach einer halben Flugstunde hatten ihm alle Knochen wehgetan. Er versuchte, sich ein wenig auf die rechte Seite zu drehen, um sein linkes Bein etwas zu entlasten, erreichte aber bei dieser übung nur, dass das Rakrohr des daneben sitzenden GI sich ihm in die Rippen bohrte. Er schielte auf seine Uhr, ihm schien, es seien bereits Stunden vergangen, und sie müssten doch wohl bald am Ziel sein, aber die Uhr verkündete unbarmherzig, dass das Martyrium wohl noch eine gute Stunde dauern würde. Er gähnte und schloss die Augen; seit über dreissig Stunden hatte er nicht geschlafen, und er war hundemüde. Aber bei diesem Lärm war an Schlaf natürlich

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